Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
22. August 1999

Gott, der Schöpfer Himmels und der Erde

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Gott ist der Schöpfer aller Dinge. Er hat nicht nur den Urstoff aus dem Nichts hervorgebracht, sondern ihn auch gestaltet und ihm die Gesetze der Entwicklung eingegeben. Die Lehre von der Schöpfung der Welt durch Gott hat beträchtliche Auswirkungen für unser Leben. Wir wollen am heutigen Sonntag bedenken, was es für unser Dasein und unser Wirken bedeutet, wenn wir bekennen: „Ich glaube an Gott, den Allherrscher, den Schöpfer Himmels und der Erde.“

An erster Stelle garantiert die Schöpfung durch Gott die Sinnhaftigkeit, die Werthaftigkeit, die Wesenhaftigkeit der Schöpfung. Sie verbürgt ebenso die Daseinskraft, die Existenzmacht alles Geschaffenen. Gott hat alles ins Dasein gerufen und haßt nichts von dem, was er geschaffen hat. Er bewahrt es im Dasein, denn er hat Gefallen daran. Er sprach über das Geschaffene das Wort, daß es ihm gefalle. Wer die Welt in sich selbst gegründet sein läßt, wer der Meinung ist, man könne nicht über das Sichtbare hinaus fragen, der verkleinert die Schöpfung um ihren Schöpfer, der vermindert die Welt um den, der sie hervorgebracht hat. Wer die Welt in sich selbst bestehen läßt, verfehlt sich gegen das innerste Baugesetz der Welt.

Weil Gott die Welt aus nichts geschaffen hat, haftet der Welt freilich auch dieser Ursprung an. Sie ist nämlich qualitativ und quantitativ endlich; sie ist begrenzt, sie ist gebrechlich und schwach. So ausgedehnt die Welt sein mag, sie ist niemals zu vergleichen mit der Unendlichkeit Gottes. Die Welt ist unfaßlich groß, und wir können uns vor Augen führen, wie gewaltig die Maße sind, die der Weltenraum beschreibt. Die Sonne hat einen Durchmesser von 1,39 Millionen Kilometer. Die Fixsterne sind sonnenähnliche Körper, aus den gleichen chemischen Elementen zusammengesetzt wie die Sonne. Der nächste Fixstern, Alpha Centauri, ist von uns 40 Billionen Kilometer entfernt. Das sind 4 Lichtjahre, wenn man als Lichtjahr die Strecke bezeichnet, die das Licht in 1 Jahr bei einer Geschwindigkeit von 300.000 Kilometer in der Sekunde zurücklegt. Die Fülle der sichtbaren Sterne gehört zur Milchstraße, wie wir dieses Sternensystem nennen. Sie legt sich ja wie ein schmales Band um die Erde. Der größte Durchmesser der Milchstraße ist etwa 40.000 Lichtjahre. Die Milchstraße enthält ungefähr 50 Milliarden leuchtender Sterne und eine an Gewicht ebenso große Masse nichtleuchtender Sterne, die zumeist aus Staub oder Gas im Raume verteilt sind. Kleine neblige Objekte, die wir am Himmel sehen, die Spiralnebel, sind Sternanhäufungen, die mit dem Milchstraßensystem verglichen werden können. Der berühmteste Spiralnebel ist der Andromeda-Nebel; er ist von uns etwa 700.000 Lichtjahre entfernt. Der fernste den heutigen Fernrohren erreichbare Stern ist etwa 500 Millionen Lichtjahre entfernt. Wenn wir uns diese unfaßlich großen Zahlen vor Augen führen, dann bekommen wir eine Ahnung von der Unendlichkeit Gottes. Für ihn sind diese Massen und diese Räume nichts anderes als ein Tropfen am Eimer.

Wenn Gott der Schöpfer der Welt ist, dann ist er auch ihr Herr. Das heißt: Er durchherrscht alles, was geschaffen ist. Er prägt es bis ins Innerste hinein. Auf allem Geschaffenen liegt etwas vom Glanze Gottes. Wie man einem Kinde ansehen kann, von welchen Eltern es stammt, so kann man allem Geschaffenen ansehen, daß es von Gott stammt. Das gilt für das unbelebte wie für das belebte Geschaffene. Es gilt für die Tiere wie für die Menschen. Man kann ihnen ansehen, daß sie von Gott kommen. Deswegen kann man auch aus dem Geschaffenen einen Beweis für Gott führen. Man kann vom Geschaffenen ausgehen und zum ungeschaffenen Schöpfer aufsteigen, wie es Paulus auf dem Areopag in Athen seinen Zuhörern verkündet hat. Er sei umhergezogen, sagte er, in der Stadt und habe da die Heiligtümer betrachtet in großer Zahl und einen Altar gefunden, auf dem stand: „Dem unbekannten Gott“. „Nun, was ihr verehrt, ohne es zu kennen, das verkünde ich euch: Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was in ihr ist, er, der Herr des Himmels und der Erde.“ Die Menschen sollten Gott suchen, ob sie ihn herausfühlen und finden möchten, da er ja nicht ferne ist einem jeden von uns. „Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir.“ Weil der Mensch Gott verwandt ist, kann er das Gottverwandte an den Dingen herausspüren, und er kann durch die Stufen der Gottverwandtschaft zu dem Schöpfer aufsteigen. Wenn Gott der Herr ist, dann gebührt seinen Geschöpfen der Gehorsam. Die untermenschlichen Geschöpfe leisten ihn, indem sie den Naturgesetzen folgen, denn normalerweise übt eben Gott seine Herrschaft aus in den Naturgesetzen und durch den Lauf der Naturgesetze. Dem Menschen aber ist es aufgegeben, den Gehorsam in freier Entscheidung, in Verantwortung und mit Willensentschluß zu leisten. Da sehen wir, wie abgründig falsch die Verweigerung des Gehorsams ist. Wenn der Mensch den Gehorsam gegen seinen Schöpfer verweigert, also sündigt, dann verfehlt er sich gegen seine Herkunft, dann widerspricht er seinem Sein, dann zerstört er sein Wesen, zunächst den Geist und über den Geist auch den Leib.

Die Herkunft von Gott prägt den Menschen zuinnerst. Es gibt eine Seinsneigung zu Gott. Der Mensch und alle Geschöpfe sind zu Gott hingeneigt. Dem Menschen ist es aufgegeben, diese Seinsneigung in sein Bewußtsein aufzunehmen. Er soll das, was er ist, auch in seinem Leben verwirklichen. Er soll sich auf den Weg machen zu Gott; er soll ihn suchen und ihn finden und in ihm selig sein. Wenn der Mensch diese Seinsneigung übersieht, wenn er in Widerwillen gegen diese Seinsneigung handelt, dann wird er heimatlos und irrt auf der Erde umher, wie es einmal ein Philosoph beschrieben hat, nämlich Friedrich Nietzsche. Er hat über die Heimatlosigkeit des gottlosen und des gottwidrigen Menschen geschrieben:

„Die Krähen schrei’n und fliegen schwirren Flugs zur Stadt.

Bald wird es schnei’n. Wohl dem, der jetzt noch eine Heimat hat.

Nun stehst du starr, schaust rückwärts, ach, wie lange schon.

Was bist du, Narr, vor Winters in die Welt entfloh‘n?

Die Welt, ein Tor zu tausend Wüsten, stumm und kalt:

Wer das verlor, was du verlorst, macht nirgends halt.

Nun stehst du bleich, zur Winterwanderschaft verflucht,

dem Rauche gleich, der stets nach kälter’n Himmeln sucht.

Flieg, Vogel, schnarr‘ dein Lied im Wüstenvogelton,

versteck, du Narr, dein blutend‘ Herz in Eis und Hohn!

Die Krähen schrei’n und fliegen schwirren Flugs zur Stadt.

Bald wird es schnei’n. Weh dem, der keine Heimat hat!“

Der gläubige Mensch weiß sich in Gott geborgen. Ihm ist gewiß, daß Gott das Ja, das er zur Schöpfung gesprochen hat, nie mehr zurücknimmt. Er wird die Schöpfung verwandeln, aber er wird sie nicht zerstören. Und so ist ihm in aller Alltagshast, in aller Unermeßlichkeit des Raumes, in aller Unsicherheit der Zukunft ein fester Halt gegeben. Der Gläubige hat einen festen Haltepunkt an dem Schöpfergott. Wenn er seine Seinsneigung aufnimmt und sich zu Gott hinwendet, dann wendet er sich zu dem, in dem er Geborgenheit finden kann.

Die Schöpfung der Welt durch Gott lehrt uns auch, wie wir mit der Welt umgehen sollen. Zunächst einmal sollen wir sie erkennen, und wir wissen, daß sie erkennbar ist, daß sie einen Sinn hat, weil sie eben von dem herkommt, welcher der Sinn über allen Sinnen ist, weil sie von dem allmächtigen Verstand Gottes herkommt. Die Welt ist sinnhaftig. Sie ist nicht ein sinnloses Gebilde, wie es der Nihilismus will, nein, die Welt hat einen Sinn. Und die Schöpfung lehrt uns an diesen Sinn glauben. Sie lehrt uns auch an das Gutsein der Welt glauben. „Die Welt ist gut, wie sie aus den Händen des Schöpfers hervorging“, hat selbst Jean Jaques Rousseau einmal geschrieben. Das Verderben der Welt kommt nicht von Gott, es kommt von den Menschen. Durch die Geschöpflichkeit ist natürlich die Welt endlich und begrenzt und auch seinsschwach, aber erst durch die Sünde ist sie der Nichtigkeit überantwortet. Die Herkunft der Welt von Gott lehrt uns, an die Alleinheit zu glauben. Alle vorbildlichen Ideen von Geschöpfen sind ja in Gott eine Einheit, und so bildet auch die Welt eine Beziehungseinheit. Wir sind in diese Beziehungseinheit hineingehalten. Wir stehen in Verbindung mit allen Geschöpfen.

Die rechte Antwort auf diese Beziehungseinheit nennen wir Liebe. Die Liebe ist die angemessene Haltung gegenüber der Schöpfung der Welt durch Gott. Wir müssen die Menschen und die Dinge lieben, so wie sie aus Gottes Ideen hervorgingen, ohne sie selbstsüchtig und begehrend zu mißbrauchen. Die Liebe muß gepaart sein mit der Ehrfurcht. Ehrfurcht ist scheue Liebe und liebende Scheu. In der Ehrfurcht ist die Liebe durchwirkt von der Scheu und die Scheu wirksam in der Liebe. Jeder Mensch hat ein tiefes Geheimnis, eben weil er von Gott herkommt, und jeder Mensch muß deswegen auch von anderen ehrfürchtig betrachtet und behandelt werden. Das gilt für jede Freundschaft, für jede Ehe, für jedes menschliche Verhältnis. Ehrfurcht geziemt uns wegen der Gottverwandtheit, wegen des Gottesgeheimnisses in einem jeden Menschen. Wenn die Welt von Gott herkommt und uns als Geschenk Gottes gleichsam übertragen ist, dann müssen wir uns weiter verantwortlich wissen für die Welt. Wir dürfen sie nicht mißbrauchen, wir dürfen sie auch nicht vergötzen. Wir müssen fern sein von Weltseligkeit und von Weltverachtung. Weltseligkeit deswegen nicht, weil die Welt begrenzt und endlich ist; Weltverachtung darum nicht, weil sie das Geschöpf Gottes ist. Der Christ hat gleichsam eine nüchterne Trunkenheit und eine trunkene Nüchternheit, wenn er der Welt begegnet. Er weiß darum, daß sie das Geschöpf Gottes und darum gut und sinnhaft ist. Er weiß aber auch, daß sie nicht das Letzte ist, daß sie noch auf dem Wege ist, auf dem Wege zum neuen Himmel und zur neuen Erde.

Wir dürfen mit tiefer Beglückung, meine lieben Freunde, daran denken, daß Gott uns offenbart hat: Er ist der Schöpfer der Welt. Was sind die Menschen arm, die nicht wissen und nicht wissen wollen, sich dagegen wehren, daß die Welt nicht das Letzte ist! Weil sie das nicht wissen oder nicht wissen wollen, sind sie voll Unruhe. Wenn der Mensch bei Gott nicht angekommen ist, trägt er die Unruhe in sich, und diese Unruhe macht sich als Schwermut bemerkbar. Die Schwermut ist gemischt aus dem Ungenügen an dem Endlichen und der Sehnsucht nach dem Unendlichen. Man kann manchmal an Menschen, die meinen, gottlos zu sein, eine furchtbare Unruhe und einen entsetzlichen Eifer erkennen, die anderen Menschen in ihre Unruhe und in ihre Verlorenheit hineinzuziehen. Sie können nicht von dem schweigen, was ihnen keine Ruhe läßt. Hingeneigt zu Gott, wollen sie sich nicht Gott zuwenden. Und so leben sie im Zwiespalt, in der Zerrissenheit, in der Zerstörung.

Wir, die wir Gott danken für seine Offenbarung, auch und gerade für seine Offenbarung der Schöpfung, wir wissen, wie wir der Welt begegnen müssen. Sie ist der Rohstoff, den wir bearbeiten müssen; sie ist der Weg zu Gott. Sie ist die Möglichkeit, Gott zu erkennen, indem wir stufenweise emporschreiten zum Schöpfer aller Dinge.

Der heilige Paulus hat es einmal wunderbar ausgedrückt, indem er sagt: „Ob wir leben oder sterben, wir sind des Herrn.“ Alles, was uns gegeben ist, weist auf den Schöpfer zurück, und alles, was wir tun sollen, ist so einzurichten, daß wir den Schöpfer finden. Unser Leben hat einen Sinn und hat ein Ziel, und dieses Ziel heißt Rückkehr zum Schöpfer, von dem wir ausgegangen sind.

Amen.

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