10. November 1996
Die Angriffe des Teufels gegen den Glauben
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Auch ein geschlagenes Heer vermag noch zu kämpfen. Als die Schlacht bei Stalingrad geschlagen war, war offensichtlich, daß die deutsche Armee ein besiegtes Heer war. Aber sie hat noch jahrelang gekämpft, und Millionen von Menschen haben infolge dieses Kampfes ihr Leben verloren. Das ist ein Vergleich.
Der Satan ist durch den Tod Jesu, der ja ein Sühne- und stellvertretender Tod war, besiegt. Aber er ist noch nicht ohnmächtig. Er vermag noch das Werk Christi anzugreifen. Er ist imstande, böse Menschen zu erwecken, die als seine Werkzeuge die guten Menschen verfolgen und bedrängen. Sein Angriff richtet sich vor allem gegen den fortlebenden Christus, gegen seine Kirche. Er bekämpft die Kirche, um die Auswirkung und Fruchtbarkeit des Werkes Christi zu verhindern. Seine Angriffe gegen die Kirche sind immer zwei, von innen und von außen. Von innen sucht er die Kirche ihrem Ziel abspenstig zu machen, nämlich durch Gnade und Wahrheit die Menschen zum Heil zu führen, durch die Spendung der Sakramente und durch die Verkündigung des Evangeliums den Menschen den Weg zum Himmel zu weisen. Von außen bedrängt er die Kirche, indem er sie hindert und hemmt in ihrer Wirksamkeit, indem er sie verfolgt, vor allem ihre Priester. Der Satan weiß um die Wahrheit des Wortes: „Ich will den Hirten schlagen, dann wird sich die Herde zerstreuen.“ Wir müssen also nach wie vor mit den Angriffen und Anschlägen Satans rechnen. Wir müssen nicht bloß mit dem Bösen rechnen, das sich aus unserer Freiheit ergibt, auch nicht bloß mit dem Bösen, das aus den Sünden kommt, die wir selbst begangen haben und die unsere Vorfahren begangen haben. Nein, wir müssen mit einer personalen bösen Macht rechnen, die das Böse um des Bösen willen will.
Der Hauptangriff Satans geht immer gegen den Glauben. Er sucht zu verhindern, daß die Menschen zum Glauben gelangen, oder er versucht sie vom Glauben abzubringen. Er verblendet den Geist der Menschen, damit sie das Licht von der Wahrheit Christi nicht erkennen. Als Paulus nach Zypern kam, traf er dort einen jüdischen Lügenpropheten, der die Menschen abhalten wollte, das Evangelium anzunehmen. Er hieß Bar-Jesus. Zu ihm kam Paulus, um die teuflische Macht, in der er wirkte, niederzuringen. Er sprach zu ihm: „Du voll des Truges und aller Bosheit, Kind des Teufels und Feind aller Gerechtigkeit, hörst du nicht auf, die geraden Wege des Herrn krumm zu machen. Siehe, die Hand des Herrn kommt über dich, du wirst blind sein und die Sonne nicht mehr sehen.“ In dem Augenblick wurde der Lügenprophet geblendet, und der Statthalter von Zypern bekehrte sich zum Christentum.
Der Satan versucht zu verhindern, daß die Menschen zum Glauben kommen, es sucht aber auch, ihnen das Wort des Evangeliums aus dem Herzen zu reißen. Der Herr hat in dem Gleichnis von dem Sämann geschildert, wie Satan wirkt. „Der Teufel kommt und raubt, was in sein Herz gesät ward.“ Er versucht auch seinen eigenen bösen Samen unter den guten Samen zu streuen, wie wir im Evangelium des heutigen Tages gehört haben. Der Hausvater hat sein Feld mit gutem Samen bestellt, aber es ist ein Feind gekommen und hat Unkraut unter den Weizen gesät. „Der Feind“, sagt der Herr, „der das Unkraut gesät hat, das ist der Teufel!“
Die Wirksamkeit des Teufels geht gegen den Glauben. Sie geht auch gegen den Glauben, daß es gefallene Geister gibt. Der Teufel sucht die Menschen von der Wahrheit abzubringen, daß es einen Satan gibt. Er sucht sich zu verbergen. Er weiß: Wenn die Menschen ihn nicht beachten, dann werden sie ihn auch nicht bekämpfen, und wenn sie ihn nicht bekämpfen, dann kann er ungestört sein Werk verrichten. Deswegen ist ihm viel daran gelegen, unbekannt zu bleiben, im Hintergrund zu wirken. Soeben hat das Bischöfliche Jugendamt von Augsburg eine Broschüre herausgegeben: „Okkulte Mächte“. In dieser Broschüre kommt der Satan überhaupt nicht vor. Das ist ein Werk, das dem Satan sicher Freude macht. Je unbekannter er bleibt, um so sicherer kann er wirken.
Der große Goethe hat schon in seinem „Faust“ geschildert, wie der Satan sich verkleidet. Er tritt nicht auf mit Pferdefuß und mit Schwanz und mit Hörnern, nein, die Hexe sagt zu ihm: „Seh' ich doch keinen Pferdefuß. Wo sind denn Eure beiden Raben?“ Da antwortet ihr Mephisto: „Auch die Kultur, die alle Welt beleckt, hat auf den Teufel sich erstreckt. Das teuflische Phantom ist nun nicht mehr zu schauen. Wo siehst du Hörner, Schweif und Klauen? Und was den Fuß betrifft, den ich nicht missen kann, der würde mir bei Leuten schaden. Darum bedien' ich mich, wie mancher junge Mann, seit vielen Jahren falscher Waden.“ Die Hexe spricht dann weiter zu ihm: „Sinn und Verstand verlier' ich schier, seh' ich den Junker Satan wieder hier.“ Da fährt sie der Teufel an: „Den Namen, Weib, verbiet' ich mir!“ Er will nicht Satan genannt sein. „Warum, was hat er Euch getan?“ „Er ist schon lang ins Fabelbuch geschrieben. Allein, die Menschen sind nicht besser dran. Den Bösen sind sie los, die Bösen sind geblieben. Du nennst mich 'Herr Baron', so ist die Sache gut. Ich bin ein Kavalier wie and're Kavaliere. Du zweifelst nicht an meinem edlen Blut.“ Vor über 150 Jahren hat Goethe diese Tatsache, daß der Teufel sich zu verbergen, zu verstecken, zu verkleiden versucht, schon in seinem „Faust“ dargestellt.
Eine weitere Waffe des Teufels ist die Zwietracht. Er sät Zweitracht. Ihm ist an Streit gelegen. Er sucht die Kirche in Konflikte zu verwickeln, in innere Konflikte; denn er weiß, wenn im Inneren der Kirche Streit tobt, dann sind ihre Kräfte absorbiert, dann kann sie nicht nach außen wirken, dann fallen Mission und Apostolat weg. Wir sehen seit über 30 Jahren, welchen Erfolg er mit dieser Methode hat. Seit über 30 Jahren durchhallen Streit und Zank unsere Kirche. Erst vor kurzem haben sich wieder solche Streithähne zusammengetan in dem Kirchenvolksbegehren, um die Kirche noch mehr zu zerreißen, als sie sowieso schon zerrissen ist. Dahinter steckt der Böse! Streit ist keine Empfehlung für die Kirche. Eine Kirche, die von Streit erfüllt ist, zieht nicht an, und wir erleben es heute, daß die Abfälle von der Kirche, die Austritte aus der Kirche gigantische Ausmaße annehmen, aber die Konversionen, die Übertritte zur Kirche, die Gewinnung von Heiden in einem erschütternden Ausmaß nachgelassen hat.
Eine weitere Vorgehensweise des Satans könnte man als die Zwiebelmethode bezeichnen. Eine Zwiebel besteht aus lauter Schalen. Man kann eine nach der anderen ablösen, und wenn man sie alle abgelöst hat, ist nichts mehr übrig. So arbeitet der Satan – nach der Zwiebelmethode. Er sagt in bezug auf die Güter der Kirche: Das kann man fallenlassen, das ist nicht wesentlich, das kann man aufgeben, das ist nicht erheblich. So versucht er, eine Schale nach der anderen von der Einrichtung, von irgendeiner Einrichtung der Kirche zu entfernen und auf diese Weise die Kirche letztlich zu verarmen und um ihre Schätze und Werte zu bringen. Jungfrauengeburt ist unhaltbar, ist auch nicht wesentlich, sagt man, sie kann man fallenlassen. Die Naturwunder Jesu braucht man nicht anzunehmen, sagt der Bischof von Rottenburg, Kasper. Die Stiftung der Kirche durch Jesus kann man nicht beweisen, sie ist nicht wesentlich. Die leibliche Auferstehung Jesu ist bloßes Interpretament, ist auch nicht wesentlich. Das alles kann man heute bei sogenannten katholischen Theologen nachlesen! Das ist die Methode Satans, die Zwiebelmethode, nach der ein Stück nach dem anderen entfernt wird, bis die Kirche ihrer Güter ledig ist.
Eine weitere Waffe Satans ist darin gelegen, daß er Verwirrung stiftet. Verwirrung in den Seelen der Gläubigen, die nicht mehr wissen, was noch gilt und was nicht mehr gilt. Schon vor Jahren sagte mir einmal der Pfarrer von Bretzenheim: „Man weiß nicht, was man noch verteidigen soll.“ Er hat ganz recht, weil ein Schatz der Kirche nach dem anderen preisgegeben wurde. Man weiß nicht, was man noch verteidigen soll. Diese Verwirrung ist heute weiter fortgeschritten als damals. Wenn der Erzbischof von Bamberg nach Nürnberg geht und dort Luther als „großen Theologen“ feiert, dann trägt er zur Verwirrung bei. Luther ist ein Irrlehrer, aber kein großer Theologe! Diese Verwirrung richtet ungeheure Verwüstungen in den Seelen der Gläubigen an. Besonders dient zur Verwirrung die Rede von der Mitte. Man muß in der Mitte stehen, so sagt der Teufel. Ja, wo ist denn die Mitte? In der Mitte ist die Unentschiedenheit. Zwischen kalt und warm ist die Mitte lau, und vom Lauen sagt der Herr in der Apokalypse: „Wenn du doch kalt oder warm wärest! Weil du lau bist, will ich dich ausspucken aus meinem Munde!“ Was ist denn die Mitte zwischen Glaube und Unglaube? Das ist der Halbglaube, der Irrglaube. Welches ist denn die Mitte zwischen Jesus und Satan? Es gibt keine Mitte zwischen Jesus und Satan. „Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich, und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.“ Es gibt keine Mitte zwischen Jesus und Satan! Diese Rede von der Mitte ist ganz verderblich. Zwischen wahr und falsch gibt es keine Mitte. Etwas ist entweder wahr oder falsch. Zwischen gut und böse gibt es keine Mitte. Etwas ist entweder gut oder böse. Zwischen richtig und unrichtig gibt es keine Mitte. Etwas ist entweder richtig oder unrichtig. In der Mitte ist die Unentschiedenheit. Wir haben es ja erlebt, wir Älteren. In der Zeit des Dritten Reiches gab es begeisterte und glühende Anhänger des Nationalsozialismus, es gab aber auch entschiedene Gegner. Und wer war in der Mitte? Das waren die Anpasser und die Mitläufer; die waren in der Mitte. Ein Mann wie Stauffenberg würde heute als Extremist bezeichnet werden. Aber wir wissen, daß er richtig gehandelt hat, daß er auf der richtigen Seite gestanden hat. Lassen Sie sich nicht irreführen, meine lieben Freunde, durch die Rede von der angeblichen Mitte!
Eine letzte Waffe des Satans ist das Ansetzen bei den Leidenschaften der Menschen. Die Menschen – und wir sind alle gemeint – wollen anerkannt, geachtet, gut angeschrieben sein. Sie wollen beliebt sein. Und wie ist man beliebt? Indem man sich in den breiten Strom eingliedert. Nur nicht gegen den Strom schwimmen, sondern immer im Trend bleiben, immer das tun und sagen, was ankommt! Dann ist man beliebt. Und so verrät man seine Gesinnung und sein Gewissen. Die Menschen wollen genießen. In jedem Menschen steckt der Trieb nach Genuß. Das ist ein gefährlicher Trieb. Der Satan flüstert: „Das mußt du dir gönnen! Du mußt etwas haben vom Leben!“ Und auf diese Weise wird die Entschiedenheit des Kampfes um die Tugend entnervt; auf diese Weise wird der enge und schmale und steile Weg zum Himmel verfehlt. Vor allem, und das ist wiederum eine allgemeine Gefahr, versucht der Satan die Menschen bei ihrer Sinnlichkeit zu packen, heute mehr denn je. Die Menschen sollen diese geschlechtlichen Erlebnisse haben, möglichst früh, möglichst häufig und möglichst lange. Das mußt du dir gönnen, so heißt es. Das Erlebnis mußt du haben. Eine Frau genügt ja nicht, und eine jede ist anders. Das ist der Satan, der die Menschen bei diesem furchtbaren Triebe faßt.
Meine lieben Freunde, wir können die kirchliche Glaubenslehre vom Satan nicht ernst genug nehmen. Der Satan ist auch heute am Werk, um das Werk Christi zu zerstören. Aber er besitzt nur Gewalt über jene, die sich ihm mit ihrem Willen ausliefern. Er hat nur Macht über den, der sich ihm selbst übergibt. Wer zu Christus gekommen ist und wer zu Christus gefunden hat im Glauben, der hat damit den Vater im Himmel gewonnen, der der Herr der Dämonen ist.
Im Epheserbrief beschreibt der Apostel deutlich, wie es uns geht, die wir der Herrschaft Satans entronnen sind: „Auch ihr waret einst tot in euren Übertretungen und Sünden, in denen ihr einst wandeltet nach der Weise dieser Welt unter dem Einfluß des Fürsten, der Macht hat im Luftreich der Geister, des Geistes, der noch jetzt wirkt in den Söhnen des Ungehorsams. Auch wir vollbrachten einst die Begierden des Fleisches und der Sinne und waren von Natur Kinder des Zornes, wie die übrigen. Gott aber, der reich ist an Erbarmen, hat in seiner übergroßen Liebe, mit der er uns geliebt, uns, da wir in den Sünden tot waren, lebendig gemacht mit Christus. Aus Gnade seid ihr gerettet.“ Und im Römerbrief zählt der Apostel Paulus auf, was noch alles über die Christen kommen kann, welche Gefahren ihnen begegnen können, welche Bedrohungen ihr Leben überschatten. Aber er sagt: „Das alles überwinden wir in der Kraft dessen, der uns geliebt hat. Nichts, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder die Unterwelt noch irgendwelche anderen Mächte vermögen uns zu trennen von der Liebe Jesu Christi.“
Amen.