Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Die wahre Kirche (Teil 2)

26. Juli 1987

Das Amt des Papstes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir hatten uns vorgenommen, die Kirche zu betrachten. Am vergangenen Sonntag war die Stiftung der Kirche durch Christus der Gegenstand unserer Überlegung. Christus hat seine Kirche gegründet nicht als ungeordnete Masse, sondern mit den Grundzügen einer Verfassung. Er hat Organe für die Gemeinschaft bestellt. Das oberste dieser Organe ist Petrus. Nach seiner Auferstehung entbot der Herr seine Apostel an den See Genesareth. Dort stellte er Petrus auf die Probe, indem er ihn fragte, ob er ihn liebe. Als Petrus dreimal versichert hatte, daß er ihn liebe, sagte der Herr zu ihm: „Weide meine Lämmer! Weide meine Schafe!“

Das ist die Gründungsurkunde des Papsttums. Weiden, das heißt eine Tätigkeit ausüben, die Hirten zukommt. Wem gesagt wird: „Weide!“, der wird zum Hirten bestellt. Selbstverständlich sind zu weiden in der Bildersprache, die der Herr gebrauchte, nicht Tiere, sondern Menschen. Er hat ihnen ja bei anderer Gelegenheit verheißen: „Ich will euch zu Menschenfischern machen.“ Und so gibt also der Herr dem Petrus den Auftrag, als Hirte, als oberster Hirte seine Herde zu weiden.

Schon zur Zeit seines irdischen Lebens hatte der Herr ihm diese Stellung angekündigt. Als er den Simon – denn so hieß er ja ursprünglich – kennenlernte, gab er ihm einen neuen Namen. „Du sollst 'Kephas' heißen.“ Kephas, das heißt „Fels“. Und in der Gegend von Cäsarea Philippi, also im Angesichte gewaltiger Berge, da forderte der Herr die Jünger auf, ihm zu sagen, was die Menschen von ihm halten. Und sie brachten die Menschenmeinungen vor. Die einen halten ihn für Johannes den Täufer, andere halten ihn für Elias, wieder andere für Jeremias oder enen der Propheten. Das ist alles falsch gewesen. So dachten die Menschen, denen die Gnade nicht die Augen geöffnet hatte für das wirkliche Wesen Jesu. Deswegen fragte der Herr: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Da antwortet Petrus, der Sprecher der Zwölf: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“

Im Anschluß an dieses Bekenntnis hört Petrus die Worte: „Du bist Petrus – das lateinische Wort für „Fels“ – und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen. Dir will ich die Schlüssel des Himmelreiches geben. Alles, was du auf Erden binden wirst, wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein.“

In drei Bildern umschreibt der Herr die Funktionen des Petrus. An erster Stelle soll er der Fels sein. Fels, das ist Fundament, das ist Grundlage, und zwar eben Felsenfundament, ein Fundament, das unerschütterlich ist, und so wird gleich aus diesem Bild die Folgerung gezogen: „Die Pforten der Hölle“ – das ist also die Macht der Unterwelt, der Teufel – „wird diesen Felsen nicht überwältigen,“ d.h. nicht überwinden, nicht stürzen, nicht vernichten können. Das ist das erste Bild: Felsenfunktion wird dem Petrus zugeschrieben.

Die zweite Funktion: Er ist Schlüsselträger. Schlüssel hat nicht bloß der Pförtner, sondern wer im alten Orient den Schlüssel hat, das ist der Hausherr. Der Schlüsselträger ist der Hausherr, und wem dann eben die Schlüssel gegeben werden und gar die Schlüssel des Himmelreiches, der ist der Hausherr des Himmelreiches, der läßt ein und der schließt aus, je nachdem, wie er seine Schlüsselgewalt betätigt.

Außerdem, und das ist das dritte, wird ihm die Binde- und Lösegewalt übertragen. Binden und Lösen bedeutet im damaligen Sprachgebrauch, im Sprachgebrauch der Rabbiner, in der aramäischen Sprachwelt in den Bann tun und aus dem Banne lösen, erlauben und verbieten, mit Vollmacht lehren und mit Vollmacht abweisen. Das ist der Sinn von Binden und Lösen. Und diese Binde- und Lösegewalt wird dem Petrus übertragen, und zwar mit göttlicher Sanktion. Was auf Erden von ihm geschieht, das wird von Gott im Himmel bestätigt.

Da sehen wir also, meine lieben Freunde, wozu der Herr Petrus gemacht hat. Er hat ihn zum Felsenfundament seiner Kirche, er hat ihn zum Schlüsselträger und er hat ihn zum Inhaber der Binde- und Lösegewalt gemacht. Das war der Keim, den der Herr in das Erdreich seiner Kirche gesenkt hat. Dieser Keim hat sich entwickelt. Es wäre merkwürdig, wenn das Gesetz der Entwicklung auf die Kirche keine Anwendung fände. Selbstverständlich war der Primat in der heutigen Ausfaltung, in der heutigen juristischen Präzision am Anfang nicht offenkundig vorhanden, aber im Keim war all das beschlossen, was heute in kirchlichen Gesetzen vom Papst geschrieben steht.

Wir haben auch aus der frühen Zeit Hinweise auf diese Funktionen des Petrus. Im Jahre 65 ist der 1. Petrusbrief geschrieben, und da heißt es: „Wir grüßen euch aus Babylon.“ Ja, was ist denn das, Babylon? Das war damals eine Bezeichnung für die Stadt Rom. Rom, wegen seiner Größe und seines Glanzes, aber auch wegen seiner Sittenlosigkeit ein zweites Babylon, und da weilte Petrus, und weil er da weilte, deswegen ist heute noch der Bischof von Rom Nachfolger des Petrus.

Für die Anwesenheit Petri in Rom gibt es noch andere Beweise. Der Bischof Clemens, also einer der Nachfolger des Petrus, zeugt von dem herrlichen Beispiel, das Petrus und Paulus in Rom hinterlassen haben. Tertullian, ein Mann des 2. Jahrhunderts, weiß zu berichten, daß Petrus in Rom wie der Herr und Paulus in Rom wie Johannes gestorben ist, also der eine am Kreuze, der andere durch das Schwert. Wir wissen sogar die Grabstätte, an der Petrus begraben wurde. Sie liegt im Circus des Maximus; das ist der Platz, auf dem heute die Peterskirche in Rom steht. Das ist die Stätte, über der Kaiser Konstantin im jahre 324 die erste Peterskirche bauen ließ und auf der sich heute, erst 1626 fertiggestellt, der Petersdom erhebt. Weil Petrus also in Rom war, weil er in Rom gewirkt hat, weil er in Rom gestorben ist, weil es die letzte Station seines Lebens war, deswegen ist heute noch der Bischof von Rom der Nachfolger des Petrus, der Inhaber des Primats und der Träger der Gewalten, die dem Petrus verheißen und übertragen worden sind.

Der heilige Vater in Rom besitzt die oberste, die universale und die ordentliche Gewalt über die gesamte Kirche. Die oberste Gewalt besitzt er, d.h. er hat niemanden über sich. Auf Erden hat er keinen Richter. Auch eine Bischofsversammlung, auch ein allgemeines Konzil steht nicht über, sondern unter dem Papst. Ja, es ist überhaupt nur möglich mit dem Papst. Ein allgemeines Konzil ohne den Papst wäre ein kopfloses Rumpfparlament. Es ist deswegen unter Exkommunikation gestellt, vom Papst an ein allgemeines Konzil zu appellieren. Der Papst hat die oberste Gewalt in der Kirche. Er hat auch eine universale Gewalt, d.h. sie erstreckt sich über die gesamte Kirche. Keine Teilkirche ist ausgenommen, kein Bischof und kein Gläubiger ist dieser Gewalt entzogen. Alle ohne Ausnahme unterstehen dieser universalen Gewalt des fortlebenden Petrus. Es ist weiter eine ordentliche Gewalt, d.h. sie ist mit dem Amte verbunden. Wer das Amt des Bischofs von Rom hat, der hat auch diese Gewalt. Diese Gewalten werden ihm nicht etwa von den Gläubigen übertragen, von den Gläubigen abgeleitet und von den Gläubigen delegiert, nein, diese Gewalten sind gebunden an das Amt des Bischofs von Rom, und wem dieses Amt übertragen wird, dem gibt Gott die primatiale Gewalt.

Die Gewalt des Papstes ist schließlich eine unmittelbare, d.h. der Papst ist nicht gehalten, wenn er irgendwo eingreifen will, den Weg über Metropoliten und Bischofskonferenzen oder Bischöfe zu nehmen, nein, er kann jederzeit und überall unmittelbar seine Macht ausüben, wenn es ihm notwendig erscheint, um die Brüder zu stärken, um die Einheit der Kirche zu garantieren, die er ja als Felsenfundament bewahren soll.

Der Papst wird oft mit dem Worte „Apostolischer Stuhl“ bezeichnet. Apostolisch bedeutet soviel wie päpstlich, denn nur ein einziger Bischof der Kirche folgt einem bestimmten Apostel nach, nämlich der Papst in Rom. Alle anderen folgen den Aposteln insgesamt gesehen nach. Deswegen „Apostolischer Stuhl“. Das Wort „Stuhl“ bedeutet die Ausübung der Lehrgewalt. Man sitzt beim Lehren, so war es jedenfalls damals üblich. Wer Lehrgewalt hat, sitzt, und das ist ein Ausdruck seiner Autorität. Deswegen „Apostolischer Stuhl“. Damit ist das Amt des Papstes als höchste Lehrgewalt bezeichnet.

Weil die Gewalt des Papstes eine höchste ist, deswegen ist sie auch unter bestimmten Umständen eine unfehlbare. Die Kirche ist von Christus mit der Gabe der Unfehlbarkeit ausgestattet worden. Das ist ja der Sinn der Kirche, daß sie die Wahrheit Gottes durch die Zeiten trägt, und das kann sie nur, wenn sie unfehlbar ist. Aber wenn sich Streit erhebt, wenn sich Streit über die Lehre erhebt, dann muß ein Richter da sein, dann muß jemand auftreten, der sagt: „So ist es und so ist es nicht.“ Das hat im Laufe der Kirchengeschichte von 2.000 Jahren oft der heilige Vater in Rom getan. Im Jahre 451 waren die Bischöfe in Chalcedon versammelt – in der heutigen Türkei – und hielten ein großes Konzil ab, um bestimmte Irrlehren zurückzuweisen. Diesen Bischöfen schickte der damalige Papst Leo der Große einen Brief. Der Brief wurde verlesen. Als er verlesen war, da riefen die Bischöfe einmütig aus: „Petrus hat durch Leo gesprochen. Verworfen sei, wer anders denkt!“

So ist es im Laufe der Kirchengeschichte oft gewesen, daß Lehrstreitigkeiten erst und nur durch den Spruch des Nachfolgers Petri beendet werden konnten. Damit aber dieser Spruch von der Garantie der Wahrheit getragen ist, muß der Inhaber dieser Gewalt unfehlbar sein, sonst würde er die ganze Kirche in den Irrtum führen. Er ist also Besitzer der Unfehlbarkeit, mit welcher Christus seine Kirche ausgestattet wissen wollte. Diese Unfehlbarkeit ist an manche Bedingungen geknüpft. Der Papst ist nur unfehlbar, wenn er als oberster Lehrer der Kirche spricht, also nicht, wenn er eine Ansprache an Touristen richtet oder wenn er irgendwo in einem Land eine Predigt hält. Der Papst ist nur unfehlbar, wenn er für die Gesamtkirche spricht, und auch dann nur, wenn er eine letztgültige Entscheidung trifft, nicht eine vorläufige. Es muß sich um eine Entscheidung handeln, die nicht widerrufbar ist. Dieser Charakter der Entscheidung muß aus der Sprechweise erkennbar sein. Und schließlich muß es sich um eine Entscheidung handeln über die Glaubens- und Sittenlehre. Der Papst hat keine Gewalt, wenn er sich in das Gebiet der Naturwissenschaft, der Physik oder der Chemie einmengt oder wenn er eine Entscheidung über Sprachen geben wollte. Nein, seine Entscheidungsgewalt, seine Unfehlbarkeit ist beschränkt auf die Glaubens- und Sittenlehre. Er kann nur unfehlbar entscheiden, was zur Offenbarung gehört oder mit der Offenbarung zusammenhängt.

Solche Entscheidungen, meine lieben Freunde, sind außerordentlich selten. Die letzte Entscheidung in einer Glaubensfrage ist geschehen am 1. November 1950. Damals hat der Papst den Glaubenssatz von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel verkündet. Wenn wir eine weitere Dogmatisierung nennen wollen, dann müssen wir ein ganzes Jahrhhundert zurückgehen, nämlich in das Jahr 1854. Also so selten sind unfehlbare Lehrentscheidungen in Glaubenssachen. Deswegen treffen die Vorwürfe, die von nichtkatholischer Seite gegen die Unfehlbarkeit des Papstes erhoben werden, ins Nichts. Die Unfehlbarkeit ist nichts anderes als die Unfehlbarkeit, mit welcher der Herr seine Kirche ausgestattet wissen wollte. Sie konzentriert sich aber im Entscheidungsfalle in einer Person, welche die Kirche repräsentiert, nämlich im römischen Papst.

Meine lieben Freunde, Päpste werden dadurch, daß sie mit der Fülle der Gewalt ausgestattet werden, nicht zu Göttern. Päpste bleiben fehlbar, bleiben der Sünde unterworfen: Jeder Papst hat seinen Beichtvater, und Päpste können auch Unheil über die Kirche bringen. Das ist gar keine Frage. Aber in jedem Papst lebt die Kraft Christi, lebt die Kraft, mit welcher er die Nachfolger Petri ausgestattet wissen wollte. Und diese Kraft hat sich in vielen Päpsten wunderbar bewährt. 40 von den knapp 270 Päpsten, die bisher die Kirche regiert haben, sind als Martyrer gestorben, haben ihr Leben für Christus geopfert, haben der Wahrheit das Lebensopfer gebracht.

In den Katakomben von Rom hat man einmal eine alte Öllampe gefunden. Auf dieser Öllampe steht geschrieben: Petrus stirbt nicht. Nein, Petrus stirbt nicht.

Wenn ein Papst aus diesem Leben scheidet, dann folgt ihm ein anderer nach, und so wird es sein bis zum Ende der Zeiten, bis der Herr wiederkommt, seine Kirche zu richten.

Der deutsche Philosoph evangelischer Religion Schelling wurde einmal gefragt, was er vom Papsttum halte. Er gab darauf die Antwort: „Was ich vom Papsttum halte? Ich halte dafür, daß das Christentum längst von der Erde verschwunden wäre, wenn es kein Papsttum gäbe.“

Amen.

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