Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
13. Januar 2013

Das Beispiel der Urchristenheit

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir begehen heute das Fest der Heiligen Familie. Damit ist die Familie in Nazareth gemeint,  also Maria und Josef und der Jesusknabe. Aber ich will unsere Überlegungen nicht auf diese Heilige Familie richten, sondern auf die Familien, wie sie in der urchristlichen Zeit sich darstellen, nach den Zeugnissen, die wir haben. Und solche Zeugnisse liegen uns vor, unwiderlegliche, unbestrittene Zeugnisse.

Wenn wir in ein Haus einer urchristlichen Familie, also etwa im zweiten Jahrhundert gehen, dann fällt uns nichts besonderes auf. Es ist ein Haus wie andere Häuser auch, aber ein Unterschied ist vorhanden. Während in den Häusern der Heiden Götterstatuen stehen, als Stier, als Adler oder auch als Mensch dargestellt, fehlen diese Götterstatuen bei den Christen. Solche Bilder stellen sie nicht auf. Was sehr früh uns bezeugt ist an Statuen, das ist der Gute Hirt mit dem Lamm auf den Schultern. Die Christen wussten, dass sie durch den Empfang der Taufe neue Menschen geworden sind, geschaffen in Gerechtigkeit und Heiligkeit. Und sie wussten auch, dass sie verpflichtet sind, als neue Menschen zu leben. Sie erinnerten sich an die Mahnung des Apostels, sie sollten Gotteskinder sein ohne Schuld und Fehl, inmitten eines bösen und verkehrten Geschlechtes, in dem sie leuchten wie Sterne im Weltall. Keine Kleinigkeit, in der Finsternis des Heidentums zu leuchten wie Himmelslichter. Der Heide gibt für seine Götter nicht ein Stück seines Mantels, der Christ opfert für seinen Glauben das Leben. Woher dieser Unterschied? Wo liegt die Quelle der Kraft? Die Christen lebten aus der Erinnerung an die Taufe. Die Karsamstagsnacht war ihnen unvergesslich. Sie wurden in dieser Nacht in Christus eingeführt durch die Taufe. Dreimal wurden sie untergetaucht und aus der Taufe stand der neue Mensch auf, geschaffen in Gerechtigkeit und Heiligkeit. Der Mensch der Sünde war begraben, der Mensch der Heiligkeit kam aus der Taufe hervor. Jetzt war der Christ ein Glied Christi, jetzt war er ein Bruder Christi, jetzt war er ein Blutsbruder Christi geworden, jetzt war Gott im Himmel sein Vater geworden. Diesem Geschehnis musste er in seinem Leben gerecht werden. Nun musste er aber auch würdig leben seiner Berufung. "Wer aus Gott geboren ist, tut keine Sünde", schreibt der Apostel Johannes in seinem ersten Briefe. Der Glaube des jungen Christentums war Tat und Leben. Wir wissen vom Bruder des Papstes Pius I., aus der Mitte des zweiten Jahrhunderts, dass die meisten Christen der Römischen Gemeinde ihre Taufunschuld bis zum Ende des irdischen Lebens bewahrt haben, und das in dem römischen Babel! Besonders rühmenswert in einer Welt der Leidenschaft und des Lasters war das Verhalten der Christen gegenüber der Geschlechtlichkeit. Sie erinnerten sich an die Mahnung des Apostels: "Bringt eure Leiber als ein lebendiges, Gott wohlgefälliges Opfer dar." Und so haben schon frühzeitig viele Männer und Frauen auf die Ehe und auf jede geschlechtliche Betätigung verzichtet und sich als jungfräuliche Menschen Gott dargeboten. Dieses hohe Ideal stand von Anfang an in unserer Kirche fest, und seit dem dritten Jahrhundert kennen wir die gottgeweihten Jungfrauen. Die Christen achteten streng auf voreheliche Keuschheit, auf Einehe und eheliche Treue. In einem christlichen Hause gab es keine geschiedene Ehe. Mann und Frau waren einander in treuer Liebe verbunden. Sie wussten, dass sie ein Abbild der Vermählung Christi mit der Kirche sein sollen, wie es im Epheser-Brief geschrieben steht. Tertullian, der christliche Schriftsteller, schreibt in seinem Buch an seine Frau: "Wie sollten wir das Glück jener Ehen schildern, welche die Kirche stiftet, das Opfer befestigt, der Segen besiegelt und Gottvater bestätigt? Welch schönes Zweigespann sind zwei Christen, welche eine Hoffnung, eine Lebensweise, einen Dienst haben. Sie beten gemeinsam, sie fasten gemeinsam, sie belehren, ermahnen, ertragen sich gegenseitig. Zusammen sind sie in der Kirche und am Tische des Herrn. Zusammen durchleben sie Bedrängnis, Verfolgungen und glückliche Tage." So schreibt Tertullian in seinem veröffentlichten Buch an seine Frau. Nur eine unauflösliche Ehe kennen die Christen. Die Heiden machten es ihnen anders vor. Ehescheidung ist an der Tagesordnung. Es gab damals stadtbekannte Damen der Gesellschaft, die ihre Lebensjahre nicht nach den bürgerlichen Jahren berechneten, sondern nach der Zahl der Ehemänner, die sie gehabt haben. Die christlichen Eheleute beobachten das Gebot des Herrn. Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen. Auch nach dem Tode eines Gatten gingen sie nur ungern eine zweite Ehe ein. Die zweite Ehe erschien ihnen als etwas Minderes und war deswegen verpönt. Ehebruch gehörte zu den Kapitalsünden wie Mord oder Glaubensabfall, konnte nur nach einer langen, harten Kirchenbuße und nur einmal im Leben vergeben werden. Die Kinder wurden angenommen, wie Gott sie schickte. Kinderscheu war in den christlichen Familien unbekannt, um so verwunderlicher in einer genußsüchtigen satten Zeit, die gegen das Kind eingestellt war. Wir wissen, dass zum Beispiel Kaiser Augustus strenge Gesetze erließ gegen diejenigen, die absichtlich kinderlos bleiben. Sie wurden höher besteuert. Aber seine Maßnahmen richteten kaum etwas aus. Die Christen waren kinderfroh, obwohl sie wussten, du erziehst deine Kinder vielleicht für die Raubtiere, dass sie den Löwen, den Tigern vorgeworfen werden. Aber bei allen Bedenken sagten sie sich: "Der Herr ist mein Hirt', was wird mir mangeln?" Alles Bangen war verflogen. Die Heiden kannten die Aussetzung der Kinder. Sie waren vertraut mit der Abtreibung. Nichts dergleichen bei den Christen. Die Kinder werden angenommen und erzogen, werden zu Christen gemacht, werden fromm in den Glauben eingeführt. Jungfrauen und Jungmänner bewahren ihre Unversehrtheit vor der Ehe. Der heidnische Arzt Galenus schreibt von der geschlechtlichen Reinheit und Unversehrtheit der Christen.

Die christliche Familie betete. Man hatte bestimmte Gebetszeiten: die neunte Stunde, die zwölfte Stunde, die fünfzehnte Stunde des Tages. Dazu kamen natürlich das Morgen-, das Tisch- und das Abendgebet, Gebet vor der Arbeit, Gebet vor dem Bade. Was wurde gebetet? Nun ja, hauptsächlich die in der Heiligen Schrift enthaltenen Gebete: Hymnen, Loblieder, wenig Bittgebete, meistens Lob- und Dankgebete. Die Christen machten häufig das Kreuzzeichen, zur Abwehr der Dämonen und zur Erinnerung an das Leiden Christi. Seit der Taufe gehörte der Christ Christus an. Und Christus lud sie ein, jeden Sonntag zum Gottesdienst. Um 150 gab es in Rom bereits vierundzwanzig Kirchen. Sie waren gewöhnlich so gebaut wie das Haus eines vornehmen Römers. In einem Atrium mit Säulenhalle. Dort versammelte man sich oder auch auf den Friedhöfen. Da gab es Begräbniskirchen, und diese waren besonders sicher. Bis zum Jahre 250 hat die Polizei solche Kirchen niemals nach Christen abgesucht. In den Grabstätten gab es Gottesdienststätten, Katakomben. Auch da fand man sich ein zum Gedächtnis der Verstorbenen. Der sonntägliche Gottesdienstbesuch war für die Christen eine Selbstverständlichkeit. Als sie vor Gericht geführt wurden, da haben sie dem Richter erklärt: „Wir können nicht ohne den Gottesdienst sein!“ Und wie verläuft der Gottesdienst? Wir haben eine ziemlich einläßliche Beschreibung bei dem Kirchenschriftsteller Justinus, um 150. Er beschreibt uns den Gottesdienst, nämlich: "Zunächst werden die Aufzeichnungen der Propheten und der Apostel verlesen. Dann hält der Vorsteher eine Anrede, wo er die Christen ermahnt, auf die gehörten Weisungen durch ein heiliges Leben zu antworten. Dann stehen wir alle auf und schicken Gebete zum Himmel. Wenn die Gebete zu Ende sind, wird Wein, Wasser und Brot aufgestellt. Der Vorsteher sendet Gebete und Danksagungen empor. Das Volk stimmt mit "Amen" zu. Und dann geschieht die Ausspendung und der gemeinsame Genuss dessen, was konsekriert worden ist. Denen, die nicht zugegen sind, wird es durch einen Diakon zugesandt." Das ist die Beschreibung, die Justinus vom Gottesdienst gibt – unsere Messe! Mehr konnte er nicht sagen, denn die Geheimnisse der Eucharistie waren eine Geheimlehre. Man wollte sie nicht dem Spott der Heiden preisgeben.

Die christliche Familie tat Gutes. Sie war hervorragend in der Mildtätigkeit. Viele Almosen wurden gegeben, den eigenen Armen, Kranken, Gefangenen, den geplagten Mitchristen in der Welt. Wenn irgendwo eine Verfolgung war, wurde sofort eine Kollekte veranstaltet, und der Erlös wurde den Christen zugesandt, ob sie nun in Kleinasien oder in Spanien die Verfolgung ertragen mussten. Wer nichts hatte, fastete und gab das, was er damit erspart hatte, zur Sammlung. "Ist ein Armer unter ihnen", schreibt der Schriftsteller Aristides, "ist ein Armer unter ihnen, und sie haben selbst keinen Überschuss, so fasten sie zwei oder drei Tage und geben das Ersparte dem Armen." Tertullian, der ja immer auch scharf gesprochen hat, schreibt in einem seiner Bücher: "Wir sind Brüder, auch wenn es sich um das Vermögen handelt, wo bei euch", bei den Heiden, "die Brüderlichkeit ja aufhört. Wir, die wir nach Geist und Herz verbunden sind, tragen kein Bedenken, unsere Habe mitzuteilen." Die Liebe schloss keinen aus, nicht den Juden, nicht den Heiden. Aus dem Glauben heraus waren die Christen mildtätig über alle Maßen.

Außerhalb des Hauses, also in der Öffentlichkeit, unterschieden sie sich wenig von den Heiden. In dem einen oder anderen Gewerbe, das mit dem Götterkult zusammenhing, waren die Christen nicht vertreten. Also: sie waren keine Maler und Bildhauer, keine Schauspieler und Schulmeister, keine Wettkämpfer und Gladiatoren, keine Tempelhüter und Wahrsager. Diese Berufe waren verpönt, und wer getauft werden wollte, musste ihn aufgeben. Sonst waren die Christen überall vertreten. Sie waren Arbeiter, sie waren Kaufleute, Handwerker, Schiffer, Bauern, Soldaten. Jawohl – gerade unter den Soldaten finden wir viele Christen. Um 1900, meine lieben Freunde, fand man in unserer Nähe, in der Saalburg, eine Flöte, die Flöte eines Soldaten, eine brauchbare Flöte. Und auf dieser Flöte stand geschrieben: "Annius, ein Soldat der berühmten 22. Legion, gläubig in Christus". Weit von der Heimat entfernt, im kalten germanischen Norden, wohnte der christusgläubige Soldat. Was in ihm lebte, das konnte er nicht in die Welt schreien, aber er schreibt es auf seine Signalpfeife. Er flüstert es einem vertrauten Kameraden beim Lagerfeuer zu. Er bleibt, was er ist, und er wirbt, wo er kann. Christen sind weniger Beamte, denn Beamte standen immer in Gefahr, an der öffentlichen Opferfeier teilnehmen zu müssen. Viele Freie waren unter den Christen, aber noch mehr Sklaven. Auch viele aus den unteren Klassen der Bevölkerung. Leicht verständlich, denn die Christen machten keine Unterschiede unter den Menschen. Vor Christus waren alle gleich, und das zog die Sklaven und die Handarbeiter an. Die Gleichheit der Menschen vor Gott und die gleiche Teilhabe an Christus war es, was sie ansprach und was sie zum Christentum führte. Es gab auch Gelehrte, es gab weltbekannte Professoren, die sich zum Christentum bekehrten, aber nicht viele. Im Stadtgetriebe fehlten die Christen nirgends. Sie wohnten den öffentlichen Gerichtssitzungen bei. Sie handelten auf dem Markte. Sie benutzten die Bäder. Sie erfreuten sich an den Jahrmärkten. Sie standen mit beiden Beinen auf der Erde, aber es gab eine Grenze. Sie besuchten kein Theater. Warum nicht? Weil die unsittlichen Darstellungen ihnen ein Gräuel waren. Sie gingen nicht in die Arena. Sie wollten nicht erleben, wie Menschen sich gegenseitig niedermetzeln. Sie erschienen auch nicht bei den öffentlichen Mahlzeiten, denn dort wurde das Fleisch von geopferten Tieren verzehrt.

Die Christen waren gewissenhafte Staatsbürger. Sie erinnerten sich, dass Paulus ihnen geschrieben hatte: "Seid untertan jeglicher Obrigkeit!" Also – sie beobachten die Gesetze, sie beteten für den Kaiser, sie zahlten ihre Steuern, sie waren tapfere Soldaten. Tertullian rief den Heiden zu: "Von den Eurigen sind stets die Kerker gefüllt" – von den Heiden – "aber keinen Christen findet ihr dort! Und wenn doch, dann nur, weil er ein Christ ist.“ In einem gehorchten die Christen nicht, nämlich wenn es um den Kirchenaustritt ging, um die Verleugnung des Glaubens. Da waren sie entschlossen, lieber ihr Leben zu lassen als Verrat an Christus zu üben. Die Christen gaben sich auch nicht ungehemmt der Welt hin, dem Gebrauch der Welt, dem Genuss der Welt. Sie hatten in den Ohren und im Herzen, was Paulus den Philippern geschrieben hat: "Unsere Heimat ist im Himmel!" Sie erinnerten sich auch an die Mahnung: "Die mit der Welt verkehren, sollen sich so verhalten, als verkehrten sie nicht, denn die Gestalt dieser Welt vergeht." Die Christen waren überzeugt von der Vergänglichkeit des Irdischen und von dem Weg in die ewige Heimat. Ihr Streben ging dahin, dass sie mit Christus vereinigt werden, vielleicht durch seine Parusie, in jedem Falle aber durch den Tod. Die bei den Heiden vielfach übliche Leichenverbrennung lehnten die Christen ab. Sie hielten sich an die altehrwürdige und edle Sitte der Erdbestattung. Sie schmückten ihre Gräber mit Bildern und Symbolen, die die Hoffnung auf das selige Leben im Jenseits ausdrückten.

Worin, meine lieben Freunde, lag die Kraft der christlichen Familie im zweiten Jahrhundert? Sie lag in der Christusverbundenheit. Diese Verbundenheit gab ihnen die Kraft zu musterhaftem Familienleben, zum herrlichen Gemeindeleben, zur tapferen Stellungnahme der Außenwelt gegenüber, zur sieghaften Selbstmeisterung, zur selbstlosen Hilfsbereitschaft, zum mutigen Bekenntnis, zum heldenhaften Martyrium. Die Christen des zweiten Jahrhunderts können uns Lehrmeister sein.

Als in Holland das Christentum in Blüte stand, also etwa bis zum Jahre 1950, als das Christentum dort vorbildlich war für ganz Europa, inniger Glaube, feste Verbindung mit der Kirche, Sittenreinheit, da gab es in Holland fast nur kinderreiche Familien. Dann brach der Glaube zusammen, dann brach die Disziplin zusammen, und dann hörte der Kindersegen auf. Ein Protestant triumphierte: "Die biologische Gegenreformation in Holland ist beendet." Jawohl, sie war beendet! In Christus, mit Christus und durch Christus leben, das war das Signum der Urchristen des zweiten Jahrhunderts. Möchten wir nicht, meine lieben Freunde, möchten wir nicht versuchen, ihrer wert zu werden?

Amen.

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