Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
27. Oktober 1996

Die Existenz der gefallenen Engel

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

In dem Schauspiel von Carl Zuckmayer „Des Teufels General“ fragt der Leutnant Hartmann den General Harras: „Glauben Sie an Gott?“ Nach einer langen Pause erwidert der General: „Ich weiß es nicht. Er ist mir nicht begegnet. Aber das lag an mir; ich wollte ihm nicht begegnen. Ich kenne ihn nicht. Aber den Teufel, den kenne ich! Ich habe ihn gesehen, Aug’ in Aug’. Und darum muß es Gott geben!“

Es ist eine Glaubenswahrheit unserer Kirche, daß nicht alle Engel die übernatürliche Vollendung, zu der sie bestimmt waren, erlangt haben, sondern daß sie durch ihren Ungehorsam in die ewige Verdammnis überantwortet worden sind. Mehrere Stellen der Heiligen Schrift machen es deutlich, daß es eine Engelssünde gibt. Im 2. Petrusbrief wird von den Falschlehrern, von den Irrlehrern geredet und dem Strafgericht, das sie zu erwarten haben. Um die Hörer oder Leser des Briefes gewiß zu machen, daß das Strafgericht über die Irrlehrer eintreten wird, schreibt der Apostel Petrus: „Hat ja doch Gott der Engel, die gesündigt hatten, nicht geschont, sondern sie in die finsteren Abgründe der Hölle hinabgestoßen, wo sie bis zum Gerichte gefangengehalten werden.“ Ähnlich ist die Lage im Judasbrief. Auch da wird als Beispiel von Gottes Strafgerechtigkeit angeführt, daß sogar die Engel gerichtet worden sind. „Auch die Engel, die ihre Würde nicht bewahrten, sondern ihre Wohnstätte verließen, hat er aufbewahrt zum großen Gerichtstage mit ewigen Fesseln in der Finsternis.“ Nach diesen beiden Zeugnissen hat es den Anschein, daß ein zweifaches Gericht über die abtrünnigen Engel ergangen ist: Eines gleich, sofort nach der Sünde und ein zweites am Ende der Zeiten. Auch im Johannesevangelium ist von den abtrünnigen Engeln die Rede. Da spricht der Herr die Juden an, erklärt ihnen, daß sie den Teufel zum Vater haben und daß sie die Begierden ihres Vaters erfüllen wollen. Und dann kommt ein Wort über den Teufel: „Er war  von Anfang an ein Menschenmörder und steht nicht in der Wahrheit, weil in ihm keine Wahrheit ist.“ Hier wird also deutlich gemacht, daß Satan nicht in der von Gott verfügten Ordnung geblieben ist, sondern aus ihr herausfiel und darum der Verdammnis überantwortet wurde.

Die Glaubenswahrheit von den abtrünnigen Engeln wird heute selbst im katholischen Bereich angefochten. Vor einiger Zeit sagte mir einmal ein katholischer Theologieprofessor, das Böse könne man auch anders erklären. Man brauche dazu keine personale Gestalt anzunehmen. Das ist ein eindeutiger Verstoß gegen die Lehre der Kirche, gegen die unfehlbare, unveränderliche und verbindliche Lehre der Kirche. Es gibt gefallene Engel, die wir Teufel nennen. Das Wort Teufel kommt vom griechischen Wort „diabolos“; das bedeutet soviel wie „Verwirrer“, „Verleumder“. Das hebräische Wort für den Teufel ist „Satan“; das bedeutet zu deutsch „Widersacher“. Ein Teil der Engel hat gesündigt. Ihre Sünde setzt die Fähigkeit zur Sünde voraus. Wie ist zu erklären, daß Engel sündigen können? Die Engel hatten eine erhabene natürliche Ausstattung, aber sie besaßen noch nicht die übernatürliche Vollendung. Sie sollten sich die übernatürliche Vollendung durch ihren Gehorsam verdienen. Vor dieser Aufgabe, vor dieser Prüfung haben einige von den Engeln versagt. Sie haben es abgelehnt, sich die übernatürliche Vollendung von Gott schenken zu lassen, und sind deswegen in die Sünde gefallen. Sie haben die Prüfung nicht bestanden. Welcher Art die Sünde war, wird uns in der Offenbarung nicht mitgeteilt. Aber wir können aus Andeutungen über das Wesen der Sünde entnehmen, daß es eine Sünde der Auflehnung, des Hochmuts war. Nach dem Buche Sirach beginnt jede Sünde mit dem Hochmut. Es ist die bekannte Äußerung des Sünders: „Ich will mir nichts sagen lassen; ich will tun, was ich will. Ich will nicht dienen, vor allem nicht dem lebendigen, wahren Gott!“ Und so muß es bei den Engeln auch gewesen sein.

Es werden drei Deutungen für die Art der Sünde von den gläubigen Theologen angeführt. Einmal, daß Satan von seiner eigenen Herrlichkeit so geblendet war, daß er die Abhängigkeit von Gott nicht ertragen wollte, daß er es ablehnte, Geschöpf zu sein. Eine zweite Erklärung geht davon aus, daß Satan sich nichts schenken lassen wollte. Er hätte die übernatürliche Vollendung sich von Gott schenken lassen müssen; aber er wollte nichts geschenkt haben, sondern er wollte in seiner Selbstgenügsamkeit verharren. So fiel er in die Sünde der Auflehnung. Er wollte nichts der Liebe Gottes verdanken. Die dritte Erklärung scheint mir besonders einprägsam. Sie geht davon aus, daß Satan gegen Christus und sein Reich einen wütenden Kampf führte. Daraus kann man die Vermutung ableiten, daß Satan es nicht ertrug, daß er sich einem Menschen, nämlich dem Menschen Jesus Christus, unterordnen sollte, daß er nicht damit fertig wurde, daß das Herz der Schöpfung der Mensch Jesus Christus ist, dem auch er, der reine Geist, sich unterwerfen mußte.

Die Zahl der Engel, welche die Prüfung nicht bestanden, ist uns nicht geoffenbart. Im Alten Testament scheint es, daß immer nur von einem Teufel die Rede ist, von Satan, an verschiedenen Stellen, wie wir am nächsten Feiertag sehen werden. Aber im Neuen Testament ist von vielen Teufeln die Rede. Da heißt es einmal: „Wir sind ihrer Legion.“ Und eine Legion ist eine große Zahl. In jedem Falle ist uns eine genaue Offenbarung über die Zahl der Engel nicht mitgeteilt.

Die Vorstellung oder besser die Wahrheit über den Teufel unterscheidet sich wesentlich von den Dämonenvorstellungen in anderen Religionen. Schon das Alte Testament kämpft gegen falsche, aus benachbarten Fremdreligionen bezogene Dämonenvorstellungen. Es wendet sich gegen den Volksaberglauben, der vor Dämonen Furcht hat und die Dämonen zu besänftigen glaubt, ob es sich nun um Bocksgestalten handelt oder um die Lilith, die ihre zauberischen Künste betreibt. Das Alte Testament lehnt den Dämonenglauben der Zeitgenossen ab. In der griechischen Religion ist viel von Dämonen die Rede. Es sind übermenschliche Wesen, launisch und unberechenbar; sie sind wirksam zu besonderen Gelegenheiten, bei besonderen Zeiten, vor allem in Unglück und Unheil. Der Mensch sucht sie zu besänftigen oder sich ihrer zu erwehren. Die griechische Philosophie hat dann diesen Volksaberglauben umgedeutet, so daß die Dämonen zu göttlichen Wesen wurden, Zwischenwesen. Gott und die Dämonen stehen also gewissermaßen auf einer Ebene. Ganz bedeutsam ist der Dämonenglaube in der persischen Religion. Die persische Religion nimmt zwei Götter an, einen guten und einen bösen. Der gute heißt Ormuzd und der böse heißt Ahriman. Ormuzd, der gute Gott, hat von Anfang an, seit Ewigkeit im Lichtreich gewohnt und Lichtgestalten geschaffen. Ahriman, der böse Gott, lebt im Dunkel und schafft dort Dämonen in großer Zahl. So tobt der Kampf zwischen dem Lichtreich und dem Reich der Dunkelheit. Er geht durch die ganze Geschichte hindurch, denn diese beiden Götter sind Personifikationen naturhafter Gewalten. Erst am Ende wird der gute Gott Ormuzd den bösen vernichten und sein Reich zerstören.

Gegenüber diesen irrigen Auffassungen hat die Kirche immer daran festgehalten, daß es ein böses Urprinzip, eine böse Urmacht nicht gibt, sondern daß der Teufel ein Geschöpf Gottes ist, das herrlich geschaffen wurde, das aber seiner Berufung nicht gefolgt ist, sondern im Bösen verhärtet ist. In ergreifender Weise hat einmal der heilige Kirchenlehrer Basilius diesen Unterschied zwischen den guten und den bösen Engeln beschrieben: „Gabriel ist ein Engel und steht ohne Unterlaß bei Gott. Satan war ein Engel, verlor aber seine Stellung ganz. Ersteren hielt seine freie Wahl im Himmel, letzteren stürzte seine Wahlfreiheit in die Hölle. Es hätte auch Gabriel abtrünnig werden können und Satan nicht abfallen. Allein ersteren hielt seine unbegrenzte Liebe zu Gott, letzteren machte seine Abkehr von Gott verdammungswürdig. Das Böse besteht eben in der Abkehr von Gott. Nur eine kleine Wendung des Auges, und wir sind entweder bei der Sonne oder beim Schatten unseres Körpers. Blickst du zur Sonne, so wirst du sofort erleuchtet, wendest du dich aber zum Schatten, so liegt auf dir notwendig Finsternis. Der Teufel ist böse, weil er sich bewußt und frei für die Bosheit entscheidet, nicht weil seine Natur dem Guten entgegengesetzt ist. Woher dann sein Kampf gegen uns? Weil er, ein Gefäß jeglicher Bosheit, auch die Krankheit des Neides in sich aufnahm und uns die Ehre mißgönnte. Er konnte unser ungetrübtes Leben im Paradiese nicht ertragen, hinterging den Menschen durch List und Ränke, bediente sich zur Verführung derselben Begierde, die er hatte, nämlich Gott gleich zu sein, zeigte dem Menschen den Baum und versprach ihm vom Genusse die Frucht der Gottgleichheit.“

Die furchtbare Wahrheit von der Existenz gefallener Engel, die wir Teufel nennen, wird von den Menschen zu verharmlosen gesucht. Im vorigen Jahrhundert gab es Schriftsteller, die die Erlösungsfähigkeit Satans lehrten, z.B. Victor Hugo. Ja es fanden sich sogar Dichter, die Satan als eine Lichtgestalt, als Erlöser ausgaben, z.B. der Schwede August Strindberg und der Deutsche Richard Dehmel. Die Verspottung Satans durch bestimmte Gestalten, die man ihm gibt, kann richtig gemeint sein, nämlich daß wir ihn nicht zu fürchten brauchen, wenn wir uns nicht in seine Nähe begeben. Aber die Verspottung ist unangebracht, wenn sie Satan als nicht existent dartun will. Die alte Zeit hat Satan nicht abgebildet, sondern ihn immer mit einem Tier identifiziert; dem Löwen, der Schlange, dem Drachen. Das sind Bilder für den Satan. Deswegen wird der heilige Georg mit einem Drachen dargestellt. Weil er den Satan besiegt hat, wird ihm der Drache als Symbol dieses Besiegten zur Seite gestellt. In jüngerer Zeit wird der Satan oft geschildert als ein Mischwesen zwischen Mensch und Tier. Er hat Bocksgestalt, ist behaart, dunkelhäutig, besitzt Hörner, einen Schwanz. Nun, wenn dadurch das Grauen, die Abscheulichkeit des Teufels sinnbildlich dargestellt werden soll, ist dagegen nichts einzuwenden. Aber wir müssen uns immer bewußt bleiben, daß Satan ein Geist ist. Er ist ein Geist, er hat sogar seine Geistnatur behalten, und seine Würde als Geist – nicht als abgefallener Engel – ist so groß, daß, wie es in der Schrift heißt, nicht einmal Michael wagte, ihn zu verfluchen.

Über die Rolle Satans in unserer Zeit und zur Zeit Jesu werden wir an kommenden Feiertagen zu reden haben. Heute wollen wir nur unsere Aufmerksamkeit darauf richten, daß die Kirche uns zur Wachsamkeit gegenüber dem Satan ermahnt. Jeden Abend, wenn wir Priester unser Abendgebet verrichten, wird eine Textstelle aus der Heiligen Schrift uns ins Gedächtnis gerufen, und die lautet: „Brüder, seid nüchtern und wachsam, denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe, suchend, wen er verschlinge. Widerstehet ihm standhaft im Glauben fest!“

Amen..

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