Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
29. Mai 2014

Christi Himmelfahrt

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zum Fest der Erhöhung unseres Heilandes Versammelte!

Die Glaubenslehre von der Himmelfahrt Christi gehört zum Urbestand des christlichen Glaubensbekenntnisses. Im apostolischen Glaubensbekenntnis heißt es: „Er ist am dritten Tage wiedererstanden von den Toten. Er ist aufgestiegen zum Himmel, sitzet zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.“ Im Glaubensbekenntnis des Konzils von Nicäa wird bekannt: „Er ist am dritten Tage auferstanden und aufgestiegen zu den Himmeln.“ Im nicäno-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis wird wiederholt: „Er ist auferstanden am dritten Tage gemäß der Schrift. Er ist aufgefahren in den Himmel und sitzet zur Rechten des Vaters.“ Das Fest, das wir heute begehen, hat einen präzisen Inhalt. Christus ist seiner menschlichen Natur nach am vierzigsten Tage nach der Auferstehung kraft seiner göttlichen und verklärten menschlichen Natur den Jüngern zum letzten Male erschienen und emporgestiegen an den Ort, wo Gott sich den Seligen offenbart, um Besitz zu ergreifen von seiner Herrschaft als König der Könige und Herr der Herren. Die Glaubensaussage von der Himmelfahrt bekennt ein Doppeltes: einmal das Ereignis und dann den Zustand. Die Geste bzw. die Aussage des Emporschwebens ist ein geschichtlicher Vorgang. Aber dieser geschichtliche Vorgang hat eine höhere Bedeutung, nämlich er ist ein Bild für die übergeschichtliche Existenzweise, die der Verklärte angenommen hat. Was verkündet wird, ist die Existenzerhöhung Christi. „Oben“ ist eben für uns, in unserer Sprachwelt, in unserem Sprachgebrauch, der Ort für das Lichte, Helle, Göttliche. „Unten“ ist für unsere Vorstellung das Dunkle, das Böse, das Teuflische. Wäre Jesus in die Erde hineingefahren, hätten die Menschen denken können, er ist in die Hölle gegangen. Und deswegen wurde er nicht nach unten befördert, sondern stieg nach oben. Himmel ist nicht räumlich zu verstehen, sondern existentiell. Räumlich ist die Aussageweise, aber der Sinn ist die existentielle Überlegenheit der neuen Wirklichkeit Christi über das irdische Dasein. Wir beten ja auch in der Pfingstnovene immer, dass Christus „über alle Himmel“ emporgestiegen ist, also nicht in die Wolkenhimmel – vielleicht sehr weit oder entfernt –, sondern über alle Himmel, d.h. er hat eine neue Dimension betreten, eine neue Dimension gegenüber den physikalischen Kategorien. In diese können die Wirklichkeitsweise Jesu und die Existenzweise, die wir erwarten, nicht eingeordnet werden. Der Himmel ist jeder irdisch-menschlichen Erfahrung entzogen. Er besagt nicht etwa unermesslich weite räumliche Ferne, sondern er besagt eine unfassbare neue Qualität. Und doch ist diese Qualität nicht weniger wirklich als das Firmament, an dem die Wolken ziehen.

Die Botschaft von der Himmelfahrt Christi besagt, dass der Auferstandene immer als der Erhöhte erschienen ist. Sie ist eine Aussage über die Macht, die dem Auferstandenen zu Teil wurde. In dem Aufgefahrenen konkretisiert sich das Königtum Christi über die Welt. Der solchermaßen an der Macht Gottes teilnehmende Christus ist kein anderer als der gekreuzigte Mensch Jesus. So bedeutet die Himmelfahrt den Eintritt des Menschen in die Sphäre des göttlichen Wesens. Himmel ist das Einssein von Gott und Mensch, und dieser Himmel ist durch die Himmelfahrt Christi begründet worden. Die Himmelfahrt Christi am vierzigsten Tage nach der Auferstehung schließt sich an die letzte der Erscheinungen. Sie ist der Abschluss der Erscheinungen. Sie ist die letzte Himmelfahrt, meine lieben Freunde – die erste fällt nämlich mit seiner Auferstehung zusammen. Die weiteren Himmelfahrten ereigneten sich immer wieder, wenn Jesus den Jüngern erschien und sich wieder zurückzog. Vom Himmel kam er, und zum Himmel ging er. Er hat während der vierzig Tage nicht auf Erden Wohnung genommen – einen solchen Zwischenzustand hat es nicht gegeben. Seine verklärte Natur passt nicht mehr in diese irdische Welt.

Jesus hat seine Heimkehr zum Vater wiederholt vorausgesagt. Einmal fragte er die Menge: „Was werdet ihr sagen, wenn ihr den Menschensohn hinaufsteigen seht, wo er vorher war?“ Ein andermal sagte er: „Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen. Ich gehe hin, euch eine zu bereiten.“ Diese Voraussagen hat Jesus durch seine Auferstehung erfüllt. Auferstehung und Himmelfahrt gehören untrennbar zusammen. Der Auferstandene ist der Erhöhte. Vielleicht am deutlichsten wird das ausgedrückt im Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom: „Jesus ist eingesetzt“ – schreibt er am Eingang dieses Briefes –, „Jesus ist eingesetzt zum Sohne Gottes in Macht dem Geist der Heiligkeit nach zu Folge – zu Folge! – der Auferstehung von den Toten.“ Und im 8. Kapitel sagt er: „Er wurde auferweckt und sitzt zur Rechten Gottes.“ Das eine lässt sich vom anderen nicht trennen. Die Himmelfahrt ist die naturgemäße Ergänzung der Auferstehung. Sie ist die vollendete Erhebung aus dem Zustand der Knechtsgestalt in den Zustand der Erhöhung. Die Erhöhung ist inneres Ziel der Auferstehung Jesu. In der Auferweckung ereignet sich schon die Erhöhung. Die Auferstehung bringt Jesus nicht zurück in diese Welt, wie den Lazarus nach seiner Erweckung. Nein, die Auferstehung verschafft ihm den Zugang und den Eintritt in die Welt Gottes. Deswegen hört Maria Magdalena, als sie den Herrn berühren will: „Fass mich nicht an, ich bin noch nicht hinaufgefahren zu meinem Vater. Aber geh und sag meinen Brüdern: Ich fahre hinauf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.“

Lukas beschreibt in der Apostelgeschichte den Abschied Jesu ausführlicher als alle anderen Evangelisten. Die Apostel erfahren vierzig Tage nach Ostern auf dem Ölberg Jesus als den zum Himmel Auffahrenden. Damit ist die Erhöhung gemeint. Um hinreichend Zeuge der Auferstehung sein zu können, müssen die Apostel auch Zeugen der Himmelfahrt sein. Als es darum geht, den Judas zu ersetzen, durch die Neuwahl eines Apostels, da sagt Petrus: „Es muss aus den Männern, die zusammen waren mit uns in der ganzen Zeit, da er aus- und einging, unser Herr Jesus, von der Taufe des Johannes an bis zu dem Tage, an dem er aufgenommen wurde. Einer von ihnen muss Zeuge sein der Auferstehung.“ Die Bezeugung der Himmelfahrt ist die gleiche wie die der Auferstehung. Sie geschieht nicht vor aller Welt, sondern vor den vorherbestimmten Zeugen: vor den Jüngern Jesu. In der Parusie wird Jesus dagegen allen Menschen sichtbar und erfahrbar werden. Die Parusie ist die letzte und endgültige Erscheinung Jesu, auf die wir warten. Sie ist das Offenbarwerden der Himmelfahrt schlechthin. Weder Lukas noch das ganze Neue Testament kennen einen Zwischenzustand, in dem Jesus zwar auferweckt, aber noch nicht aufgefahren wäre. Christus erscheint nach Ostern immer schon vom Himmel her. Der verklärte Christus ist eben von einer Gestalt, die nicht mehr auf diese Erde passt – jedenfalls nicht für einen dauernden Aufenthalt.

Die Himmelfahrt ist der unterwerfende Triumphzug durch die Dimension der dämonischen Mächte. Jetzt endlich ist sein Sieg über die Dämonen offenbar geworden. „Er entwaffnete“, so heißt es im Brief an die Kolosser, „er entwaffnete die Mächte und Gewalten und stellte sie öffentlich an den Pranger, da er über sie triumphierte in seiner Himmelfahrt.“ Die Himmelfahrt überbietet auch die Engelmächte. Der Christ und das ganze Christentum nehmen die Engel ernst. Sie wissen um ihre Macht. Aber Christus ist hocherhaben über die Engel, wie sein Name, den er ererbt hat, über sie erhaben ist. Mehr von alttestamentlichen Vorstellungen her kommt der Begriff der Inthronisation, der Thronerhebung Christi. Er wird mehrfach vorgestellt in der Heiligen Schrift. Diese Thronerhebung wird beschrieben als Zeugung durch den Vater. Ein Bild, selbstverständlich, aber ein Bild, das eben eine Realität aussagen will. Gott hat die an die Väter ergangene Verheißung an uns erfüllt, indem er Jesus auferweckte. Und zwar ist die Verheißung, die hier gemeint ist, die des 2. Psalms, wo es heißt: „Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt.“ Die Himmelfahrt ist auch eine Namensverleihung. Durch die Erhöhung hat Gott dem Jesus einen Namen verliehen, der über alle Namen ist, d.h. er steht an der Spitze von allen, der Name ist Symbol für Macht, er hat eine Macht wie kein anderer. Die Erhöhung wird auch beschrieben als Verleihung der „Doxa“. Dieser griechische Begriff bedeutet göttliche Macht und Herrlichkeit. Diese göttliche Macht und Herrlichkeit hat Jesus durch die Himmelfahrt empfangen. „Gott hat ihn von den Toten erweckt und ihm Herrlichkeit verliehen“, schreibt Petrus in seinem 1. Briefe. Damit ist die Gottgleichheit ausgesagt. Und im 1. Timotheusbrief findet sich ein alter Hymnus, in dem heißt es: „Er wurde offenbar im Fleische, gerechtfertigt im Geiste, geschaut von den Engeln, verkündet den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in Herrlichkeit.“ Die Himmelfahrt, die Erhöhung, bedeutet die Einsetzung Jesu zum Herrn und Messias, so verkündet es Petrus in der Pfingstpredigt: „Gott hat diesen Jesus zum Herrn und Messias gemacht, den ihr gekreuzigt habt.“ Damit ist nicht gesagt, dass Jesus erst durch die Himmelfahrt zum Herrn und Messias erhoben wurde, sondern dass seine Herrlichkeit als Herr und Messias durch die Erhöhung offenbar, kund gemacht wurde. Die Aussagen über die Inthronisation Jesu meinen nicht nur seine Herrschaft über die Gemeinde, über die Kirche, sondern sie meinen seine Herrschaft über die ganze Welt. Deswegen kann der Auferstandene und Erhöhte sagen: „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden.“

Wir können fragen, meine lieben Freunde, nachdem wir erkannt haben, was die Auferstehung für Jesus bedeutet, was bedeutet sie für uns? Nun, ich meine ein Dreifaches: Erstens: Nur indem die Himmelfahrt geschieht, kann der Geist kommen und so die Kirche entstehen, denn die Kirche ist ein Geschöpf des Geistes. Am letzten Tage eines jüdischen Festes stand Jesus da und rief: „Wenn jemand dürstet, komme er zu mir und trinke. Wer an mich glaubt, aus dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ Das sagte er in Hinsicht auf den Geist, den diejenigen empfangen sollten, die an ihn glauben. Denn noch war der Geist nicht da, weil Jesus noch nicht verherrlicht war. Ja, warum ist denn die Verherrlichung Jesu notwendig, damit der Geist kommt? Der Grund ist der, dass der Geist aus der verklärten Natur Christi strömt. Der Geist strömt aus der verklärten Natur Christi. Solange er nicht verklärt war, konnte der Heilige Geist nicht kommen. „Es ist gut für euch“, sagt deswegen Jesus, „dass ich fortgehe. Denn wenn ich nicht fortgehe (also gekreuzigt werde und auferstehe), wenn ich nicht fortgehe, wird der Helfer nicht zu euch kommen. Wenn ich aber fortgehe, werde ich ihn euch senden.“ Nach seiner Verherrlichung hat Christus gewissermaßen Macht über den Geist gewonnen. Und deswegen konnte er schon am Abend des Auferstehungstages zu den Jüngern sagen: „Empfanget Heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden nachlassen werdet, denen sind sie nachgelassen, welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.“ Zwischen der Geistverleihung am Osterabend und zu Pfingsten besteht kein Widerspruch. Denn es ist beide Male der erhöhte Herr, der den Geist mitteilt. Beide Male ist seine Erhöhung die Voraussetzung für die Mitteilung des Geistes. Und so predigt Petrus auch an Pfingsten: „Zur Rechten Gottes erhöht, empfing – empfing! – Jesus die Verheißung des Heiligen Geistes vom Vater und hat ihn ausgegossen, wie ihr selbst seht und hört.“ Zweitens hat die Himmelfahrt Christi für uns die Bedeutung, dass er uns den Weg zum Himmel erschließt. „Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen. Wäre es nicht so, hätte ich es euch gesagt. Denn ich gehe hin, euch einen Platz zu bereiten. Und wenn ich hingegangen bin und einen Platz bereitet habe für euch, komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, damit auch ihr seid, wo ich bin.“ Jesus ist also gewissermaßen der Quartiermacher für uns. Er bereitet uns einen Platz im Hause seines Vaters. Dasselbe sagt übrigens der Hebräerbrief, wenn er Jesus als den „Vorläufer“ bezeichnet. Jesus ist als Vorläufer für uns in das erhabene Zelt Gottes eingestiegen. Dem Vorläufer dürfen wir folgen. Die Himmelfahrt ist wirksames Unterpfand und Vorbild unserer eigenen Aufnahme in den Himmel. Wo das Haupt ist, sollen auch die Glieder sein. Drittens bedeutet die Himmelfahrt Christi für uns, dass das Kreuzesopfer den Eintritt des himmlischen Hohenpriesters in das Allerheiligste Gottes besagt. Jesus lebt, um immerfort einzutreten für uns. Er ist der Hohepriester, der nicht nötig hat, für seine eigenen Sünden Opfer darzubringen, „das hat er ein für alle Mal getan“, schreibt der Hebräerbrief. Nein, wir haben einen Hohenpriester, der sich setzte zur Rechten Gottes. Er trat durch das größere und vollkommenere Zelt, das nicht von Menschenhänden gemacht ist, in das Heiligtum ein, indem er eine ewig dauernde Erlösung erlangt. So wird also das Opfer Christi im Heiligtum Gottes aufbewahrt, und die Opfer, die wir vollziehen in der heiligen Messe, die werden emporgetragen und mit diesem heiligen Opfer Christi, das im Himmel aufbewahrt ist, vereinigt.

Viele Verkündiger des Evangeliums geraten in Verlegenheit, wenn sie an Christi Himmelfahrt predigen sollen – wir nicht. Wir wissen um die Wirklichkeit der Geschehnisse von Himmelfahrt und Erhöhung. Wir wissen, Christus ist mit seiner menschlichen Natur eingegangen in die Herrlichkeit des himmlischen Vaters. Er hat nicht einen Platz in der Schöpfung eingenommen, etwa in weiter Ferne, die wir vorläufig mit Raumschiffen nicht erreichen können. Nein, er hat die gesamte Schöpfung überstiegen. „Als Sieger bist du heute über alle Himmel emporgestiegen“, beten wir in der Pfingstnovene. Er ist in die Überwelt Gottes eingetreten. Damit ist das Heilswerk, das er auf Erden vollbracht hat, vollendet. Er hört nicht auf, zu wirken, aber er wirkt jetzt aus dem Himmel und im Himmel. Und er steht bereit, uns in seine Herrlichkeit einzuführen. Es gilt das Wort, das er im Johannesevangelium gesprochen hat: „Ich lebe, und ihr werdet leben.“

Amen.

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