Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
28. Mai 2006

Die Bedeutung der Himmelfahrt für uns (Teil 2)

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Am vergangenen Donnerstag, dem Fest Christi Himmelfahrt, haben wir darüber nachgedacht, was es bedeutet, dass wir die Himmelfahrt Christi begehen. Wir haben erkannt: Es ist die Aufnahme, die endgültige und unwiderrufliche Aufnahme Christi in die Herrlichkeit des Vaters. Von da an ist er wahrhaftig und wirklich der Herr: Christos Kyrios, denn das ist die Formel, in die der Apostel Paulus das Herrentum, die Macht Jesu zusammenfasst. Christus ist der Herr. Weil er sich erniedrigt hatte, wurde ihm ein Name gegeben, der über alle Namen ist, auf dass sich im Namen Jesu ein jedes Knie beuge, auf der Erde, unter der Erde und überall. Wir haben dann erkannt, was das Herrentum Christi für uns bedeutet. Es besagt erstens ein Eigentumsverhältnis. Wir sind wahrhaftig Christus zu eigen gegeben. Wir tragen ja seinen Namen: Christiani, Christen. Und zweitens besagt es ein Befehlsverhältnis. Er kann bestimmen, wie wir sein sollen. Er nimmt uns bei der Hand, um uns zum Vater zu führen, und wir müssen so geartet sein, dass er uns wirklich dem Vater vorstellen kann. Deswegen dieses Befehlsverhältnis.

Aber damit ist die Bedeutung der Himmelfahrt Christi noch nicht erschöpft. Es ist noch ein Drittes zu sagen, nämlich: Wir stehen zu Christus auch in einem Dienstverhältnis. Der Herr nennt uns seine Freunde und seine Brüder, und dadurch wird die schönste Art des Herrentums verwirklicht, die es vielleicht gibt, nämlich das Dienstverhältnis. In dem Dienstverhältnis sind zwei Elemente beschlossen: Hörigkeit und Freiheit. Es bedeutet schon dem Wortlaut nach, dass die Untergebenen, die Gefährten und die Befehligten auch ihrem Führer etwas bieten, dass sie ihm einen Dienst leisten können. Das ist in der Tat die dritte Form des Verhältnisses, in dem wir Christusgläubigen und Christushörigen zu unserem Herrn stehen. Wir sind ihm dienstbar. Das heißt, wir können ihm etwas leisten, was für ihn wertvoll ist wie ein Dienst, wie eine Hilfe. Wir sind seine Streiter, die sein Reich über die Erde ausbreiten. Wir sind seine Evangelisten, die seine Frohbotschaft verkünden. Wir sind seine Werkzeuge, die seine Heilsmittel in Händen tragen. Christus ist auch in der Tat auf seine Jünger, auf seine Christen, auf seine Apostel, auf seine Priester, auf seine Jünger und Jüngerinnen, auf alle, die seinen Namen tragen, die ihn liebgewonnen haben, die von seiner Gnade und von seinem Geist ergriffen sind, angewiesen. Er ist angewiesen auf ihr Werk, auf ihr Beispiel, auf ihr persönliches und amtliches Wirken, auf ihren Heldenmut und ihren Opfermut, auf ihre Entsagungen und ihre Liebeswerke, auf ihren Glauben und ihre Erkenntnisse. Das Christentum, meine lieben Freunde, kommt nur so weit, wie die einzelnen Christen und die ganze Christenheit es tragen. Gott hat keine anderen Hände als die unseren, und er hat keine anderen Füße als die unseren. Er hat auch keinen anderen Mund als den unseren. Das ist das große und wunderbare Geheimnis, der große und wunderbare Sinn der Christophorus-Legende. Sie wissen, wie der Legende nach Christophorus das Christkind über den Strom getragen hat. Das besagt: Das Gotteskind kommt auf dieser Welt nur so weit, wie menschliche Träger es bringen. Nur durch unsere Schultern, nur auf unseren Schultern kommt er über die tiefen und weiten Wasser der Zeit und des Weltlaufs.

Sind wir uns bewusst, was dieses Dienstverhältnis für uns bedeutet? Einen Dienst leisten dürfen dem einzigen großen, ja göttlichen Menschen, den es je gab? Einen Dienst leisten dürfen für das, was das einzig wichtige und wesentliche Werk, das je auf Erden vollbracht wurde, nämlich die Erlösung der Menschen? Brauchbar und notwendig sein für den einzigen Dienst, der dem Schöpfer und Erlöser wirklich und wahrhaftig am Herzen liegt, brauchbar sein für alle Ewigkeit und bis in die Ewigkeit hinein für den Sieg des Lichtes und der Wahrheit, für die Beseligung und für die Erfüllung der Menschen, für die Vollendung der göttlichen Gedanken? Meine lieben Freunde, einen größeren Lebensinhalt gibt es nicht. Das ist doch immer die tiefste Sehnsucht eines jeden Menschen, dass er nicht unnütz sein möge, nicht überflüssig, sondern für irgendeinen geliebten Menschen, für ein geliebtes Wesen, für einen großen Zweck, für ein wertvolles Werk gebraucht zu werden und braucbar zu sein.

Wir Menschen, besonders wir modernen Menschen, erschrecken, wenn wir die Worte „Herr“ und „Herrentum“ hören. Und mit Recht. Es sind große, ja gefährliche Worte. Es ist ein gefährliches Ding, einem anderen Menschen als sein Eigentum überantwortet zu sein, seinem Befehl unterstellt zu sein, seinem Dienst verpflichtet zu sein. Es ist, als ob man das eigene Leben, die eigene Freiheit, die eigene Persönlichkeit damit aufgeben müsste. Ja, so gefährlich und gewaltig ist es, dass es in der Tat nur einmal verwirklicht werden kann, dass es nur einen Herren geben kann, den Herren schlechthin: Christos Kyrios. Nur darum kann er dieses Herrentum allein verwirklichen, weil er nicht nur unser Mitmensch, sondern auch unser Gott ist, weil in ihm nicht nur die Schranken und die Mauern des Menschlichen und des Geschöpflichen sind, an denen man zerschellen kann, sondern weil alles hineingestellt ist in die Weite Gottes. Man kann in diese Weiten hineinstürzen, ohne je auf eine Felswand zu treffen. Man kann in das Herrentum Gottes unbedenklich eingehen, weil es der Ausgang ist in die Unendlichkeit Gottes. Der Herr sagt ja selber: „Ich bin der Eingang und der Ausgang.“

So ist also dieses Eigentumsverhältnis, dieses Unterworfensein, dieses Dienstbarsein das einzige, das nicht nur keine Gefahr mit sich bringt, sondern sogar Erfüllung, Erfüllung und Brauchbarkeit mit Tat und Wirken, mit Lebendigkeit und Ewigkeit. Es ist buchstäblich wahr, dass dieses Dienen zu einem Herrschen und dieses Gehören zu einem Besitz wird. Dieses Folgen wird zu einem Finden. Indem Christus auffuhr zum Himmel und sich zur Rechten Gottes setzte, haben auch wir den Stufenweg betreten, der hinaufführt zu Gott, sind die Hände unseres Befreiers allmächtig geworden, die alle Fesseln von uns nehmen können. Indem er aufstieg zum ewigen Licht, sind auch wir auf die Lichtbahn gesetzt. Indem wir uns diesem Menschensohn weihen und schenken als unserem Herrn, werden auch wir dem Gottessohn zu Freunden und zu Helfern. Indem wir zum gehorsamen Gottesknecht sprechen: „Mein Herr bist du, mir geschehe nach deinem Willen“, finden wir an ihm den allmächtigen Herrn, der zu uns spricht: „Mein Kind bist du. Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt.“

Amen.

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