Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
12. April 2009

Ostern – hohes Fest der christlichen Freude

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, in heiliger Osterfreude Versammelte!

„Das ist der Tag, den der Herr gemacht hat, laßt uns frohlocken und fröhlich sein an ihm!“ Dieser Psalmvers kennzeichnet die Liturgie des Ostertages, ebenso wie der immer wiederkehrende Jubelruf „Alleluja!“ Das heißt „Preiset den Herrn!“ Ostern war und ist das Hochfest der christlichen Freude, die froheste Botschaft im Evangelium, das ja selbst eine frohe Botschaft ist. „Christ ist erstanden“, so verkündet uns das Engelwort und erinnert uns an ein anderes Engelwort, nämlich: „Heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren.“ Die Sonne geht auf, als die Frauen zum Grabe eilen, und der Stern von Bethlehem leuchtete über der Krippe. Und so feiert die Kirche das Osterfest mit aller erdenklichen Pracht, mit Jubelliedern, mit rauschender Musik und mit festlichen Speisen. Auch das gehört zum Osterfest.

Die Freude hat die Kunst in der Menschheit geboren. Die christliche Freude ist verantwortlich für die christliche Kunst. Wir kennen die Katakomben in Rom, die Grabstätten, und wir würden erwarten, dass dort Moder und Grab uns anwehen. Aber nein, die Wände der Katakomben tragen überall die Sinnbilder des Auferstehungsglaubens. Die Farben und Linien der Wandmalereien künden uns das neue Leben, das Christus gebracht hat, künden uns den neuen Frieden zwischen Himmel und Erde, den er beschafft hat, künden uns die ewige Freude, die dem Wandel mit dem Auferstandenen verheißen ist. Die erste Zeit scheute sich, das Auferstehungsdrama selbst im Bilde darzustellen. Aber man hat auf die Vorbilder der Auferstehung zurückgegriffen, also zuerst auf den Jonas im Bauch des Fisches. Auf den hatte ja Jesus selbst verwiesen: „Es wird den Menschen kein anderes Zeichen gegeben werden als das Zeichen des Jonas.“ Ein anderes Vorbild Jesu war Samson, der mit seinen Riesenkräften die Gefängnistüren sprengte und sich Freiheit verschaffte. Ein drittes Vorbild war Joseph in Ägypten. Er wurde wegen falscher Anklagen ins Gefängnis geworfen, aber in wunderbarer Weise befreit. Alle diese Vorbilder Jesu sind in den Katakomben zu besichtigen.

Vom 4. Jahrhundert an haben die Christen Symbole für Christus an die Wände gemalt: das Kreuz, die Wächter, die das Grab bewachen, auch ein Monogramm Christi mit einem Eichenkranz umgeben als dem Siegeszeichen. Erst vom 12. Jahrhundert an wagten die Christen das Geschehen, von dem uns ja nicht einmal die Evangelisten einen Bericht geben; das Geschehen selber berichten sie nicht, nur die vollendete Tatsache. Vom 12. Jahrhundert an also wagten die Christen die Auferstehung darzustellen. Jesus entsteigt lichthell dem Grabe, eine Siegesfahne in der Hand, und die Engel stehen schaudernd davor, die Wachen stürzen zu Boden. Sie alle kennen das ergreifende Auferstehungsbild des deutschen Meisters Grünewald auf dem Isenheimer Altar. Und auch die ersten Anfänge heiliger Dramatik verdanken wir dem Osterfest. Die Sequenz, die wir soeben gebetet haben, die Sequenz des Osterfestes trägt den Keim eines Zwiegespräches zwischen Maria Magdalena und den Gläubigen in sich: „Magdalena, künd uns an, was staunend deine Augen sah’n.“ „Ich sah das Grab, vom Tod befreit und des Erstandenen Herrlichkeit.“ Und dann kommen auch noch die Engel zu Worte: „Wen suchet ihr?“ fragt der Engel die Frauen. „Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten.“ Die Antwort des Engels: „Er ist nicht hier, er ist auferstanden, wie er vorhergesagt hat.“

Meine Freunde, solange die Erde steht, werden die Gläubigen allen Grund haben zur Fröhlichkeit an diesem Tage. Denn die Ostertatsache des Sieges Jesu über Tod und Grab und alle feindlichen Mächte ist das unerschütterliche Fundament unseres Glaubens an seine Gottheit, das unerschütterliche Fundament unserer Gewißheit, das Heil erlangt zu haben, das unerschütterliche Fundament unserer Hoffnung auf fröhliche Urstände am Jüngsten Tage.

Die Auferstehung Jesu ist das Fundament unseres Glaubens an seine Gottheit. Dass der Vater im Himmel seinen Sohn die Verwesung nicht schauen ließ, sondern ihn dem Tode entriß, bestätigt seine Verkündigung, bekräftigt seinen Anspruch, der Sohn Gottes zu sein. Jetzt wissen wir, dass er kein Verführer war, wie die Juden sagten, sondern dass er der Anführer des Lebens ist. Jetzt wissen wir, dass er von Gott ausgegangen ist und zu Gott zurückgekehrt ist. Jetzt wissen wir, dass er nicht lügt, wenn er sagt: „Ich und der Vater sind eins.“ Jetzt wissen wir auch, dass unser Heiland mächtig, allmächtig ist. Wer den Tod besiegt, der vermag alles, denn mehr an Kraft ist nicht möglich. Zu ihm gehören wir. Er hat uns von der Sündenmacht befreit, er hat uns der Teufelsherrschaft entrissen, er wird auch uns nicht im Totenreich lassen. Wir hoffen, dass an uns geschehen wird, was an ihm geschah, denn wir sind mit Jesus zusammengewachsen. Es kann nicht anders sein, als dass er uns aus dem Tode entreißen wird, wie er den Tod besiegt hat. Wir sind nicht mehr zu trennen von Jesus, dem Todesüberwinder. Wir werden leben, wie Jesus lebt; wir werden mit Jesus leben und deswegen leben. Wer an ihn glaubt, der wird leben, auch wenn er gestorben ist.

Als die Jünger vor die Welt hintraten, da bezeichneten sie sich als Zeugen der Auferstehung. Von der wirklichen Auferstehung Jesu Zeugnis zu geben erachteten sie als das Kernstück ihres Berufes, als das Kernstück einer jeden Predigt. Was ist ein Zeuge? Ein Zeuge ist ein Mensch, der berichtet, was er beobachtet hat. Die Apostel bezeugen eine Tatsache. Für diese Tatsache haben sie gelebt und sind sie gestorben.  Da höre ich den Einwand des Unglaubens: Auch andere sind für ihre Lehre gestorben, auch Kommunisten, auch Nazis sind bis zum Tode ihrer Lehre treu geblieben. Gewiß. Aber was die Apostel bezeugen, das ist eine Tatsache; nicht eine Lehre, nicht eine Ideologie, nicht eine Weltanschauung. Was sie bezeugen, ist eine Tatsache, und sie sterben für eine Tatsache. Vierzig Tage ist der Herr ihnen erschienen und hat ihnen Aufträge erteilt in Galiläa, in Jerusalem. Er hat sie mit Vollmachten ausgestattet. Mit der Botschaft: „Jesus lebt!“ trat Petrus am Pfingstfest vor die Menge, und als der Hohe Rat ihn hindern wollte zu reden, da sagte er: „Wir können nicht schweigen von dem, was wir gesehen und gehört haben. Wir können es nicht!“ Und so sind alle Apostel hinausgezogen in die Welt und haben Jesus, den Auferstandenen, verkündet. Mit Mut und Todesmut haben sie diese Botschaft bis an die Grenzen der Erde getragen, denn in ihnen war die Kraft der Auferstehung. Die Weltgeschichte wurde von diesem Datum aus vollkommen verändert. Das Antlitz der Erde wurde erneuert. In jedem Einzelnen, in jeder Gemeinde, in der ganzen Weltkirche erblühte ein Garten von Tugend und Glückseligkeit in Glanz und Kraft der Ostersonne. Jawohl, meine lieben Freunde, die Tugenden, wie wir und andere zu erwerben suchen, die Tugenden, die unsere Heiligen geschmückt haben, sie sind der Widerschein der Ostersonne. Sie stammen aus der Kraft der Auferstehung.

Gewiß war das Evangelium eine Frohbotschaft für alles, was Menschenantlitz besitzt. Aber mit besonderem Verlangen mußten diese Botschaft jene aufnehmen, die vom Leid des Lebens gezeichnet sind, die vom Leben nichts mehr zu erwarten hatten, die vor dem Eingang ins Jenseits standen. Nun gab es keinen mehr, der so arm war, dass nicht eine große Hoffnung in ihm aufstrahlte: „Vertraut! Ich habe die Welt überwunden.“ „Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden.“ Was bedeuten nun Erdenkummer und Erdenleid und Erdenlast gegenüber der frohen Zuversicht, dass nichts umsonst gelitten wird, was einer im Glauben an Jesus besteht? Dass alles, was auf Erden zerschlagen wurde, ein herrlicheres großes Ganze gewinnt, als es vorher besessen hat, und nach gerade der beschwerlichsten Erdenreise am sichersten zur Höhe führt. Osterlicht leuchtet von nun an über den Gräbern unserer lieben Verstorbenen. Gott will allen ewiges Leben geben. Zur Unsterblichkeit der Seele die Auferweckung des Leibes in unvergleichlicher Glorie, wenn wir nur gläubig Ja gesagt haben zur Osterbotschaft, wenn wir nur ihre Forderung nach Heiligung in uns verwirklicht haben. Wie durch einen Menschen der Tod, so kommt durch einen Menschen die Auferstehung von den Toten. Und dieser Mensch ist unser Heiland, der Gottmensch Jesus Christus. Wir sind nicht nur eine Gemeinschaft mit ihm im Leiden, nein, wir sind auch eine Gemeinschaft in der Verheißung und der Erfüllung.

Der Name des alttestamentlichen Osterfestes war Pascha, das heißt Vorübergang. Dieser Name erinnerte an das Vorbeigehen des Würgengels vor den Häusern der Israeliten in Ägypten, während er die Erstgeburt der Ägypter schlug. Dieser Name „Vorübergang“ ist auch für uns Christen von großer Bedeutung und tiefer Sinnfülle. Ist nicht alles Erdenleben ein einziges Vorübergehen? Geht nicht jedes geschaffene Ding im Kommen und im Gehen an uns vorüber? Und muss nicht auch unsere eigene Gestalt vergehen? Nur zu einem kurzen Gastspiel gleichsam sind wir auf dieser Bühne des Lebens. Deswegen besteht in uns eine unauslöschliche Sehnsucht, ein unstillbares Heimweh. Selbst in den glücklichsten Stunden können wir uns davon nicht befreien. Wir haben hienieden keine bleibende Stätte, sondern wir suchen die zukünftige. Was unsere Gegenwart mit der herrlichen beständigen ewigen Zukunft verbindet, das ist das Gotteslob. Alleluja – laßt uns den Herrn preisen! Lob Gottes hier wie dort. Lob Gottes hier von den Wachenden, dort von den Sicheren, hier von den Sterblichen, dort von den Unsterblichen, hier in der Hoffnung, dort im Besitz, hier auf dem Weg, dort in der Heimat. Erst dort drüben, meine lieben Freunde, ist das wahre große Osterfest des Triumphes, der Rettung, der Verklärung und der Auferstehung. Dort drüben ist der Tag, der keinen Sonnenuntergang mehr kennt, der ewige Sonntag, der keine Werktage mehr nach sich zieht.

Es ist nicht zu leugnen, dass unser großer Dichter Goethe Christus mehr verbunden war, als er selbst es wahrhaben wollte. Denn gerade an den Höhepunkten seines Schaffens gab er dem christlichen Glauben die Ehre, fand er keine andere Lösung, als die in Christus uns geschenkt wurde. So beginnt und endet sein Menschheitsdrama „Faust“ mit christlichen Motiven, und sie sind nicht nur zum Schmuck verwendet, sondern weil es eben nichts Erhabeneres, nichts Schöneres gibt als die christliche Wahrheit. Sie gibt die letzten Antworten, wo der Dichter selbst keine Antwort zu geben wußte. Ein ergreifendes Ostererlebnis wird uns am Beginn des Dramas geschildert. Faust hat schwer gegrübelt und ganz verbittert die Osternacht über seinen Büchern gesessen. Als der Morgen anbricht, da achtet er gar nicht darauf, weil in seiner Seele nur Mutlosigkeit, Traurigkeit, Finsternis und Verzweiflung ist. Wissen kann er nichts, was zu wissen er begehrt, und glauben kann er nicht, weil er auf den Glauben stolz verzichtet hat. In seiner Seelenqual gesteht er sich: „So kann uns will ich nur noch eines – sterben!“ Er greift nach einer glänzenden Phiole, die Gift enthält. Er gießt den giftigen Inhalt in eine Schale und setzt diese Schale an seine Lippen, um all seinem Unfrieden und Leid ein rasches Ende zu machen. Da ertönt plötzlich von draußen Osterglockenklang, und er hört Engelstimmen jubeln: „Christ ist erstanden. Freude den Sterblichen, den die verderblichen schleichenden erblichen Mängel umwunden.“ Verwirrt und beschämt, erschüttert und wunderbar getröstet läßt Faust fallen, was er in seinen Händen hält, Erinnerungen an selige, Gott vertrauende Kindheitstage steigen in ihm auf und erfüllen ihn mit tiefer Wehmut. Der alte Osterglaube steht wieder auf und wird in ihm lebendig. Mit bebender Stimme fleht er: „O tönet fort, ihr süßen Himmelslieder, die Träne quillt, die Erde hat mich wieder.“ Im neuen Licht des Ostertages winkt ihm ein neues, volles, echtes Leben, nach dem er gierig hungert, dem er jetzt nun fest und fröhlich entgegenschreitet. Wohl sucht er das Glück auf vielen Wegen, wo es nicht zu finden ist, aber zum guten Ende wird doch sein Streben gesegnet mit der Liebe von oben, mit der Gnade Gottes.

Wir Christen wissen, dass wir von Gott Gnade um Gnade und ewiges Heil erhoffen dürfen, dass gerade der Ostertag der größte Gnadentag für uns ist. So gebe denn der gütige Gott, dass von der Gnade dieses Tages auch etwas an Licht und Kraft und Trost auf unsere künftigen Erdentage falle.

Amen.

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