Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
5. Juni 2017

Staunen und Spotten

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Spott und Staunen kennzeichnen die erste Begegnung der Kirche mit der Welt. Die Reaktion auf das Pfingstereignis hat in der Apostelgeschichte ihren unmittelbaren Niederschlag gefunden. Glaubensbereite Juden können sich vor Staunen nicht fassen und fragen ratlos: „Was mag das sein?“ Starr und staunend sagen sie: „Sind denn nicht alle, die da sprechen, Galiläer? Wie ist es möglich, dass jeder von uns sie in der Sprache, in der wir geboren wurden, reden hört?“ Sie staunten und priesen die Großtaten Gottes. Auf der anderen Seite stehen die Spötter und gießen ihren Hohn auf die Geistesoffenbarung in den Aposteln aus. Sie erklären sie kurzer Hand für betrunken: „Sie sind voll des süßen Weines.“ Petrus muss diese Missdeutung zurechtrücken und weist sie energisch ab: „Sie sind nicht, wie ihr annehmt, betrunken – es ist ja erst die dritte Stunde des Tages (es ist ja früh um 9 Uhr, da fängt man höchstens an, zu trinken) –, das ist die Wirkung der Verheißung, die Gott im Alten Bund gegeben hat, nämlich dass er seinen Geist ausgießen wird über alles Fleisch.“ Man darf sich, meine lieben Freunde, über diese unterschiedliche Reaktion auf das Wirken Gottes nicht wundern. Sie zeigt, dass das Göttliche sich nicht so eindeutig manifestiert, dass es widerspruchslos von allen angenommen wird. Es bleibt ein Spielraum, nämlich zwischen der Gnade Gottes und dem freien Willen der Menschen, es bleibt ein Spielraum zwischen der Offenbarungstat und der gläubigen Zustimmung. Das Heilsangebot Gottes steht, das Heilsgebot Gottes wird in einer wahrhaft frohen und überwältigenden Botschaft allen zugänglich gemacht. Aber nicht alle nehmen das Heilsangebot an. Nur ein Teil von ihnen ist bereit, sich dem Wehen des Geistes zu öffnen und in die Gemeinschaft mit dem Auferstandenen einzutreten. Wir Theologen nennen das die hinreichende Gnade. Es gibt eine Gnade Gottes, die zureicht, dass der Mensch zum Glauben kommt, wenn er sich ihr öffnet, aber die ihren Erfolg nicht bei allen erreicht wegen des Widerstandes des Menschen. Die Spötter blieben abseits. Ob sie sich überhaupt die Mühe gemacht haben, das Gesehene und Gehörte zu prüfen? Wir wollen ihnen zugutehalten, dass das Pfingstereignis tatsächlich ein außerordentliches Begebnis war und nicht von allen ohne Weiteres begriffen werden konnte. Auch die ekstatische Ergriffenheit der Apostel mag manchen vor den Kopf gestoßen haben, sie waren überrascht über das, was sich hier abspielte. Aber als die Apostel dann zum Volke sprachen, als sie eine Erklärung abgaben, als sie die Botschaft ausrichteten, da musste auch der zurückhaltendste Kritiker zugeben, dass er es hier mit Männern zu tun hatte, die ernst genommen werden mussten. Von diesem Augenblick an war für Spott kein Platz mehr. Denn diese Männer appellierten an die Vernunft, an das Denken und an die Glaubensfähigkeit der Zuhörer. Von jetzt an musste der Spott über das Auftreten der Apostel sich auf den Inhalt ihrer Predigt wenden, und er tat es. Auf seiner zweiten Missionsreise besuchte Paulus die antike Hauptstadt der Gelehrsamkeit, Athen, etwa im Jahre 50 n. Chr. Er predigte in der Synagoge den Juden und den Gottesfürchtigen und er predigte auf dem Markte allen, die zuhören wollten, täglich. Einige der Zuhörer veranlassten ihn, auf den Areopag zu steigen und dort seine Botschaft auszurichten. Hier hielt Paulus seine große Missionsrede für gebildete Heiden. Er sprach zu den Athenern, die viele Götter verehrten, von dem einen wahren Gott und von Christus, dem künftigen Richter der Menschen, den Gott beglaubigt hat durch die Auferweckung von den Toten. Als die Athener von der Auferstehung der Toten hörten, da spotteten die einen, und die anderen sagten: „Wir wollen dich ein andermal hören.“ Paulus erlebte einen totalen Misserfolg seiner Predigt.

Es ist eine Binsenwahrheit: Lächerlichkeit tötet. Offene Angriffe, brutale Verfolgungen, grausames Blutvergießen haben der Kirche wahrscheinlich weniger geschadet als der Hohn und der Spott ihrer Feinde. Wir haben es ja von Anfang an bei der christlichen Bewegung erlebt, wie der Spott sie umgab. Die römischen Soldaten zogen dem Heiland der Welt, dem verurteilten Jesus einen roten Mantel an, sie flochten eine Dornenkrone und setzten sie ihm aufs Haupt. Sie gaben ihm ein Rohr in die Hand, beugten die Knie vor ihm und sprachen: „Sei gegrüßt, König der Juden.“ Sie trieben ihren Spott mit ihm. Aber damit nicht genug. Als Christus am Kreuze hing, da lästerten ihn die Vorrübergehenden: „Ei, du wolltest den Tempel niederreißen und in drei Tagen wieder aufbauen, hilf dir selbst und steig herab vom Kreuze! Steig herab, dann wollen wir glauben.“ So höhnten sie und so verspotteten sie den Heiland der Welt. Dieser Spott ist der Kirche wahrhaft treu geblieben. Im Jahre 1856 wurde auf einem der Hügel in Rom, auf dem Palatin, in einer Wachstube, die man ausgegraben hat, eine Zeichnung aus der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts entdeckt. Sie stellte einen Gekreuzigten mit einem Eselskopf dar. Und vor diesem Gekreuzigten mit dem Eselskopf kniete ein Mann in anbetender Stellung, und da standen die Worte: „Alexamenos betet seinen Gott an.“ Der Christ Alexamenos wurde also verspottet wegen seines Glaubens an den gekreuzigten Herrn und Heiland. Wenige Jahre später grub man in einer benachbarten Kammer einen anderen Spruch aus, und der lautete: „Alexamenos fidelis, Alexamenos ist seinem Gott treu.“ Das war die Antwort auf den Spott.

Der Spott hat der Kirche in ihrer 2000-jährigen Geschichte nie gefehlt; er hält bis heute an und hat sogar eine nie dagewesene Dimension erreicht. In Kassel wurde eine Karikatur gezeigt, die Jesus am Kreuze darstellte. Aus dem Himmel kommt eine Sprechblase: „Ey… du… Ich habe deine Mutter gefickt.“ So verspottet man in Kassel den katholischen Glauben! Und in Mainz, im Mainzer Unterhaus, da wird gezeigt: Gott ist am Ende. Trüb sitzt einer in einer therapeutischen Praxis und erzählt einer Ärztin von seinem Leid. Mit dem Sex klappt es schon lange nicht mehr, sagt Gott. Also vor 2000 Jahren hatte ich einen One-Night-Stand mit einer gewissen Maria, und schauen Sie, was die Menschen daraus gemacht haben: eine ganze Religion. Gott schaut hinab auf die Erde, schaut auf Deutschland und es graust ihm. Ich glaube einfach nicht mehr an mich, ich glaube, ich bin Atheist geworden. Der Therapeutin bleibt keine Wahl: Gott muss abtreten, er wird zumindest für eine Weile krankgeschrieben. So spottet man in Mainz auf den katholischen Glauben! Spott und Hohn haben ihre Wurzel in der vermeintlichen Überlegenheit, die dann mit Gift und Galle wettgemacht werden soll. An dem Spötter prallt die Botschaft Christi ab. Den Panzer seines Hohnes vermag die Gnade nicht zu durchdringen. Niemals wird er seine Knie beugen vor dem, den sein Spott in den Staub getreten hat. Eher findet ein Hassender den Weg zur Liebe Christi als ein Spötter den Weg zum rückhaltlosen Glauben. Denn der Spötter will nicht klein sein, er will kein Kind sein vor Gott, er will sich nichts sagen lassen von Gott, er will sich nichts befehlen lassen von Gott. Kinder können staunen, der Spötter kann es nicht. Kinder können lieben und sich in ihrer Liebe verschwenden, der Spötter ist nur in sich selbst verliebt und unfähig und nicht bereit, seinen Standpunkt und seine Weltanschauung aufzugeben. Er kapituliert nicht vor Gott, aber gerade das wäre das Entscheidende, dass er seine Knie beugt. An jenem Pfingstmorgen in Jerusalem sind Dinge geschehen, an denen keiner achtlos vorrübergehen konnte. Gottes Geist ist über die Kirche ausgegossen worden, der erhöhte Herr hat seinen Beistand gesandt. Alles das war so unbegreiflich und neu, dass es jeden, der davon Kunde erhielt, zur Stellungnahme und Entscheidung herausforderte. Der Spott verbaute sich selbst den Zugang zum Licht des Glaubens. Das Staunen wurde für die Bereitwilligen das Tor zum Leben. Religiöser Sinn, meine lieben Freunde, ist immer im Staunen, irreligiöser Sinn hat nur Spott und Gelächter übrig. Gerade das, worauf der Spötter so stolz ist, fehlt ihm, nämlich die Freiheit von Vorurteilen. Seine Vorurteile hindern ihn, zum Glauben zu finden. Er hat sich sein Weltbild zurechtgemacht, und von dem geht er nicht ab. Er lässt es nicht zertrümmern von der Wirklichkeit des allmächtigen Gottes. Die von den Spöttern so verlachten und verspotteten einfachen Menschen bringen den klaren und vorurteilsfreien Blick mit, der sie vor allem dann nicht im Stich lässt, wenn es gilt, das außergewöhnliche Handeln Gottes zu erfassen. Und darum sagt der Heiland in seinem unvergleichlich schönen Lobpreis: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels, dass du dies vor den Weisen und Klugen verborgen, aber den Kleinen, den Unmündigen geoffenbart hast. Ja, Vater, so war es wohlgefällig vor dir.“ Die Heilige Schrift belehrt uns, wie Spötter einzuschätzen sind. In seinem 2. Brief schreibt Petrus: „Sie lästern, was sie nicht verstehen.“ Aber wir müssen hinzufügen: Sie verstehen nicht, weil sie nicht verstehen wollen. Die Heilige Schrift belehrt uns auch, was die Spötter erwartet. „Täuscht euch nicht, Gott lässt seiner nicht spotten“, nicht immer und für alle Zeit. Den Spöttern wird Gott selbst zum Spötter werden.

Amen.

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