Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
6. Januar 1990

Geschichtlichkeit der Erscheinung des Herrn

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die christliche Religion ist nicht ein luftiges Gedankengebäude, sondern eine geschichtliche, auf dem Boden von Fakten ruhende Religion. Die Geschichtlichkeit ist grundlegend für unsere christliche Religion. Im Unterschied zu anderen, mythischen Religionen bewegen wir uns in der christlichen Religion, also in der Geschichte von Christus, dem Herrn, auf dem Boden der Geschichte. Das muß immer wieder und gegen den heute herrschenden Trend gesagt werden.

Die Geschichtlichkeit gilt auch für das Ereignis, das wir am Fest der Erscheinung des Herrn begehen, nämlich das Erscheinen der Heiden an der Geburtsstätte Jesu. Zwischen dem Bericht bei Matthäus (2,1-14) und den legendären Erweiterungen ist sorgfältig zu unterscheiden. Ich liebe es zum Beispiel nicht, wenn man von Epiphanie als dem Fest der heiligen drei Könige spricht, denn von Königen steht kein Wort in der Bibel. Magoi – Magier – werden die Männer genannt. Daß es Könige waren, ist erst seit dem 6. Jahrhundert aus unbeglaubigter Quelle aufgekommen. Ebenso sind die Namen dieser Männer uns nicht überliefert. Daß sie Kaspar, Melchior und Balthasar geheißen haben sollen, kommt erst in Handschriften des 6. oder gar des 8. Jahrhunderts zum Vorschein. Auch die Zahl der Männer ist im Neuen Testament nicht angegeben, und deswegen sind auch im Laufe der Zeit verschiedene Vermutungen geäußert worden. Zwei, drei, vier, sechs, zwölf – alle diese Zahlen wurden genannt. Daß es drei gewesen sind, schließt man aus der Zahl der Geschenke. Danach hat eben jeder eines gebracht. Aber noch einmal: Die Zahl der Besucher des Krippenkindes ist nicht im Neuen Testament enthalten. Wir müssen also diese Erweiterungen oder, wenn Sie wollen, diese Wucherungen von dem neutestamentlichen historischen Bericht sorgfältig unterscheiden. Wir dürfen uns nicht in das Gestrüpp von Legenden begeben, so lange wir an der Geschichtlichkeit des Neuen Testamentes mit Überzeugung festhalten wollen.

Die Männer, die zu Jesus kamen, heißen Magoi – Magier. Dieser Name hatte damals – schon damals – keinen guten Klang. Als Magoi, als Magier, wurden auch Gaukler und Abenteurer, Zauberer und abergläubische Leute bezeichnet. Freilich gibt es auch eine andere Bedeutung von Magoi. Danach sind es die Angehörigen der Priesterkaste in Persien oder bei den Medern, und allgemein können Weise, Lehrer, Ärzte und Priester auch diese Bezeichnung erhalten. Die Männer, die an die Krippe des Herrn eilten, waren sicher keine Zauberer und Gaukler. Aber sie betrieben Sterndeutung, sie betrieben Astrologie. Die Astrologie ist unausrottbar, meine lieben Freunde. Wenn Sie in eine Nummer der Mainzer Zeitung schauen, da finden Sie immer Angebote: Das Horoskop stellt dieser und jener, diese und jene. Astrologie ist unausrottbar, und auch große Gelehrte, solide Mathematiker, haben sich mit Astrologie abgegeben. Kepler zum Beispiel, der die drei Keplerschen Gesetze entdeckt hat über die Planetenbewegungen, hat auch Astrologie betrieben. So hat er zum Beispiel dem Feldherrn Wallenstein zweimal das Horoskop gestellt. Das erzähle ich nur deswegen, um zu sagen, daß, wenn heidnische Männer Sterndeutung betrieben, ihr Besuch nicht entwertet wird. Das war eben üblich; sie glaubten, aus den Sternen das Schicksal des Menschen oder ganzer Völker erkennen zu können.

Und das führt uns zu dem Stern. „Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenlande und sind gekommen, ihn anzubeten.“ Wo das Morgenland genau war, wissen wir nicht. Man hat die verschiedensten Vermutungen ausgesprochen, Arabien (Saba), das heutige Jemen, Persien oder das Zweistromland Mesopotamien, der heutige Irak. Wir wissen es nicht. Die Geschenke scheinen auf Arabien zu deuten, Gold, Weihrauch und Myrrhe. Sie sind, wie sie sagen, einem Stern gefolgt, und die Frage hat nun zweitausend Jahre lang die Christen beschäftigt, was das für ein Stern gewesen sein mag. Die verschiedensten Erklärungen sind vorgebracht worden. Schon der heilige Ignatius, der ja noch die Apostel gekannt hat, sagte: Es war ein Stern, der heller leuchtete als alle Sonnen, d.h. ein Wunderstern. Und der Dichter Prudentius um 400 meint, er sei selbst bei Tage, als die Sonne geschienen habe, sichtbar gewesen, während wir sonst Sterne nur schauen können, wenn die Sonne nicht scheint. Origenes, ein Kirchenschriftsteller des 3. Jahrhunderts, nahm an, daß es ein Komet gewesen sei, ein Schweifstern, wie ja meistens unsere Krippendarstellungen einen Kometen zeigen, einen Stern, der eben eine Bahn zieht und hinter sich einen hellen Streifen erscheinen läßt. Es gibt auch die Erklärung von Diodor von Tarsus meinetwegen oder Chrysostomus, wonach der Stern eine innere, im Herzen dieser Männer sich vollziehende Erscheinung gewesen sei. Gott habe sie innerlich erleuchtet, und das sei ihr Stern gewesen. Sie seien also nicht einem Stern gefolgt, der außen schien, sondern der ihr Inneres erleuchtete. Es ist das nicht ganz abwegig, aber mit dem Bericht des Matthäus-Evangeliums schwer in Einklang zu bringen. Ähnlich ist es um die von Mathematikern und Astronomen vorgebrachte Hypothese bestellt, der Stern sei eine Konjunktion der Planeten Jupiter und Saturn gewesen. Jupiter und Saturn sind Planeten, die wie die Erde die Sonne umkreisen; und manchmal verbinden sie sich, treten sie zueinander, gibt es eine Konjunktion, eine Vereinigung der beiden Planeten, und sie ist im Jahre 7 v. Chr. dreimal geschehen; dreimal die Konjunktion der Planeten Jupiter und Saturn. Und Christus könnte im Jahre 7 geboren sein. Die heutige Zeitrechnung ist ja durcheinander gekommen. Jesus ist nicht im Jahre 0 oder 1 geboren worden, sondern 6 oder 7 v. Chr. Also, wie gesagt, es wäre nicht unmöglich, daß die Konjunktionen der beiden Planeten den Wunderstern abgegeben haben könnten. Ich fürchte, wir werden das Rätsel dieses Sternes nie ganz lösen. Wir brauchen nur festzuhalten, daß eine wunderbare Erscheinung den Magiern den Weg zur Krippe gewiesen hat. Das ist geschichtlich. Alles andere ist der Versuch, diese geschichtliche Tatsache zu erklären. Nicht Trug, nicht astrologischer Humbug, auch nicht eigene Klugheit hat die Magier zur Krippe geführt, sondern die Berührung ihres Herzens von oben, die auf wunderbare Weise geschehen ist.

So haben sie sich aufgemacht und suchten den neugeborenen König der Juden. Wieso ihnen der Stern davon Kunde gab, wodurch sie von der Erwartung auf einen Messias in Israel wußten, das entzieht sich unserer Kenntnis. Jedenfalls waren sie überzeugt, daß eine wunderbare Erscheinung ihnen die Geburt eines Wunderkönigs in Israel, im Judenlande, kundgemacht hatte. Selbstverständlich zogen sie, um den König zu finden, in die Hauptstadt, denn ein König wird normalerweise in der Hauptstadt seines Landes geboren, in Jerusalem. Aber da war keine Geburt eines Königskindes festzustellen. Herodes war ein alter Mann, als das geschah, und hatte keinen Sohn gezeugt. Aber die Schriftgelehrten wußten es, wo der messianische König geboren werden mußte. „Das steht beim Propheten Michäas,“ so sagten sie. Beim Propheten Michäas heißt es: „Du, Bethlehem, bist zwar die kleinste unter den Fürstenstädten, aber aus dir wird hervorgehen der Fürst, der mein Volk Israel regieren soll.“ Das ist der messianische Ort, da müßt ihr suchen. In Bethlehem müßt ihr suchen. Sie gingen nach Bethlehem und suchten und fanden. Welche Überraschung aber, meine lieben Freunde, begegnete ihnen dort! Sie suchten ja ein Königskind. Ein Königskind sucht man in einem Palaste. Was sie fanden, war eine Arbeiterbehausung. Die Mutter eines Königs ist normalerweise eine Königin , aber sie fanden eine Arbeiterfrau als Mutter. Die Magier ließen sich dadurch nicht irremachen. Sie haben dieses Kind, das sie da fanden, als den von Gott ihnen gewiesenen messianischen König erkannt und bekannt. Diese Erkenntnis und dieses Bekenntnis deutet sich darin an, daß sie vor ihm niederfielen, also es kniefällig verehrten, und daß sie die Geschenke ausbreiteten, die ihre Heimat ihnen geraten hatte, mitzunehmen, Gold, Weihrauch und Myrrhe.

Daß diese Geschenke eine geheimnisvolle Bedeutung in sich tragen könnten, ist den Magiern, jedenfalls nach dem Bericht des Evangeliums, nicht aufgegangen. Aber schon Irenäus, also ein Mann des 2. Jahrhunderts, deutet diese Geschenke auf die Würde Jesu. Gold ist, weil der König reich ist, ein Hinweis auf einen König. Ein König wird mit Gold geehrt. Weihrauch verbrennt zur Ehre Gottes, und deswegen deutet das Geschenk des Weihrauchs auf die göttliche Würde dieses neugeborenen Kindes. Myrrhe verwendet man zum Einbalsamieren von Leichnamen. Also weist die Myrrhe auf die Menschlichkeit Jesu hin und auf seinen Tod. Diese Deutung ist dogmatisch völlig einwandfrei, ist durchaus berechtigt, aber aus dem Neuen Testament, also aus dem Bericht bei Matthäus, können wir sie unmittelbar nicht entnehmen.

Die Magier waren Heiden. Den Juden war das Evangelium durch einen Engel verkündet worden. „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Friede den Menschen seiner Gnade!“ Den Heiden wird das Evangelium kundgemacht durch einen Stern. Hirten aber (Juden) wie Magier (Heiden) sind sich einig im Glauben an den neugeborenen Heiland der Welt. Und das ist es, meine lieben Freunde, was wir von dieser Begebenheit lernen wollen, nicht bloß im Sinne einer Ausdeutung legendarischer Art, nein, sondern weil es sich hier um ein geschichtliches Begebnis handelt. So, wie diese Männer, von der Gnade berührt, geglaubt haben, so, wie sie sich durch nichts haben irremachen lassen, durch keine Pseudotheologie, durch keine humanistische Aufweichung, so wollen auch wir uns im Glauben an den neugeborenen Heiland der Welt durch nichts und niemand irre machen lassen, wollen daran festhalten, daß der, der da in Bethlehem geboren ist, das Heil der ganzen Welt und unser Heil ist, daß in keinem anderen Namen Heil ist als in ihm, Jesus, unserem Herrn.

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt