Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
21. März 1993

Über Christus als den wesensgleichen Sohn des Vaters

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Das bayerische Landeskriminalamt hat eine Fälscherbande ausgehoben, die Dollarnoten herstellte. Im Verbrecherjargon nennt man diese falschen Banknoten Blüten. Sie sehen den echten ähnlich, manchmal täuschend ähnlich, aber sie sind eben Falschgeld. Falschmünzerei wird aber nicht nur im Geschäftsverkehr betrieben, Falschmünzerei gibt es auch in der Theologie.

Die Persönlichkeit Jesu wird uns von den ersten drei Evangelisten, den Synoptikern, als über jedes Menschenmaß hinausgehend beschrieben. Er überbietet alles, was bisher Menschen gesagt und getan hatten, und deswegen bezeichnen ihn die Evangelisten als den Sohn Gottes.

Das Wort „Sohn Gottes“ kann aber in einem sehr verschiedenen Sinne gebraucht werden. Zum Beispiel wird der König von Israel auch als Sohn Gottes bezeichnet, obwohl jedermann weiß, daß er eben ein Mensch ist wie jeder andere. Das Volk Israel wird als Sohn Gottes bezeichnet, und die Gerechten werden als Kinder Gottes bezeichnet. Alle diese eben genannten Personen sind angenommene Söhne Gottes, Adoptivsöhne, aber keine wesensgleichen Söhne Gottes. Man muß also sehr gut unterscheiden zwischen der Bezeichnung „Sohn Gottes“ als Liebesverhältnis des Menschen zu Gott und als Annahmeverhältnis von seiten Gottes – und dem Sohne Gottes, der das Wesen vom Vater hat, der wesensgleich mit dem Vater ist, der der eingeborene, der einziggeborene Sohn des Vaters ist.

Und eben da setzt die Falschmünzerei ein. Sie können bei ungläubigen Theologen ohne weiteres der Bezeichnung „Sohn Gottes“ begegnen, z.B. bei dem völlig ungläubigen Josef Blank. Er bezeichnet Jesus durchaus als Sohn Gottes, aber dieser Sohn Gottes ist für Blank zwar einzigartig, jedoch nicht exklusiv. Auch solche, die ihre Feinde lieben, sind Söhne Gottes. Nach Blank ist Jesus der Sohn Gottes, weil er die wahre, gültige und bleibende Kunde von Gott bringt. Also nicht das Wesen Jesu ist göttlich, sondern seine Kunde, seine Botschaft ist göttlich.

Das nenne ich Falschmünzerei. Hier wird von den Schultern Jesu der Königsmantel der Gottessohnschaft herabgezogen, und er wird zu einem bloßen Menschen gemacht, der aufgrund seiner Ergebenheit gegen den Willen des Vaters, aufgrund der Treue zu der Sendung, die ihm aufgetragen wurde, Sohn Gottes genannt wird. Nein, der Sohn Gottes, wie der Glaube bekennt, ist ein anderer. Er überbietet alles und er vereinigt alles, was sonstige Söhne Gottes in sich tragen mögen. Er ist der wesensgleiche Sohn Gottes, der sein Wesen, sein Wollen, sein Erkennen, sein Lieben vom ewigen Vater hat. Er steht in einem einzigartigen Verhältnis zu diesem Vater. „Wer den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist, der ist mir Bruder, Schwester und Mutter. Wer sich zu mir bekennt vor den Menschen, den werde ich vor meinem Vater im Himmel bekennen.“

Jesus weiß sich an der Seite des Vaters in einem einzigartigen Sinn. Er faßt sich nie mit den anderen Menschen in bezug auf Gott zu einem gemeinsamen Wir zusammen. Er sagt niemals „wir“, er sagt niemals „unser“. Er sagt immer „Ihr und ich“, „euer Gott und mein Gott“, und hebt damit den unüberbrückbaren Abgrund hervor, der zwischen seiner Gottessohnschaft und der Gotteskindschaft der anderen liegt. Man unterscheidet diese beiden Wirklichkeiten in die Ausdrücke moralische Gottessohnschaft, die alle Menschen haben, die in der Gnade sind, und metaphysische Gottessohnschaft, die ihm allein zukommt.

Weil er der metaphysische Sohn Gottes ist, deswegen ist er der Herr des alttestamentlichen Gesetzes. Er ist nicht nur ein Vollmachtträger, sondern er ist der Herr, der Herrscher, der die Welt in seiner Verfügung hält. Deswegen kann er sagen: „Den Alten ist gesagt worden: Ihr sollt nicht töten! Ich aber sage euch: Wer seinen Bruder nur haßt, der ist schon ein Mörder!“ Alle diese Alternativen, die wir in der Bergpredigt finden, zeigen sein einzigartiges Gottessohnbewußtsein. „Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt wurde: Du sollst nicht töten! Wer tötet, der soll dem Gerichte verfallen sein. Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder nur zürnt, der wird des Gerichtes schuldig sein! Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt wurde: Du sollst nicht ehebrechen! Ich aber sage euch: Jeder, der ein Weib nur lüstern ansieht, hat schon Ehebruch mit ihr begangen. Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt wurde: Du sollst nicht falsch schwören! Ich aber sage euch: Ihr sollt überhaupt nicht schwören! Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt wurde: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ich aber sage euch: Ihr sollt dem Bösen nicht widerstehen! Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt wurde: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen! Ich aber sage euch: Liebet euere Feinde!“

Hier ist mehr als Salomon, hier ist mehr als Jonas, hier ist mehr als der Tempel, ja hier ist sogar mehr als der Stammvater David. Jesus hat ein einzigartiges Bewußtsein seiner göttlichen Würde, an ihm scheiden sich alle Wege und Schicksale, an seinem Ich trennen sich alle Geister, um seinetwillen wird das Gute getan, mit ihm stirbt die Hölle ab. Er ist der Mittelpunkt, er ist der Kern der Weltgeschichte, und er ist derjenige, der berechtigt ist, Sünden zu vergeben. Er sendet seine Jünger mit göttlicher Vollmacht aus und verbürgt ihnen, daß er bei ihnen ist bis ans Ende der Welt.

Dieser einzigartige Mensch, dieser einzig göttliche Mensch Jesus Christus ist wahrhaft Gottes Sohn in einer von allen anderen Gottessöhnen wesenhaft verschiedenen Weise. Und diese Gottessohnschaft ist nicht das Ergebnis einer Entwicklung. Der Zwölfjährige weiß sich genauso als Gottessohn wie der Dreißigjährige. Sie ist auch nicht das Ergebnis eines starken Erlebnisses. Die ungläubigen Theologen meinen, er sei zum Gottessohn geworden bei der Taufe im Jordan, das sei seine Messiasweihe gewesen. Bei der Taufe im Jordan hat sich der Vater im Himmel zu seinem Sohn bekannt. „Das ist mein einziggeliebter Sohn!“ Aber da ist nicht Jesus erst zum Gottessohn geworden! Er ist auch nicht deswegen der Gottessohn, weil er aus der Jungfrau Maria geboren wurde, sondern weil er der Gottessohn ist, deswegen wurde er aus der Jungfrau Maria geboren. Es ist also nicht so wie in der griechischen Mythologie, wo die göttlichen Männer aus der Zeugung eines Gottes mit einer irdischen Frau entstehen. Nein: Weil Jesus der Gottessohn ist, deswegen hat Gott ein unübersehbares Zeichen gesetzt, indem er ihn aus einer Jungfrau entstehen ließ.

Das Wort „Sohn“ besagt nicht, daß in Gott irgendeine geschlechtliche Differenzierung sei, sondern das Wort „Sohn“ will nur ausdrücken das Verhältnis des Gebens und des Empfangens, weil die zweite Person in Gott alles von der ersten empfängt: Wesen, Sein, Erkennen, Wollen, Lieben. Wegen dieser Beziehung heißt die zweite Person in Gott „Sohn“. Sie könnte auch „Tochter“ heißen, aber sie heißt „Sohn“, und das wird seinen guten Sinn haben. Der Sinn ist darin zu erblicken, daß eben die zweite Person in Gott bestimmt war, in der Öffentlichkeit der Welt zu wirken, und dieses Wirken ist nun einmal dem Manne in einer anderen Weise eigen als der Frau. Die heutigen Emanzipationsbestrebungen haben mit dem Christentum nichts zu tun.

Der Sohn, der Jesus war, ist also wesenhaft eins mit Gott, und das hat Jesus auch bei den Synoptikern, bei den ersten drei Evangelisten, deutlich ausgesprochen. Es gibt eine Stelle, die man als die sogenannte johanneische Stelle bei den Synoptikern bezeichnet, und sie lautet: „In jener Zeit hub Jesus an und sprach: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, daß du dieses vor Weisen und Klugen verborgen, Kleinen aber geoffenbart hast. Ja, Vater, denn also ist es wohlgefällig gewesen vor dir. Alles ist mir von meinem Vater übergeben, und niemand kennt den Sohn als der Vater, und auch den Vater kennt niemand als der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will.“

An dieser berühmten Stelle im 11. Kapitel des Matthäusevangeliums deckt Jesus den Urgrund seines Wesens auf. „Alles ist mir von meinem Vater übergeben, und niemand kennt den Sohn als der Vater“, der himmlische Vater selbstverständlich, von dessen Wesen er ist, „und niemand kennt den Vater als der Sohn und wem der Sohn es offenbaren will.“ Hier wird das gesamte Wesen, das gesamte Erkennen, das gesamte Wirken Jesu auf den Vater zurückgeführt. Er ist der wesensgleiche Sohn des Vaters.

Diese Selbstaussage hat Jesus feierlich bekräftigt vor dem Hohenpriester. „Ich beschwöre dich bei Gott, dem Hochgelobten, sage uns, ob du bist der Christus!“ „Ja,“ sagt Jesus, „ich bin der Sohn Gottes!“ Der Sohn Gottes nicht in dem Sinne nur, daß er der Vollmachtträger Gottes ist, sondern der Sohn Gottes in dem Sinne, daß er an die Seite Gottes rückt. Es sind nämlich, meine lieben Freunde, viele Pseudomessiasse aufgestanden, also viele Männer, die sagten: Ich bin der Messias, ich bin der Gottgesandte, ich bin der Sohn Gottes im moralischen, adoptiven Sinne. Keiner von diesen Männern ist vom Hohen Rat zum Tode verurteilt worden, denn das war keine Gotteslästerung, daß man sich als Messias ausgab. Aber wenn man sich als den wesenhaften Sohn Gottes bezeichnete, wie es Christus tat, unser Heiland, dann galt das als Gotteslästerung, und deswegen mußte Jesus sterben.

Christus hat seinen Anspruch bekräftigt durch seine Wunder, Krankenheilungen, Dämonenaustreibungen, Totenerweckungen, Naturwunder. Die Wunder Jesu hatten nicht in erster Linie den Zweck, einer augenblicklichen Not abzuhelfen. Das sieht man schon daraus, daß es damals viel mehr Kranke gab, als Jesus geheilt hat. Sie hatten natürlich auch nicht den Sinn, eine Schau abzuziehen. Im Gegenteil: Jesus weigerte sich, Schauwunder zu wirken. Wo ihm der Glaube nicht entgegenkam, da konnte er keine Wunder wirken, nicht weil seine Macht versagte, sondern weil er die Wundermacht erhalten hatte, um die Menschen zum Glauben zu führen. Und wo verstockte Herzen und verblendete Geister sind, die nicht bereit sind, sich von seinen Machttaten zum Glauben führen zu lassen, da verzichtet er darauf, seine Wundermacht einzusetzen. Die Machttaten Jesu sind Offenbarungen seiner Herrlichkeit, sie sind Zeichen seiner göttlichen Herkunft und seines göttlichen Wesens, sie sind Merkmale, daß Gott mit ihm ist und in ihm wirkt.

Sieht man diese Bedeutung der Wunder, dann begreift man auch die Gefahr, die darin liegt, wenn Männer wie der jetzige Bischof von Rottenburg viele Wunder leugnen. Kasper ist der Meinung, daß wir viele Wundergeschichten der Evangelien als legendarisch bezeichnen müssen. Sogenannte Naturwunder braucht man nach seiner Theologie mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht als historisch anzusehen. Ich weiß nicht, ob Kasper weiß, was er hier ausspricht. Seine Bücher werden weiter verkauft, sie erleben eine Auflage nach der anderen.

Die Wunder Jesu bekräftigen sein Wort, und seine Worte deuten seine Wunder. Wunder und Worte sind Anrufe an die Menschen. Sie sollen sich der Herrlichkeit Gottes beugen, sie sollen sich der Herrschaft Gottes unterwerfen. Das ist der Anruf, das ist die Aufforderung, die von Wundern und Worten Jesu ausgeht. Man kann sich mit Ausreden sowohl den Worten wie den Wundern Jesu entziehen. Man kann sagen, das sei natürlich zu erklären, wir wissen vorläufig nicht, wie das zu erklären ist, das wird sich später aufklären. Nein, das sind Ausflüchte.

Die Wunder Jesu sind untrennbar mit seiner Persönlichkeit, mit seinem Auftreten verbunden. Wer die Wunder aus dem Leben Jesu entfernt, zerstört seine Persönlichkeit und sein Wirken. Es gibt angesichts der in den Evangelien berichteten Wunde Jesu zwei Möglichkeiten, meine lieben Freunde, nämlich: Entweder hat die Kirche zweitausend Jahre etwas Falsches gelehrt, und dann können wir sie zumachen, oder die Kirche hat recht, und dann müssen wir uns den Wundern und den Worten Jesu beugen, dann müssen wir mit Petrus vor unserem Herrn und Heiland auf die Knie fallen und sagen: „Du bist Christus, nicht nur der angenommene, der Adoptivsohn Gottes, sondern der wesensgleiche, der einziggeborene, der einzige Sohn Gottes!“  

Amen.

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