Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
9. August 1987

Die eine wahre Kirche

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Als der böse Feind sah, daß die Götzentempel verödeten und das Heidentum zusammenbrach, da ersann er eine neue List. Er ließ nämlich aus dem Schoße der Christenheit Irrlehren entstehen, und so haben sich in den 2.000 Jahren christlicher Geschichte Hunderte und Aberhunderte von selbständigen sogenannten Kirchen gebildet, die der von Christus gestifteten Kirche Konkurrenz zu machen sich bemühten. Christus aber hat nur eine Kirche gegründet als Trägerin der Wahrheit, und es muß, wenn immer diese Kirche ihre Funktion und ihren Auftrag erfüllen soll, möglich sein, sie zu erkennen, sie zu unterscheiden von jenen Gebilden, die ohne und gegen Gottes Willen neben ihr und nach ihr hervorgebracht worden sind.

Diese Möglichkeit besteht tatsächlich. Es gibt Mittel, die wahre Kirche von späteren Erzeugnissen zu unterscheiden.

Ein entscheidendes Merkmal der wahren Kirche ist, daß sie überall und immer am meisten verfolgt wird. So hat es der Herr vorausgesagt: „Haben sie mich verfolgt, werden sie auch euch verfolgen. Der Knecht ist nicht über dem Herrn. Sie werden euch vor Statthalter und Könige schleppen, ja es kommt die Stunde, da jeder, der euch tötet, Gott einen Dienst zu tun glaubt.“ An keinem Gebilde, das sich auf Christus beruft, hat sich diese Weissagung des Herrn so erfüllt wie an der katholischen Kirche. 2.000 Jahre Kirchengeschichte sind auch 2.000 Jahre Verfolgung. Am meisten verfolgt werden diejenigen Christen, seien es geweihte oder ungeweihte, die sich am energischsten und am vorbehaltlosesten für Gott, seine Wahrheit und seine Kirche einsetzen. Ich will aus der 2.000-jährigen Geschichte nur ein Beispiel erwähnen, nämlich den sogenannten Kulturkampf in unserem deutschen Vaterland. In diesem Kulturkampf, der in den Jahren 1871 bis 1875 etwa – jedenfalls in seiner heißesten Phase – tobte, in diesem Kulturkampf wurden viele deutsche Bischöfe ins Gefängnis gesperrt. Der Erzbischof von Köln war ein halbes Jahr im Gefängnis, der Erzbischof von Posen-Gnesen ein ganzes Jahr, ebenso der Bischof von Trier ein Jahr und der Bischof von Paderborn, Martin, ein halbes Jahr.

241 katholische Priester wurden zu Geld- oder Gefängnisstrafen verurteilt, weil sie die Messe lasen und Sterbenden die Sakramente spendeten. 136 katholische Redakteure und 261 andere Laien wurden mit Strafen belegt, weil sie dieses Vorgehen der Regierung mißbilligten.

Das, meine lieben Freunde, ist ein Beispiel für die Verfolgung der katholischen Kirche. Im Kampfe gegen diese Kirche – das ist das Merkwürdige – sind sich alle einig. Es war schon zur Zeit Jesu so; damals wurden nämlich Herodes und Pilatus Freunde, die vorher Feinde gewesen waren. In der gemeinsamen Gegnerschaft gegen Jesus begründeten sie ihre Freundschaft. So ist es auch immer gewesen, daß die von der katholischen Kirche abgespaltenen Gemeinschaften, so unterschiedlich sie untereinander sind und so sehr sie sich gegenseitig bekämpfen, einig sind in der Ablehung, im Kampfe und in der Verunglimpfung der katholischen Kirche. Die Freiheit wird für alle gewährt, die Pressefreiheit, die Meinungsfreiheit, die Versammlungsfreiheit, die Vereinsfreiheit, aber wenn alle diese Freiheiten von der Kirche in Anspruch genommen werden sollten, dann werden diese Freiheiten ihr versagt.

Die wahre Kirche ist diejenige, die am meisten verfolgt wird. Es ist kein Zweifel: Das ist die katholische Kirche!

Ein weiteres Kennzeichen: Die wahre Kirche ist da, wo der Fels ist, denn auf einen Felsen hat Christus seine Kirche gebaut. Der Fels aber ist Petrus, und dieser Fels lebt fort in den Nachfolgern Petri. Wo der Papst ist, da ist die Kirche. Ohne Papst kann die katholische Kirche, die Kirche Christi nicht sein. Und diejenigen Kirchen oder Sekten, die den Papst bekämpfen oder ablehnen, können nicht die wahre Kirche Christi sein.

Es gibt vier Merkmale zu den beiden genannten, welche die wahre Kirche auszeichnen. Die wahre Kirche muß nämlich einig, heilig, katholisch und apostolisch sein.

Sie muß einig sein, d.h. die Wahrheit, die Lehre also, die Gnadenmittel und das Oberhaupt müssen einig sein. Das gilt es bei der katholische Kirche festzustellen. Allen Abweichungen, allen Verirrungen zum Trotz, die – Gott sei es geklagt – auch in dieser Kirche vorkommen, ist diese Kirche einig in der Lehre, einig in den Gnadenmitteln und Sakramenten, einig im Oberhaupt. Irrlehrer verlieren automatisch die Kirchengliedschaft, so daß man also nicht sagen kann: Aber in der katholischen Kirche wird ja auch Irriges gelehrt. Nein, nicht in der katholischen Kirche! Wer Irriges lehrt, verliert die Kirchengliedschaft, er ist nicht mehr Glied der Kirche. Ob das Irrige von den Bischöfen ausgesprochen wird oder nicht, spielt keine Rolle, es ist so! Denn zur Kirchengliedschaft gehört notwendig das Bekenntnis des wahren Glaubens. Wer sich hartnäckig vom katholischen Glauben, auch nur von einer Wahrheit dieses Glaubens abwendet, der geht der Kirchengliedschaft verlustig.

Diese Kirche ist heilig, d.h. sie hat die Mittel und die Fähigkeit, die Menschen zur Heiligkeit zu führen. Ihre Lehre ist groß, erhaben und würdig. Ihre Gnadenmittel, vor allem Bußsakrament und Eucharistie, vermögen den Menschen zur Heiligkeit zu führen. Die evangelischen Räte, die besonders in den Orden gelebt werden, sind vorzügliche Mittel der Heiligung. Diese Kirche ist also fähig, Heilige heranzubilden, und sie ist darum fruchtbar und heilig. In jeder Zeit gibt es offenkundige oder verborgene Heilige. Wir wissen das manchmal nicht, auch wenn es in unserer Nähe vorkommt, daß ein Mensch heroische Tugenden besitzt. Erst wenn jemand den Schleier lüftet, der über seinem Leben liegt, da sieht man, welche Last ein Mensch trägt, wie er sie wunderbar in der Geduld Christi trägt, wie er aushält, so wie unser Herr ausgehalten hat, und wie er deswegen zur Heiligkeit heranreift.

Die wahre Kirche muß katholisch sein. Katholisch heißt soviel wie allgemein, d.h. sie muß die Absicht und die Fähigkeit haben, die Menschen aller Zeiten und aller Zonen in sich aufzunehmen; denn der Herr ist für alle Menschen gestorben, er lädt alle ein, sich seiner Kirche anzuschließen. Er hat die Apostel zu allen Völkern gesandt, sie sollen alle Völker zu seinen Jüngern machen. Und so hat es die Kirche auch getan. Sie hat die herrschsüchtigen Römer und die geistesstolzen Griechen, die rauhen Germanen und die fremdenfeindlichen Slawen in sich zu fassen vermocht, sie hat ihre Glaubensboten ausgesandt in alle Kontinente, von Australien bis in die Arktis, und überall ist es ihr gelungen, Menschen für sich zu gewinnen, so daß aus der virtuellen Katholizität die aktuelle Katholizität geworden ist.

Die wahre Kirche ist apostolisch, d.h. sie stammt aus den Zeiten der Apostel. Ihre Einrichtung ist im wesentlichen dieselbe wie zur Zeit der Apostel, und ihre Vorsteher hängen mit den Aposteln als ihre Nachfolger zusammen wie die Glieder einer Kette. Eben das ist bei der katholischen Kirche, und in vollem Sinne nur – nur! – bei der katholischen Kirche der Fall. Sie stammt aus der Zeit der Apostel. Sie hat das apostolische Erbe bewahrt. Ihre Bischöfe stehen in der apostolischen Sukzession, sind deswegen die Nachfolger der Apostel. Alle anderen sind von ihr abgespalten, haben selbstverständlich aus diesem goldhaltigen Berg Goldgüter mitgenommen, das sind die Spuren der Kirche. Aber es gibt nur eine wahre Kirche, und das ist die katholische!

Ein berühmter Konvertit des vorigen Jahrhunderts, nämlich der Graf Stollberg, der vom evangelischen Glauben zur katholischen Kirche übergetreten ist, wurde einmal wegen seiner Konversion von Protestanten zur Rede gestellt. Einer sagte zu ihm: „Man wechselt seine Religion nicht!“ „Sie haben ganz recht,“ sagte Stollberg zu ihm, „man wechselt seine Religion nicht. Wenn meine Vorfahren nicht von der katholischen Kirche abgefallen wären, hätte ich nicht in sie zurückzukehren brauchen.“

Wahrhaftig, es ist nun einmal so, meine lieben Freunde, die eine, wahre Kirche ist auch heute, trotz aller Verunstaltungen, die Menschen ihr zufügen, trotz aller Mißbräuche, die wir nur allzu gut kennen, trotz aller Uneinigkeit, die wir beklagen, die wahre, katholische Kirche ist auch heute für den, der willens ist, zu sehen und zu erkennen. Auch heute gilt, was der Mitarbeiter Luthers, Melanchthon, einmal seiner katholischen Mutter geschrieben hat: „Protestantisch ist besser zu leben, katholisch ist besser zu sterben.“ Und noch etwas anderes hat er geschrieben: „Die neue Religion hat den Schein für sich, die katholische Religion hat die größere Sicherheit.“

Deswegen, meine lieben Freunde, wollen wir allen Ärgernissen, Ängsten und Sorgen zum Trotz bei dieser Kirche ausharren, wollen uns von ihr nicht trennen, wollen ihr unsere Kräfte weihen, wollen dafür beten und arbeiten, daß sie wieder erstrahlt als das, was sie nach Gottes Willen sein soll: die Stadt auf dem Berge.

Amen.

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