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Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Die Gebote Gottes (Teil 10)

7. September 1986

Die Pflicht zur Sonntagsheiligung

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Gedenke, daß du den Sabbat heiligest!“ So lautet das 3. Gebot, das Gott seinem Volke gegeben hat. Die Heiligung des siebenten Tages hat tiefe Wurzeln. Vermutlich ist sie schon ein Naturgsetz. Der siebente Tag ist ja der vierte Teil des Mondmonats. Der Mondmonat zählt 28 Tage, also vier mal sieben, und dieser Rhythmus scheint dem Menschen irgendwie von der Natur vorgezeichnet zu sein, daß er sechs Tage arbeitet und am siebenten Tage ruht. Aber ruht nicht nur, um von der Arbeit zu lassen, sondern ruht, um Gott anzubeten. Denn das ist der erste und tiefste Sinn des Sabbats, daß du den Herrn an diesem Tage anbetest. Heiligen heißt den Herrn anbeten! Der Sabbat ist von Gott eingesetzt, damit der Mensch seinen Blick zu seinem Schöpfer richtet, ihm dankt, ihn lobt, ihm Sühne leistet und seine Bitten vorbringt. Der Sabbat ist ein Tag der Besinnung. Der Mensch soll über der Arbeit der Erde den Himmel nicht vergessen. Der Sabbat ist von Gott eingesetzt, damit der Mensch seine Geschöpflichkeit im Angesichte Gottes bejaht.

Gewiß ist das nur möglich, wenn sich der Mensch freimacht von der Tagesarbeit. Die Erwerbsarbeit ist regelmäßig hinderlich, daß man seinen Geist zu Gott erhebt, daß man Gottesdienst, gemeinsamen Gottesdienst, hält. So soll also die Freiheit von Arbeit Raum schaffen für die Gottesverehrung.

Aber Gott ist auch ein sozialer Gott, d.h. er weiß, daß der Mensch Ruhe braucht, daß er in bestimmten Intervallen, in gewissen Abständen ruhen muß, wenn seine Arbeitskraft sich nicht vorzeitig erschöpfen soll. Wer ständig, ohne Pause und ohne Rast arbeitet, der zerstört seine Kraft und seine Gesundheit vor der Zeit. Darum hat Gott auch den sozialen Gesichtspunkt berücksichtigt, denn das Gebot Gottes fährt ja fort: „Sechs Tage sollst du arbeiten und deine Geschäfte tun!“ Sechs, also nicht sieben. Die Menschen haben versucht, diesen Rhythmus zu zerstören. Wenn Sie die Berichte unserer Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion lesen, da können Sie vielfach feststellen, daß die sowjetische Gewahrsamsmacht keinen Unterschied zwischen Sonn- und Werktagen kannte. In vielen Lagern mußten unsere gefangenen Soldaten am Sonntag genauso arbeiten wie am Werktag. Das ist die Frucht des Bolschewismus.

Es ist schon einmal ein solches Experiment gemacht worden, den Sonntag abzuschaffen, nämlich in der Französischen Revolution. Damals führte man den Dekadi ein, den zehnten Tag. Neun Tage wurde gearbeitet und nur am zehnten ein Ruhetag eingeschaltet. Die Probe dieses Experimentes ist unglücklich ausgegangen. Selbst die Anhänger der Revolution haben sich nicht an diese Ordnung gewöhnen können. Sie haben dagegen aufbegehrt. Die Arbeiter in den staatlichen Waffenfabriken Frankreichs haben den siebenten Tag als Feiertag nicht missen wollen.

Nun erhebt sich freilich eine schwierige Frage, denn wir feiern ja nicht den Sabbat, also den Samstag, wir feiern den Sonntag. Ja, ist das nicht ein Abgehen vom Gebote Gottes: „Gedenke, daß du den Sabbat heiligest“? Der Sonntag ist der erste Tag der Woche, und der Sabbat sollte der siebente sein. Ich habe eine Schulfreundin gehabt, die zu einer Sekte übergegangen ist, nämlich zu den Adventisten. Und diese Adventisten sind Anhänger der Sabbatheiligung, und ich hörte einmal von ihr die Frage, wie die Kirche es verantworten könne, daß sie vom Gebote Gottes abgehe, nicht den Sabbat, sondern den Sonntag zu heiligen.

Zunächst einmal ist davon auszugehen, daß Gott einen Tag in der Siebentagewoche für die Heiligung und für die Ruhe bestimmt hat, einen Tag. Daran hat die Kirche nie gerüttelt. Aber sie hat den Sabbat durch den Sonntag ersetzt. Dazu ist sie durch den Gang der Heilsgeschichte legitimiert. Das ist ein Ausdruck der Ablösung der alttestamentlichen Heilsordnung durch die neutestamentliche. Denn die Begründung des Sabbats wurde im Alten Testament dadurch gesucht, daß man sagte: Gott hat sechs Tage die Welt geschaffen und am siebenten geruht. Das ist natürlich menschlich gesprochen, denn Gott braucht keine Ruhe, er ist die Ruhe, und er wird nicht müde, wenn er schafft. Das sind also anthropomorphe Begriffe und Bilder, mit denen man die Sabbatruhe in Gottes Anordnung zu verankern versucht hat. Der Neue Bund ist eine neue Heilsordnung, und dieser Neue Bund hat seinen Grund und seine Wurzel im Auferstehungstage Jesu. „Das ist der Tag, den der Herr gemacht hat.“ Das ist der Tag, der zu heiligen ist. Das ist der Tag, auf den in der Vollmacht, die der Kirche gegeben ist, die Heiligung im Neuen Bunde fällt. An einem Sonntag ist der Herr von den Toten auferstanden. An einem Sonntag hat er den Geist über sein Volk ausgegossen. So ist der Sonntag der heilige Tag des neutestamentlichen Bundesvolkes. Darum hat die Kirche in der Vollmacht, die ihr geworden ist, die Heiligung vom Sabbat auf den Sonntag übertragen. Sie kann das, weil der Herr es ihr überantwortet hat.

Wir haben soeben in der heutigen Lesung gehört, wie sich der Herr gegen eine falsche Auslegung der Sabbatheiligung gewandt hat. Man soll den Tag des Herrn grundsätzlich freihalten von Arbeit. Aber es gibt unaufschiebbare Arbeiten. Ein Ochse, der am Sonntag in die Grube fällt, muß wieder herausgezogen werden, denn er könnte ja da unten verhungern und verdursten. Es gibt Arbeiten, die nicht unterlassen werden dürfen, etwa in der Versorgung der Menschen, im Krankenhaus, in den Elektrizitätswerken, bei den Verkehrsbetrieben. Gewiß ist dem Menschen auferlegt, alles Überflüssige und alles nicht Notwendige zu vermeiden. England kann uns ein Vorbild sein in der Sonntagsheiligung, denn da wird sie gewöhnlich strenger genommen als in vielen anderen Ländern. Aber ungeachtet dieser hohen Strenge ist daran festzuhalten, daß es Arbeiten gibt, die auch am Sonntag gestattet sind. Sie sollten nur auf das Notwendigste eingeschränkt werden, und sie sollten den Menschen nicht hindern, die Pflicht zu erfüllen, die die Kirche an dem Sonntag festgelegt hat durch das zweite Kirchengebot, nämlich eine heilige Messe mit Andacht zu hören.

Das Herz des Sonntags ist tatsächlich die heilige Messe. Sonntag nennen wir diesen Tag, nicht wegen der irdischen Sonne, die geht ja auch an den Werktagen auf, sondern weil die Sonne des Heiles am Sonntag aufgegangen ist, nämlich Christus, der Auferstandene. Das ist der Grund, warum der Sonntag diesen Namen trägt. Die Sonne des Heils ist uns aufgeschienen angesichts des verklärten Christus. Und diese Sonne des Heiles strahlt nirgends heller und wirksamer als im Meßopfer der heiligen katholischen Kirche. Deswegen die strenge Pflicht, jeden Sonntag die heilige Messe, eine ganze heilige Messe, andächtig mitzufeiern. Das ist der Grundquell des Heiles.

Ich habe Menschen gekannt, meine lieben Freunde, die tief in Sünden verstrickt waren, die jahrelang keine Sakramente empfingen, aber die jeden Sonntag in die Messe gingen. Ich habe noch nie erlebt, daß einer dieser Menschen vor seinem Tode nicht die Gnade der Bekehrung empfangen hätte. Ich glaube, man kann sagen: Wer in die Sonntagsmesse geht, geht nicht verloren. Das ist die Überzeugung, die ich in 35 Priesterjahren gewonnen habe. Der Sonntag ist für den Katholiken unentbehrlich. Der Nichtkatholik mag in seiner Bibel lesen, das mag ihm genügen, dem Katholiken genügt es nicht. Er muß am Sonntag an dem heiligen Opfer teilnehmen, das seine Kraftquelle und die Quelle seines Trostes ist.

Den Sonntag heiligen. Das ist uns aufgegeben. Wir sollen die Sonntagsfeier der Messe möglichst noch erweitern und verbreitern, indem wir an der nachmittägigen Andacht teilnehmen oder indem wir zu Hause beten, indem wir in der Heiligen Schrift oder in einem frommen Buche lesen. Das kann dazu kommen, das soll dazu kommen. Ich war einmal in Österreich auf einer Alm, also auf einer Wirtschaft oben in den Alpen, wo die Menschen bei den Tieren monatelang ausharren, ohne die Möglichkeit der Sonntagsmesse. Aber da lernte ich ein Geschwisterpaar kennen, einen Bruder und seine Schwester, etwa im Alter von 70 – 75 Jahren. Jeden Sonntag lasen sie in der Postille, also in jenem herrlichen Buch, in dem die Sonntagsevangelien niedergelegt und erklärt sind mit Beispielen aus der Heiligenwelt und aus der Geschichte der Kirche. Auch das ist eine Form der Sonntagsheiligung.

Wir, die wir das Glück haben, am Sonntag einer heiligen Messe beiwohnen zu dürfen, wir sollten Gott danken, wir sollten diesen Tag heiligen, ihm, dem unsterblichen, alleinigen, ewigen, heiligen Gott Lob und Dank darbringen für das große Geschenk seiner Offenbarung.

Amen.

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