Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
6. Januar 2009

Das rechte Geschenk für den Gottessohn

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir haben soeben vernommen, welches ein wesentlicher Inhalt des heutigen Festes ist. Wir kennen den Bericht des Evangelisten Matthäus über das Erscheinen der Weisen aus dem Morgenlande, die gekommen sind, dem neugeborenen König zu huldigen. Sie waren die Erstberufenen aus der Heidenwelt. Die Hirten gehörten zum Volke Israel und waren, wenn man so will, die Vertreter des schlichten, innigen Glaubens. Die Weisen sind die ersten Gebildeten an der Krippe. Die Heilige Schrift nennt sie „Magoi“. Es sind verschiedene Übersetzungen für dieses Wort vorgeschlagen worden, aber am wahrscheinlichsten ist es, dass es sich um weise Männer handelt, die sich mit Astronomie beschäftigten und, wie das damals üblich war, mit der Astronomie auch mit der Astrologie. Diese beiden Wissenschaften beherrschten sie, und deswegen vertrauten sie sich der Führung eines Sternes an. Sie kamen, so nimmt man an, aus dem Partherreich. Das war ein gewaltiges Imperium, umfaßte etwa das heutige Persien, Medien, Assyrien, also den Iran und das Zweistromland, den Irak. Sie hatten also eine lange Reise hinter sich, waren monatelang unterwegs.

Wann kamen sie? Als Zeit wird ungefähr ein Jahr nach der Geburt Jesu angenommen. Also wenn Sie an der Krippe die Weisen neben den Hirten sehen, so ist das historisch gesehen nicht richtig. Sie kamen nicht an die Krippe, sie kamen in ein Haus, „oikia“ heißt es im griechischen Text. Die heilige Familie war umgezogen aus der Höhle in ein Haus. Wahrscheinlich hatte Josef Verwandte in Bethlehem, und dann haben sie ihn, nachdem der Trubel vorüber war, aufgenommen, und so fanden die Weisen das Jesuskind in einem Hause mit Maria. Merkwürdigerweise ist von Josef nicht die Rede.

Könige werden die Weisen zum erstenmal von dem Kirchenschriftsteller Tertullian genannt im 3. Jahrhundert. Wie kommt man darauf, dass diese Weisen Könige gewesen sein könnten? Nun, man hat eben im Alten Testament gelesen, dass die Könige von Tarsis und von Saba kommen und Geschenke bringen. Die Könige von Saba und Seba erscheinen. Und man hat dann die Erfüllung dieser Weissagung im Kommen der Magier gesehen. So kommen sie zu dem Namen Könige. Drei Könige. Ja, warum drei? Man nimmt an, dass jeder ein Geschenk brachte, und da es drei Geschenke waren, so vermutet man, dass es auch drei Weise waren.

Das Kommen, das Verweilen und das Gehen dieser Männer aus dem Morgenlande lehrt uns, wie wir mit dem Kinde Mariens, das ja der auf Erden erschienene Gott ist, umgehen sollen. Die Weisen kamen in das Haus, in dem das Kind sich befand, und das erste, was sie taten: Sie fielen nieder und beteten es an. Meine lieben Freunde, das allein ist die Haltung, die dem göttlichen Kinde angemessen ist: vor ihm niederfallen und es anbeten. Wer sich weigert, das zu tun, der gibt damit zu verstehen, dass er Herkunft und Wesen des Kindes entweder nicht kennt oder ablehnt. Eine andere sachgemäße Haltung als Niederfallen und Anbeten gibt es gegenüber diesem Kinde nicht. Entweder ist das Kind der menschgewordene Gott, oder es ist uninteressant. Wenn es der Logos ist, der Fleisch geworden ist, dann müssen sich vor ihm die Knie beugen im Himmel, auf der Erde und unter der Erde, und dann muss jede Zunge bekennen: „Jesus Christus ist der Herr.“

Die Weisen brachten dem Herrn Geschenke, kostbare Geschenke: Gold, Weihrauch, Myrrhe. Ich bin überzeugt, das war das Kostbarste, was sie besaßen. Und darin liegt eine Lehre für uns: Verschenken, meine Freunde, darf man nur das Beste. Nicht, was man loswerden will, sondern das, von dem man sich nur schwer trennen mag. Das gilt schon für das Schenken unter Menschen, und erst recht gilt es gegenüber Gott. Wir sollen ihm also unsere Jugend schenken, nicht bloß das Alter. Wir sollen ihm unsere Kraft übergeben, nicht bloß unsere Hinfälligkeit. Die Weisen zeigen uns, wie man zum Herrn kommen soll: nicht mit leeren Händen und vor allem nicht mit leerem Herzen. Wir sollen ihm also darbringen unsere guten Werke: Gebet, Fasten, Almosen. Irdische Güter können wir ihm eigentlich nicht schenken, er ist ja der Herr von allem. Er hat alles gegeben, und er ist ja der Obereigentümer. Aber wenn er unsere materiellen Schätze nicht braucht, so benötigen sie doch die Menschen, seine Geschöpfe, und ihnen können wir irdische, wertvolle Dinge geben.

Das ist auch übrigens der Grund, warum die Kirche festliche, feierliche, kostbare Gotteshäuser baut. Sie dienen natürlich zuerst der Verherrlichung Gottes, aber danach auch der Freude und der Erhebung der Menschen. Die Anglikaner haben in London ihre teuersten und kostbarsten Kirchen in die Arbeiterviertel gebaut; sie wollten dadurch die Menschen zu Gott erheben. Das Wichtigste freilich, was wir dem Herrn schenken können, ist ein williges, ein bereites, ein reines Herz. Ich sagte schon, in einem gewissen Sinne kann man ihm nichts Irdisches schenken, aber das Herz können wir schenken, denn das hat er noch nicht, das müssen wir ihm geben. Also schenken wir ihm unsere Gedanken, unser Gedächtnis, unser Gemüt und unseren Willen.

Aber auch der Herr ließ die Weisen nicht ziehen, ohne sie in reichem Maße zu beschenken. So arm er äußerlich war, so reich war er, der Herr der Welt. Und was schenkte er seinen Besuchern? Er schenkte ihnen die Schätze der Gnade und Barmherzigkeit. Das waren vor allen Zeiten und sind auch heute noch die Gaben, die der Herr seinen Dienern schenkt. Und Gott läßt sich an Freigebigkeit nicht übertreffen. Wenn wir ein gutes Herz hätten und wenn wir all das Flitterwerk abwürfen, das uns von ihm abhält, so würde unsere Seele von seinen Schätzen erfüllt werden. Denn das ist das Gesetz bei der Mitteilung der Gnade: Gott gibt nach dem Maße unserer Empfänglichkeit. Ein eiserner Grundsatz, der für das Gebet und für die Sakramente und für das Meßopfer gilt: Gott gibt nach dem Maße unserer Empfänglichkeit. Gewiß, die Sakramente wirken kraft ihres Vollzuges, ex opere operato, wie die Theologie sagt, also sie wirken kraft der vollzogenen sakramentalen Handlung, nicht kraft des Glaubens, wie die Protestanten meinen. Nein, die Sakramente wirken kraft ihres Vollzuges. Aber diese Wirksamkeit ist weder mechanisch noch magisch. Die Mitwirkung des Empfängers wird ausdrücklich gefordert. Im Konzil von Trient heißt es: „Er gibt die Gnade denen, non ponentibus obicem, die kein Hindernis entgegensetzen. Non ponentibus obicem. Die subjektive Disposition des Empfängers ist also unerläßlich für die wirkliche Mitteilung der Gnade. Wer nicht will, der hat schon. Es ist eine Lehre der Kirche, dass die Sakramente wirken nach der Disposition des Empfängers, dass das Maß der empfangenen Gnade abhängt von der subjektiven Disposition.

Aber einmal abgesehen von diesem kleinen Exkurs: An himmlischen Segnungen reich verließen die Weisen das arme Haus, in dem sie Maria und Josef gefunden hatten. In einem Traum – und Gott bedient sich der Träume zur Mitteilung; Träume sind keine Schäume – in einem Traum erhielt die Weisen den Befehl, nicht mehr zu Herodes zurückzukehren. Darum zogen sie auf einem anderen Weg in ihre Heimat zurück. Die Weise hätten ja ebenso gut wie Petrus auf dem Berge Tabor sagen können: „Herr, hier ist gut sein, hier wollen wir bleiben, laß uns eine Hütte bauen.“ Nein, so sagten sie nicht. Es drängte sie, das erste Gotteshaus auf Erden wieder zu verlassen und die Apostel desjenigen zu werden, dessen Höflinge sie gewesen waren. Der weitere Lebensweg der Weisen ist uns nicht bekannt, aber wir dürfen vermuten, dass sie von ihrem Erlebnis nicht geschwiegen haben, dass sie davon berichtet haben und dass auf diese Weise die erste Kunde von dem neugeborenen König in den Orient gedrungen ist.

Welche Lehre ist das für so viele Seelen, die in Ruhe und Schweigen vor Gott verweilen möchten, die Gott aber zu apostolischer Arbeit ruft? Die Ehre und die Sache des Herrn muss vor den Neigungen zurücktreten: Nicht wie ich will, sondern wie du willst. Der Mensch, jeder Mensch ist versucht, sich die leichte, bequeme Tätigkeit herauszusuchen und die schwere, anstrengende, ungesehene Arbeit zu fliehen. Aber gerade das verwehrt uns das Beispiel der Weisen. Keine Flucht in eine Nische, kein Aufsuchen einer Idylle. Wenn es auf unsere Wahl ankommt, sollen wir die beschwerliche Arbeit, die Gottes Ehre mehr fördert, der leichten vorziehen. Das heißt missionarisch sein und sich nicht im Kreise frommer Seelen erquicken. Erobern und nicht sich von den guten Schäflein verwöhnen lassen. So viele unter uns lieben den Frieden mehr als das Kreuz. So viele suchen sich einen ruhigen Platz statt die Walstatt des Kampfes. Diese Haltung entspricht nicht dem Willen des Herrn. Er will, dass wir um seinetwillen harte Arbeit leisten und den Kampf nicht scheuen. Hier auf Erden ist weder der Ort noch die Zeit der Ruhe und des Genießens. Hier müssen wir wirken aus Liebe zu Gott. Er bereitet jenen, die für ihn gewirkt haben, einen unendlichen Lohn im Himmel.

Herodes wartete vergeblich auf die Rückkehr der Weisen. Sie waren längst wieder nach Osten unterwegs. So vereitelte Gott das Vorhaben der Bösen durch die Einfalt der Gerechten. Auch wir kommen niemals in das himmlische Vaterland zurück, wenn wir nicht einen anderen Weg einschlagen als den, auf dem wir es verlassen haben. Auf welchem Wege haben wir uns vom Himmel entfernt? Nun, auf dem Wege der falschen Freuden, auf dem Wege der ungeordneten Genüsse, die wir durch schlechten Gebrauch der Geschöpfe und unserer Freiheit uns geleistet haben. Wir müssen gerade den entgegengesetzten Weg einschlagen und uns zur Bekehrung und Selbstverleugnung gewöhnen. Bekehrung, das heißt Umkehr in religiöser und sittlicher Hinsicht, nicht immer vom schlimmsten Sündenzustand, aber von einem geringeren Zustand zu einem höheren. Wir alle haben die Bekehrung nötig. Ich habe einmal gelesen: „Das Geheimnis aller großen Prediger ist das Erlebnis ihrer immerwährenden eigenen Bekehrung.“ Das Geheimnis aller großen Prediger ist das Erlebnis ihrer immerwährenden eigenen Bekehrung. Bekehrung und Selbstverleugnung. Selbstverleugnung ist die Haltung, die dem natürlichen Streben entgegengesetzt ist. Der Herr hat sie verlangt: „Wer mir nachfolgen will, verleugne sich selbst.“ Selbstverleugnung bedeutet also Neinsagen zu eigenen Wünschen, zu eigenen Plänen, zu eigenen Neigungen. Selbstverleugnung besagt Entwöhnung vom Angenehmen, Übung des Harten. Selbstverleugnung verlangt Enttäuschungen, Geringschätzung, Mißachtung, die uns treffen, dankbar aus der Hand Gottes entgegennehmen.

Der täuscht sich, der noch an Vergnügungen, an eigenen Ehren und am eigenen Willen hängt. Das ist der Weg, auf dem wir zugrunde gehen. Das ist der Weg, der uns in den Irrtum führt. Das ist der breite Weg, der ins Verderben lenkt. Nein, unser Streben nach Bequemlichkeit, unsere Empfindlichkeit in bezug auf unsere Ehre, das Sich-Aufbäumen gegen jede Abhängigkeit, sind das nicht sichere Zeichen dafür, dass wir den neuen Weg noch nicht betreten haben? Erkennen wir unsere Verirrung! Bitten wir den Herrn: „Gib mir, o Gott, die Gnade, die gefährlichen Wege zu verlassen, die ich bisher gewandelt bin. Laß mich den geraden Weg betreten, der zum Himmel führt. Laß mich Bekehrung und Abtötung üben. Laß mich ein rechter Jünger der Weisen sein, die zum Jesuskind gekommen sind.“

Amen.

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