Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
3. Juni 2012

Der dreieinige Gott

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Der Glaube der Kirche übersteigt die Vernunft. Er muss sie übersteigen, wenn er Kunde von Geheimnissen sein will, die die Vernunft weder entdecken noch durchdringen kann. Zum Kern dieses Glaubens gehört die Gottheit, der Dreieinige Gott. Ein Glaube an Gott, der seinen Geheimnischarakter verliert, ist kein Glaube an Gott mehr, muss falsch sein, denn wenn Gott aufhört, ein Geheimnis zu sein, wird er ein Geschöpf, das man begreifen, durchschauen, womöglich nachbauen kann. Der unendliche Abstand zwischen Schöpfer und Geschöpf zwingt uns dazu, von Gott lediglich stammelnd in Bildern und Gleichnissen zu reden. Die Aussagen, die der Glaube von Gott macht, sind richtig, sie treffen den Gegenstand. Aber sie erschöpfen ihn nicht. Die Unähnlichkeit zwischen Aussage und Wirklichkeit Gottes ist größer als die Ähnlichkeit. Das muss am Anfang gesagt werden, wenn wir über das Geheimnis des Dreieinigen Gottes Gedanken uns machen wollen.

Wenige Gegenstände des christlichen Glaubens haben so oft Widerspruch gefunden und sind so oft von der Kirche verteidigt worden wie die Wirklichkeit Jesu Christi und die Wirklichkeit des Dreieinigen Gottes. Ich habe in diesen Tagen das Buch „Credo“ des Schweizer Theologen Hans Küng gelesen. In diesem Buche, das also den katholischen Glauben darstellen will, wird dieser Glaube konsequent umgedeutet, verkehrt und verfälscht. Küng ist nicht nur ein Häretiker, er ist ein Apostat, denn er gibt den Glauben an Christus und an den Dreifaltigen Gott preis!

Dass Jesus Christus der Gottmensch ist, wird uns in den Evangelien und in den übrigen Schriften des Neuen Testamentes in aller Deutlichkeit gelehrt. Niemand aber spricht eindeutiger als der Apostel Johannes in seinem Evangelium. „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“ So beginnt das Evangelium nach Johannes. Darin sind drei entscheidende Aussagen enthalten. Im Anfang war das Wort. Das ist der Anfang vor allem Anfang, das ist der Ur-Anfang. Der LOGOS das Wort besitzt Vorzeitlichkeit, Präexistenz, Präexistenz, Vorzeitlichkeit.  Das heißt, er hat eine Existenz vor seinem geschichtlichen Dasein, vor seinem Auftreten in Galiläa und Judäa. Er existierte bereits vor Erschaffung der Welt. Die zweite Aussage, der LOGOS ist bei Gott, das heißt, es ist nicht das Wort mit dem Vater identisch, sondern es ist von ihm verschieden. Der LOGOS ist auch nicht ein Attribut, also eine Eigenschaft Gottes, sondern er ist eine selbständige Person, er ist bei Gott, weil er eine Persönlichkeit ist. Und der LOGOS ist Gott! Das Wort, der LOGOS, ist von Ewigkeit her Mitteilhaber und Mitbesitzer der einen göttlichen Natur. Er besitzt Göttlichkeit. Das sind die drei wesentlichen Aussagen des Johannes: Vorzeitlichkeit Christi, Persönlichkeit Christi, Göttlichkeit Christi. Das Wort, das Gott war, war schon im Anfang, bevor die Welt erschaffen wurde, d. h. von Ur-Anfang bei Gott. Es ist also ewig und unerschaffen wie Gott.

Gegen diese Wahrheit sind Irrlehrer aufgetreten. Der bekannteste ist der alexandrinische Presbyter Arius. Er starb im Jahre 330. Arius lehrte Folgendes: Der LOGOS, das Wort, die zweite Person in Gott, ist nicht von Ewigkeit her. Er ist nicht aus dem Vater gezeugt, sondern ein Geschöpf des Vaters, also geschaffen. Er ist seinem Wesen nach dem Vater ungleich, veränderlich und entwicklungsfähig und deswegen auch nicht Gott im eigentlichen Sinne, sondern im uneigentlichen Sinne, insofern er von Gott, dem Vater, in Voraussicht seiner Verdienste zum Sohn angenommen wurde. Gegen diese Verzeichnung der Gestalt Jesu hat sich das Konzil von Nicäa im Jahre 325 gewandt. Arius ist dort aufgetreten und durfte sein Lehre vortragen. Er ist also nicht ungehört verurteilt worden. Aber das Konzil hat seine Lehre verworfen. Es formulierte das nicänische Glaubensbekenntnis: „Ich glaube an den Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, den einzigen aus dem Vater gezeugten.“ Das heißt, aus dem Wesen des Vaters. „Gott aus Gott, Licht aus Licht, wahrer Gott aus wahrem Gott, gezeugt nicht erschaffen, gleichen Wesens mit dem Vater.“ An diesem Bekenntnis hat die Kirche bis heute unerschütterlich und unbeirrt festgehalten. Sie hat, als neue Irrlehrer erschienen, das Bekenntnis erweitert. Das ist vor allem auf dem Konzil von Chalzedon geschehen, im Jahre 451. Da traten nämlich Männer auf, die den Monophysitismus oder den Nestorianismus begründeten. Der Monophysitismus lehrte, in Christus ist nur eine Natur. Es waren anfangs bei ihm zwei Naturen, aber sie sind aufgesogen worden von der göttlichen Natur. Der Nestorianismus umgekehrt sagte: In Jesus sind zwei Personen, eine menschliche und eine göttliche Person. In Jesus wohnt Gott so wie in uns den Begnadeten der Heilige Geist wohnt. Gegen diese Irrlehren hat das Konzil von Chalzedon erklärt: Derselbe ist vollkommen in der Gottheit und vollkommen in der Menschheit. Derselbe ist wahrhaft Gott und wahrer Mensch aus vernunftbegabter Seele und einem Leib. Derselbe ist der Gottheit nach dem Vater wesensgleich,  der Menschheit nach uns wesensgleich. Derselbe wurde aus der Gottheit vor aller Zeit gezeugt, der Menschheit nach in den letzten Tagen aus Maria, der Jungfrau und Gottesgebärerin geboren. Ein und derselbe ist Christus. Er ist der einzig geborene Sohn, der in zwei Naturen unvermischt und unverwandelt, unzerteilt und ungetrennt existiert. Das ist die Lehre des Konzils von Chalzedon. Nicht zwei Personen in Christus, sondern eine Person, wohl aber zwei Naturen: eine menschliche und eine göttliche. Der LOGOS, der menschgewordene Gott hat sich eine menschliche Natur angeeignet. Er blieb, was er war, aber er nahm an, was er noch nicht hatte. Die Lehre von den zwei Naturen entspricht den Aussagen der Heiligen Schrift. Der Apostel Paulus spricht im Brief an die Philipper von der doppelten Gestalt Jesu. Er war in Gottesgestalt, hielt sie aber nicht fest, sondern nahm eine  Knechtsgestalt an. Da haben wir die zwei Naturen von Chalzedon. Gottesgestalt – Knechtsgestalt: Gott gleich sein und den Menschen gleich sein.

Ich würde von diesen Dogmen nicht sprechen, meine lieben Freunde, wenn sie nicht heute auf Widerstand stießen, wenn zum Beispiel Küng sie nicht vollkommen übergeht und sie leugnet und ihm folgen viele andere. Der Glaube in unserer Kirche ist gefährdet wie er noch nie gefährdet war. Es wird die Präexistenz Jesu geleugnet. Es wird seine göttliche Personalität geleugnet. Es wird seine Gottgleichheit geleugnet. Und selbstverständlich, wenn man falsch über Jesus denkt, muss man auch falsch über die Trinität denken. Was bleibt von der Trinität übrig, wenn Jesus nicht wahrhafter Gottessohn ist? Ich will es Ihnen sagen: Die ungläubige Theologie sieht in den drei Personen lediglich Personifikationen göttlicher Eigenschaften. Personifikationen göttlicher Eigenschaften wie Macht, Weisheit und Güte. Jesus ist nach den Irrlehrern selbstverständlich ein Mensch wie wir alle auch, nur besonders begnadet. Und er Geist ist die Kraft, die Kraft der Verkündigung. Dass hier der christliche Glaube in der Wurzel zerstört wird, muss jedem klar sein, der ihn einmal mit Bewusstsein angenommen hat. Der Dreieinige Gott, nach katholischem Verständnis, ist kein Gemächte der griechischen Philosophie, wie Küng und andere behaupten, sondern der Dreieinige Gott ist in der Heiligen Schrift geoffenbart. Der hl. Paulus beispielsweise schreibt in seinem zweiten Brief an die Korinther: „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes des Vaters und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.“ Das ist Trinität! Das ist Dreifaltigkeit: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes des Vaters und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Und wir haben ja soeben im Evangeliums dieses Sonntags den Taufbefehl Christi gehört: „Taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Die drei Personen werden nebeneinander gestellt in völliger Gleichheit des Wesens. Das Wort und drückt aus, dass sie in der Gemeinsamkeit des Wesens gleichberechtigt sind. Und so haben alle Konzilien der Kirche diese Wahrheit ausgesprochen, etwa das Glaubensbekenntnis, das wir in jeder Heiligen Messe beten: das nicänokonstitunopolitanische Glaubensbekenntnis, dass der wahre Gott in drei Personen existiert: Vater, Sohn und Heiliger Geist, eine Wesenheit, aber drei Personen. Freilich muss man bemüht sein, die Einheit des Wesens festzuhalten, aber ebenso wie die Dreipersonalität. Es geht also hier um eine schwere gedankliche Operation.  

In der jüngsten Zeit hat man gern eine ökonomische von einer immanenten Dreifaltigkeit unterschieden. Eine ökonomische und eine immanente Dreifaltigkeit. Also eine Dreifaltigkeit, die nach außen handelt, und eine Dreifaltigkeit, wie sie in sich selbst ist. Die ökonomische Dreifaltigkeit ist ihnen bekannt, meine lieben Freunde. Wir beten ja in jeder Heiligen Messe: Herr Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes, dem Willen des Vaters gehorsam, hast Du unter Mitwirkung des Heiligen Geistes der Welt durch Deinen Tod das Leben geschenkt. Da haben wir die ökonomische Trinität: Herr Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes, dem Willen des Vaters gehorsam, hast Du unter Mitwirkung des Heiligen Geistes der Welt durch Deinen Tod das Leben geschenkt. Das ist die ökonomische Trinität! Aber wenn sie missbraucht würde, bräuchte man nicht viel darüber zu sagen. Sie wird aber missbraucht. Sie wird dahin erklärt, dass eben nur der Vater Gott ist, der Sohn sein Gesandter und der Heilige Geist eine unpersönliche Kraft.

Deswegen muss man auch von der immanenten Trinität sprechen, also wie Gott in sich selbst ist. Die immanente Trinität bedenkt die Ursprungs- und Beziehungverhältnisse von Vater, Sohn und Heiligem Geist zueinander als der einzigen göttlichen Wirklichkeit. Vater, Sohn und Heiligem Geist treten also nicht nur in der Heilsveranstaltung, in der Offenbarung Jesu Christi auf, sie existieren vor jedem Eintreten Gottes in die Welt der Menschen. Die immanente Trinität richtet sich vor allem gegen den Subordinationismus, d. h., gegen die Lehre, die den Sohn dem Vater unterordnet. Diese Irrlehre konnte Sohn und Geist nicht wirklich als Mitsubjekte göttlichen Heilshandelns denken und stellte damit das von ihnen gewirkte beziehungsweise mitgeteilte Heil als Göttliches infrage. Man hat die Drei Personen als drei Erscheinungsweisen Gottes erklärt. Einmal erscheint Gott als Vater, einmal erscheint er als Sohn, einmal erscheint er als Heiliger Geist. Drei Rollen Gottes statt drei Personen. Da sehen Sie den Irrtum. Nein, der eine Gott nimmt nicht nacheinander drei Erscheinungsweisen an. Er ist immer schon und für immer drei Wirklichkeiten, drei Personen in unüberbietbarer göttlicher Zugehörigkeit. Geist und Christus sind nicht Erlöste, Geschaffene und Geheiligte, sie sind selber Erlöser und Heilige. Sie sind Mitsubjekte des heilschaffenden Vaters. Die drei göttlichen Personen unterscheiden sich nur in ihrer Beziehung zueinander. Sie besitzen das gleiche und eine göttliche Wesen in unterschiedlicher Weise. Der Vater ungeschaffen, der Sohn gezeugt, der Geist gehaucht. Nicht drei Götter, sondern drei Personen, die vollkommen eins sind in dem, was sie sind. Sie besitzen das eine göttliche Wesen in unterschiedlicher Weise. Der ungezeugte Vater, der anfanglos gezeugte Sohn und der aus Vater und Sohn hervorgehende Geist, eins in der göttlichen Substanz.

Es sind schwierige Gedankengänge, meine lieben Freunde, die wir hier uns vor Augen führen. Sie müssen schwierig sein,  denn wer das Geheimnis der Dreifaltigkeit durchdringen möchte, den würde sie zermalmen, den würde die Dreifaltigkeit zermalmen. Nein – wir müssen versuchen, sie zu verstehen, weil sie für unseren Lebensvollzug notwendig ist. Wir leben ja im Vater, im Sohn und im Heiligen Geiste. Wir beten zum Vater, zum Sohn und zum Heiligen Geist. Wir taufen im Dreifaltigen Gotte. Alle Sakramente werden im Namen des Dreifaltigen Gottes gespendet. Oft beten wir: Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste. Also müssen wir auch wissen, was Dreifaltigkeit ist, was ökonomische und was immanente Trinität ist.  Diese beiden Begriffe „ökonomische“ und „immanente“ Trinität sind kein Gegensatz, sie gehören zusammen. Der Gott, der sich in der Heilsordnung den Menschen zuwendet ist derselbe, der er in sich selbst ist. Der christliche Gott ist der Dreieinige und einen anderen Gott gibt es nicht. Gott ist so, wie Christus, der Sohn Gottes  ihn lebte. Gott ist so, wie der Heilige Geist ihn vergegenwärtigt. Der biblische Eingottglaube wird durch die Dreifaltigkeit nicht relativiert, sondern konstituiert. Gott besteht nur als der Dreifaltige Gott.

Warum hat sich die Kirche mit den biblischen Aussagen nicht begnügt?  Sehr einfach, meine Freunde. Die Kirche konnte sich mit dem biblischen Befund nicht begnügen, weil sich die Irrlehrer damit nicht begnügt haben. Die Kirche konnte das Nebeneinander, Miteinander und Ineinander und Auseinander von Vater, Sohn und Geist, wie es in der Bibel bezeugt ist, nicht bloß wiederholen. Dann wäre es unmöglich gewesen, die Ansichten der Irrlehrer zurückweisen. Die Kirche musste, geleitet vom Heiligen Geist, neue Begriffe suchen und finden, die geeignet waren, das Wirken und Wesen von Vater, Sohn und Geist aufzuschließen und widerspruchsfrei zu erklären. Sie bediente sich dabei der Kategorien, welche die griechische Philosophie erarbeitet hat. Diese Kategorien sind gewiss ungenügend, aber sie sind hilfreich und unentbehrlich. Sie sind in das Dogma, das heißt in den unveränderlichen Glauben der Kirche aufgenommen. Man kann sie  nicht wegwerfen, wie es Küng tut und seine Nachfolger. Sie bedeuten keine Verfremdung, sondern eine Erhellung der Heiligen Schrift. Das biblische Zeugnis des dreieinigen Gottes wird durch die Begriffe der hellenistischen Ontologie eingeholt und verdeutlicht, aber nicht verfälscht oder verehrt. Der dreieinige Gott ist kein Pfropf hellenistischer Geistigkeit, sondern genuiner Bestandteil des Evangeliums. Mit ihm steht und fällt der christliche Glaube. Wenn Sie freilich wissen wollen, meine lieben Freunde, wie es um den Glauben in unserer Kirche, in unseren Gemeinden, um unsere Jugendlichen steht, dann empfehle ich Ihnen das zu lesen, was hier in diesem Gotteshaus auf Plakaten ausgestellt ist. Da können Sie die ungeheuerliche Verwirrung erkennen, die in unseren Firmlingen besteht, die diese Plakate angeklebt haben.

Wir leben, meine lieben Freunde, in letzten Zeiten. Wenn Gott nicht eingreift, wird unsere Kirche zu einer Sekte schrumpfen, wird ein Großteil der katholischen Christen den Glauben an den dreifaltigen Gott verlieren, wird dem Vater und  dem Sohn und dem Heiligen Geiste nicht die Ehre erwiesen, die ihnen zusteht.

Amen.

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