Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
7. Oktober 2012

Weltbild und Glaube

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir Menschen suchen unsere Umgebung und sogar die gesamte geschaffene Wirklichkeit zu erkennen. Unser Verstand dringt bis zu den Gestirnen, ja bis ins Weltall vor. Und was wir erkennen, das fassen wir zusammen in einem Weltbild. Die Kosmologie, das ist die Wissenschaft vom Weltbild, sagt uns, wie der Mensch seine Umgebung, ja wie er die gesamte Wirklichkeit versteht. Lange Zeit hatte die Menschheit ein geozentrisches Weltbild. Geozentrisch besagt: Nach diesem Weltbild steht die Erde im Mittelpunkt, und die Sonne und die anderen Sterne kreisen um die Erde. Die Erde ist nach dieser Ansicht der Mittelpunkt des Planetensystems. Dieses Weltbild stammt von dem griechischen Astronomen Claudius Ptolemäus, und man nennt es deswegen das ptolemäische Weltbild. Ptolemäus lebte von 100 bis 180 in Ägypten, in Alexandrien. Danach bewegen sich die damals bekannten Planeten um die Erde. Manche waren ja noch nicht bekannt. Damals waren nur Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn bekannt. Danach bewegen sich die bekannten Planeten, ebenso wie die Sonne und der Mond, um die Erde als Mittelpunkt. Wir wissen, dass diese Sicht falsch ist. Wir teilen diese Ansicht nicht mehr. Das geozentrische Weltbild ist überholt. Und ich werde sogleich erklären, wie es dazu kam. Es hat nämlich große Forscher gegeben, die uns diese Erkenntnisse beschert haben. Obwohl also das geozentrische Weltbild überholt ist, sprechen wir immer noch so, als ob es noch gelten würde. Wie sagen: die Sonne geht auf oder die Sonne geht unter. In Wirklichkeit hat die Erde ihre Drehung um sich selbst vollendet und wendet ihre Seite, auf der wir leben, wieder der Sonne zu, sodass wir den Schein des Sonnenlichtes empfangen. Wir sprechen eben nach dem Augenschein, aber der Augenschein trügt. Die Naturwissenschaft hat unwiderlegliche Beweise erbracht, dass die Erde nicht im Mittelpunkt des Planetensystems steht. Es waren vier Männer, die diese Kenntnisse erworben haben: Nikolaus Kopernikus, Galileo Galilei, Johannes Kepler und Isaac Newton.

Nikolaus Kopernikus lebte von 1473 bis 1543 und zwar in Frauenburg, also in Ostpreußen, im heutigen polnischen Ostpreußen. Er war dort Domherr. Er hatte in Italien an den dortigen Universitäten ein universales Wissen erworben. Er war Arzt. Er war Naturforscher. In seinen privaten Studien befasste er sich mit den Sternen. Und er kam zu der Erkenntnis: Die Erde ist nicht der Zentralkörper des Weltalls, sondern die Erde ist selbst ein Planet, der sich täglich um seine eigene Achse dreht und wie die anderen Planeten um die Sonne wandert. So begründete er das heliozentrische Planetensystem, das heißt, das System des Weltalls, wonach die Sonne im Mittelpunkt steht und nicht die Erde. Und die Erde und die anderen Planeten kreisen um die Sonne. Das neue Weltbild war natürlich umstürzend, man spricht von der kopernikanischen Wende. Die Kirche hat das Weltbild, das neue Weltbild, zunächst nicht beanstandet. Luther dagegen bekämpfte es heftig. Die evangelischen Theologen von Tübingen lehnten es 1595 als unvereinbar mit der Bibel ab. Auch unter den Astronomen gab es viel Gegnerschaft. Noch Tycho de Brahe hat am geozentrischen Weltbild festgehalten, ein bedeutender Gelehrter. Die Begründung des heliozentrischen Weltsystems, das Kopernikus aufgestellt hatte, war noch unvollkommen. Es wurde erst durch Galilei, durch Kepler und Newton vervollkommnet und endgültig bewiesen.

Galileo Galilei lebte von 1564 bis 1642. Er war Astronom und Physiker. Er gilt als der große Bahnbrecher der neuzeitlichen Naturwissenschaft. Er verwandte die induktive Methode, das heißt, er schloss von einzelnen Beobachtungen auf bestimmte Gesetze. Das nennt man die induktive Methode. Und er verwandte die Methode des quantitativen Experiments, er machte Versuche und berechnete, was bei diesen Versuchen herauskam. Er leitete die Pendelgesetze, die Fallgesetze und die Wurfgesetze ab und konstruierte ein Fernrohr. Mit diesem Fernrohr beobachtete er den Himmel, den Mond, die Monde des Jupiter, und er kam zur Erkenntnis: Das kopernikanische Weltbild stimmt. „Ich kann es bestätigen.“ Als man ihm den angeblichen Widerspruch zur Bibel vorhielt, verwies er auf den volkstümlichen, nicht naturwissenschaftlichen Charakter der Heiligen Schrift. Er war überzeugt, dass es zwischen dem Buch der Natur und dem Buch der Offenbarung einen Widerspruch nicht geben könne. Klare Erkenntnisse der Naturwissenschaft können, so war er überzeugt, der Bibel nicht widersprechen. Aber seine Anschauungen waren noch nicht ganz gesichert. Es fehlte noch der überzeugende Beweis. Und deswegen wurde er vor eine römische Behörde geladen, vor die Indexkongregation, und diese Kongregation kam nach Prüfung seiner Ansicht zu der Erkenntnis oder zu der Beurteilung: Die beiden Sätze, nämlich dass die Erde sich um sich selbst dreht und dass die Erde sich um die Sonne bewegt, die beiden Sätze widersprechen der Heiligen Schrift. Jawohl – das hat diese römische Behörde festgestellt. Das war natürlich ein großer Irrtum. Aber der Irrtum stand jetzt im Raume. Galilei wurde Schweigen auferlegt. Doch er dachte nicht daran, zu schweigen. Und deswegen kam es nach dem ersten zu einem zweiten Prozess gegen ihn. Ihm wurde jetzt der Widerruf auferlegt und – er leistete ihn, gegen seine Überzeugung! Am 22. Juni 1633 schwor er der Ansicht des Kopernikus ab. Allerdings die Worte „und sie bewegt sich doch“ hat er nicht gesprochen. Sein Buch wurde verboten. Er wurde zur Haft verurteilt, aber die Haft brachte er im Hause seines Freundes, des Erzbischofs von Siena, und später in seiner Villa, also in seinem eigenen Hause, zu. Galilei starb als gläubiger Katholik. Die Kongregation tat einen bedauerlichen Fehlgriff. Das ist unumstritten. Sie hielt für einen Gegenstand des Glaubens, was in Wirklichkeit ein Objekt der Naturerkenntnis ist. Die Kirche hat diesen Irrtum erkannt und zugegeben. Papst Johannes Paul II. hat am 31. Oktober 1992 Galilei rehabilitiert.

Was Galilei noch nicht fertigbrachte, das gelang Johannes Kepler. Er lebte von 1571 bis 1630. Er ist einer der großen Begründer der neuzeitlichen Naturwissenschaft. Von ihm stammen die drei Grundgesetze der Planetenbewegung. Ich hatte das Glück, einen ausgezeichneten Unterricht in Physik zu erhalten, und so haben wir schon als Kinder von diesen drei Gesetzen, den drei keplerschen Gesetzen, gehört. Und damit schuf er die Grundlagen der Astronomie. Kepler war ein frommer evangelischer Christ. Seine Anschauung von der Natur war vom Gottesglauben durchtränkt, aber er geriet in Konflikt mit der evangelischen Kirche. Er mochte sich nämlich nicht auf die Konkordienformel, also ein Lehrgesetz, verpflichten, und er glaubte auch nicht an die von Luther gelehrte Allgegenwart, an die Allgegenwart des Leibes Christi. Deswegen wurde er von der evangelischen Kirche exkommuniziert. Er durfte nicht mehr am Abendmahl teilnehmen.

Den Schlußstein der neuzeitlichen Weltsicht lieferte der überragende Gelehrte Isaac Newton. Er lebte von 1643 bis 1727. Er war Mathematiker, Physiker und Astronom in einem. Er gilt als der Begründer der klassischen theoretischen Physik. Er formulierte die drei Axiome der Mechanik: das Trägheitsgesetz, das dynamische Grundgesetz und das Wechselwirkungs-gesetz. Vor allem aber – und darauf kommt es hier an – das Gravitationsgesetz. Newton erkannte, dass die Massen einander anziehen. Und diese Massenanziehung beschrieb er mit dem von ihm „erfundenen“ oder besser „gefundenen“ Gravitationsgesetz. Er bewies, dass die irdischen Naturgesetze auch für die Himmelskörper gelten. Er ist der Begründer der Himmelsmechanik. Und mit seinem Gravitationsgesetz gelang es ihm, die Aufstellungen des Kopernikus zu beweisen. Die Bewegung der Planeten gehorchen dem Gravitationsgesetz. Das hat sich in der Folgezeit noch weiter entwickelt. Man hat nämlich mit dem Gravitationsgesetz herausgefunden, dass es wegen Störungen der Bahn des Planeten Uranus einen Planeten geben muss, den man bisher nicht gesehen hatte. Und tatsächlich: Eines Tages entdeckte man mit einem neuen Fernrohr diesen noch nie gesehenen Planeten, den Neptun. Newton vereinte strenge Wissenschaftlichkeit mit christlicher Gläubigkeit. Er sah in den Naturwissenschaften keinen Gegensatz zum Glauben, sondern lediglich die Methode, das empirisch Fassbare zu erklären. Der Unglaube, der behauptet, sich auf die Naturwissenschaften zu berufen, kann keinen dieser großen Gelehrten für sich in Anspruch nehmen. Sie waren allesamt gläubige, christliche, gottesfürchtige Männer.

Einen Gegensatz zwischen Naturerkenntnis und Gottesglauben kann es nicht geben. Warum nicht? Weil Gott der Urheber der irdischen und der himmlischen Wirklichkeit ist. Ein und derselbe hat die irdische und die himmlische Wirklichkeit geschaffen. Und wie entstehen Konflikte zwischen Glauben und Naturwissenschaft? Durch Grenzüberschreitungen. Wenn der Glaube etwas für sich in Anspruch nimmt, was der Wissenschaft zugehört oder wenn die Wissenschaft etwas behauptet, was zum Glauben gehört. Konflikte entstehen nur, wenn sich die jeweiligen Bereiche vermischen. Wenn der Gläubige in die Naturwissenschaft übergreift, und wenn die Naturwissenschaft in den Glauben übergreift. Es ist berechtigt, ja notwendig, bei der Heiligen Schrift zwischen Rahmen und Kern, zwischen volkstümlicher Redeweise und Offenbarungsaussage zu unterscheiden. Für die göttliche Mitteilung, also für die Offenbarung, darf nicht mehr in Anspruch genommen werden, als was Gott sagen wollte. Jede übermäßige, jede unzulässige Überschreitung dieser Grenze führt zum Irrtum. Die Heilige Schrift passt sich in ihren Aussagen über die Welt, über die Tiere, über die Pflanzen den Anschauungen ihrer Umgebung an. Sie will ja von den Zeitgenossen verstanden werden. Also die Bücher, die vor Tausenden von Jahren entstanden sind, mussten mit den Anschauungen der damaligen Zeitgenossen rechnen. Und so mussten sie eben deren Sprache sprechen und deren Ansichten übernehmen. So steht im 5. Buch Mose: Der Hase und das Kaninchen seien Wiederkäuer. Das sind sie natürlich nicht, wie die Kamele oder wie die Kühe. Die Hasen und Kaninchen sind keine Wiederkäuer, aber das steht im 5. Buch Mose, weil es eben damals so angesehen wurde. Die Bibel ist kein Lehrbuch der Zoologie, aber auch keines der Kosmologie. Sie will uns nicht über irdische Dinge belehren, sondern über die Wirklichkeit Gottes. Das Weltbild gehört nicht zu den Gegenständen, über die uns Gottes Offenbarung unterrichten will. Den Lauf der Erde und der Gestirne zu untersuchen, das hat Gott dem Verstand des Menschen überlassen. Deswegen, meine lieben Freunde, wir Gläubigen brauchen vor den gesicherten Ergebnissen der Naturwissenschaften nicht zu zittern. Wir vermögen sie zu begrüßen, weil sie einen Teil der Schöpfung des allgewaltigen Gottes erschließen. Auch von den Erkenntnissen der Naturwissenschaften gilt das Wort: „Oh Gott, wir preisen dich ob deiner großen Herrlichkeit!“

Amen.

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