Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
20. Juni 1993

Messiaszeugnisse der Apokalypse

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

An vielen Sonntagen der Vergangenheit haben wir auf das Zeugnis gelauscht, welches die Schriftsteller des Neuen Testamentes uns über Jesus geben. Wir haben auf Matthäus, Markus und Lukas, die drei Synoptiker gehört, die uns Jesus als den Menschensohn, als die Erfüllung der alttestamentlichen Verheißungen vorstellen. Wir haben die Sprache des Paulus vernommen, der von dem Lichtherrn spricht, der ihn bei Damaskus überwältigt hat; und wir haben schließlich das Zeugnis des Johannes gehört, der uns Jesus als den Logos vorstellt, der vom Himmel gekommen ist, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist, das lebendige Brot, das vom Himmel herabgestiegen ist und der Welt das Leben gibt. Von Johannes stammt auch das letzte Buch der Bibel, die Apokalypse oder „Geheime Offenbarung“.

Dieses Buch ist entstanden in einer Notzeit der Kirche. Als der Kaiser Domitian eine grausame Verfolgung gegen die Christen eröffnete, da hat der Heilige Geist Johannes erweckt, um in seinem Trostbuche die Christen zum Aushalten und zur Treue zu ermahnen. Die Apokalypse deckt die Weltgeschichte und die Heilsgeschichte und das Ende der Weltzeit auf. Vordergründig mag es scheinen, als ob in der Welt der Menschen Besitzansprüche und Machtansprüche gegeneinander stehen würden. In der Tiefe sind die Kämpfe zwischen Menschen solche zwischen Gut und Böse, zwischen Wahr und Unwahr. In dieser Weltzeit mag es manchmal – oder sogar oft – scheinen, als ob Gott schwiege, als ob er überhaupt nicht da wäre. Das Buch des Johannes zeigt uns, daß Gott der Herr, der Sieger und der Richter ist, der Sinn und der Vollender der Geschichte.

In vier Bildern, die ich Ihnen vorführen möchte, meine lieben Freunde, zeigt uns Johannes, was am Ende geschehen soll. Es geht in der Heilsgeschichte nicht zu wie im Märchen. Im Märchen kommen, wenn die Not groß ist, geheimnisvolle Kräfte und wunderbare Hilfen. So ist es nicht in der Heilsgeschichte. Es wird vielmehr am Ende der Tage so scheinen, als ob die Sache Christi wie im Todeskampfe liege, und der Feind der Christen wird triumphieren. Die Rettung, die Gott schenkt, liegt jenseits des Todes. Der Glaube läßt sich nichts abhandeln von der Wirklichkeit, und diese Wirklichkeit sieht so aus und wird so aussehen, daß die Zahl der Bekenner Jesu immer mehr zurückgedrängt wird und die Zahl der Feinde und Hasser immer mehr wächst, daß die Ohnmacht der Christen augenscheinlich ist und die Übermacht ihrer Feinde offensichtlich.

Dann, aber auch erst dann, wenn der scheinbar endgültige Triumph der Hasser und der Verleumder gesichert scheint, dann und erst dann wird Christus erscheinen und die Visionen, die Johannes geschaut hat, wahrmachen.

Diese Visionen sind, weil es ja Bilder sind, uns in unbegrifflicher Sprache geschenkt. Es handelt sich um Bilder von Gestalten und Ereignissen, die wir übersetzen müssen, übersetzen in Begriffe. Wir wollen versuchen, den vier Texten aus der Apokalypse, die ich Ihnen jetzt vortragen möchte, den Gehalt an Wirklichkeitsaussage abzugewinnen.

„Ich wandte mich um, um die Stimme zu sehen, die mit mir sprach. Und als ich mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter, und inmitten der Leuchter einen gleich einem Menschensohn, mit wallendem Gewand umkleidet und um die Brust mit goldenem Gurt gegürtet. Sein Haupt und seine Haare waren weiß wie Wolle, wie Schnee, und seine Augen wie Feuerflammen und seine Füße sahen aus wie Erz, das im Feuer geglüht ist, und seine Stimme war wie eine Stimme vieler Wasser. In seiner Rechten hielt er die sieben Sterne und aus seinem Munde ging ein zweiseitig geschärftes Schwert hervor, und sein Angesicht war, wie wenn die Sonne leuchtete in ihrer Kraft. Als ich ihn sah, fiel ich wie tot zu seinen Füßen nieder, und er legte seine Rechte auf mich und sprach: 'Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich lebe von Ewigkeit zu Ewigkeit und ich besitze die Schlüssel des Todes und der Hölle.'„

Der Menschensohn, das Menschenkind, das uns hier vor Augen gestellt wird, ist natürlich niemand anderes als unser Herr und Heiland Jesus Christus. So hat er sich ja selbst bezeichnet, vor allem in dem Zeugnis des Markusevangeliums. Aber dieser Menschensohn ist gekleidet wie der Hohepriester mit einem wallenden Gewande und mit einem goldenen Gurt. Das zeigt seine priesterliche Würde. Jesus war ein Priester, auch wenn es der Theologe Blank und andere Irrlehrer leugnen. Er war nicht wie ein Priester im Alten Bunde, sondern er war ein Priester, der einzige Priester des Neuen Bundes und deswegen ist er mit priesterlichem Gewande umkleidet.

Wenn die Rede davon ist, daß sein Haar weiß ist und sein Gewand wie Feuerflammen glüht, dann ist damit die Gegenwart Gottes bezeugt. Weiß ist die Farbe des Himmels, der himmlischen Mächte, und die Glut, die Glut der Sonne soll zeigen, daß Gott wie ein verzehrendes Feuer ist. Wenn der Menschensohn von sich sagt, er sei der Erste und der Letzte, dann wird damit hingewiesen auf seine doppelte Funktion als Schöpfer – der Erste – und als Richter – der Letzte; und als Schöpfer und Richter besitzt er die Macht über den Tod. Er war selbst tot und ist lebendig geworden, und er besitzt die Macht, aus dem Tode zu retten. Deswegen wird von ihm gesagt: Er besitzt die Schlüssel des Todes und der Hölle.

Ein zweites Bild: „Ich sah in der rechten Hand dessen, der auf dem Throne sitzt, ein Buch, auf der Vorder- und Rückseite beschrieben und mit sieben Siegeln versiegelt. Und ich sah einen starken Engel, der mit mächtiger Stimme verkündete: Wer ist würdig, das Buch zu öffnen und seine Siegel zu lösen? Und niemand im Himmel und auf der Erde und unter der Erde konnte das Buch öffnen noch einsehen, und ich weinte sehr, weil niemand würdig befunden ward, das Buch zu öffnen noch es einzusehen. Und einer von den Ältesten sagte mir: Weine nicht! Siehe, der Löwe aus dem Stamme Juda, die Wurzel Davids hat gesiegt, zu öffnen das Buch und seine sieben Siegel. Und ich sah inmitten des Thrones und der vier Tiere und der Ältesten ein Lamm, geschlachtet, mit sieben Hörnern und sieben Augen, und es kam und empfing aus der Rechten dessen, der auf dem Throne sitzt, das Buch. Und die Ältesten sangen das neue Lied: Würdig bist du, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen, weil du geschlachtet wurdest und uns für Gott aus allen Stämmen, Völkern und Nationen mit deinem Blut erkauft hast!“

Was bedeutet das Buch, das versiegelte Buch, das mit sieben Siegeln versiegelte Buch? Es bedeutet die Summe der Schicksale der Menschen und der Welt. Alles, was je geschehen ist und je geschehen wird, ist da eingetragen. Das Buch ist gleichsam ein Kompendium der Heilsratschlüsse Gottes. Und wir wissen es ja: Diese Ratschlüsse sind uns oft verborgen. Wir fragen oft: Warum? Wozu? Warum mußte das geschehen? Wozu mußte das zugelassen werden? Und wir sind ratlos und manchmal geneigt, fragend den Blick zum Himmel zu erheben: Wie lange, Gott, wie lange schaust du noch zu?

Kein Mensch ist fähig, die Ratschlüsse Gottes zu eröffnen. Es gibt niemanden im Himmel, auf der Erde und unter der Erde, der die Siegel lösen kann. Diese Not der Versiegeltheit ist nur von einem zu beseitigen, nämlich von dem geschlachteten Lamme. Es wird genannt „der Löwe aus Juda“. Das ist eine Bezeichnung aus dem Alten Testament für den Messias, ebenso die „Wurzel Davids“; denn der Messias steht ja in der Nachfolge Davids, er stammt aus dem Geschlechte Davids. Und er ist deswegen würdig, das Buch zu öffnen, die Siegel zu lösen, weil er geschlachtet ward. Durch sein Lebensopfer, durch seine Hingabe des Lebens hat er sich gleichsam die Gnade verdient, das Buch zu öffnen und die Siegel zu lösen.

Es wird also einmal eine Zeit kommen, meine lieben Freunde, wo jedes Rätsel gelöst wird, wo jede Frage verstummt, wo wir wissen und erkennen werden: Gott hat die Zügel der Welt in der Hand gehabt, so undurchschaubar, so unentwirrbar uns auch die Schicksale, die Geschicke der Erde erschienen sein mögen.

„Und ich sah, und siehe, eine weiße Wolke, und auf der Wolke sitzt einer wie ein Menschensohn; und auf seinem Haupte trägt er einen goldenen Kranz und in seiner Hand eine scharfe Sichel. Und ein anderer Engel kam aus dem Tempel heraus und rief mit lauter Stimme dem, der auf der Wolke sitzt, zu: Sende deine Sichel aus und ernte, denn die Stunde zu ernten ist gekommen, denn die Ernte der Erde ist reif geworden. Und es warf der, der auf der Wolke sitzt, seine Sichel auf die Erde, und die Erde wurde abgeerntet.“

Vor dem Hohenpriester hat Jesus bezeugt, daß er zur Rechten der Macht Gottes sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen werde. Das ist hier aufgenommen. Johannes sieht das erfüllt, diese Voraussage, diese Ankündigung, die ja auch für seine Verfolger und Peiniger eine Drohung enthält. Er trägt auf dem Haupte einen goldenen Kranz oder eine goldene Krone – das Wort ist ja dasselbe im Griechischen. Dieser goldene Kranz oder diese goldene Krone ist das Zeichen seiner göttlichen Würde, seiner königlichen Würde. Er ist der Gottkönig! Und in der Hand trägt er eine scharfe Sichel. Die Sichel ist das Ernteinstrument. Wenn Jesus mit der Sichel gesehen wird, dann ist das ein Zeichen, daß er das Gericht in seine Hand genommen hat. Er erntet ab, aber es ist nicht eine der vielen Ernten, die auf dieser Erde gehalten werden, nein es ist die letzte Ernte, wo die einen in die Herrlichkeit eingehen und die anderen ins Feuer geworfen werden. Es ist die Ernte, auf die wir warten, meine lieben Freunde, damit endlich einmal Gerechtigkeit geschieht, damit endlich einmal der Ausgleich erfolgt zwischen Gut und Böse, zwischen Verdienst und Mißverdienst, daß endlich einmal die Verführung ein Ende findet und die gerechte Strafe bekommt.

Das wird dann geschehen, wenn der Herr seine Sichel auf die Erde wirft und die Erde aberntet. Alle werden ihn dann sehen, jene, die ihn sehen wollen, und jene, die ihn nicht sehen mögen. Alle werden ihn sehen, seine Gegner, seine Feinde, seine Hasser, seine Verfolger, denn unübersehbar wird der königliche Richter allen erscheinen.

Und schließlich ein letztes Bild: „Ich schaute den Himmel offen und siehe, ein weißes Pferd. Und der darauf reitet, heißt Treu und Wahrhaftig, und in Gerechtigkeit richtet er und führet Krieg. Seine Augen sind Feuerflammen, und auf seinem Haupte sind viele Diademe und ein Name eingeschrieben, den niemand kennt als nur er selbst. Und angetan ist er mit einem in Blut getauchten Gewand, und sein Name heißt 'Das Wort Gottes'. Und die Himmelsheere folgen ihm auf weißen Pferden, gekleidet mit weißem, reinem Linnen, und aus seinem Munde geht ein scharfes Schwert hervor, daß er mit ihm die Nationen niederschlage, und er wird sie mit eisernem Zepter weiden.Und er selbst tritt die Weinkelter des Grimmes, des Zornes des Allherrschers, und er trägt auf seinem Gewand und auf seiner Hüfte den Namen geschrieben: KÖNIG DER KÖNIGE UND HERR DER HERREN.“

Hier geht es also um ein Kriegsbild. Es ist der letzte, es ist der definitive Krieg, nämlich die endgültige Niederwerfung der Feinde Gottes. Wenn dieser Kriegführende auf seinem Haupte viele Diademe trägt, dann wird damit ausgesagt, daß er Herr über allen Herren und König über allen Königen ist. Es haben sich viele auf Erden als Herren und Könige ausgegeben, und in einem irdischen Sinne waren sie es ja, aber er ist der König über allen Königen, er ist der Herr über allen Herren. Sie sind alle seiner Herrschaft unterworfen. Das wird dann hervorkommen, wenn er die Feinde Gottes in einem letzten Kampfe niederwirft. Aus seinem Munde geht ein scharfes Schwert hervor. Das ist das Richtschwert, das Zeichen seiner Gerichtsgewalt. Er richtet mit seinem Worte die Feinde und Widersacher Gottes. Er ist blutbespritzt, denn er tritt die Weinkelter des Grimmes, des Zornes des Allherrschers.

Ja, meine lieben Freunde, wir dürfen uns Gott nicht vorstellen nach Art eines liebenswürdigen Opas. Wir dürfen nicht nur diejenigen Zeichen Gottes in der Verkündigung hervorheben, die uns angenehm sind, seine Liebe, seine Barmherzigkeit. Nein, wir müssen auch sprechen von seiner Heiligkeit und seiner Gerechtigkeit. Wir müssen davon zeugen, daß ihm das Böse aus innerstem Wesen widerstrebt, ja daß er das Böse haßt, und daß es deswegen nicht nur einen Tag der Rettung gibt, sondern auch einen Tag der Rache. Jawohl, die Apokalypse scheut sich nicht, von der Rache Gottes zu sprechen, d.h. von seiner gerechten Vergeltung. Die wird einmal kommen über alle, die ihm Ungerechtigkeit und Haß entgegengeschleudert haben. Diese Gerechtigkeit wird sich einmal mit unvorstellbarer Macht und mit unübersehbarer Wucht auf sie werfen und sie niederschlagen.

Meine lieben Freunde, das Bild, das uns von Jesus im Neuen Testament gezeichnet wird, ist vielgestaltig und doch gleichzeitig einheitlich. Jesu Gestalt im Neuen Testament ist von einer Geschlossenheit wie keine andere Gestalt der Weltgeschichte. Einzelne Züge mögen sich bei diesem und jenem angemaßten Weltheiland finden, seine gesamte Gestalt ist unwiederholbar, konkurrenzlos, einmalig in Welt- und Heilsgeschichte. Mohammed war ein kranker Mann, als er die Fahne des Propheten entrollte, erblich belastet. Jesus war ein kerngesunder, ein kraftvoller, ein leidensfähiger Mann, er war jeder Situation gewachsen. Mohammed war ein Ekstatiker, der einen großen Teil seines Lebens in somnambulanten Zustand verbracht hat. Jesus ist kein Visions- und Auditionsekstatiker, es gibt bei ihm keine psychogenen Gefühlsregungen. Mohammed war nicht mehr und hat nicht mehr sein wollen als ein bloßer Mensch. Jesus hat gewußt, daß er das lebendige, vom Himmel kommende Brot ist. Er hat gewußt, daß er der einzige Sohn, der einzigartige Sohn des himmlischen Vaters ist.

Das Zeugnis des Neuen Testamentes mag so klar sein wie es will, wer nicht mit einem Gott rechnet, der als Person lebendig wirkend in die Geschichte eingreift, der wird dieses Zeugnis als Legende bezeichnen. Es ist genügend Licht da für den, der sehen will. Es ist freilich auch genügend Dunkel da für den, der nicht sehen will. Wir, meine lieben Freunde, dürfen überzeugt sein, daß wir Gründe, durchschlagende Gründe, daß wir Argumente, gewichtigste Argumente haben, in unserem Heiland den wahren, lebendigen, metaphysischen Gottessohn zu sehen. Es ist derjenige, zu dem wir rufen – um noch einmal die Johannesapokalypse aufzunehmen – zu dem wir rufen: „Komm, Herr Jesus, komm und führe endlich die Gerechtigkeit zum Siege! Bringe endlich die Scheidung zwischen Gut und Böse! Rechtfertige den Glauben der Deinen und führe diejenigen, die dir die Treue gehalten haben, in deine himmlische Herrlichkeit!“

Amen.

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