Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
24. Dezember 2006

Von der Bosheit der schweren Sünde

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Der Mensch genügt sich nicht selbst. Er sucht sein Glück, seine Erfüllung außerhalb seiner, und er hat zwei Möglichkeiten. Entweder sucht und findet er sein Glück in Gott und in der gottgsetzten Ordnung oder er sucht, aber findet sein Glück nicht in einer gottabgewandten Haltung, in einem Geschöpf, das ihm Gott durch seine Gebote versagt hat. Es gibt den Weg des Heiles, und das ist der Weg der Gebote, und es gibt den Weg des Unheiles, das ist der Weg der Auflehnung gegen Gott. Die schwere Sünde ist die vollendete Abwendung von Gott und die vollendete verbotene Hinwendung zum Geschöpf. Sie führt zum Tode, und deswegen nennt man sie Todsünde. Sie tötet das übernatürliche Leben im Menschen. Die Todsünde geschieht, wenn der Mensch in einer wichtigen Sache mit voller Freiheit und voller Überlegung das von Gott Verbotene tut, sich gegen Gott entscheidet.

Die Bosheit der schweren Sünde liegt einmal darin begründet, dass sich das Geschöpf gegen den Schöpfer erhebt. Gott hat den Menschen mit seinen Fähigkeiten und Kräften geschaffen. Er hat ihm das hohe Gut der Freiheit geschenkt, und er will, dass diese Freiheit benutzt wird, um mit Sicherheit auf dem Weg der Gebote dem Heile zuzustreben. Der Sünder aber benutzt und missbraucht die Freiheit, um sich gegen Gott zu entscheiden. Nicht den Weg Gottes geht er, sondern den Weg der Hölle. Er benutzt seine Freiheit, Gottes Gesetz umzustoßen. Da stellt sich das Geschöpf gegen den Schöpfer.

Die weitere Bosheit der Sünde liegt darin, dass der Christ sich gegen seinen Erlöser entscheidet. Er wirft die Gotteskindschaft weg, die ihm Gott gegeben hat in der heiligen Taufe, die er bestärkt hat in der Firmung und die er immer wieder gekräftigt hat in der heiligen Eucharistie. Da empört sich der Knecht gegen den Herrn, das Kind gegen den Vater. Genau das ist das Wesen der Sünde. „Höre, Himmel, vernimm es, Erde, der Herr redet: Söhne habe ich großgezogen und erhöht, aber sie haben mich verachtet.“ So heißt es beim Propheten Isaias. Der Sünder macht Christi Erlösungswerk zunichte. Wozu ist er denn herabgestiegen vom Himmel? Wozu hat er denn im Futtertrog gelegen? Wozu ist er denn gewandert? Wozu ist er denn am Kreuze verblutet? Um uns zu erlösen. Wir aber machen in der Todsünde die Erlösertat Jesu zunichte. Wir schlagen das Christusbild, das in uns gebildet wurde, in Scherben. Wir machen es wie Judas: Wir verraten den Herrn um dreißig Silberlinge willen. Wir verfehlen uns auch gegen den Heiligen Geist, der das Tugendleben in uns aufgebaut hat, der uns immer wieder mit seinen Gaben beschenkt. Wie ein prasselnder Hagelschlag ist die Todsünde, wie eine Sturzflut, die das ganze Werk des Heiligen Geistes zunichte macht. Es ist etwas Furchtbares um die schwere Sünde!

Ihre Folgen sind verheerend. Wenn der Mensch eine Todsünde begangen hat, dann geht die ganze übernatürliche Herrlichkeit in ihm verloren. Das göttliche Leben hört auf; der Kontakt mit Gott ist zerbrochen. Der Mensch, der die Todsünde begeht, verhindert, dass das göttliche Leben weiter in ihn einströmt. Wir sind tote Glieder am Leibe Christi. Die Todsünde bringt uns um die Freundschaft Gottes und um die Einwohnung Gottes. Die Tugend der Gottesliebe, die Gottinnigkeit, die Freundschaft mit Gott hört auf; die Feindschaft gegen Gott beginnt.

Die Todsünde bringt auch Gewissensqualen. Gewiß versuchen Menschen, vielleicht viele Menschen, das Gewissen zum Schweigen zu bringen. Aber es gelingt nicht. In irgendeiner Stunde, bei irgendeiner Gelegenheit wird sich das Gewissen rühren und fragen: Was hast du getan!? Durch jede Todsünde wird außerdem die böse Begierlichkeit in uns gestärkt. Die Kräfte des Guten werden geschwächt, und die Macht des Bösen wächst. Die Begierlichkeit, die in uns lauert, wird durch die Todsünde gewissermaßen genährt. Und so leicht wird sie dann zum Laster, also zur vollendeten Sündhaftigkeit, die den Menschen immer wieder in die Sünde treibt. O hätte ich doch nie die erste Sünde begangen!

Die Sünde bringt auch irdisches Unglück, nicht immer gleich, nicht sofort, nicht immer sichtbar, aber auf die Dauer bringt die Sünde auch irdisches Unglück. „Du hast es befohlen, o Gott, und so ist es, dass seine Strafe sich selbst ist jeder ungeordnete Geist“, hat einmal der heilige Augustinus geschrieben. Du hast es befohlen, o Gott, und so ist es, dass seine Strafe sich selbst ist jeder ungeordnete Geist. Die nicht bereute Todsünde führt in die Hölle. Meine lieben Freunde, ich gehöre nicht zu denen, die das Evangelium abschwächen. Ich habe gelesen, dass der Herr x-mal und immer wieder von der Hölle und von der Gefahr der Hölle spricht, und ich werde nicht aufhören, auf diese Gefahr hinzuweisen. Wer in der Todsünde stirbt, dem ist die Hölle bestimmt.

Nicht alle Sünden sind Todsünden. Die Kirche hat mit Recht immer unterschieden zwischen der Todsünde und der lässlichen Sünde. Läßlich heißt nachlaßbar, leichter als die Todsünde. Freilich sagt der heilige Johannes: „Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.“ Und wie viele sagen das: Ich habe keine Sünde? Meine lieben Freunde, wir haben gestern Nachmittag hier zu zweit im Beichtstuhl hier gesessen. 3500 Katholiken gibt es in Budenheim, und wie viele sind gekommen? Nicht ein einziger! Die drei, die zu mir gekommen sind, waren von auswärts. Das ist die Lage! Das ist der Aufbruch, von dem uns die Herren Bischöfe erzählen wollen. Der Aufbruch? Das ist der Zusammenbruch!

„Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns“, schreibt der Apostel Johannes. Es gibt Todsünden, es gibt aber auch läßliche Sünden. Sie sind gewissermaßen die Zufahrtsstraße zur Todsünde. Die Todsünde hat ja immer drei Merkmale: eine wichtige Sache, klare Erkenntnis und freie Entscheidung. Wenn eines dieser Elemente fehlt, dann ist eine Todsünde nicht vorhanden. Deswegen müssen wir von lässlichen Sünden sprechen. Aber auch die lässliche Sünde beleidigt Gott. Auch sie ist eine Art Revolte gegen Gott, und sie muss, wenn sie nicht bereut wird, im Fegfeuer gebüßt werden.

Wir sprechen bei der lässlichen Sünde von der Wundsünde, und das ist richtig. Sie verwundet die Seele. Sie tötet nicht das göttliche Leben, aber sie verwundet die Seele. Sie ist eine Wunde, die das Wirken der Gnade in der Seele schwächt. Eine solche Seele wird kalt, und was das allerschlimmste ist, die lässliche Sünde führt zur Todsünde. Sie ist eine Wegbereiterin für die schwere Sünde. Die lässliche Sünde gewöhnt uns daran, zu Gott nein zu sagen, zunächst in kleinen Dingen, dann werden die kleinen Dinge immer größer, schließlich bringen wir auch in wichtigen Entscheidungen nicht mehr den Mut und die Kraft auf, uns für Gott zu entscheiden. Durch viele kleine Verstöße wird die Neigung, auch große Sünden zu begehen, gestärkt. Deswegen: Wer auf Gottes Bahn wandeln will, muss die lässliche Sünde, muss die freiwillige lässliche Sünde entschieden bekämpfen.

„Das Leben ist der Güter höchstes nicht, der Übel größtes ist die Schuld!“ So heißt es bei Friedrich Schiller. Das Leben ist der Güter höchstes nicht, der Übel größtes ist die Schuld! „Die Lust ist kurz, die Pein ist lang, so blitzesschnell der Zeiten Gang. Die Sünde, die dir Lust verspricht, ist süßes Gift. O trau ihr nicht!“ So hat der Volksmund gedichtet. Und das ist wahr.

Meine lieben Freunde, in wenigen Stunden werden wir vor der Krippe knien und das Jesuskind anbeten. Wenn es keine Sünden gibt, wie so viele Menschen sagen, wenn sie keine Sünden haben, wie sie behaupten, ja wozu ist es denn dann herabgestiegen auf die Erde? Wozu ist er denn im Futtertrog gelegen? Ja, was will er denn bei uns, wenn er uns nicht von den Sünden befreien will? Warum hat er denn den Namen Erlöser? Machen wir ihn nicht zum Lügner, indem wir uns stolz hinstellen wie der Pharisäer und sagen: Ich habe keine Sünden, sondern klopfen wir an die Brust und sagen wir: Ich habe gesündigt durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine übergroße Schuld. Mein Jesus, mein Heiland, verzeih mir, vergib mir! Reiß mich heraus aus meinen Lastern und laß mich auf dem Weg deiner Gebote wandeln.

Amen.

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