Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
28. Dezember 1986

Fest der Unschuldigen Kinder

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Seit dem 5. Jahrhundert ist das Fest der Unschuldigen Kinder mit dem Weihnachtsfest verbunden – und das mit Recht; denn diese Kinder sind ja wegen der Geburt des Heilandes um ihr Leben gebracht worden. Es ist eigentlich ein schauererregendes Bild, das uns das heutige Evangelium entrollt. Sehen wir uns einmal die Szene an! Es handelt sich um den Ort Bethlehem. Bethlehem liegt 777 Meter hoch über dem Mittelmeer, 8 Kilometer südlich von Jerusalem, ein Ort, der damals vielleicht 2000 Einwohner gehabt hat. Es ist die Davidsstadt, denn aus dieser Stadt stammt der König David. Es ist der Geburtsort unseres Herrn und Heilandes. Kaiser Konstantin hat über der Geburtsstätte Jesu eine Basilika errichten lassen, die noch heute steht. Das ist die Örtlichkeit. Wie steht es mit der Zeit? Wir befinden uns etwa im Jahre 7. Ja, werden Sie sagen, ist nicht der Herr im Jahre 1 geboren worden? Nein, Christus ist 7 vor Christus geboren. Das hängt damit zusammen, daß derjenige, der die christliche Zeitrechnung geschaffen hat, aufgrund der unvollkommenen astronomischen Mittel sich verrechnet hat. Es handelt sich um den skytischen Mönch Dionysiius Exiguns. Er hat im Jahre 525 die heutige, die christliche Zeitrechnung begründet, auf Befehl des Papstes. Vorher hat man andere Zeitrechnungen gehabt, vor allem die „ab urbe condita“, nämlich von der Gründung der Stadt Rom. Dieses Ereignis  hat man im Jahre 753 oder 754 vor Christus angesetzt, und danach hat man die Jahre gezählt. Oder man rechnete nach den Konsuln. Im Jahre des Konsul Varro; im ersten Jahre des Konsul Marius. Weil also ein Rechenfehler vorgekommen ist, deswegen müssen wir sagen: Christus ist nicht im Jahre 1 unserer Zeitrechnung geboren, sondern sechs Jahre früher. Wir müssen die Geburt Christi in das Jahr 7 vor Christus legen.

Und zu dieser Zahl stimmt sehr gut der Wunderstern, der die Weisen nach Jerusalem geführt hat. Denn im Jahre 7 v. Chr. gab es ein Himmelszeichen, das nur in mehreren hundert Jahren einmal vorkommt, nämlich die Konjunktion der beiden Planeten Saturn und Jupiter. Was ist eine Konjunktion? Nun, das ist ein Hintereinanderstehen von zwei Sternen, natürlich nur vom Menschen aus gesehen, von der Erde aus betrachtet. Im Jahre 7 war es soweit, daß dreimal in diesem Jahre die beiden Planeten Jupiter und Saturn nur um 1 Grad voneinander abwichen, also fast hintereinander, fast genau hintereinander standen und darum die Lichtwirkung gewaltig vermehrten. Kepler, der große Astronom, hat in dieser Konjunktion nicht den Wunderstern gesehen, sondern das Vorzeichen des Wundersterns; er war ja ein gläubiger Mann. Erst Spätere haben die Konjunktion der beiden Planeten selbst als den Wunderstern, der die Weisen zum Christkind geführt hat, angesehen. Wie immer es auch sein mag: Diese Konjunktion von Jupiter und Saturn ist so selten, etwas so Unerhörtes in der Astronomie, daß sie durchaus geeignet war, die Weisen aus dem Morgenlande nach Bethlehem zu führen. Das Morgenland ist das Perserreich, also etwa das, was heute Iran und Irak ausmacht. Das ist das Reich des Morgenlandes. „Morgen“ deswegen, weil die Sonne für unsere Sicht im Osten aufgeht, den Morgen begründet.

Diese Zeit nun hatte Herodes von den Weisen erkundet. Er ließ alle Knäblein töten unter zwei Jahren. Ja, warum denn unter zwei Jahren? Nun, die Weisen waren natürlich lange unterwegs. Man rechnet mit einem Weg von mindestens 1.200 Kilometern – mit den damaligen Verkehrsmitteln! Sie werden also etwa 1 Jahr nach der Geburt des Heilandes angekommen sein. Und da man damals nach der Seleukiden-Ära rechnete, fiel die Ankunft schon in das zweite Jahr; denn der Stern war im letzten Monat des 304. Jahres der Seleukiden-Ära erschienen. Er leuchtete also in zwei Jahren der damaligen Zeitrechnung, im 304. und im 305. Jahr. Deswegen die Vorsicht des Herodes bei seinem Mordbefehl. Er ließ alle Knäblein bis zu zwei Jahren töten. Da mußte der Jesusknabe, so rechnete er sich aus, bestimmt dabei sein. Das ist also die Zeit. Und jetzt die Personen.

Wer war dieser Herodes? Das ist nicht etwa derselbe Herodes, der den Heiland am Ende seines Lebens einmal einem Verhör unterwerfen wollte. Das ist ein anderer Herodes, das ist Herodes Agrippa. Nein, der Herodes, der bei der Geburt Jesu regierte, ist der sogenannte Herodes der Große. Der Große – nun, er war tatsächlich ein befähigter Herrscher, aber auch ein grausamer, ein tückischer und ein gewalttätiger Mann. Im Jahre 37 v.Chr. kam er zur Regierung und regierte bis zum Jahre 4 v.Chr. Schon daraus können wir sehen, daß Jesus Christus vor Beginn unserer Zeitrechnung geboren sein muß, denn er ist ja zur Zeit des Herodes geboren, und der ist schon 4 v.Chr. gestorben.

Dieser Herodes also regierte über ein großes Reich. Das Reich dehnte sich aus bis vor die Tore von Damaskus und im Süden bis an den Rand von Ägypten. Er war ein prachtliebender, ein genialer Herrscher, der seine Macht zu festigen wußte durch ein System von Festungen, die teilweise noch heute in den Ruinen zu sehen sind. Er stand sich gut mit Rom, der damaligen Weltmacht. Er hatte im eigenen Lande durch drakonische Maßnahmen Ordnung geschaffen, er suchte sein Volk wirtschaftlich zu fördern und zu Wohlstand zu bringen. Aber er war ein grausamer Mann. So weiß man, daß er zwei seiner Söhne umbringen ließ, und mit ihnen dreihundert Soldaten. Der Kaiser Augustus, der damals in Rom regierte und davon hörte, hat sich in einem trefflichen Wortspiel dazu geäußert. Er sagte: „Es ist besser, ein Schwein (yos – griechisch) des Herodes zu sein als ein Sohn (kyos)“. Diesem Herodes war viel Böses zuzutrauen. Er ließ 6.000 Pharisäer gefangennehmen, weil sie den Treueid auf den Kaiser verweigerten, und ein Blutbad unter ihnen anrichten. Es ist deswegen lächerlich, die Geschichtlichkeit dieses Ereignisses von Bethlehem zu bestreiten.

Es können schätzungsweise zwanzig Knäblein gewesen sein, die dort ums Leben kamen, denn bei der geringen Bevölkerungszahl ist ja eine höhere Zahl gar nicht möglich. Etwa zwanzig Knäblein dürften seinem Mordbefehl zum Opfer gefallen sein. Aber der eine, den er treffen wollte, war nicht dabei. Josef, durch ein göttliches Zeichen gewarnt, brach auf nach Ägypten. Warum denn nach Ägypten? Ägypten war in der Antike immer der Zufluchtsort für verfolgte Juden. Wir wissen aus dem 5. Jahrhundert v. Chr., daß es in Assuan, wo heute der große Staudamm steht, eine jüdische Kolonie gab. Man rechnete zur Zeit Jesu mit etwa einer Million Juden in Ägypten, davon allein 200.000 in der Stadt Alexandria. Es gab sogar in Ägypten einen jüdischen Tempel. Im Jahre 160 v. Chr. war der Hohepriester Onias IV. vor den Syrern nach Ägypten geflohen und hatte dort in der Stadt Leontopolis einen Tempel nach dem Muster des Tempels in Jerusalem errichten lassen. Darin wurden Opfer dargebracht bis zum Jahre 73 n. Chr., wo der Tempel zerstört wurde.

Nach Ägypten also ist Josef mit Maria und dem Heiland geflüchtet, weil das die alte Fluchtroute war für alle in Palästina Verfolgten.

Wir sehen, der Heiland tritt unter großen Zeichen der Natur und der Übernatur in diese Welt ein, aber er zieht auch eine Blutspur nach sich. Hier mußten unschuldige Knäblein dem Mordbefehl des grausamen Tyrannen Herodes zum Opfer fallen, weil das Kind gesucht wurde. Nicht umsonst heißt es in der Heiligen Schrift: „Herodes erschrak und ganz Jerusalem mit ihm.“ Denn da war ein Thronprätendent, wie er meinte, der ihm seinen Thron streitig machte. Und wenn Herodes erschrak, dann erschrak die ganze Stadt mit ihm; denn überall waren seine Spione und Spitzel, und man kannte seine harte Hand. Also eine Blutspur zieht der Heiland tatsächlich nach sich, und so ist es durch sein ganzes Leben und auch nach seiner Himmelfahrt geblieben. Immer haben Martyrer für den Herrn durch ihr Sterben das Zeugnis ablegen müssen. Er selbst ist ja eines grausamen Todes gestorben.

Meine lieben Christen, das ist ein tiefes Rätsel. Am vergangenen Sonntag fragte mich eine Dame: „Wissen Sie, ich habe Glaubenszweifel. Wie ist es möglich, daß der gute Gott seinen Sohn in ein grausames Todesgeschehen hineingegeben hat? Wie ist das möglich?“ Ich habe ihr geantwortet: „Ich will Ihnen eine Geschichte erzählen. Es gab einmal in Deutschland einen Mann namens Adolf Hitler. Dieser Mann hat sein ganzes Volk in den Untergang geführt, hat Deutschland in einen Haufen von Schutt und Asche verwandelt. Damals gab es mutige Männer, die sagten: Dieser Mann hat den Tod verdient. Vor ein Gericht kann er nicht gestellt werden, denn er ist ein Diktator. Also muß man ihn töten ohne Gerichtsurteil. So haben sich Männer gefunden, die es auf sich nahmen, diesen Mann zu töten. Sie meinten, damit ein Urteil zu vollstrecken, das der gesunde Teil des Volkes schon längst gesprochen hatte. Einer von diesen Männern war ein Freiherr von Klein. Er wollte eine Bombe an seinem Leibe tragen, mit ihr Hitler umarmen und dabei die Bombe zünden, um – mit Hitler natürlich – sich selbst in die Luft zu sprengen. Als er diesen Plan gefaßt hatte, ging er zu seinem Vater, und er fragte den Vater: 'Vater, was meinst du, soll ich das tun? Darf ich das tun?' Der Vater war damit vor eine schwierige Entscheidung gestellt. Er konnte und wollte es nicht so machen wie andere, wie die Weizsäckers usw., die sich dem Regime nicht entgegenstellten. Nein, der Vater sagte: 'Mein Sohn, tu das! Opfere dich für Deutschland!' Sehen Sie, sagte ich dieser Frau am vergangenen Sonntag, ein irdischer Vater hat zugelassen, daß sein Sohn, sein leiblicher Sohn bereit war, sich zu opfern für das ganze Volk. Sollte die Liebe zum Volk, die aus der Haltung dieses Vaters spricht, nicht erst recht dem ewigen Vater im Himmel möglich sein, daß er, um eine ganze Menschheit zu retten, seinen Sohn in den Tod dahingab?“

Ja, so ist es! Den Knecht zu erlösen, gab er den Sohn in den Tod. Und das ist die Botschaft der Unschuldigen Kinder, daß eben viele Unschuldige mit diesem Unschuldigen leiden und sterben müssen, daß sie durch ihr Sterben für ihn zeugen, daß sie durch ihr Sterben seine Macht und seine Herrlichkeit künden, freilich nicht vergeblich und ohne Aussicht. Denen, die alles geben um Christi, um Gottes willen, denen ist eine Seligkeit bereitet, die kein Auge gesehen, die kein Ohr gehört und die in keines Menschen Herz gedrungen ist.

Amen.

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