Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
27. August 2006

Das Recht des Menschen auf Eigentum

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Gott hat den Menschen nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen. Das besagt zunächst, dass er ihm Vernunft und freien Willen gegeben hat. Aber es bedeutet noch mehr. Er hat ihm auch einen Anteil an seiner Herrschaft über die Dinge dieser Welt gegeben. Wir sollten an seinem Königtum teilhaben. Der Mensch soll über die Tiere, über die Pflanzen, über das Land, über das Meer herrschen wie ein König und darüber verfügen. Das besagt: Der Mensch hat von Natur aus ein Recht auf Eigentum.

Das Tier sorgt nur für sich selbst. Es folgt seinen Instinkten und seinen Trieben. Es gebraucht die Dinge, gewiß, aber es besitzt sie nicht. Der Mensch dagegen besitzt die Dinge. Er denkt voraus und sorgt voraus. Er weiß, der Winter kommt, dass muss man Brennmaterial einschaffen, um heizen zu können. Der Mensch ist von Gott von Natur aus dazu ausgerüstet, für die Zukunft zu sorgen; denn der Mensch spürt die Verantwortung für sich und für die Seinen. Und die hohen geistigen Aufgaben, die der Mensch sich stellt, können nur erfüllt werden, wenn die materiellen Dinge befriedigend geregelt sind. Diese naturrechtliche Sichtweise wird bestätigt durch die Heilige Schrift, in der es heißt: „Macht euch die Erde untertan! Ihr sollt herrschen über die Fische im Meere, über die Vögel des Himmels und über alles Getier, das sich auf Erden regt. Euch sind sie in die Gewalt gegeben.“

Was naturrechtlich zu erheben ist, wird durch die Geschichte bestätigt. Die Menschen haben immer danach gestrebt, Eigentum zu besitzen. Sie wollen, dass von den Gütern der Erde ihnen etwas zu eigen gehört, über das sie nach ihrem eigenen Willen verfügen können. Man hat versucht, diese Naturordnung umzustoßen, teilweise oder gänzlich umzustoßen. Im Kommunismus sollten die Produktionsmittel niemandem zu eigen gehören, sondern Volkseigentum sein. Aber wir wissen, dass dieses Projekt gescheitert ist. Und sogar China, das am längsten am Kommunismus festgehalten hat, ändert jetzt seine Eigentumsordnung. Die Natur lässt sich eben auf die Dauer nicht unterdrücken. Deswegen braucht der Mensch Eigentum als Notwendigkeit, wenn die freie Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit erreicht werden soll. Ein alter Grundsatz lautet: Eigentum macht frei. Frei deswegen, weil das Eigentum uns von Abhängigkeiten, von drückenden Abhängigkeiten befreit. Eigentum macht frei. Das war das große Verdienst der Adenauerzeit, dass sie in unserer Gesellschaft die Gesetze geschaffen hat, die den Erwerb des Eigentums erleichtern: Eigenheime, Eigentumswohnungen als Beispiel nur genannt. Diese Gesetze sind zu dieser Zeit entstanden, weil Adenauer und seine Helfer auf den katholischen Sozialprinzipien ihre Gesetzgebung aufgebaut haben.

Eigentum kann auf viele Weise erworben werden. Die erste und wahrscheinlich auch primitivste Weise ist die Besitzergreifung von herrenlosem Gut. Am Anfang war ja die Erde unbewohnt und unbebaut. Gott gab sie den Menschen zu Besitz, und sie haben dann eben je nach ihren Kräften und nach ihren Fähigkeiten ein Stück Landes in Besitz genommen, haben es angebaut, haben es vermehrt und haben es vergrößert, und auf diese Weise sind sie zu Eigentum gekommen. Sie haben durch die Besiedelung das Eigentum erworben. Auch heute noch gibt es in einem gewissen Umfang herrenloses Gut. Etwa die Beeren im Walde, die wir sammeln, sind uns zur Aneignung gestattet. Im Meer dürfen wir Perlen und Muscheln uns aneignen, weil auch dieses herrenloses Gut ist. Also die Aneignung von herrenlosem Gut, die Besitzergreifung von herrenlosem Gut ist die erste Weise, Eigentum zu erwerben.

Wenn man Eigentum erworben hat, dann gibt es den Zuwachs. Der Bauer, der Landmann, erlebt, wie seine Felder Frucht tragen und wie seine Tiere Junge zur Welt bringen. Dieses alles ist sein Eigentum durch Zuwachs. Die häufigste Weise, Eigentum zu erwerben, ist aber heute die Arbeit und der Kauf. Arbeit verdient uns den Lohn, und der Kauf erwirbt uns das Eigentum an der gekauften Sache. Wir haben einen Anspruch darauf, wenn wir die Arbeit geleistet haben und wenn wir den Kaufpreis entrichtet haben. Weitere Formen des Eigentumserwerbs sind die Schenkung und die Erbschaft. Eltern vermachen ihren Kindern, was sie erarbeitet und erworben haben. Ein Gatte überlässt seiner Gattin das, was er in seinem Leben sich als Eigentum erworben hat. Freilich greift hier der Staat zu. Er hat die Schenkungssteuer eingeführt; er hat die Erbschaftssteuer eingeführt, und manchmal kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass beide Steuern teilweise ungerecht sind. Als der Fürst zu Thurn und Taxis in Regensburg starb, vermachte er sein Vermögen seiner Frau, und die Frau musste eine so hohe Erbschaftssteuer bezahlen, dass sie einen großen Teil ihres Eigentums veräußern musste, um die Erbschaftssteuer aufzubringen. In jedem Falle ist auch heute die Erbschaft eine wichtige Weise, zu Eigentum zu gelangen.

Das Eigentum ist aber dem Menschen nicht so übergeben, dass er damit machen könnte, was er will. Nein, der Mensch als Geschöpf und Kind Gottes ist nur Verwalter und Lehensträger des Eigentums. Er muss über seine Verwaltung Gott Rechenschaft ablegen. Gott selber hat dem Eigentum und seiner Verwendung Grenzen gezogen, die in der Natur der Sache, in der Gemeinschaft und dem eigenen Ich des Menschen liegen. In der Natur der Sache liegt es, dass man das Eigentum gebrauchen, aber nicht missbrauchen darf. Sie haben vielleicht gelesen und gehört, dass man in amerikanischen Staaten den Kaffee ins Meer geschüttet hat, damit der Preis nicht in den Keller fällt, oder das Getreide verbrannt hat, damit der Preis gehalten wird. Das ist Missbrauch des Eigentums; das ist kein Gebrauch, wie Gott ihn will.

Mit Rücksicht auf die Gemeinschaft gibt es ebenfalls Grenzen des Eigentums. Der Mensch muss an seine Mitmenschen denken, und der Staat muss dafür besorgt sein, dass jedem ein Minimum an Eigentum zur Verfügung gestellt wird. Auch hier wieder, meine lieben Freunde, müssen wir die Adenauerzeit rühmen, denn sie hat es verstanden, den Millionen von Heimatvertriebenen unter die Arme zu greifen durch den Lastenausgleich, der die Besitzenden veranlasste, einen Teil, einen Bruchteil ihres Vermögens abzugeben, um den mittellosen Heimatvertriebenen einen Anfang zu ermöglichen.

Auch mit Rücksicht auf die eigene Seele gibt es Grenzen des Eigentums; denn der Besitz darf uns nicht innerlich fesseln, er darf uns nicht zu Sklaven machen. Wir sollen ihn besitzen, und nicht er soll uns besitzen. Der Besitz wird zur Last, wenn er zum Geiz ausartet. Die Habsucht ist ein böses Laster. Der Volksmund sagt mit Recht: „Je mehr er hat, desto mehr er will.“ Die Menschen neigen dazu, das Vermögen ins Unbegrenzte zu vermehren. Sie neigen dazu, das, was sie erworben haben, festzuhalten und nicht auszugeben, und deswegen hat der Heiland so viele harte Worte über die Reichen gesprochen. „Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr“, also das größte Tier des Orients geht leichter durch ein kleines Löchlein, „als dass ein Reicher ins Himmelreich kommt.“  Er meint eben damit die verhärteten Reichen, die Reichen, die an dem Besitz kleben, die Reichen, die nichts hergeben wollen, die nichts von der sozialen Verpflichtung ihres Reichtums spüren. Das andere Extrem ist die Verschwendung. Auch diese Unart ist leider Gottes nicht selten. Leichtsinnig werden von Menschen, die ein reiches Erbe angetreten haben, die Güter verschleudert im faulen Nichtstun. Es ist eine Sünde gegen die eigene Existenz, gegen die Angehörigen und auch gegen die Gemeinschaft, wenn man das Geld zum Fenster hinauswirft. Der Christ soll ein treuer Verwalter seines Vermögens sein, denn er muss einmal Rechenschaft dafür abgeben. „Alles ist euer, ihr aber seid Christi“, schreibt der Apostel.

Deswegen gibt es Verfehlungen am Eigentum. Die Menschen suchen Eigentum zu erwerben auf unrechte Weise. Die primitivste Weise ist der Diebstahl, und der Diebstahl ist nicht selten. Die Warenhäuser klagen darüber, dass im Laufe eines Jahres Milliardenwerte durch Diebstahl entwendet werden. Die Diebe rekrutieren sich aus allen gesellschaftlichen Klassen. Es sind nicht nur Arme und Bedürftige, die zugreifen, sondern auch Wohlhabende und Reiche. Diebstahl ist eine schäbige Angelegenheit. Wer fremdes Gut heimlich wegnimmt, verfehlt sich gegen Gott und seine Ordnung. Mit Gewalt entreißt der Räuber einem anderen sein Eigentum, und Raub ist nicht selten. Als ich vor Jahren einmal in Rom war, baten mich zwei Deutsche, die mit ihrem Auto in Rom herumfuhren, ihnen etwas zu zeigen. Ich führte sie in die Caracalla-Thermen. Als wir zurückkamen, war das Auto erbrochen, der gesamte Besitz, Fotoapparat, Pässe, alles entwendet, geraubt von irgendwelchen Straßenräubern. Der Betrüger, der seine Mitmenschen hintergeht mit falschem Maß, mit falschem Gewicht, mit schlechter Arbeit, mit schlechter Ware, ist ebenfalls einer, der sich gegen das Gesetz des Eigentums verfehlt. In unseren Breiten kommt so etwas vor allem beim Wein vor. Sie erinnern sich vielleicht an den Glykol-Skandal, der vor einigen Jahren in Bingen aufgedeckt wurde. Und so mancher Winzer versucht eben seine Weine zu schönen mit unrechten Mitteln. Das ist Betrug. Betrug ist natürlich auch, wenn man schlechte Arbeit leistet und den Preis dafür einzieht. Der Wucherer nimmt zuviel Zinsen von dem, dem er Geld leiht. Wucher ist ein schlimmes Laster. Mit freundlicher Miene wird eine Hilfe angeboten und dann ein viel zu hoher, ungerechtfertigter Zins verlangt. Auch der unredliche Finder vergeht sich am Eigentum. Gegenstände, die einen beträchtlichen Wert haben, muss man in jedem Falle zurückgeben. Auch der Schuldenmacher, der seine Schulden nicht bezahlt, verfehlt sich gegen die Eigentumsordnung, und der Bankrotteur, der sein Geschäft in den Abgrund stürzt und dabei selbst unbeschadet bleibt.

Eine letzte Weise, sich gegen die Eigentumsordnung zu verfehlen, ist die Beschädigung fremden Eigentums. Sie kann durch Leichtsinn und Fahrlässigkeit geschehen, aber auch mit Absicht, aus Bosheit, aus Neid. Auch da kann ich Ihnen ein Erlebnis aus meiner Jugend erzählen. Vor dem Haus, in dem wir wohnten, stand immer ein Lastzug, ein aus zwei Teilen bestehender, gewaltiger Lastzug mit riesigen Rädern, denn der Fahrer des Lastzuges wohnte gegenüber in dem Haus. Eines Tages, als wir hinausschauten, war die Luft aus den Rädern entwichen. In der Nacht hatte jemand die Reifen durchstochen, um dem Lastwagenfahrer oder seinem Dienstherrn zu schaden. Solche absichtlich herbeigeführten Schäden sind leider Gottes nicht selten. Aus Haß, aus Abneigung, aus Bosheit wird einem anderen Schaden zugefügt.

Die Eigentumsordnung fordert, dass man angerichteten Schaden wieder gut macht. Wir Beichtväter wissen, dass wir einen, der sich am Eigentum vergriffen hat, nicht lossprechen können, wenn er nicht den Willen hat, den Schaden zu beseitigen oder ihn schon beseitigt hat. Denn die Wiedergutmachung gehört zum Vorsatz, und ohne diesen Vorsatz ist die Beichte nicht gültig. Es ist also eine ernste Sache, die Wiedergutmachung von unrecht angeeignetem Besitz anderer zu leisten. Wir müssen auf dieser Weise dem Herrn dienen, der uns das Eigentum zu treuen Händen anvertraut hat.

Vor allem aber noch eins, meine lieben Freunde: Wer Eigentum besitzt, sollte großmütig damit umgehen. Er sollte an die denken, denen es viel schlechter geht, die weniger besitzen, die in Not sind, und die Not ist ja unbegreiflich groß in unserer Umgebung und erst recht in fremden Ländern. In der Apostelgeschichte wird ein Wort zitiert, das nicht in den Evangelien steht, das aber vom Herrn stammt, nämlich das Wort: „Geben ist seliger als Nehmen.“ Wahrhaftig, ein schönes Wort. Geben ist seliger als Nehmen. Was man Gutes hat, das nimmt einem der Tod, aber was man Gutes tut, das gibt einem der Himmel zurück.

Amen.

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