Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
16. Dezember 2012

Vom Kommen Gottes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Ankunft des Herrn wird sich mitten in der Routine des täglichen Lebens vollziehen. Dann wird ein Engel rufen und das Zeichen des Menschensohnes wird am Himmel erscheinen. Der Herr hat es im Matthäusevangelium eindeutig beschrieben. Wie es in den Tagen des Noe war, so wird es auch in den Tagen des Menschensohnes sein. Sie aßen und tranken, sie heirateten und ließen sich verheiraten, bis zum Tage, da Noe in die Arche stieg und die Flut kam. Sie kam und vernichtete alle. Ebenso war es in der Zeit des Untergangs von Sodom und Gomorrha. Die Menschen aßen und tranken, sie kauften und verkauften, sie heirateten und wurden verheiratet. Da ließ Gott Feuer und Schwefel vom Himmel fallen und vernichtete alle. Genauso wird es sein am Tage, da der Menschensohn offenbar werden wird. Das besagt, da wird sich gar nichts ändern im täglichen Ablauf des Lebens. Es werden weiter die Werbeprospekte der Schuhgeschäfte in unsere Briefkästen fallen. Die Menschen werden einkaufen. Die Bauern werden pflanzen. In den Städten wird sich der Baukran über einem Neubau drehen, lautlos, und dann geschieht es, dass Christus kommt. Ist das nicht bedrohlich? Ganz gewiss. Es ist Zeit, achtzugeben und wachsam zu sein. "Gebt acht, Gott selbst kommt." Johannes der Täufer hat den Luftdruck des Kommens, den Luftdruck des Reiches Gottes gespürt. Und deswegen rief er zur Bekehrung auf. Echte Früchte der Bekehrung verlangt der ankommende Herr. "Kehrt um, bereitet den Weg des Herrn!" Die Verkündigung Jesu unterscheidet sich davon wenig. "Die Zeit ist erfüllt. Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Kehrt um und glaubt dem Evangelium." Damit ist der Inhalt der Botschaft Christi umrissen. Er hat eigentlich kein anderes Thema. Kehrt um und glaubt dem Evangelium. Die Herrschaft Gottes ist gekommen. Jetzt, da Jesus seine Predigt beginnt, ist der Augenblick da, in dem die Gottesherrschaft anbricht. Dieser von Gott angesetzte Termin ist ein heilsgeschichtlicher Termin. Für die Menschen ist er die Stunde der Entscheidung. Die Botschaft fordert von ihnen Umkehr und Glauben. Glaube ist die Bedingung für die Umkehr. Wer nicht glaubt, wird auch nicht umkehren. Umgekehrt: wer wahrhaft glaubt, wird sich bekehren. Glaube, wie oft hat der Herr den Glauben gefordert. "Wer an mich glaubt, der hat das ewige Leben." "Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist." "Und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben." "Solange ihr das Licht habt, glaubt an das Licht, damit ihr Kinder des Lichtes seid!" "Wer an den Sohn Gottes glaubt, wird nicht gerichtet. Wer aber nicht glaubt, ist schon gerichtet."

Nicht zu Glauben ist schrecklich. "Es sind aber einige unter euch", sagte der Herr, "die nicht glauben." "Wenn ihr nicht glaubt, dass ich es bin", nämlich der erschienene Heiland und Erlöser, "werdet ihr in euren Sünden sterben." "Ihr glaubt nicht, denn ihr gehört nicht zu meinen Schafen", sagt er seinen Feinden. Und beim Abschied spricht der Herr vom Geist, der die Welt überführen wird von der Sünde. Und die Sünde, die Hauptsünde, die entscheidende Sünde wird sein, weil sie nicht an Ihn geglaubt haben.

Dann tritt zu diesem Ruf nach Glauben der andere nach Umkehr. Er ist ernst. Er ist voll schicksalhafter Bedeutung. Es kamen einmal Leute zu Jesus und berichteten ihm, dass Pilatus, der Prokurator, in Jerusalem während des Opfers eine große Anzahl von Galiläern habe niederhauen lassen. Er hat sie während des Opfers getötet. Und die Jünger meinten in der pharisäischen Frömmigkeit, die sie gelernt hatten, diese Leute seien halt besonders sündhaft gewesen. Aber das passte nicht mit der Tatsache zusammen, dass sie fromme Leute waren, sie kamen ja aus Galiläa zum Tempel nach Jerusalem, zur Wallfahrt. Wie konnten sie also, obwohl sie fromm waren, eine solche furchtbare Strafe erleiden? Der Herr klärt sie auf. "Sie waren nicht mehr schuld als andere. Aber wenn ihr euch nicht bekehrt und wenn ihr euch nicht ändert und wenn ihr meinen Ruf zur Umkehr nicht hört, da wird es euch genauso gehen wie diesen Galiläern." Die Umkehr muss sich natürlich in praktischen Verhaltensweisen kundtun, meine lieben Freunde. Zürnet nicht, so mahnt der Herr. Zürnet nicht, zürne nicht deinem Bruder, denn ihr geht beide denselben Weg ins Gericht. Versöhnt euch noch unterwegs, noch ist Zeit, seid klug. Richtet nicht, denn ihr seid beide auf dem Weg zum Gericht. Das Reich Gottes kommt. Gott wird volle Gerechtigkeit auf Erden bringen. Richtet nicht vor der Zeit, ehe der Herr kommt, der das Geheime ans Licht bringen wird. Das Kommen des Herrn fordert eine Umkehr. Und diese Umkehr muss sich in praktischen Verhaltensweisen kundtun. Sorge dich nicht, es kommt das Reich Gottes. Lilie und Vogel rechnen nicht. Du aber, rechne mit Gott und mit Gott allein. Trachte nach seinem Reich und Recht, alles andere wird dir dazu gegeben werden. Sammelt nicht nicht Schätze auf Erden, die verrosten, an die die Motte kommt. Sammelt euch Schätze im Himmel, an die keine Motte kommt und die kein Rost zerfrißt, denn wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein. Der Herr unterstreicht diese Belehrung mit einem Gleichnis: Ein Bauer hatte sein Land bestellt. Er hatte eine reiche Ernte eingebracht. Die Scheunen reichten nicht aus, um die Ernte aufzunehmen. "Ich will neue Scheunen bauen", sagt er "und alles hineinführen in diese Scheunen. Und dann werde ich zu mir sagen, ruh dich aus, iss und trink und lass es dir gut gehen." "Du Tor, noch heute Nacht wird man deine Seele von dir fordern! Und was du aufgespeichert hast – wem wird es gehören?“

Das Kommen des Herrn zum Gericht und zur Neugestaltung ist gewiss  der entscheidende Inhalt unseres Wartens. Der Herr wird kommen, so gewiss, wie das Schicksal kommt, denn er ist das Schicksal der Welt. Vor dem letzten Kommen des Herrn gibt es aber auch andere Weisen des Kommens. Wir Priester, die wir ja die hundertfünfzig Psalmen jede Woche beten, lesen oft von einem anderen Kommen des Herrn. Und ich möchte Ihnen drei Weisen vorführen, wie der Herr auch vor dem endgültigen Kommen zu uns kommt. Die erste Weise dieses Kommens ist der sogenannte ‚concursus generalis‘. Was ist damit gemeint, allgemeine Mitwirkung? Mit dem ‚concursus generalis‘ ist gemeint:  Gott erhält alles Geschaffene im Dasein. Er bewahrt es vor dem Zurückfallen ins Nichts. Diese erhaltende Tätigkeit Gottes ist eine ständige, kausale, ursächliche Einwirkung. Dadurch bewirkt Gott den Fortbestand der Dinge. „Alles hat durch ihn Bestand", schreibt Paulus im Kolosserbrief. "Er trägt alles durch die Macht seines Wortes", heißt es im Hebräerbrief. Mit der allgemeinen Mitwirkung Gottes ist seine Weltregierung verbunden. Gott regiert die Welt nach einem ewigen göttlichen Plan. Und die Ausführung dieses Planes ist seine Weltregierung. Wir können sie auch Vorsehung nennen. Die Vorsehung trägt die Geschicke der Welt. Wir unterscheiden eine ordentliche und eine außerordentliche Vorsehung. Die ordentliche besteht im gewöhnlichen Wirken Gottes. Die außerordentliche in einem außergewöhnlichen Eingreifen Gottes. In den Psalmen ist häufig von dieser Vorsehung Gottes, von seinem Einwirken, von seiner Hilfe die Rede. "Hilfe kommt mir vom Herrn, meinem Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat", bekennt der fromme Beter. Oft rufen die Beter in den  Psalmen um die Hilfe Gottes. "Hilf uns, zieh aus, uns zu retten." "Wende unser Los, lass leuchten dein Antlitz!" "Gott, schweige nicht, bleibe nicht stumm!" Und Gott erhört die Gebete seiner Frommen und bietet auf seine Macht. Das alles ist eine Weise des Kommens Gottes. Die Kirche hat diese Fleh-Rufe aufgenommen. Wir Priester haben sieben Stundengebete zu verrichten, jeden Tag. Siebenmal! Und jedesmal, bevor wir darangehen, die Psalmen zu beten, heißt es: "O Gott, komm mir zu Hilfe, Herr, eile, mir zu helfen!" Das ist die erste Weise des Kommens Gottes, uns zu helfen, uns zu retten.

Die zweite Weise geschieht in der Mitteilung der Gnaden. Das Wort Gnade ist ein leider Gottes verbrauchtes Wort. Wir müssen wissen, was Gnade ist. Gnade ist jede geistliche Gabe, die uns Gott zu unserem Heil verleiht. Gnade ist jede geistliche Gabe, die uns Gott zu unserem Heil verleiht. Wir unterscheiden die helfende und die heiligmachende Gnade. Die helfende Gnade ist ein Impuls, eine Anregung. In der helfenden Gnade wirkt Gott auf uns ein, dass wir das Gute tun. Er will uns zu einem Heilsakt hinleiten. Diese übernatürliche Einwirkung Gottes kann der Handlung vorangehen oder sie begleiten. Wir sprechen deswegen von der zuvorkommenden und von der nachfolgenden Gnade. Die heiligmachende Gnade ist eine geschaffene, übernatürliche Gabe, die die Seele Christus ähnlich macht. Die heiligmachende Gnade ist ein der Seele anhaftendes, übernatürliches Sein, ein dauernder Zustand im Gerechtfertigten, eine der Seele mitgeteilte göttliche Beschaffenheit. In jeder Heiligen Messe, wenn Sie achtsam sind, in jeder Heiligen Messe, wird darum gebeten, dass wir der göttlichen Natur teilhaftig werden. Das soll in der Heiligen Messe geschehen, der göttlichen Natur teilhaftig zu werden. Und das ist die übernatürliche, heiligmachende Gnade. Der Herr drückt es in seiner Weise aus: „Wenn einer mich liebt, wird er mein Wort bewahren, und mein Vater und ich werden zu ihm kommen und in ihm wohnen.“

Eine dritte Weise des Kommens Gottes zu den vernünftigen Geschöpfen vollzieht sich in der Spendung und im Empfang der Sakramente. Gott wird dabei in einer spezifischen Weise tätig. Wenn uns die Sünden verziehen werden, kommt Gott zu uns und tilgt die Sünden. Das geschieht in der Taufe, das geschieht im Bußsakrament. Gott trägt in der Taufe die Erbsünde und etwaige persönliche Sünden hinweg. Gott kommt im Bußsakrament über den Pönitenten und nimmt ihm die bereuten und bekannten Sünden hinweg. Wenn sich in der heiligen Messe die Wesensverwandlung vollzieht, ist das auch ein Kommen des verklärten Herrn. Christus wird im Altarsakrament durch die Verwandlung der ganzen Substanz des Brotes in seinen Leib und der ganzen Substanz des Weines in sein Blut gegenwärtig. Der Leib und das Blut Christi werden unter den Gestalten von Brot und Wein herbeigeführt. Das ist ein Kommen. Der präexistente Leib Christi wird gleichsam zu den sakramentalen Gestalten hingeführt. Er erhält neben seiner Daseinsweise im Himmel eine sakramentale Daseinsweise unter den Gestalten. Der gegenwärtig gewordene Herr will Einkehr halten in den bereiteten Gläubigen. Wir beten ja oft das schöne Gebet:

"Komm, o Herr, o komm zu mir.

O wie sehn' ich mich nach dir.

Meiner Seele bester Freund,

wann werd' ich mit dir vereint?"

Das Gebet können wir unserem Heiland entgegenrufen, wenn wir in der Heiligen Messe das Opfer mitfeiern.

Was uns der Herr in dieser Adventszeit sagen will, läßt sich zusammenfassen in dem Wort: Nehmt euch in acht, gebet acht, wachet. Es ist wie ein Warnsignal, wie eine rote Lampe, die aufleuchtet. Wachsamkeit ist die entscheidende Forderung. Wachsam waren die Jungfrauen am Hochzeitstag, in der Hochzeitsnacht. Wachsam waren die Knechte, die an der Tür wachen, wenn der Herr von seiner Reise zurückkommt. Seid allezeit wach, betet, damit ihr dem, was geschehen wird, zu entrinnen und vor dem Menschensohn zu bestehen vermöget. Suchet das Reich Gottes. Es ist letzte Chance. Du kannst den Weg verfehlen, denn der Weg, der zum Heile führt, ist ein kleiner, ein schmaler, ein steiniger, ein ansteigender Weg. Der Weg, der ins Verderben führt, ist breit, einladend, bequem. Vom Wachen, vom Wachsein, vom Harren auf den Herrn hängt unser ewiges Schicksal ab. Und der Herr hat in einem Gleichnis geschildert, wie verschieden das Los der Menschen sein kann, wenn er wiederkommt. "Ich sage euch: In jener Nacht werden zwei auf einem Lager sein. Der eine wird hinweggenommen, der andere wird zurückgelassen werden. In jener Nacht werden zwei zusammen an der Mühle mahlen. Die eine wird hinweggenommen, die andere wird zurückgelassen."

Amen.

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