Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
30. August 1992

Die Ehe als Prüfstein des Glaubens

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

 

Geliebte im Herrn!

Wenn man heute mit katholischen Christen über das Verhältnis der katholischen Kirche zum Protestantismus spricht, dann kann man häufig die Rede hören: „Es ist ja alles eins.“ Damit soll ausgedrückt werden, daß die Unterschiede zwischen katholischer Kirche und nichtkatholischen Religionsgemeinschaften unbeachtlich seien. Es ist ja alles eins, so sagt man, und begründet auf diese Weise, daß man diese Unterschiede nicht mehr beachtet. An einem Beispiel, das außerordentlich instruktiv ist, möchte ich zeigen, daß diese Rede falsch ist, daß weder auf dem Gebiete, das wir heute miteinander bedenken wollen, noch auf zahlreichen anderen alles eins ist, daß vielmehr die größten Unterschiede, ja unaufhebbare Gegensätze zwischen katholischer Kirche und nichtkatholischen Religionsgemeinschaften klaffen.

Wir wollen uns heute mit der Lehre von der Ehe befassen, und wir wollen in sechs Punkten die Lehre von der Ehe im katholischen Verständnis und nach protestantischer Auffassung bedenken.

1. Das Wesen der Ehe. Die Ehe ist, kurz gesagt, die Verbindung eines Mannes und einer Frau zu ungeteilter Lebensgemeinschaft. Die Ehe ist eine Beziehung zwischen geschlechtsverschiedenen Personen, und es ist heute nicht mehr überflüssig zu sagen, daß die Ehe zwischen einem Manne und einer Frau besteht, also nicht zwischen zwei Männern oder zwischen zwei Frauen. Die katholische Kirche hält mit der gesamten katholischen und christlichen Überlieferung daran fest, daß die Ehe zwischen geschlechtsverschiedenen Personen geschlossen wird und daß es eine Verirrung ist, wenn Menschen geschlechtliche Aktivitäten entfalten zwischen gleichgeschlechtlichen Personen. Nicht so der Protestantismus. Die Kirchenleitung von Berlin-Brandenburg erklärte im Jahre 1991: Homosexualität ist weder sündhaft noch krankhaft, sondern ein anderer Ausdruck menschlicher Sexualität. Das ist eine schwere Verirrung, was hier die Kirchenleitung sagt, das ist eine tödliche Verirrung, welche die gesamte Heilige Schrift gegen sich hat. Der heilige Paulus schreibt im Römerbrief von den Heiden: „Die Heiden, die den wahren Gott nicht kennen, die haben deswegen auch in der Sittenlehre versagt. Gott überließ sie schändlichen Leidenschaften. Ihre Weiber vertauschten den natürlichen Verkehr mit dem widernatürlichen. Ebenso verließen auch die Männer den natürlichen Umgang mit der Frau und entbrannten in wilder Gier gegeneinander. Männer verübten Schamloses aneinander und empfingen den gebührenden Lohn für ihre Verirrungen.“

Die Ehe ist die dauernde Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau. Das klingt durchaus selbstverständlich. Vielmännerei und Vielweiberei sind Verirrungen. Nicht so der Protestantismus. Schon Luther hat gestattet, daß ein Mann mehrere Frauen haben kann, und es gibt auch heute evangelische Theologen, die keineswegs der Meinung sind, daß es von Gott geboten sei, daß ein Mann nur eine Frau habe.

Das Wesen der Ehe ist von der katholischen Kirche immer als eine heilige Sache verkündet worden, d.h. als ein Sakrament, eines von den Gnadenzeichen. Die Ehe ist ein Abbild der gnadenvollen Wirklichkeit, die zwischen Christus und der Kirche besteht, und wegen dieser Abbildhaftigkeit ist die Ehe ein Sakrament, ein gnadenwirksames Zeichen. Nicht so der Protestantismus. Der Protestantimus sagt mit Luther: „Die Ehe ist ein weltlich Ding wie Haus und Hof und Kleidung.“ Wenn man diese Unterschiede, diese Gegensätze bedenkt, wie kann man dann noch sagen, die katholische Ehelehre und das protestantische Eheverständnis seien gleich?

2. Die Zuständigkeit für die Ehe. Aus dieser Erklärung des Wesens der Ehe ergibt sich auch, wer für die Ehe zuständig ist, wer also über sie Gesetze geben kann. Nach katholischer Auffassung ist, weil die Ehe ein Sakrament ist, die Kirche zuständig. Die Kirche kann Gesetze geben, und sie hat Gesetze gegeben von Anfang an. Es gibt ein kirchliches Eherecht; es gibt kirchliche Ehehindernisse, und das ist wichtig, denn damit übt die Kirche die Vollmacht aus, die sie über die Ehe aufgrund der Sakramentsnatur besitzt. Der Protestantismus erklärt den Staat für zuständig; der Staat ist für die Ehe zuständig. Die protestantischen Religionsgemeinschaften kennen kein kirchliches Eherecht. Für sie ist das Eherecht des Staates maßgebend, und so müssen sie dadurch alle die Eskapaden mitmachen, die der Staat je nach demokratischer Mehrheit in seinem Eherecht anrichtet. Also auch hier ein fundamentaler Unterschied: Zuständigkeit der Kirche für die Ehe – Zuständigkeit des Staates für die Ehe.

3. Die Eingehung der Ehe. Nun, sie ergibt sich auch wieder logisch aus dem Wesen der Ehe. Wenn die Ehe ein Sakrament ist, dann kann man das Sakrament natürlich nur in der Kirche empfangen. Wenn die Ehe ein weltlich Ding ist, dann muß man die Ehe eben auf dem Standesamt schließen. Und so ist es auch. Der katholische Christ schließt seine Ehe vor dem Priester und zwei Zeugen. Hier und nirgends sonst schließt er seine Ehe. Der Protestant schließt seine Ehe auf dem Standesamt. Da kann jemand sagen: Aber in der protestantischen Kirche werden doch auch Trauungen vorgenommen. Jawohl, aber diese Trauungen sind von der katholischen Trauung wesensverschieden. Die katholische Trauung ist Eheschließung, die protestantische Trauung ist Eheeinsegnung. Die protestantische Trauung setzt die geschlossene Ehe voraus. Die protestantische Trauung geht davon aus, daß die Ehe auf dem Standesamt geschlossen worden ist, und jetzt führt sie nun die zu ihr als Ehegatten kommenden Menschen in die Gemeinde ein. Also ein fundamentaler Unterschied des Verständnisses der Eingehung der Ehe. Der katholische Christ schließt nur in der katholischen Kirche eine gültige Ehe. Ja, was macht er dann auf dem Standesamt? Da übt er einen Akt der Registrierung aus, da gibt er dem Staat seinen Ehewillen kund, damit der Staat ihn als verheiratet betrachten kann. Aber er schließt dort keine Ehe. Die Ehe schließt er in der Kirche. Der Protestant dagegen schließt seine Ehe auf dem Standesamt. Und da können Sie die Schwierigkeiten erkennen,  meine lieben Freunde, die entstehen, wenn ein Katholik einen Protestanten heiratet. Der eine will seine Ehe in der Kirche schließen, der andere auf dem Standesamt. Die Ehewilligen müssen aber zusammenkommen. Wie können sie denn zusammenkommen, wenn der eine hier und der andere da seine Ehe schließen will? Es besteht also die größte Schwierigkeit. Man muß in solchen Fällen der Mischehe dem protestantischen Partner sagen: Du mußt deinen Ehewillen wenigstens in dem von der katholischen Kirche verlangten Sinne in der katholischen Kirche erneuern. Du mußt wenigstens die Absicht haben, auch – auch! – in der Kirche die Ehe zu schließen, sonst ist die Ehe ungültig.

4. Die Führung der Ehe. Die Ehe ist die Gemeinschaft zwischen Mann und Frau, eine Gemeinschaft des ganzen Lebens, herkömmlich bezeichnet als Gemeinschaft von Bett, Tisch und Wohnung, eine Lebensgemeinschaft, die auf Treue, auf Liebe, auf Fürsorge gegründet ist oder jedenfalls gegründet sein soll. Die Gatten wissen, daß sie zusammengekommen sind, um einen Lebenszweck zu erfüllen, nicht einen Genußzweck. Sie sind zusammengekommen, um der Kirche und dem Himmel und auch der bürgerlichen Gesellschaft neue Glieder zu verschaffen. Die Ehe ist auf Fruchtbarkeit angelegt. Die Ehe dient auch als Heilmittel für die Begierlichkeit. Der Mensch hat nun einmal den Drang zum anderen Geschlecht, und so kann die Ehe als ein Heilmittel für diesen Drang dienen. Sie ist nicht das einzige Heilmittel, man kann die Triebe auch anders beherrschen. Aber sie ist, und das ist immer gültige Lehre gewesen, ein Heilmittel für die Begierlichkeit der Menschen. In dem, was ich eben ausführte, besteht im wesentlichen Übereinstimmung zwischen katholischer Lehre und protestantischer Auffassung. Aber ein entscheidender Punkt ist völlig verschieden. Nach katholischer Lehre, die 2000 Jahre gegolten hat und die die Herren Böckle und andere nicht aus den Angeln heben werden, nach katholischer Lehre ist die liebende Vereinigung der Gatten und die Fruchtbarkeit von Gott so zusammengefügt, daß der Mensch sie nicht trennen kann. Der Mensch darf nicht die liebende Vereinigung und den Fortpflanzungszweck durch chemische oder mechanische Mittel auseinanderreißen. Ganz anders der Protestantismus. Für den Protestantismus ist die Empfängnisverhütung gar kein Problem. Die höchsten Spitzen protestantischer Religionsgemeinschaften haben sich dazu bekannt, daß ihre Anhänger diese Dinge auseinanderreißen können, und das ist für die Protestanten also in keiner Weise irgend eine glaubensgefährdende Angelegenheit.

5. Die Auflösung der Ehe. Die Ehe ist ein Dreibund, weil Christus zu den Gatten getreten ist. Er bürgt für die Ehe, er ist der Garant der Ehe. Die Kirche weiß sich hier wie an wenigen Stellen im Einklang mit dem Willen unseres Heilandes, wenn sie sagt: Die einmal gültig geschlossene und vollzogene christliche Ehe ist absolut unauflöslich. Eine gültig geschlossene und vollzogene Ehe kann von keiner menschlichen Macht, von keinem Staat und von keinem Papst, getrennt werden. Das ist nichts anderes als das Echo der Heiligen Schrift. Der Herr sagt im Evangelium. „Wer sein Weib entläßt und eine andere heiratet, der begeht Ehebruch an ihr. Und wenn sie ihren Mann verläßt und einen anderen heiratet, so bricht sie die Ehe.“ Ohne Wenn und Aber, ohne Ausnahme und ohne Ausflucht hat der Herr gesagt: Die Ehe ist unauflöslich. Im Protestantismus wird genau das Gegenteil gesagt. Es gibt im Protestantismus keine Ehe, die nicht aufgelöst werden kann, keine einzige Ehe. Ob sie vollzogen ist oder nicht, spielt gar keine Rolle, ob Kinder da sind, spielt gar keine Rolle, jeder kann seine Ehe grundsätzlich auflösen lassen. Er soll es nicht, natürlich soll er es nicht, aber wenn er es tut, dann kann er es. Deswegen ist es ganz irrig, wenn auch der Protestantismus von Unauflöslichkeit spricht. Das mag ein Ideal sein, aber es ist kein Gesetz. Wer sich gegen das Ideal der Unauflöslichkeit verfehlt, der trennt eben seine Ehe, und wenn der Staat die Ehe scheidet, dann ist sie geschieden. Die vom Gericht kommenden Personen sind keine Ehegatten mehr nach protestantischer Lehre. Nach katholischer Lehre kann der Staat überhaupt keine Ehe scheiden, das sind Vorgänge, die in der Vermögensauseinandersetzung etwas zu bedeuten haben, aber das Eheband, das Christus gestiftet hat, das vermag kein Standesamt und kein Staat und kein Gericht zu lösen.

Ich sagte, die gültig geschlossene und vollzogene Ehe ist absolut unauflöslich. Wenn eines von diesen Elementen fehlt, dann kann die Ehe tatsächlich entweder aufgelöst oder für ungültig erklärt werden. Sie muß gültig geschlossen sein. Wenn sie ungültig geschlossen ist, dann ist natürlich die Ehe gar nicht zustande gekommen. Und das weiß man manchmal nicht so genau. Das ist ja ein Vorgang im Inneren. Wenn sich jemand zum Beispiel einen geheimen Vorbehalt gegen die Ehe gesetzt hat, dann scheint es, daß ein ganz formaler Eheabschluß vorliegt, aber später kommt dann heraus, daß der Betreffende einen geheimen Vorbehalt gemacht hat, und wenn er das beweisen kann, dann müssen die kirchlichen Richter, das sind im allgemeinen gewissenhafte Leute, dann müssen diese Richter sagen, diese Ehe hat von Anfang an nicht bestanden. Einer der Partner oder auch beide hatte bzw. hatten keinen richtigen Ehewillen. Und das ist eben der Fall bei der Ehe der Prinzessin Karoline. Der Herr Chinot, dieser ausgelaugte Kerl, dieser Herr Chinot hatte offensichtlich keine rechten Ehewillen, als er die Ehe mit Karoline von Monaco einging. Das hat man eben jetzt nach elfjähriger Prüfung herausgefunden, und die fünf Richter, die das getan haben, das sind hochangesehene, dem Recht und dem Gesetz verpflichtete Männer, an deren Integrität kein Zweifel möglich ist.

Die Auflösung der Ehe ist also, wie ich sagte, für den Protestantismus kein Problem, und infolgedessen ist es auch kein Problem, daß Geschiedene wieder heiraten. Wenn Geschiedene sich vom Standesamt von neuem trauen lassen, dann können sie in die evangelische Kirche kommen, und dann werden sie wieder eingesegnet. Im vorigen Jahrhundert nannten die evangelischen Theologen das „Segnung des Ehebruchs“. Heute sagt das niemand mehr. Es sind alle Stimmen verstummt, die ein solches Vorgehen als unchristlich gebrandmarkt haben, und man hat sich damit abgefunden, daß alle, die es begehren, auch bei der zweiten oder dritten Ehe, mit kirchlichem Segen heiraten können.

Die Kirche,  meine lieben Freunde, hat für ihre Ehelehre einen hohen Preis bezahlt. Zahllose Menschen und ganze Länder haben sich von ihr abgewandt, weil sie an der Unauflöslichkeit der Ehe festgehalten hat. Ich will Ihnen nur ein Beispiel bringen, das Sie wahrscheinlich gar nicht kennen. Sie wissen um den Walzerkönig Johann Strauss. Dieser Österreicher war verheiratet, die erste Frau war gestorben, jetzt wollte er eine zweite Frau heiraten, aber sie war geschieden. In Österreich konnte man aber im vorigen Jahrhundert als Katholik keine geschiedene Frau heiraten. Was tat Johann Strauss? Er fuhr nach Coburg in Deutschland, trat dort zum Protestantismus über und heiratete die geschiedene Frau. So leicht ist das. Da braucht man nur Protestant zu werden, dann geht das, was man als Katholik nach Gottes Willen nicht tun darf.

Wir wollen,  meine lieben Freunde, an unserer Kirche und ihrer Lehre nicht irrewerden. Eine von Gott stammende Lehre ist eben anspruchsvoller als eine von Menschen gemachte. Eine Religionsgemeinschaft, die von einem Menschen gestiftet ist, ist eben einer anderen unterlegen, in der der Heilige Geist wirksam ist. Und deswegen dürfen wir bei aller Beschwerlichkeit, bei aller drückenden Schwere, die der einzelne empfinden kann, nicht irrewerden an unserer heiligen Kirche und an ihrer Lehre. Es ist das eben eine von Gott kommende Kirche. Es ist das eben eine von Gott stammende Lehre. Und die Wahrheit kostet eben etwas auf Erden. Der Irrtum kostet nichts, die Wahrheit erringt man nur durch viele Kämpfe. Und die Kirche stellt in der Ehe, im Ehesakrament die Liebe, die so viel geschändete Liebe, wie einen Leuchter auf den Altar und hebt sie aus dem Staube, getreu der Lehre und dem Willen ihres Gottes und Heilandes Jesus Christus.

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt