Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
2. Oktober 2011

Den Sonntag heiligen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Der Sabbat war der heilige Tag des israelitischen Volkes. Die Ordnung Gottes bestimmt, dass ein Tag innerhalb von sieben Tagen der Heiligung, der Anbetung, der Verehrung Gottes vorbehalten ist. Wir halten nicht mehr den Sabbat, denn der Alte Bund ist vergangen. Eine Schulkollegin von mir, die zu den Adventisten gehört, meinte mich rügen zu müssen, weil wir katholischen Christen nicht den Sabbat, sondern den Sonntag halten. Ja, das muss  so sein, denn der Alte Bund hat ein Ende, und der Neue Bund ist gekommen. Der Neue Bund ist geheiligt durch die Auferstehung des Herrn an einem Sonntag. An einem Sonntag ward auch der Heilige Geist gesandt. Unser Erlösungswerk ist mit dem Sonntag untrennbar verknüpft. Deswegen ist der Sonntag der heilige Tag der Woche.

Die Heiligung des Sonntags ist uns von Gott aufgetragen. Der Sonntag ist der Tag Gottes. Die Kirche weiß ganz genau, was im alttestamentlichen Gesetz zeitbedingt ist, also wegfallen kann, was aber unveränderlich bewahrt werden muss. Dazu gehört die Heiligung eines von sieben Tagen in der Woche. „Den siebten Tag sollst du heiligen!“ Der Neue Bund ist mit neuem Inhalt gefüllt, und deswegen begehen wir an diesem Tag nicht so sehr die Vollendung der Schöpfung, sondern die Vollendung der Erlösung. Sonntagsheiligung ist Gottes Gebot, ist Gottesdienst. Wer den Sonntag heiligt, dient Gott; wer den Sonntag heiligt, ehrt Gott. Wer ihn nicht heiligt, entehrt Gott und dient ihm nicht.

Der Sonntag, meine lieben Freunde, schlägt die Tore der Welt für Gott auf. Der Sonntag verkündet Gottes Herrschaftsrecht. Der Sonntag ist Ausdruck unserer Gottgehörigkeit. Nicht Gott benötigt die Sonntagsheiligung, sondern wir, wir Menschen. Wie brauchen die Sonntagsheiligung. Wenn der Mensch nämlich nicht mehr Gott anbetet, dann betet er irdische Dinge an: das Geld, die Macht, die Lust, den Besitz, das Vergnügen. Der Mensch verkommt, wenn er keine Feierkleider mehr anzieht.

Die Heiligung des Sonntags ist für uns katholische Christen mit der Feier der heiligen Messe verbunden. Hier wird das Kreuzesopfer erneuert, gegenwärtig gesetzt, uns zugewandt. Hier ereignet sich eine Epiphanie von Golgotha. Höheres, Erhabeneres kann es nicht geben. Aber auch Notwendigeres, Dringenderes kann es nicht geben. Der katholische Christ kann ohne das Eingehen in das Opfer Christi nicht bestehen. Das religiöse Leben des katholischen Christen, der den Besuch der Sonntagsmesse aufgibt, geht unweigerlich den Bach hinunter. Ich habe noch keinen geistlich zugrunde gehen sehen, der regelmäßig die Sonntagsmesse besuchte. Aber ich habe Grund, um das Heil vieler besorgt zu sein, die Gott nicht am Sonntag die Ehre geben und den Besuch der Sonntagsmesse vermeiden. Die Kirche hat ein eigenes Gebot erlassen: „Du sollst jeden Sonntag eine heilige Messe andächtig mitfeiern!“ Ein heiliges Gebot, ein wichtiges, ein unerläßliches Gebot. Der Sonntag ist der Tag des Herrn.

Der Sonntag ist aber auch der Tag des Menschen. Der Mensch ist keine Maschine, sondern ein vernünftiges Wesen, ja ein Gotteskind. Er braucht eine Arbeitspause; er braucht eine Atempause, auch für die Seele. Und so ist die Sonntagsheiligung mit der Sonntagsruhe verbunden. Am Sonntag soll das Schaffen und Werken unterbrochen werden. Am Sonntag soll der Mensch sich regenerieren, erholen, neue Kräfte sammeln. Gott, der das Gebot der Sonntagsruhe gegeben hat, ist ein sozialer Gott. Er gönnt dem Menschen eine arbeitsfreie Zeit. Er will, dass er einhält mit der Arbeit. Das Sonntagsgebot ist der biblische Arbeitsschutz. Die Seele und der Leib brauchen diese Atempause, Man soll nicht allzu ängstlich sein, was die körperliche Arbeit angeht. Die Dinge, die erledigt werden müssen, kann man auch am Sonntag erledigen. Wir wissen, dass viele unserer Mitmenschen auch am Sonntag arbeiten müssen, um das Leben der Gemeinschaft aufrechtzuerhalten. Mein Vater war Eisenbahner, und er konnte ganz selten am Sonntag die heilige Messe nicht besuchen. Damals gab es ja noch keine Vorabendmesse und auch keine Abendmesse. Es gibt also Menschen, die am Sonntag notgedrungen die heilige Messe nicht besuchen können. Aber auch sie können und sollen am Sonntag den Tag heiligen durch Gebet, durch Lesung der Heiligen Schrift, durch Besuchung einer Kirche, wenn auch zu einer anderen Zeit als zur Gottesdienstzeit. Die Seele soll sich am Sonntag erfrischen in Gott, sie soll sich geistig kräftigen und erneuern.

Der Mensch, meine Freunde, hat immer gewußt, dass er mehr ist als der Leib. Der erste Mensch war genauso mit Geist ausgestattet wie wir, er hatte denselben Verstand und denselben Willen wie wir, und er hat gearbeitet und geruht. Er hat die Zeit einzuteilen verstanden. Er hat Stunden und Tage gehabt, an denen er sich Gott zuwandte. Auch wenn wir in den Gräbern nur noch Faustkeile entdecken, der Mensch war immer mehr als ein Erfinder von Werkzeugen. Seine Gebete konnte man nicht in seine Grabkammer legen.

Der Angriff auf den Sonntag ist ein Angriff auf den Menschen, auf sein körperliches und geistiges Wohlbefinden. In der Französischen Revolution hat man die Siebentagewoche und den Sonntag zu ersetzen versucht durch die Zehntagewoche und den Dekadi. Den zehnten Tag hat man als Feiertag auszeichnen wollen. Da wurden Reden gehalten, da wurden Hochzeiten geschlossen. Das französische Volk hat fast ohne Ausnahme diese Verkehrung abgelehnt, und so mußte am Schluß die Zehntagewoche mit dem Dekadi wieder aufgehoben werden.

Der Sonntag ist der Tag der Familie. An den Wochentagen sind die einzelnen Glieder der Familie oft auseinandergerissen. Die Arbeit führt den einen dahin, den anderen dorthin. Am Sonntag soll die Familie sich wieder zusammenfinden und soll ihre Einheit leben, bekräftigen, von neuem weihen durch gemeinsames Gebet, gemeinsamen Besuch des Gottesdienstes, gemeinsame Mahlzeiten, gemeinsame Gespräche. Am Sonntag sollen die Glieder der Familie füreinander Zeit haben, sollen sich füreinander Zeit nehmen, Besuche machen. Ich kenne Ehepaare, die an verschiedenen, weit auseinander liegenden Orten dem Broterwerb nachgehen. Notgedrungen sind sie die ganze Arbeitswoche über getrennt. Am Sonntag aber gestattet und gebietet Gott die Vereinigung, das Zusammenleben. Da sollen sie erfahren, dass sie zusammengehören und dass sie zusammenbleiben wollen, dass sie sich nicht einander entfremden und verlieren und vergessen dürfen. Der Sonntag ist der Tag der Familie.

Der Sonntag ist aber auch der Tag der Gesellschaft. An ihm legt die Gemeinschaft Zeugnis ab von ihrem Glauben an Gott, macht sie ein Bekenntnis, dass sie einen Gottesglauben hat und dass sie sich nach Gottes Geboten richtet. Es zeichnet alle Kulturen aus, meine lieben Freunde, dass die Menschen ihren Alltag in Festtage und Arbeitstage einteilen. Aus selbstgewählten Intervallen schaffen sie sich einen Rhythmus, auch einen Rhythmus der Gemeinschaft. Es hat Individualisten gegeben, die meinten, man könne es jedem selbst überlassen, wann er ruhen, wann er feiern wolle. O, meine Freunde, ohne solche gemeinsame, festgelegte Zeiten der Ruhe ist eine wahre Feier und eine wahre Rekreation nicht zu erreichen. Ohne Bindungen, ohne Sitten, ohne Ordnungen kommt der Mensch nicht aus. Es soll nicht nur das individuelle Verhalten geordnet werden, sondern auch das soziale Verhalten. Die Menschen sollen gemeinsam feiern, so wie sie gemeinsam arbeiten. Sie sollen gemeinsam Gott verehren, nicht nur allein im stillen Kämmerlein. Das ist der Irrglaube des Sozialismus: die Religion ist Privatsache. Nein, die Religion ist öffentliche Sache!

Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 bestimmte in Artikel 139: Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. Arbeitsruhe – seelische Erhebung. So hat die Verfassung damals in erbittertem Ringen gegen die atheistischen Kräfte in der Nationalversammlung festgelegt. Dieser Artikel gilt heute noch. Er ist durch Art. 140 des Grundgesetzes zu einem Bestandteil unserer jetzigen Verfassung geworden. Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. Arbeitsruhe und seelische Erhebung. Das ist die Anerkennung des biblischen Gebotes. Das ist Bejahung der Sonntagsheiligung. Das ist Freihalten der Gottesdienstzeit.

Es gibt ein schönes Sprichwort, das lautet: „Wie dein Sonntag, so dein Sterbetag,“ Wer den Sonntag immer heiliggehalten hat, der wird auch am Sterbetag heimkehren können zu Gott. Wie dein Sonntag, so dein Sterbetag. Wenn wir den irdischen Sonntag heiligen, dann werden wir auch in die ewige Sonntagsruhe des Himmels eingehen dürfen.

Amen.

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