Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
4. April 1988

Der Osterglaube der Kirche (2)

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Der Prozeß Jesu war der größte Sensationsprozeß, der je in Israel geführt wurde. Er endete mit der Hinrichtung des Angeklagten. Die Affäre schien beendet. Da traten auf einmal die Jünger Jesu mit der unerhörten Kunde vor die Menschen: Der Angeklagte, der Verurteilte, der Hingerichtete ist von den Toten auferstanden. Das setzte das ganze Volk und den Hohen Rat in höchste Erregung; denn diese Verkündigung war eine ungeheuerliche Anklage gegen die Regierung des Volkes, nämlich die Anklage, die in ihrer Furchtbarkeit von einem Israeliten kaum auszudenken war, die Anklage des Messiasmordes.

Die Hohenpriester, die Schriftgelehrten, die Ältesten des Volkes waren selbstverständlich bedacht, diesen neuen „Schachzug“ der Jesuspartei auszumerzen. Sie mußten versuchen, die Verkündiger dieser Botschaft als Betrüger oder Verrückte hinzustellen. Das wäre sehr leicht gewesen, denn die Umstände waren nicht ungünstig. Die Ältesten, die Hohenpriester und die Schriftgelehrten hatten von Anfang an die Bedeutung der Leiche Jesu erkannt und deswegen Befehl gegeben, sie zu bewachen.

Es war auch insofern nicht schwer, den Gegenbeweis zu führen, als die Verkündigung von der Auferstehung Jesu am dritten Tage nach seiner Hinrichtung nicht auf endlose Zeiten oder auf andere Orte verschoben wurde. Wäre nach fünf Jahren in Korinth eine solche Botschaft aufgebracht worden, dann wäre es erheblich schwerer gewesen, sie zu widerlegen. Aber es hieß ja, das ungeheuere Ereignis sei am Orte des Geschehens und unmittelbar nach der Hinrichtung geschehen.

Die Obrigkeit der Juden hätte also nur eines zu tun brauchen, nämlich den Leichnam Jesu zu ergreifen, ihn in einem feierlichen Umzug durch Jerusalem zu führen oder auf Golgotha auszustellen, dann wäre diese Botschaft von der Auferstehung Jesu erledigt gewesen. Daß die Gegner Jesu davon ausgingen, daß Jesus nicht auferstanden war, ist selbstverständlich. Sie werden wahrscheinlich die Halluzinationshypothese vertreten haben, d.h. überreizte Gehirnzellen von Anhängern Jesu hätten subjektiv ehrlich gemeint, Jesus zu sehen, und aus diesem „Sehen“ die Botschaft von der Auferstehung begründet. Objektiv sei selbstverständlich nichts geschehen.

Aber wo war denn der Leichnam? Er war verschwunden. Um mit diesem Rätsel fertigzuwerden, erfanden die Gegner Jesu die Lüge: Die Jünger sind gekommen und haben den Leichnam gestohlen. Die Jünger, die in Furcht und Angst verharrten, die sich vor Angst und Furcht in einem Haus versteckten, die Jünger, die sind also auf einmal mutig geworden. Was ist von dieser Konstruktion zu halten? Nichts. Sie ist geradezu unsinnig. Dadurch, daß man einen Leichnam stiehlt und eine Lüge erfindet, wird man nicht mutig. Die Jünger haben eine Botschaft verkündet, in der alles Heiligkeit und Lauterkeit ist. Eine solche Botschaft kann nicht von Menschen stammen, die ihre Verkündigung auf einer Lüge aufbauen. Für eine Lüge geht man nicht in den Tod. Für eine Lüge nimmt man nicht das Martyrium auf sich.

Das ist also eine fadenscheinige Behauptung, die Jünger seien gekommen und hätten den Leichnam Jesu gestohlen. Aber wo ist der verschwundene Leichnam geblieben? Die Pharisäer konnten den Leichnam Jesu natürlich auch nicht haben. Die hätten Tausende von Silberlingen dafür gegeben, wenn sie seiner hätten habhaft werden können. Da bleibt nur noch die Ausflucht, ein Dritter, ein Unbeteiligter habe sich des Leichnams Jesu bemächtigt und ihn irgendwohin verbracht. Doch das ist schon deswegen unwahrscheinlich, weil kein Jude ohne Not einen Leichnam berührt, denn dadurch wird man unrein.

Außerdem beschäftigte ja die Auferstehung Jesu – und damit auch das Geschick der Leiche Jesu – vierzig Jahre lang die Juden. Vierzig Jahre lang kreiste ihr Denken und ihr Sinnen um diese unerhörte Tatsache. Derjenige, der etwa den Leichnam Jesu irgendwohin verbracht hätte, müßte davon erfahren haben, und er hätte keinen Grund gehabt zu verschweigen, daß er den Leichnam Jesu anderswohin gelegt hätte. Im Gegenteil, alles hätte dafür gesprochen; denn wäre man ihm auf die Spur gekommen, dann wäre er in bösen Verdacht geraten. Also der Verdacht, der Leichnam Jesu sei irgendwohin transportiert worden, ist eine windige Ausflucht, die sich bemüht, das Pendant zu der Auferstehung Jesu und zu den Erscheinungen zu beseitigen, nämlich das leere Grab.

Das leere Grab ist also doch von Bedeutung, im Gegensatz zu der Meinung, die heute von manchen sogenannten Theologen vertreten wird. Das leere Grab gehört zu der Auferstehung wie der Leichnam Jesu zu seinen Erscheinungen. Der verwandelte Leib Jesu ist den Jüngern erschienen, nicht ein anderer, wie wir gestern gesehen haben. Derselbe Jesus, der starb, der begraben wurde, der ist auferweckt worden und den Jüngern erschienen.

Noch dürftiger ist die sogenannte Scheintodhypothese. Nach dieser Meinung ist Jesus gar nicht am Kreuz gestorben, sondern er sei in einen Starrkrampf verfallen, man habe ihn abgenommen und ins Grab gelegt, und dort sei er wieder zu sich gekommen aus seiner tiefen Ohnmacht. In dieser Hypothese werden viele Dinge auf den Kopf gestellt. Zunächst einmal ist es ganz unwahrscheinlich, daß die Gegner Jesu ihn hätten vom Kreuze abnehmen lassen, wenn er nicht tot gewesen wäre. Wir erfahren ja aus den Evangelien, daß Pilatus sich eigens erkundigte, ob Jesus schon tot sei. Und wenn die Qualen und Schmerzen ihn nicht getötet hätten, dann wäre der Lanzenstich geeignet gewesen, sein Herz zu durchbohren. Also es ist ganz unwahrscheinlich, daß Jesus abgenommen worden wäre, wenn er nicht tot gewesen wäre. Und dann stelle man sich einmal vor, in welcher Verfassung dieser Mann war, wenn er nun wirklich nicht tot gewesen wäre. Die Stirn war zerrissen von der Dornenkrone, seine Hände und Füße waren durchbohrt und wahrscheinlich auch ausgerissen durch das stundenlange Hängen. Durch den Blutverlust war er ungeheuerlich geschwächt, der Rücken war zerfleischt von der Geißelung, die Seite vom Lanzenstich durchbohrt. Wenn dieser arme Mann hätte jemals aufkommen sollen, hätte es einer sorgfältigen Pflege von Monaten bedurft, und auch dann wäre er wahrscheinlich nur, von beiden Seiten gestützt, in der Lage gewesen, ein paar Schritte zu gehen. Dieser arme Invalide sollte der Sieger über Tod und Hölle sein? Dieser arme, gepeitschte Sklave sollte den Jüngern als der Siegesfürst erschienen sein?

Die Jünger müßten blödsinnig gewesen sein, wenn sie so etwas gemeint hätten. Und selbst wenn sie auf diesen irrsinnigen Gedanken gekommen wären, diesen zerrissenen Menschen als den Siegesfürsten zu verehren, hätte Jesus sie aufklären müssen. Hätte er es nicht getan und hätte er den Irrtum nicht berichtigt, dann wäre er ja ein Betrüger gewesen. Außerdem müßte man erklären, wo sich Jesus so lange aufgehalten hat; denn die Verkündigung von der Auferstehung rief die Juden auf, von Anfang an nach ihm zu fahnden, wo sich der Leichnam Jesu befindet.

Wir sehen, meine lieben Freunde, daß auch die Scheintodhypothese an so viel Unwahrscheinlichkeiten krankt, daß sie unbedenklich aufgegeben werden muß. Ist dagegen Jesus wahrhaft auferstanden, dann lösen sich alle Rätsel. Dann verstehen wir, wie eine Messias-bewegung entstehen konnte, die in Kürze das ganze römische Reich eroberte.

Wir wollen also am heutigen zweiten Osterfeiertag unseren Glauben an die Auferstehung, an die wahrhafte, leibhaftige Auferstehung unseres Herrn und Heilandes bekräftigen und ihm sagen: „Christus, erstanden wahrhaft vom Tod. Du Sieger, du König, sieh unsere Not!“

Amen.

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