Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Das Eigentum (Teil 2)

23. August 2015

Die Notwendigkeit von Eigentum

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Am vergangenen Sonntag haben wir versucht, zu erklären, dass das Eigentum, das Privateigentum eine Einrichtung ist, die von Gott eingesetzt wurde. Indem er das Gebot gab: „Du sollst nicht stehlen!“ hat er die Eigenberechtigung und das Eigentum in seinen Schutz genommen. Wir wollen heute fragen: Welches ist denn die Begründung dieser Ordnung? Warum soll, warum muss es nach Gottes Willen Eigentum geben? Nun, eine gewisse Befestigung der irdischen Güter und damit auch eine geordnete Verteilung derselben sind notwendig zum leiblichen Bestand unseres Lebens. Die lebensnotwendigen Güter stehen nicht alle in unbeschränkter Fülle zur Verfügung, sondern sie reichen nur dann für alle, wenn sie in kluger und berechnender Weise verteilt werden. Wenn alle Menschen mit den Dingen, die wir zur Ernährung, Bekleidung und Wohnung notwendig haben, nach Belieben umgehen würden, dann wäre in kürzester Zeit für niemand mehr etwas da. Wenn die Güter aufgeteilt werden auf möglichst viele, dann spürt jeder die Notwendigkeit, sie klug zu verwalten, sie zu bewahren, womöglich zu vermehren. Man spricht von nachhaltiger Bewirtschaftung; dieser Begriff stammt aus der Forstwirtschaft. In der Forstwirtschaft hat man Nachhaltigkeit gefordert in dem Sinne, dass nicht mehr Holz geschlagen werden darf, als nachwächst, damit auch für künftige Generationen noch etwas da ist. Und dann hat man diesen Begriff ausgeweitet auf die gesamte Wirtschaft. Die Bedürfnisse der Gegenwart müssen so befriedigt werden, dass auch für die Befriedigung der Bedürfnisse der kommenden Generationen genug übrig bleibt. Dieses Ziel wird aber nur erreicht, wenn jeder einzelne mit dem ihm anvertrauten Eigentum gewissenhaft und sparsam wirtschaftet. Die meisten lebensnotwendigen Güter stehen nicht ohne weiteres bereit, sondern sie werden erst und nur durch Arbeit gewonnen. Die Natur bietet uns Rohstoffe, aber sie müssen verfeinert, veredelt, verarbeitet werden. „Du sollst“, sprach Gott, „im Schweiße deines Angesichtes die Erde bebauen.“ Das gilt fast von allen unseren Nahrungs- und Bekleidungsmitteln und erst recht von den Mitteln der höheren Kultur: von Wohnung, Verschönerung und Vergeistigung unserer Arbeit. Da also die Arbeit zur Beschaffung der Lebensgüter notwendig ist, muss sie auch Einfluss haben auf ihre Verteilung. Wer viel arbeitet, kann sich viel erwerben; wer wenig arbeitet, wird sich wenig erwerben. Die Arbeit ist ein unabsetzbarer Rechtstitel, Eigentum zu erwerben entweder direkt, indem sie einem Menschen dient, sich gewisse Lebensgüter zu erarbeiten, etwa auf dem Felde oder in einer Werkstatt, oder indirekt als Anspruch auf entsprechenden Lohn. Die Arbeit würde ihre wichtige Funktion – vielleicht ihre wichtigste Funktion – verlieren, wenn sie nicht ein Rechtstitel auf Eigentum wäre. In der Heiligen Schrift steht der Satz: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“ Andererseits ist die Arbeit nicht der einzige Rechtstitel, Eigentum zu erwerben, sonst müsste man den Arbeitsunfähigen und den Arbeitslosen das Recht auf die Lebensgüter absprechen, was natürlich ungerecht und unmöglich ist. Die Arbeit setzt auch eine gewisse Eigentumsordnung schon voraus. Man benötigt ja zur Arbeit Arbeitszeug, Arbeitskleidung, man benötigt Betriebskapital und Bildungsmittel.

Es folgt daraus, dass Arbeit und Eigentum fest zusammen gehören, aber nicht dieselbe Sache, nicht das gleiche Recht bedeuten. Die Arbeit hat auch nicht allein den Zweck, für die Güter des täglichen Bedarfs aufzukommen. Es gibt auch andere Motive zur Arbeit, und es gibt auch andere Arten von Arbeit. Die Arbeit kann nicht allein durch irdische Güter gemessen und gewertet werden, sonst wäre sie ja Hungerarbeit oder Sklavenarbeit oder noch so hoch bezahlte Lohnarbeit. Nein, Arbeit ist immer auch etwas Persönliches, etwas Menschliches, etwas Geistiges. Die Arbeit hat höhere Zwecke zu erfüllen. Sie dient dem Menschen dazu, sich hinaufzuarbeiten. Durch Arbeit wird der Mensch auf eine höhere Ebene geführt. Die Einzelpersönlichkeit wird durch die Arbeit geformt und gebildet und vermag sich dann umso wertvoller in die Gemeinschaft einzubringen. Eines aber ist sicher: Zur Entfaltung des Menschenlebens ist ein gewisses Maß von Besitz und Gebrauchsgütern unerlässlich. Die katholische Soziallehre hat immer dafür plädiert, dass Eigentum geschaffen wird, dass den Eigentumslosen Eigentum vermittelt wird. Das weit gestreute Privateigentum ist eine Grundforderung der katholischen Soziallehre. Bei Gütergemeinschaft fehlt für die meisten Menschen der Trieb zur Arbeit. Es fehlt die rechte Verteilung und Ordnung der Arbeit in der Gesellschaft, die Eifersucht und der Unfriede wird gesteigert. Nein, wenn jeder über gewisse Güter verfügt, ist der Austausch möglich, gibt es einen Markt, auf dem man für das eine etwas anderes bekommt. Die Arbeitsprodukte und alle Gegenstände werden leichter vermittelt, wenn es Privateigentum gibt. Der einzelne Mensch bedarf zu geordneter Selbstliebe und zur Wahrung der inneren Freiheit der Verfügungsgewalt über gewisse äußere Güter, von denen sein Leben und Wirken abhängt. Ihm genügt nicht der augenblickliche Genuss und Gebrauch; der Mensch denkt auch an die Zukunft. Er verlangt deswegen eine dauernde Grundlage für Existenz und Arbeit, und diese gewährt das Eigentum. Das Einzelleben wächst sich aus zur Familie. Die Familie hat Rechte schon vor dem Staat und vor der Gesellschaft. Natürliche Neigung und Verpflichtung treibt die Eltern an, Eigentum zu erwerben, das sie dann den Kindern vermitteln können. Der Kulturfortschritt der Menschheit ist weithin an das Vorhandensein von Privateigentum gebunden. Um den Geist und die Kraft zu entfalten, muss man sich die Arbeitsgebiete frei auswählen können. Es muss auch die stetige und lohnende Verfolgung des gewählten Arbeitsgebietes möglich sein. Der Wetteifer von Aufgaben und von Tätigkeiten, von Wohltätigkeiten setzt das Eigentum voraus. Wovon will man denn Wohltätigkeit üben, wenn man kein Eigentum besitzt? Diese Kräfte gedeihen normal nur in der wirtschaftlichen Selbstständigkeit.

Im alten Rom gab es den Begriff des Proletariats. Proletarier war derjenige, der keine Steuern zahlte und nicht zum Heeresdienst eingezogen wurde. Er hatte kein Vermögen; sein einziger Besitz war seine Nachkommenschaft – „proles“, das ist das lateinische Wort für Nachkommenschaft, deswegen Proletarier. Im 19. Jahrhundert wurde der Begriff neu aufgewärmt und bezeichnete jene Klasse in der Gesellschaft, die nichts besitzt als ihre Arbeitskraft. Die katholische Soziallehre hat damals die Parole ausgegeben: „Entproletarisierung des Proletariats“, d.h. es soll auch dem Lohnarbeiter möglich sein, ein Vermögen, wenn auch noch so gering, zu erwerben, Eigentum zu besitzen und es in seiner Familie weiterzugeben. Eines freilich ist ausgeschlossen: Es ist unmöglich, meine lieben Freunde, durch Verteilung der vorhandenen Güter, Gerechtigkeit zu schaffen. Wenn Sie heute das gesamte Vermögen des Volkes aufteilen, gleich aufteilen an alle, dann werden morgen schon wieder die einen mehr haben als die anderen, denn die Kräfte des Erwerbs sind verschieden, die Motive des Erwerbs sind verschieden, der eine ist sparsam, der andere verschwenderisch; also durch Verteilung gibt es keine Gerechtigkeit. Das Maß an Entwicklungsmöglichkeiten und die dafür nötigen Güter sind ja verschieden; der eine braucht viel, der andere wenig. Ein ganz bestimmtes auf ihn zugeschnittenes Maß an Unterhalt, Sättigung und Sorglosigkeit braucht jeder, ja, vielleicht sogar darüber hinaus auch etwas an Bequemlichkeit oder sogar an Luxus. Luxus bezeichnet das über das jeweils als notwendig erachtete Maß hinausgehende Vermögen, die darüber hinausgehenden Verhaltensweisen und Aufwendungen beim Gebrauch von Gütern. Was unter Luxus verstanden wird, hängt von kulturellen Standards ab, von Einkommenshöhe und Konsumgewohnheiten, auch von den sozialethischen Vorstellungen. Luxus ist ein relativer Begriff. Ich kann mich erinnern: In meiner Schulzeit verkaufte die Hausmeisterin der Schule in der großen Pause Fläschchen mit Kakao; das Fläschchen kostete damals 5 Pfennig. Ich sah diese Einrichtung als Luxus an, denn ich hatte nicht die 5 Pfennig, um mir jeden Tag ein Fläschchen zu kaufen. Also da sieht man die Relativität des Begriffes des Luxus. Das richtet sich auch nach dem Angebot, nach der Reichhaltigkeit oder der Knappheit des Güterangebotes. In der russischen Gefangenschaft galt es als Luxus, wenn man sich einmal satt essen durfte. Alle Vorstellungen von Luxus haben in der Alltagserfahrung eine gemeinsame Basis, nämlich dass die Knappheit der verfügbaren Güter angesichts der Vielfalt und Vielzahl menschlicher Bedürfnisse einen sparsamen Umgang erfordert, gleichzeitig jedoch dem Besitzenden einen aufwendigeren, auch verschwenderischen Gebrauch ermöglicht. Vor einigen Jahren hat sich der reiche Industrielle Gunter Sachs aus Schweinfurt umgebracht. Gunter Sachs war ein schwerreicher Mann; er lebte im Luxus. Einmal mietete er ein Flugzeug, das über dem Haus der französischen Schauspielerin Brigitte Bardot Rosen abwarf – das ist Luxus. Das Streben nach Luxus ist eben mit einem Doppelcharakter behaftet. Es kann zu einem Laster werden, weil man sich an den Luxus verkauft, weil man ihn nicht mehr entbehren kann. Aber selbstverständlich wird durch Luxus auch die Nachfrage gesteigert, werden Arbeitsplätze geschaffen. Der Luxus hat Beschäftigungseffekte. Heute ist das Streben nach Luxus zu einem gesamtgesellschaftlichen Leitbild geworden. Jeder will Anteil haben am Luxus, und das ist ja auch in einem gewissen Umfang möglich. Denken Sie an die Heilbäder. Im 19. Jahrhundert konnte nur die Oberschicht sich nach Bad Ems oder in ein anderes Heilbad begeben. Heute kann jeder, auch der Arbeiter, auch der Angestellte in ein Heilbad gehen. Das Streben nach Luxus ist zu einer Orientierung, aber auch zu einer Möglichkeit des Alltags geworden. Heute gibt es Luxusautos für jeden, Luxuswohnungen, Luxushotels. Eben weil die leiblichen und geistigen Bedürfnisse verschieden sind, müssen auch die Rechte verschieden sein. Eine vollständige Gleichbehandlung wäre sinnlos. Das ist der tiefste Grund, warum ein völliger und reiner Kommunismus nicht möglich ist, auch nicht in den katholischen Ordensgemeinschaften. Karl Marx unterschied zwei Phasen der kommunistischen Gesellschaft. In der niederen Phase gilt: Jedem nach seiner Leistung; in der höheren Phase: Jedem nach seinem Bedürfnis. Beide Prinzipien wurden in der Sowjetunion niemals verwirklicht. Es gibt kaum eine Gesellschaft, die so ungleich war wie die Gesellschaft der Sowjetunion. Die Menschen müssen, auch in der bestorganisierten Gesellschaft und gerade in ihr, zerfallen in Führer und Geführte, in Bahnbrecher und Helfer, in Geistesarbeiter und Handarbeiter, in Ärmere und Reichere. Die Begabungen sind eben verschieden, der Arbeitswille ist verschieden, die Funktionen und Leistungen sind verschieden, und darum auch der Erwerb von Eigentum und von Mitteln. Aber immer noch, meine lieben Freunde, immer noch steht im 1. Brief des Apostels Paulus an Timotheus: „Wir haben nichts mitgebracht in diese Erde und wir werden auch nichts mitnehmen. Haben wir Nahrung und Kleidung, so wollen wir damit zufrieden sein.“

Amen.

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