Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
5. Juni 2005

Die himmlischen Geister

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Im Glaubensbekenntnis bekennen wir uns zu Gott, dem Schöpfer Himmels und der Erde, der sichtbaren und der unsichtbaren Dinge. Nicht alles, was Gott geschaffen hat, ist unseren Augen offenbar. Es gibt Wirklichkeiten, die nicht mit den Augen des Leibes zu erkennen sind, weil sie Geister sind. Die Geister besitzen keinen Leib; sie sind leibfrei, und deswegen können sie mit den Augen des Leibes nicht geschaut werden. Gott hat ein Reich der Geister geschaffen, ein Reich der reinen Geister, die in ihrer Zahl unmessbar sind. Der Prophet Daniel hat einmal ein Gesicht gehabt, wo er den Thron Gottes schaute und seine dienstbaren Geister. Es waren Tausend mal Tausend und Zehntausend mal Zehntausend, d.h. unzählbar viele.

Die Geister sind Geschöpfe Gottes. Er hat sie am Anfang aus Nichts hervorgebracht. Aber wie sind sie beschaffen? Es sind die schönsten Werke Gottes; es sind die herrlichsten Ebenbilder Gottes. Die reinen Geister sind Wesen mit Verstand und Freiheit, aber ohne einen Leib. Und dennoch besitzen sie eine große Kraft. Sie haben nicht nur das Erkennen und das Wollen, sondern sie haben auch das Vermögen. Die Geister sind mächtig. Durch Gottes Ewigkeit sind sie unsterblich, durch Gottes Wahrheit sind sie frei von Irrtum. Man stellt auf Bildern die Geister oft als Männer oder als Jungfrauen dar. Das sind Bilder. Wenn man sie als Männer darstellt, dann will man sagen, dass sie große Kraft besitzen. Wenn man sie als Jungfrauen abbildet, dann soll damit ausgesagt werden, dass sie von wahrhaft engelhafter Reinheit sind.

Die Offenbarung zeigt uns die Macht und die Weisheit und die Kraft der Engel. Als Petrus im Gefängnis in Ketten lag, da kam ein Engel, und die Ketten fielen von ihm ab, und er führte ihn hinaus auf die Straße wider alle Erwartung des Volkes der Juden. Der Erzengel Raphael geleitete den jungen Tobias auf seinen Wegen. Er weist den Weg, er weiß, wie man eine Krankheit heilt, nämlich mit Fischgalle, und er findet den bösen Geist und bindet ihn fest. Das alles hat der Engel bei Tobias bewirkt. Ein einziger Würgengel tötete in der Nacht die Erstgeburt der Ägypter, und das Heer des Senzacharib wurde von Engeln geschlagen, so dass 180.000 Mann in einer Nacht fielen. Wahrhaftig, wir verstehen, wenn die Heilige Schrift die Engel als Fürsten, als Herrschaften, als Mächte bezeichnet, um eben damit ihre Kraft, ihre gewaltige, den Menschen überlegene Kraft anzudeuten.

Die Engel besaßen ein großes Wissen und freien Willen, und dennoch wurden sie einer Prüfung unterworfen. Die großen Theologen der Vorzeit haben sich Gedanken gemacht, was für eine Prüfung das gewesen sein mag, und da scheint mir die wahrscheinlichste Lösung die zu sein: Den Engeln wurde geoffenbart, dass nicht sie an der Spitze der Schöpfung stehen sollen, sondern ein Mensch, nämlich der Mensch Jesus von Nazareth. Und diese Prüfung haben die guten Engel bestanden. Sie haben sich unter Gottes Ratschluß gebeugt. Sie haben ihn angebetet und sich seiner Obrigkeit unterworfen. Aber die bösen Engel wollten es nicht wahrhaben, dass ein unter ihnen stehendes Geschöpf, ein Mensch, den Vorrang vor ihnen haben sollte, und darum haben sie sich aufgelehnt und sind von Gott abgefallen und sind so in den Abgrund der Hölle geschleudert worden.

Die guten Engel spielen in Gottes Plan eine große Rolle. Der Name „Engel“ ist nicht eine Bezeichnung des Wesens, sondern der Funktion. Wenn sie gesandt werden, dann heißen sie Engel, nämlich Boten. Vom Wesen her sind sie Geister. Wie oft sehen wir die Engel im Dienste Gottes! Als Abraham den Isaak opfern sollte, da fiel ihm ein Engel in den Arm und hielt ihn davon ab, das Opfer zu vollziehen. Als Loth aus der Stadt Sodoma gerettet werden sollte, da waren es Engel, die ihn aus der Stadt herausführten. Ein Engel geleitete Tobias in das fremde Land und führte ihn zurück. Ein Engel stieg zu den Jünglingen im Feuerofen und bewahrte sie. Und noch viel lieblicher sind die Engelerscheinungen im Neuen Testament. Ein Engel, der Erzengel Gabriel, brachte Maria die Botschaft. Engel haben auf den Fluren von Bethlehem das Halleluja, das Gloria gesungen. Ein Engel war es, der den Heiland am Ölberg tröstete, und nachdem er die Versuchung bestanden hatte, da traten Engel zu ihm und dienten ihm. Ein Engel wälzt den Stein am Auferstehungsmorgen vom Grab hinweg und gibt den Frauen die erste Kunde vom Sieg des Herrn über den Tod.

Wahrhaftig, die Engel sind ständig um den Herrn, und sie sind auch ständig in der Kirche. Ein jeder Mensch hat seinen Schutzengel, ein jeder Mensch. Das müssen natürlich sehr viele Engel sein, aber ich habe überhaupt kein Problem an Milliarden und Abermilliarden von Engeln zu glauben. Wenn es viele Milliarden von Sonnen gibt, von Sternen, warum soll es nicht auch viele Milliarden von Geistern geben, die Gott geschaffen hat? Das eine ist so schwer und so leicht wie das andere. Und so ist auch die Kirche immer von Engeln umgeben. Wenn wir das Messopfer feiern, da umstehen Engel unseren Altar, und sie tragen das Opfer hinauf zu unserem Vater im Himmel.

Die Engel sind unsere guten Begleiter. Man hat kindliche Bilder geschaffen, um ihre Hilfe zu veranschaulichen. Für das Wirken des Schutzengels sieht man zum Beispiel, wie ein Kind an einem Abgrund nach einem Schmetterling hascht. Aber der Engel steht neben ihm und bewahrt es vor dem Sturz in den Abgrund. Wie oft haben wir einem schillernden Schmetterling nachgejagt, nämlich irgendeiner Versuchung, und der Engel hat uns davor bewahrt, dass wir dem Satan verfielen! Oder man sieht auch ein anderes Bild. Zum Beispiel ein Kind geht über eine Brücke, doch die Brücke ist morsch, das Geländer fehlt und gewisse Balken sind zerfallen. Aber der Engel geleitet das Kind über die tobenden Wasser. Es ist wirklich so, dass Gottes Engel sich um uns kümmern, dass sie sich unserer annehmen, dass sie für uns beten, dass sie uns zum Guten mahnen und uns in den Himmel führen wollen.

In den fünf Jahren, die ich in der DDR, in der sowjetischen Besatzungszone tätig war, lernte ich einen Priester kennen, der jedes Jahr zu Weihnachten in das Uran-Bergbaugebiet fuhr, ein Sperrgebiet, in das niemand hinein durfte, der nicht einen besonderen Ausweis hatte, und mein Freund hatte natürlich keinen Ausweis. Ich fragte ihn einmal: „Wie kommst denn du da hinein?“ „Ja“, sagte er, „ich reise mit den heiligen Engeln.“ Das war eine theologische Antwort auf eine profane Frage. „Ich reise mit den heiligen Engeln.“ Er kam immer hinein und ungestört und unbehelligt zurück.

Aber es gibt nicht nur gute Geister; es gibt auch böse Geister. Auch sie wurden am Anfang gut geschaffen, aber sie sind durch eigene Schuld böse geworden und sind nun Urheber des Bösen. „Der Stolz“, sagt Augustinus, „der Stolz hat Satan aus dem Himmel in den tiefsten Höllengrund gestürzt.“ Man kann fragen: Warum gibt es denn keine Bekehrung für die Engel? Kann sich der Satan nicht auch bekehren? Eine schwierige Frage. Wiederum hat der heilige Augustinus die Antwort gegeben: „Je höher ein vernunftbegabtes Geschöpf steht, um so tiefer ist sein Fall. Je unglaublicher sein Vergehen, desto größer das Strafmaß.“ Also gerade wegen seiner überragenden Intelligenz und seines Menschenkraft übersteigenden Willens, gerade deswegen ist der Engelsturz unwiderruflich. Die gefallenen Engel sind selbstverständlich Geister geblieben. Sie haben ihre Intelligenz, ihren Willen und ihre Kraft behalten. Deswegen sind sie so gefährlich. Es gibt immer wieder Menschen, die sich über das Dasein des Teufels hinwegtäuschen möchten. Aber die Schrift ist eindeutig. Man muss die Schrift vergewaltigen, wenn man die Existenz des Teufels bestreiten will, wie das einmal ein Theologieprofessor mir gegenüber tat: „Das Böse lässt sich auch anders erklären.“ Ja, aber das Böse wird uns doch bezeugt in der Heiligen Schrift als vom Teufel hervorgerufen. Da kann man es nicht anders erklären. Der Teufel versuchte den Heiland dreimal in der Wüste. Der Herr erzählt, wie er das Unkraut in den Weizen sät. In der Abschiedsstunde sagte er: „Der Satan hat verlangt, euch, meine Jünger, zu sieben, wie man den Weizen siebt.“ Er hat dem Judas ins Herz gegeben, den Heiland zu verraten, und er ist in den unseligen Jünger gefahren. Er ist es auch, der die Besessenen in das Wasser oder ins Feuer stürzt. Er kämpft noch immer als die Kraft der Finsternis gegen das Licht.

Es wird immer wieder versucht, den Satan zu verharmlosen oder zu verleugnen. Ich bin eigentlich immer betrübt, wenn ich sehe, wie viele junge Menschen in der Fastnachtszeit als Teufel verkleidet zur Fastnacht gehen. Mit dem Teufel darf man nicht scherzen, meine lieben Freunde, der Teufel ist eine todernste Sache. In der Kathedrale von Halberstadt, die ich einmal besucht habe, sieht man ein Bild, wie der Tod Adam und Eva an der Kette führt, und der Satan spielt die Fiedel dazu. So ist die Wirklichkeit des Satans. Vor einiger Zeit bestieg einmal ein Priester einen Eisenbahnzug. Kaum hatte er Platz genommen, da begann ein Reisender ihm gegenüber mit Augenzwinkern zu den anderen Fahrgästen ein Gespräch: „Herr Pfarrer, wissen Sie schon das Neueste?“ „Nein, ich bin heute morgen früh von zuhause weggegangen und habe die Zeitung nicht gelesen.“ „Sie wissen es also nicht. Alles redet davon.“ „Nein, ich weiß es nicht.“ „Nun, dann will ich es Ihnen sagen: Heute Nacht ist der Teufel gestorben!“ Da griff der Priester in seine Tasche, nahm eine Mark heraus und gab sie dem Reisenden. „Hier haben Sie! Sehen Sie, ich habe immer Mitleid mit Waisenkindern!“

Der Satan ist eine Wirklichkeit, er ist der große Neinsager gegen Gott und alles Göttliche. Aber trotz seiner Kraft und seiner Macht bleibt der Teufel ein Geschöpf. Er kann niemanden zwingen, er kann den Menschen nur versuchen, und er setzt, meine lieben Freunde, immer an dem schwachen Punkt an, den jeder Mensch hat. Beim einen ist es die Trägheit, beim anderen die Sinnlichkeit, wieder bei anderen der Stolz. Der Satan kennt sich aus, er ist ein guter Psychologe, und da weiß er den schwachen Punkt beim Menschen auszumachen und ihn zu verführen. Aber ich sage noch einmal: zwingen kann er uns nicht. Der heilige Augustinus sagt: „Der Teufel ist, seitdem Christus ihm die Waffenrüstung abgenommen hat, wie ein Hund, der an der Kette liegt.“ Der Hund, der an der Kette liegt, kann niemanden beißen, der sich nicht in seine Nähe begibt. Nur wer sich vor ihn hinstellt und sich von ihm reißen lässt, den kann er anfallen.

Wir haben auch eine starke Schutzwehr gegen den Satan. Christus ist ja nach dem Wort des heiligen Johannes gekommen, die Bollwerke des Teufels zu zerstören. Er ist der Mächtigere, der über den Teufel Herr geworden ist. Mächtiger ist der, der in uns ist, als der, der gegen uns ist. Und wir haben Maria, die Schlangentreterin, die Siegerin in allen Schlachten Gottes, die uns zur Seite steht. Wir haben die heiligen Engel, die uns nicht verlassen. Wir sind also nicht wehrlos und nicht machtlos im Kampfe gegen den Satan. Er ist es auch, der die Christen verfolgt, der die Kirche verfolgt. Die Feinde Jesu haben ihn ans Kreuz gebracht. Aber damit mussten sie in gewisser Hinsicht dem Plane Gottes dienen, denn am Kreuze wurde die Welt erlöst. Und so ist es auch heute noch. Die Feinde des Glaubens, die bösen Engel, suchen die Menschen, die gläubig sind, zu verunglimpfen, sie suchen sie ins Gefängnis zu werfen, sie suchen ihnen zu schaden, sie tun ihnen Grausames an. Aber dadurch schaffen sie die Martyrer, die Helden und Heiligen der Kirche. So ist also tatsächlich der Satan eine Kraft, die zwar das Böse will, aber nach Gottes Willen auch wieder das Gute schafft.

Wir haben eben in der heiligen Messe in der Lesung das Wort des Apostels Petrus gehört: „Brüder, seid nüchtern und wachsam, denn der Satan geht umher wie ein brüllender Löwe.“ Nicht immer wie ein brüllender Löwe, häufig auch wie eine schleichende Schlange. Aber wir können ihm wehren, wir können ihn überwinden, wenn wir wachsam sind im Glauben. Widerstehet ihm standhaft im Glauben fest!

Amen.

      

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