Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
18. Juni 1987

Wirkungen des Heiligen Geistes (Teil 1)

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir haben an den vergangenen Sonntagen vom Wirken des Heiligen Geistes gesprochen. Wenn der Heilige Geist in die Seele kommt, dann bringt er in der Seele bestimmte Wirkungen hervor. Drei von ihnen wollen wir heute bedenken.

1. Der Heilige Geist reinigt die Seele von der Sünde.

2. Er vereinigt sie mit Gott und macht sie zu einem Tempel Gottes.

3. Er verklärt die Kräfte der Seele und gibt ihr die göttlichen Tugenden und die sittlichen Tugenden als Fähigkeiten.

Wenn der Heilige Geist in die Seele kommt, das ist der erste Satz, reinigt er sie von der Sünde; denn der Heilige Geist ist ein Licht und ein Glanz und eine Kraft, mit denen zusammen die Sünde nicht bestehen kann. In der Seele herrscht entweder der Heilige Geist oder der böse Geist. Eine dritte Möglichkeit gibt es nicht. Wenn der Heilige Geist in die Seele eintritt, ist es ähnlich, wie wenn ein Eisenstab ins Feuer gehalten wird. Da blättert der Rost ab. So ähnlich, natürlich auch unähnlich ist es, wenn der Heilige Geist in die Seele einzieht. Er reinigt sie von den Sünden. Die Wirksamkeit des Heiligen Geistes, die wir als Sündenvergebung bezeichnen, wird vor allen Dingen wirksam in den Sakramenten der Taufe und der Buße. In der Taufe betritt der Heilige Geist zum erstenmal die Seele eines neugeborenen Kindleins und tilgt keine persönlichen Sünden, die das Kind ja nicht hat, sondern die Erbsünde. Und bei dem Erwachsenen, der das Unglück hatte, in schwere Sünde zu fallen, reinigt der Heilige Geist, wenn er im Bußsakrament in die Seele eintritt, die Seele von den schweren persönlichen Sünden.

Zweitens: Der Heilige Geist vereinigt die Seele mit Gott und macht sie zu einem Tempel Gottes. Einmal wollten die Menschen wie Gott werden, ohne Gott und gegen Gott. Durch die Ankunft des Heiligen Geistes werden sie tatsächlich wie Gott, aber in Vereinigung mit Gott. Wenn der Heilige Geist in die Seele tritt, dann vereinigt er sie mit Gott. Es ist ähnlich, wie wenn man in einen Kelch mit Wein einen Tropfen Wasser gibt. Er nimmt die Farbe, den Geruch und den Geschmack des Weines an. Es ist ähnlich, wie wenn eine Rebe am Weinstock bleibt. „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.“ Gott macht uns tatsächlich göttlicher Natur teilhaftig. Wir haben heute nicht die offenkundige Erkenntnis dieser Wirklichkeit, wir müssen sie im Glauben annehmen, aber einmal wird diese Wirklichkeit uns erkennbar sein. Einmal wird das, was wir im Glauben festhalten, von uns geschaut werden.

Wenn der Heilige Geist in die Seele kommt, dann wird die Seele ein Tempel Gottes. „Wißt ihr nicht,“ fragt der Apostel Paulus die Sklaven von Korinth, „wißt ihr nicht, daß ihr ein Tempel Gottes seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ Schöneres und Höheres kann nicht gesagt werden, als daß der Heilige Geist in die Seele des Begnadeten eingeht. Er ist tatsächlich zu einer Wohnstätte Gottes, zu einem Zelt Gottes auf Erden geworden.

Der Tempel in Jerusalem war ein wunderbares Werk, jedenfalls der erste Tempel, der zweite war ja weniger großartig, aber der erste war ein wunderbares Werk, und die Israeliten waren beglückt von diesem Tempel Gottes, in dem die Herrlichkeit Gottes Wohnung genommen hatte. Noch viel schöner ist eine Seele, in der der Heilige Geist wohnt.

„Wir werden kommen und Wohnung bei ihm nehmen,“ sagt der Heiland. Ja wahrhaftig, das geschieht, wenn der Heilige Geist in die Seele einzieht. Dann nimmt die Gottheit Wohnung im Menschen, zuerst in der Seele, aber weil die Seele im Körper ist, dann auch im Körper. Er wird wahrhaftig Christusträger, Gottesträger.

Drittens: Der Heilige Geist verklärt unsere Seelenkräfte und verleiht uns die göttlichen Tugenden und die sittlichen Tugenden als Fähigkeiten. Das heißt, er erhebt unseren Verstand und unseren Willen, er durchfeuert, er durchpulst, er durchlebt sie. Wir sprechen nicht umsonst vom Feuer der göttlichen Liebe, von der „Flamme der Hingabe“. Das ist es, was der Heilige Geist in der Seele wirkt. Er verklärt unsere Seelenkräfte, er gibt uns die göttlichen Tugenden, also er macht, daß wir fähig werden, zu glauben, zu hoffen und zu lieben, denn das sind die drei göttlichen Tugenden. Diese drei göttlichen Tugenden schenkt uns der Heilige Geist, wenn er in uns einzieht, als habitus, als Fähigkeiten. Er gibt uns auch seine Gaben, die sieben Gaben, die uns geneigt machen, den Einsprechungen und Führungen des Heiligen Geistes uns zu überlassen. Ja, er gibt uns sogar die sittlichen Tugenden, also die Tugenden, die auf das Tun des sittlich Guten hingerichtet sind, freilich nicht als Fertigkeiten, sondern als Fähigkeiten. Der Unterschied ist darin gelegen, daß die Fertigkeiten die ausgebildeten Fähigkeiten sind, während die Fähigkeiten nur die grundsätzliche Möglichkeit beinhalten, die sittlichen Tugenden zu erwerben.

Wenn wir das bedenken, meine lieben Freunde, was der Heilige Geist in uns wirkt, dann müssen wir eigentlich jauchzen und glücklich sein über das, wessen wir gewürdigt werden. „Seht, hat denn ein Volk Götter, die ihm so nahe sind wie unser Gott?“ fragt der heilige Thomas von Aquin am heutigen Fronleichnamsfest. Ja wahrhaftig, kein Volk hat Götter, die ihm so nahe sind wie unser Gott. Er kommt zu uns, er nimmt in uns Wohnung, er bildet die Kraftquelle in unserem Inneren, wir werden vergöttlicht, wir werden göttlicher Natur teilhaftig. Wir verstehen jetzt, wie der heilige Paulus sagen kann: „Ich lebe, aber nicht ich, sondern Christus lebt in mir.“

Amen.

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