Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
23. Oktober 1988

Die heilige Kommunion

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Ein altes lateinisches Sprichwort sagt: Cottidiana vilescunt, d. h. Was man täglich tut, das ist immer in Gefahr, daß es gewohnheitsmäßig, ohne Geist, ohne Seele, ohne Ergriffenheit geschieht. Dieser Gefahr ist auch die heilige Messe ausgesetzt. Und deswegen ist es notwendig, sich immer wieder über dieses Geheimnis des Glaubens Rechenschaft zu geben. Wir haben vor drei Wochen begonnen, uns Sinn und Inhalt der heiligen Messe vor Augen zu führen. Wir sagten: Was wir als Kinder gelernt haben, nämlich daß die heilige Messe drei Hauptteile hat, Opferung, Wandlung und Kommunion, das ist nicht falsch. Es ist tatsächlich so, daß die Opfermesse diese drei Bestandteile hat, die natürlich nicht erschöpfend das darstellen, was in ihnen enthalten ist, aber die Wesentliches aussagen. Das ist oft mit Begriffen so, daß sie nicht alles, was in ihnen enthalten ist, wiedergeben.

Wir nennen das Opfer unserer Altäre Messe. Messe ist nun nicht ein sehr tiefgehender Ausdruck. Es ist von dem letzten Wort der heiligen Messe genommen: Ite, missa est – Es ist Entlassung, es ist Sendung. Also das Wort „Messe“ ist inhaltlich nicht gerade sehr gefüllt. Dennoch gebrauchen wir es und verstehen es. Und deswegen kann man auch nicht den drei Ausdrücken Opferung, Wandlung und Kommunion zum Vorwurf machen, daß sie nicht alles aussagen. Sie sind selbstverständlich der Ergänzung bedürftig. Aber was in ihnen gesagt wird, ist richtig. Wir opfern tatsächlich Brot und Wein, unser Leben, unsere Gaben, die wir mit dem jetzt beginnenden Opfer verbinden. In der Wandlung schenkt uns Gott seinen Sohn, damit wir eine Opfergabe haben, die seiner würdig ist, nämlich den geopferten, den verklärten Jesus Christus. Es heißt nämlich nach der Wandlung: „Daher bringen wir dir von deinen Gaben ein reines Opfer dar.“ Also erst kommt die Gabe vom Himmel, aber dann haben wir sie, um sie unsererseits opfern zu können. Und das ist tatsächlich der Kern des heiligen Meßopfers, daß uns Gott seinen Sohn als unbefleckte Opfergabe schenkt, die wir dem Vater im Himmel zurückgeben als unser Opfer.

Der dritte Hauptteil ist die Kommunion, und sie ist der Gegenstand unserer heutigen Überlegungen. Die Kommunion, meine lieben Freunde, besagt wörtlich übersetzt: Vereinigung. Das ist ein sehr schöner Ausdruck. Kommunion ist Vereinigung mit unserem Herrn und Heiland Jesus Christus.

Der Kommunionteil beginnt mit dem Vaterunser. Ja, warum denn dieses Gebet an dieser Stelle? Aus zwei Gründen: Weil wir im Vaterunser darum bitten, daß Gott uns die Sünden vergibt – „Vergib uns unsere Schuld!“, denn wir wollen doch schuldfrei, von Sünden entlastet, das heilige Mahl empfangen, und wegen einer zweiten in dieser Gebetsformel enthaltenen Bitte, nämlich: „Gib uns unser tägliches Brot!“ In diesem Augenblick verstehen wir die heilige Kommunion als unser tägliches Brot. Wegen dieser beiden Bitten: „Gib uns unser tägliches Brot!“ und „Vergib uns unsere Schuld!“ steht das Vaterunser an dieser Stelle als Einleitung des Kommunionteils der heiligen Messe. Am Schluß des Vaterunsers bitten wir um Erlösung von dem Übel – und das Übel ist mannigfaltig. Das Böse ist zweifellos das schlimmste Übel, aber nicht das einzige. Es gibt auch andere Übel außer dem Bösen, z.B. Verwirrung, Aufregung, Unruhe, Ratlosigkeit und Zweifel. Deswegen ist es ganz berechtigt, wenn die Kirche die Vaterunser-Bitten „Vergib uns unsere Schuld!“ und „Erlöse uns von dem Übel!“ fortführt mit der anderen: „Erlöse uns von allen Übeln, seien sie gegenwärtig, vergangen oder zukünftig!“ Ein wunderbares Gebet, denn wir alle wissen, wie uns die Vergangenheit anhängt, anhängen kann wir ein düsterer Schatten. Die Lasten und Plagen der Gegenwart kennen wir nur zu gut. Und wir wissen nicht, was die Zukunft bringt, auch da sind wir in Sorge. Wie psychologisch weise läßt uns die Kirche beten: „Erlöse uns von allen Übeln, seien sie vergangen, gegenwärtig oder zukünftig!“ Und dann nennt sie ja auch die Übel: „Bewahre uns vor der Sünde!“ Aber auch: „Bewahre uns vor Verwirrung!“ Verwirrung ist der Zustand, in dem jemand nicht mehr ein und aus weiß, und wo er seine geistige Orientierung verloren hat. Verwirrung ist ein schmerzliches Übel, meine lieben Christen, und wir wissen es aus der nachkonziliaren Verwirrung, wie schlimm dieses Übel sein kann.

Anschließend bricht der Priester die heilige Hostie und senkt einen Teil davon in das heilige Blut. Ja, was bedeutet denn das? Die Brechung bedeutet symbolisch das Zerbrechen des Leibes Christi im Tod, ist also Todesgestus, ein Hinweis auf den gewaltsamen Tod des Herrn, und das Einsenken des Hostienteiles in das heilige Blut bedeutet die Wiedervereinigung von Leib und Seele Christi in der Auferstehung. Also dieser Brechungs- und Mischungsritus hat Tod und Auferstehung Christi zum Gegenstand, ist Symbol für Tod und Auferstehung. Und dann kommt noch einmal der Herold Christi zu Worte, Johannes der Täufer: „Seht das Lamm Gottes, das da hinwegnimmt die Sünden der Welt!“ Noch einmal rufen wir um Befreiung von Sünden: Erbarme dich, indem du uns jetzt und hier reinigst und heiligst vor der Vereinigung, vor der Kommunion mit dir!

Und jetzt, meine lieben Christen, vollzieht sich in den Gebeten eine ganz entscheidende Wende. Waren bisher die Gebete so gut wie immer an den Vater gerichtet, so sind sie jetzt an den Sohn gerichtet. Es beginnt mit dem Agnus dei. „Lamm Gottes“, das ist der Sohn, unser Heiland, „erbarme dich unser!“ Und das gilt auch für die folgenden Gebete. Auch diese sind an Jesus Christus unmittelbar gerichtet, die drei folgenden Gebet sprechen ihn unmittelbar an. Das hat einen guten Grund, denn jetzt gehen wir ja auf Christus zu und werden gleichsam vertraut mit ihm, jetzt sind wir auf du und du mit ihm, jetzt treten wir in ein Zwiegespräch mit Christus ein. Im ersten dieser drei Gebete bitten wir ihn um den Frieden, wobei wir ihn gleichsam beim Worte nehmen. „Frieden,“ hat er ja gesagt, „hinterlasse ich euch, Frieden gebe ich euch.“ Und diesen Frieden, den wollen wir jetzt haben, bevor wir die heilige Kommunion empfangen, und es soll dieser Friede auch die Frucht der heiligen Kommunion sein. Wie kann man in Unfrieden zur heiligen Kommunion hinzutreten? Und wie kann man friedlos sein, wenn der Heiland, der Friedensbringer, in uns eingekehrt ist? Wo er ist, da ist Friede. Wo er nicht ist, da ist Unfriede, Streit und Zwietracht.

Besonders schön ist das zweite dieser Gebete. Da wird nämlich noch einmal das ganze Erlösungswerk vor uns hingestellt. „Dem Willen des Vaters gehorsam,“ das ist der Anteil des Vaters am Erlösungswerk. Er hat es gewollt, er hat den Sohn gesandt. „Dem Willen des Vaters gehorsam, hast du unter Mitwirkung des Heiligen Geistes,“ – ja, der Heilige Geist war die belebende Kraft in Jesus. Seine Empfängnis im Mutterleib war vom Heiligen Geiste bewirkt. Er kam in der Gestalt einer Taube auf ihn herab, als er im Jordan getauft wurde. Der Geist führte ihn in die Wüste. Im Geiste hat er gepredigt und gewirkt. „Du hast unter Mitwirkung des Heiligen Geistes“ – jetzt kommt der Sohn – „durch deinen Tod der Welt das Leben geschenkt.“ Ja, dieses heilbringende Leiden, dieser kostbare Tod, diese fruchtbare Blutvergießung, das ist es, was uns das Leben der Gnade geschenkt hat, was uns erlöst hat. Und dieses Erlösungswerk soll nun an uns fruchtbar werden, soll uns nun befreien von allen Sünden, von jeglichem Übel, soll uns Kraft geben, daß wir den Geboten treu bleiben und, ganz rührend, daß wir niemals von ihm getrennt werden. Und das alles in der 1. Person. Es heißt nicht „wir“, sondern: „Erlöse mich durch dieses hochheilige Fleisch und Blut von allen meinen Sünden und von jeglichem Übel! Gib, daß ich deinen Geboten allzeit treu bleibe, und laß nicht zu, daß ich mich jemals von dir trenne!“

Rührend, diese Bitten, diese Flehrufe, bevor wir den Herrn und Heiland in unser Herz aufnehmen. Und dann noch einmal ein letzter Ernst: „Der Genuß deines Leibes, Herr Jesus Christus, den ich Unwürdiger“ – denn das bleiben wir ja bis zuletzt – „den ich Unwürdiger zu empfangen wage, gereiche mir nicht zum Gerichte und zur Verdammnis!“ Im heiligsten Augenblick unseres persönlichen Heilswirkens beten wir noch einmal um Bewahrung vor Gericht und vor Verdammnis. So ernst ist das. In der neuen Messe kann dieses Gebet ausgelassen werden. Wer hören kann, der höre! „....gereiche mir nicht zum Gerichte und zur Verdammnis, sondern durch deine Güte zum Schutz für Leib und Seele und zu meiner Heilung!“ Ja, wahrhaftig, ein rührendes, ein ergreifendes Gebet. Bewahre uns vor der unwürdigen Kommunion!

Und dann kündigt der Priester seinen Entschluß an, das Himmelsbrot zu nehmen. „Ich will das Himmelsbrot nehmen und anrufen den Namen des Herrn.“ Und wie der letzte seiner Gläubigen betet er dreimal: „Herr, ich bin nicht würdig!“ Mit tiefer Erschütterung; er muß das Brot des Lebens empfangen, denn sonst kann er nicht mehr leben, aber er weiß: „Ich bin nicht würdig,“ und deswegen noch einmal dieser dringende, dreimal – das ist der Ausdruck der Dringlichkeit – dreimal wiederholte Flehruf: „Ich bin nicht würdig, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund!“ In der lateinischen Sprache steht der Ausdruck „Sprich nur ein Wort“ im Ablativ, d.h. das ist ein ablativus instrumentalis: „Sprich nur durch ein Wort!“ Wenn der Herr spricht, dann handelt er nämlich. Sprich durch dein Wort, durch dein allmächtiges Wort, das mich reinigen und heiligen kann, und dann wird meine Seele gesund. Dasselbe tut er dann, wenn er das Blut Christi genießt und bittet um Bewahrung der Seele zum ewigen Leben.

Anschließend teilt er die heilige Kommunion an die Gläubigen aus. In der Messe Pius' V. wird vorher noch einmal eine nichtsakramentale Absolution vorgenommen. Das ist gar nicht überflüssig, auch wenn das von manchen als überflüssig erklärt wird, denn es unterscheidet sich die Teilnahme an der Messe, an deren Beginn wir das Confiteor beten, von der Teilnahme an der Kommunion, wo wir das Confiteor, das Schuldbekenntnis, noch einmal beten. Das sind zwei verschiedene Dinge. Das unterschiedslose Kommunizieren, das in der Nachkonzilszeit eingerissen ist, hat vielleicht auch hier seine Wurzel, daß man die beiden Vorgänge nicht mehr unterscheidet.

In vielen Gemeinden ist es im Gegensatz zu dem, was selbst die neue Messe vorsieht, eingerissen, daß der Priester zuerst den Gläubigen die Kommunion reicht und dann selber kommuniziert. Das ist ein Mißbrauch. Warum? Weil nur die Kommunion des Priesters zur Vollendung des Meßopfers führt. Der Priester muß, die Gläubigen können kommunizieren. Wenn der Priester nicht kommuniziert, ist das Meßopfer nicht vollständig. Wenn die Gläubigen nicht kommunizieren, ändert das an der Vollständigkeit des Meßopfers nichts. Und deswegen ist es ganz falsch, von einer Mahl-Ideologie ausgehend die Gäste, wie man sagt, zuerst bedienen zu wollen und dann sich selbst. Das ist ein theologisch völlig falsches Verständnis der Kommunion, ja der ganzen Messe. Aber der Mißbrauch ist weit verbreitet und geschieht unter den Augen der verantwortlichen Oberhirten. Der Gastgeber in der heiligen Messe ist nicht der Priester, sondern Gott. Der Priester ist ebenso geladener Gast wie die übrigen Gläubigen.

Nach der Kommunion betet der Priester noch einmal einen Vers aus der Tagesmesse, der zurückführt zu dem Glaubensgeheimnis des betreffenden Tages, und dann das Schlußgebet. Im Schlußgebet ist die Rede von den Gnadenfrüchten, die aus dem eucharistischen Opfer fließen sollen. Dabei geht die Gedankenverbindung wieder zu dem Festgeheimnis, zu den Vorbildern und Fürbitten der Heiligen.

Oft wird die heilige Kommunion im Schlußgebet als Arznei bezeichnet. Natürlich ist sie keine Arznei in erster Linie für den Körper, wohl aber eine Arznei für die Seele und darüberhinaus auch für den Körper. Wir dürfen, wenn wir dieses Wunderbrot empfangen, wenn wir den Leib des Herrn genießen, auch um Heilung für den Leib beten. Beten Sie, meine lieben Freunde, immer mit zwei schönen deutschen Ausdrücken, die das wiedergeben, nämlich beten Sie um Heiligung und Heilung! Heiligung bezieht sich auf die Seele, Heilung auf den Leib. Und dann haben wir tatsächlich diese Arznei richtig verstanden und in rechter Weise um ihre Wirkungen gefleht.

Es schließt sich die Entlassung oder besser die Entsendung an. „Ite, missa est“ – Geht, es ist Entlassung oder besser: Es ist Entsendung! Denn wir werden ja nicht fortgeschickt, sondern wir werden hinausgesandt, um das zu bewähren, was wir jetzt empfangen haben, und um das im Leben widerzuspiegeln, was in uns Wirklichkeit geworden ist, nämlich die Verbindung mit unserem Gott und Heiland. Wir sollen jetzt leben und wirken aus der Kraft dieses Opfers und aus der Kraft dieser Speise.

Im Alten Testament ist die Rede davon, daß Propheten von Gott wunderbar gespeist wurden und dann vierzig Tage in der Kraft dieser Speise wanderten. Ähnlich-unähnlich sollen wir in der Kraft dieser Speise hinausgehen, gesendet vom Altar als Boten, als Apostel unseres Königs.

Hier schließt sich noch einmal ein wunderbares Gebet an die Dreifaltigkeit an. Dieses Gebet ist deswegen so bedeutsam, weil darin der Sühnecharakter des Meßopfers deutlich zum Ausdruck kommt, denn der Priester fleht darum, an die Dreifaltigkeit gewendet: „Laß das Opfer, das ich Unwürdiger dargebracht habe, dir wohlgefällig sein und gib, daß es mir und allen, für die ich es darbrachte, zur Versöhnung gereicht!“ Das ist so wichtig – zur Versöhnung gereicht! Es soll zur Versöhnung werden, d.h. es soll als Sühneopfer von Gott angenommen werden zur Wiedergutmachung unserer zahllosen Sünden, Fehler und Nachlässigkeiten. Dieses Gebet ist in der neuen Messe ersatzlos gestrichen worden wie so vieles andere.

Der Priester gibt dann den Segen. Dieser Meßopfersegen ist der Abschluß der Feier. Der Priester gibt ihn den Gläubigen in seiner mittlerischen Funktion. Er hat eine vorzügliche Weihe und Kraft. Der Priester betet dann still an der Evangelienseite das Schlußevangelium. Das hat einen guten Sinn, denn im Schlußevangelium kommen die Worte vor: „Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des Eingeborenen vom Vater, voll der Gnade und Wahrheit.“ Das schreibt Johannes von dem irdischen Jesus. Da haben die Apostel und Jünger seine Herrlichkeit gesehen, voll der Gnade und Wahrheit. Aber wir haben sie auch erfahren, diese Herrlichkeit, und haben auch die Wahrheit und Gnade des Eingeborenen vom Vater erlebt, nämlich jetzt in der heiligen Messe. Jetzt haben wir seine Herrlichkeit gesehen, wenn auch verhüllt unter Zeichen, aber in Wirklichkeit und in Wahrhaftigkeit. Und deswegen ist es durchaus angemessen, dieses Schlußevangelium, das in der neuen Messe weggefallen ist, zu beten und in die Knie zu sinken, um noch einmal zu danken für das, was Gott uns geschenkt hat: seine Herrlichkeit in Wahrheit und Gnade.

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt