Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
25. Februar 2001

Die Wirkkraft der Sakramente

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Sakramente sind Zeichen, welche die Gnade anzeigen und bewirken. Sie sind wirksame Zeichen, und zwar wirken sie die Gnade kraft ihres Vollzuges. Das ist ein Dogma, welches das Konzil von Trient gegen die Glaubensneuerer des 16. Jahrhunderts aufgestellt hat. Die Sakramente wirken die Gnade kraft ihres Vollzuges. Das lateinische Wort heißt ex opere oprato – aufgrund des vollzogenen Werkes. Das Konzil von Trient drückt diese Wahrheit wie folgt aus: „Wer sagt, durch die Sakramente des Neuen Bundes werde die Gnade nicht kraft des vollzogenen Ritus mitgeteilt, sondern zur Erlangung der Gnade reiche der bloße Glaube an die göttliche Verheißung hin, der sei ausgeschlossen.“ Es ist klar, gegen wen sich diese Definition richtet: gegen die Glaubensneuerer des 16. Jahrhunderts, die sagten, zur Erlangung der Gnade reiche der bloße Glaube hin. Wenn das nämlich so wäre, daß allein der Glaube die Rechtfertigung herbeiführen könnte, dann wären die Sakramente überflüssig, dann könnte man ihrer entbehren. Gegen diese Verdünnung des christlichen Glaubens, gegen diese Verkehrung der katholischen Wahrheit hat das Konzil seinen Grundsatz formuliert, den man positiv so aussprechen müßte: Die Sakramente wirken die Gnade kraft ihres Vollzuges. In diesem Zusammenhang hat das Konzil noch andere, benachbarte Irrtümer abgewiesen. „Wer sagt, die Sakramente seien allein dazu eingesetzt, den Glauben zu nähren, der sei ausgeschlossen.“ Den Glauben muß man mitbringen, um Sakramente zu empfangen, aber die Sakramente sind nicht allein dazu eingesetzt, um den Glauben zu nähren.

Ebenso erklärt das Konzil von Trient: „Wer sagt, die Gnade werde durch die Sakramente, soweit es auf Gott ankommt, nicht immer und allen gegeben, auch wenn man sie richtig empfängt, sondern nur manchmal und einigen, der sei ausgeschlossen.“ Die Sakramente sind immer wirksam, wenn sie richtig gesetzt werden. Sie treffen keine Auswahl zwischen den Empfängern. So schlimm ist das, daß der heilige Thomas von Aquin sagt: „Gute kommen, Böse kommen, und sie empfangen alle dasselbe, aber mit ungleichem Ergebnis.“

Die Sakramente wirken die Gnade, die sie bezeichnen. Die Wirksamkeit der Sakramente ist eine objektive. Die Kirchenväter begründen die objektive Wirksamkeit der Sakramente vor allem mit dem Hinweis auf die Kindertaufe. Die Säuglinge, die getauft werden, können ja keinen Glauben mitbringen. Der Geist ist noch nicht genügend ausgebildet, um den Glauben zu fassen. Aber sie werden getauft, und sie werden gültig getauft, und das Sakrament ist in ihnen wirksam. Es ist wirksam, weil die Kraft Gottes in ihm lebendig ist. Freilich darf man sich das nicht so vorstellen, als ob die Sakramente Zaubermittel wären, als ob in ihnen Magie betrieben würde. Die Sakramente haben ihre Kraft nicht in sich selbst, nicht aus sich selbst, nicht durch sich selbst, sie haben ihre Kraft durch Christus. Was in ihnen wirksam ist, ist die Macht Gottes, das sind weder die Elemente allein noch die Worte allein, sondern durch die Worte und durch die Elemente wirkt Gott das Heil. Deswegen sagt der heilige Augustinus: „Petrus mag taufen, es ist Christus, der tauft. Judas mag taufen, es ist Christus, der tauft.“ Der verborgene Spender ist Christus, der sich eines menschlichen Werkzeuges bedient. Christus leistet nicht den äußeren Vollzug, Christus schenkt die verborgene Kraft. Das ist also das Geheimnis der Sakramente, daß Christus sie sich als Werkzeuge aneignet, durch die er sein Heil wirkt. Entsprechend der menschlichen Natur, die mit Seele und Leib begabt ist, wirkt Gott durch sichtbare Zeichen unsichtbare Gnaden.

Diese Wahrheit, daß Christus der Hauptspender der Sakramente ist, ist außerordentlich tröstlich, meine lieben Freunde. Denn durch diese Wahrheit wird die Sakramentenspendung der Unzulänglichkeit des Spenders enthoben. Wenn es auf die Frömmigkeit, auf die Glut, auf den Eifer des Spenders ankäme, dann würde ja das Sakrament bei dem einen Spender reichere Gnaden hervorbringen als bei dem anderen. Nein, so ist es nicht. Wenn der Spender nur den Willen hat, als Werkzeug Christi zu dienen, dann erhält jeder durch das Sakrament die gleichen Gnaden. Die objektive Wirksamkeit der Sakramente schützt uns vor der Unzulänglichkeit des menschlichen Spenders. Sie macht uns gleichsam unabhängig von der Gesinnung, vom größeren oder schwächeren Glauben des Spenders.

Dir Formel vom opus operatum, also von dem wirksamen Vollzug der Sakramente, von der Wirksamkeit durch den Vollzug der Sakramente, steht natürlich nicht in der Heiligen Schrift, ganz abgesehen davon, daß sie griechisch geschrieben ist. Nein, aber die Sache ist in der Heiligen Schrift bezeugt, nämlich daß, wenn das Zeichen gesetzt wird, die Gnade geschenkt wird. Ich erwähne drei Stellen aus der Heiligen Schrift. Im Johannesevangelium heißt es: „Wenn jemand nicht wiedergeboren wird aus dem Wasser und dem Geiste, so kann er nicht in das Reich Gottes eingehen.“ Das heißt also umgekehrt: Wer wiedergeboren wird aus dem Wasser und dem Geiste, der geht in das Reich Gottes ein. Die Wirkung folgt der Setzung des Zeichens auf dem Fuße. In der Apostelgeschichte heißt es: „Petrus sprach zu der Menge: Bekehret euch, und ein jeder von euch lasse sich taufen im Namen Jesu zur Vergebung der Sünden.“ Wenn das Taufwasser über den Täufling fließt und die Worte des Heiles, die Glaubensworte, über ihn gesprochen werden, dann ist die Vergebung der Sünden gesichert. Und noch eine letzte Stelle aus dem Epheserbriefe, wo es heißt: „Christus hat sich für die Kirche hingegeben, um sie zu heiligen, indem er sie reinigte im Wasserbade durch das Wort des Lebens.“ Die Reinigung erfolgt im Wasserbade durch das Wort des Lebens. Das Element und das Wort zusammen bilden das äußere Zeichen, und wenn dieses Zeichen gesetzt wird, dann geschieht die Heiligung des Menschen.

Freilich darf man nicht so tun, als sei der Glaube für die Sakramentenspendung überflüssig. Das ist er gewiß nicht, sondern Glaube und Sakrament müssen normalerweise zusammenkommen, damit das Heil dem Menschen zugewendet wird. Die Sakramente sind ja Glaubenszeichen, d. h. es muß zum Element das Glaubenswort hinzutreten, damit das Sakrament entsteht. In den Sakramenten drückt sich der Glaube der Kirche aus. Die Sakramente sind Verleiblichung des Glaubens der Kirche. Wie soll man anders diesen Glaubenszeichen begegnen. als indem man selbst gläubig ist? Es muß sich also in dem Empfänger der Glaube ebenfalls verleiblichen; er muß mit Glauben zum Empfang hinzutreten. Es bleiben alle Worte, die Jesus über die Notwendigkeit des Glaubens, der Bekehrung und der Umkehr gesagt hat, in Geltung, nur sind sie eben jetzt bezogen auf das Sakrament. Wer immer sich dem Sakrament naht, muß in echter Zerknirschung, mit reuigem Herzen und mit demütigem Geiste, mit wahrem Glauben und mit echter Hingabe sich nahen, denn die Sakramente sind keine sachhaften Vorgänge, sie sind personales Geschehen. Wir begegnen in ihnen dem Christus, der in ihnen wirksam ist, ja in ihnen enthalten ist.

Die Lehre des Konzils von Trient ist auch in dieser Hinsicht völlig eindeutig. „Wer sagt, die Sakramente des Neuen Bundes enthielten nicht die Gnade, die sie bezeichnen, oder sie teilten nicht selber die Gnade denen mit, die kein Hindernis entgegensetzen, als ob sie nur äußere Zeichen der durch den Glauben erlangten Gnade oder Gerechtigkeit seien und gewisse Kennzeichen des christlichen Bekenntnisses, nach denen sich vor den Menschen Gläubige und Ungläubige unterscheiden, der sei ausgeschlossen.“ Diese Definition des Konzils von Trient ist außerordentlich inhaltsreich, und sie trifft alle die Aufstellungen, die im 16. Jahrhundert von den Glaubensneuerern vorgebracht wurden. Positiv muß man sagen: Die Sakramente des Neuen Testamentes enthalten die Gnade, die sie bezeichnen. Denn derjenige, der das Gegenteil sagt, wird ausgeschlossen. Die Sakramente des Neuen Bundes enthalten die Gnade, die sie bezeichnen. Der zweite Satz lautet: Sie teilen die Gnade denen mit, die kein Hindernis entgegensetzen. Man kann also als Mensch der Gnade ein Hindernis entgegensetzen, wenn man zum Beispiel im Bußsakrament wissentlich und absichtlich eine schwere Sünde verschweigt. Das ist ein Hindernis, daß das Bußsakrament seine Wirkung entfaltet. Er bekommt die Gnade nicht. Aber diejenigen, die kein Hindernis entgegensetzen, empfangen die Gnade. Und dann wird die Meinung abgewiesen, als ob die Sakramente nur äußere Zeichen der schon durch den Glauben erlangten Gnade seien, als ob also die Gnade dem Sakrament vorausginge und das Sakrament nur dann den Gnadenbesitz anzeige. Und noch weniger ist die Meinung richtig, daß die Sakramente nur Kennzeichen des christlichen Bekenntnisses sind, daß man also gewissermaßen Unterscheidungszeichen eingesetzt hat, die den Gläubigen vom Ungläubigen, den Christen vom Nichtchristen unterscheiden sollen. Nein, so ist es nicht, sondern die Sakramente enthalten die Gnade – das ist der entscheidende Satz – sie enthalten die Gnade, die sie bezeichnen.

Die Theologie hat sich bemüht, verständlich zu machen, wie die Gnade im Sakrament enthalten sein kann. Es sind drei Theorien aufgestellt worden, die Theorie von der physischen Wirksamkeit der Sakramente, von der moralischen Wirksamkeit der Sakramente und von der intentionalen Wirksamkeit der Sakramente. Ich will die beiden letzteren beiseite lassen, weil sie mir weniger geeignet zu sein scheinen, die Wirklichkeit des Sakramentes zu bezeichnen. Die Lehre von der physischen Wirksamkeit der Sakramente stammt vom heiligen Thomas von Aquin, und sie besagt, kurz ausgedrückt, folgendes: Gott wirkt in den Sakramenten eine Kraft, und durch diese Kraft wirken die Sakramente die Gnade. Der heilige Thomas geht, um diese Aussage verständlich zu machen, vom eucharistischen Opfersakrament aus. Hier ist unter den Gestalten von Brot und Wein Christus lebendig und wirklich enthalten. Ähnlich-unähnlich ist es auch bei den anderen Sakramenten. Auch in den Worten der Absolution, auch im Wasser der Taufe ist eine Kraft Christi enthalten. Sie sind also nicht nur ein Anlaß, damit Gott Gnaden schenkt, sondern sie sind tatsächlich wirksame Zeichen der Gnade. Eine Kraft fließt durch die Zeichen hindurch und schenkt dadurch dem Menschen das Heil. Die Sakramente sind Werkzeuge in der Hand Christi. Das Heil geht von Gott, dem Vater, aus, es trifft Jesus, den Sohn Gottes, und zwar seine menschliche Natur, und von der menschlichen Natur Jesu geht es über in die Sakramente. Gott ist und bleibt der Herr der Gnade. Es ist nicht so, meine lieben Freunde, als ob der Sakramentenspender der Herr der Gnade wäre; er ist der Diener. Der Herr der Gnade ist Gott, ist Christus, ist der Heilige Geist. Er übt seine Gnadenherrschaft durch die Sakramente aus.

Wenn wir die Sakramente würdig empfangen, wirken sie das, was sie bezeichnen. Wir müssen eine Disposition mitbringen, so spricht das Konzil von Trient, eine Disposition, d. h. eine innere Empfänglichkeit. Und es hat den wichtigen Satz ausgesprochen: „Die Wirkung der Sakramente bemißt sich nach der Empfänglichkeit des Empfängers.“ Auf uns kommt es an, wie weit die Sakramente in uns wirksam sind. Wir haben es in der Hand, ihre Wirksamkeit zu behindern oder ihrer Wirksamkeit freien Lauf zu lassen. Die Sakramente wirken nach Maßgabe der Empfänglichkeit des Empfängers.

Hier sehen wir also die ungeheure Verantwortung, die uns obliegt. „Reihenweise“, sagte mir einmal ein Mitbruder, „reihenweise treten sie an die Kommunionbank, und welches sind die Wirkungen?“ Ich bin nicht so skeptisch wie er. Ich habe immer meine Christen, meine Gottesdienstbesucher, meine Beichtkinder in Schutz genommen. Ich kenne ihre Seele, und ich glaube an ihren guten Willen. Aber noch einmal: Wir müssen mit Ernst und mit Eifer dafür besorgt sein, daß wir würdig werden der Gnaden, die Gott für uns bereit hält.

Amen.

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