Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
4. Januar 2009

Christus gestern, Christus heute, Christus in Ewigkeit

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Vor wenigen Tagen haben wir das neue Jahr begrüßt, und es ist von tiefer Bedeutung, dass die Kirche an den Beginn des neuen Jahres das Fest des Namens Jesu stellt. Im Namen Jesu sollen wir alles beginnen, im Namen Jesu alles durchführen und im Namen Jesu alles beschließen. Denn unsere Hilfe ist im Namen des Herrn, und es ist kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, in dem wir das Heil erlangen können. Jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden. Wir wollen deswegen am heutigen Fest des Namens Jesu nachsinnen, was es heißt, wenn der Apostel Paulus im Brief an die Hebräer schreibt: „Christus gestern, heute und in Ewigkeit.“

Christus gestern, heute und in Ewigkeit. Christus gestern, also auch im vergangenen Jahr. Wir alle wissen, wie viel Schweres über uns und andere Menschen in diesem vergangenen Jahr gekommen ist, wie wir dem Weinen manchmal näher waren als dem Lachen. Manchmal haben wir gedacht: Wenn es nur erst vorüber wäre, und gelegentlich ist uns der Gedanke gekommen: Es geht nicht mehr, ich schaffe es nicht mehr, ich halte es nicht mehr aus. Und dann haben wir es doch geschafft, wir haben es doch ausgehalten. Da war Gott mit im Spiele. Wir haben im vergangenen Jahr geklagt, wie wir in allen Jahren geklagt haben. Aber hat es nicht auch manches Gute gegeben in diesem Jahre? Wir haben gebetet in der Angst unseres Herzens, aber sind wir nicht auch erhört worden? Es gibt wenig Menschen, die zurückdenken. Vor einiger Zeit las ein Priester die heilige Messe, und da fiel ihm ein junger, schmächtiger Mann auf, der der Messe beiwohnte. Es traf sich, dass er nach der heiligen Messe mit ihm ins Gespräch kam. Er fragte ihn nach seinem Beruf. Der junge Mann erklärte, er sei seit 5 Jahren arbeitslos. Er habe mit seiner Familie Schweres durchgemacht. Der Priester wollte ihm ein Trostwort geben, aber der Mann wehrte ab: „Ach, wissen Sie“, sagte er, „anderen geht es noch schlimmer, und ich habe mich immer noch satt essen können.“ Dieses Wort hat der Priester nicht vergessen. Immer wenn er frohe Stunden hatte, dachte er an diesen Mann und sagte sich: „Andere haben es schlimmer.“ Und wenn er anfangen wollte zu klagen, da hörte er das Wort: „Ich habe mich immer noch satt essen können.“ Und das ist ja viel, denn Millionen und Abermillionen können sich nicht satt essen. Gestern ging die Meldung durch die Presse, daß ein Sechstel der Menschheit sich nicht einmal satt trinken kann. Ein Sechstel der Menschheit hat kein gutes Trinkwasser.

Der Herrgott überschüttet uns mit Wohltaten, aber wer dankt ihm? Im Gegenteil, die Menschen tun oft, als wären sie die Beleidigten, als wäre ihnen Gott etwas schuldig geblieben. „So viel ist er mir in den 12 Monaten schuldig geblieben!“ O, meine Freunde, was ist er uns schuldig geblieben? Wieso ist er uns schuldig geblieben? Weil wir Sorgen, Kummer, Ungemach, Unbill erlitten haben? Ja, wann hat uns denn Gott jemals ein angenehmes und leichtes Leben versprochen? Wie lauten die Verheißungen, die er uns gegeben hat? „Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ „Der Jünger ist nicht über dem Meister.“ „Haben sie mich verfolgt, dann werden sie auch euch verfolgen.“ Und als es zur Abschiedsstunde kam, in seinen Abschiedsreden, da sagte er: „In der Welt habt ihr Drangsal.“ Also das hat uns der Herr verheißen: „In der Welt habt ihr Drangsal.“

Was sind denn wir im vergangenen Jahr Gott schuldig geblieben? Haben wir wenigstens einen Fehler abgelegt? Haben wir eine Tugend dazugewonnen? Sind wir bessere, edlere, feinere Christen geworden? Schmücken wir mit unserer Persönlichkeit die Kirche? Ein englischer Konvertit hat einmal geschrieben: „Das ist Christus, mein Freund. Ich habe viel von ihm gehört, aber ich kümmerte mich nicht um ihn. Täglich erhielt ich seine Geschenke, aber niemals dankte ich ihm. Oft schien er meine Freundschaft zu wünschen, aber ich blieb kalt. Das ist Christus, mein Freund. Ich blieb ihm viel schuldig.“ Daran sollen wir denken, an das denken, meine Freunde, was wir unserem Herrn in der Vergangenheit, im vergangenen Jahr schuldig geblieben sind.

Christus gestern. Christus heute. Unser Heiland ist keine Gestalt der Vergangenheit. Er ist der Herr der Gegenwart. Er ist gewiß gestorben und begraben worden, aber er ist auch auferweckt worden. Der Tod konnte ihn nicht festhalten. Wir wissen, daß Christus nach seiner Auferstehung nicht mehr stirbt, dass der Tod über ihn fürder nicht herrschen wird. Er lebt. Er lebt in der Herrlichkeit des Vaters. Und er ist nicht untätig. Die Vergangenheit mit uns Menschen hat ihn nicht müde und mürbe gemacht, wie wir müde und mürbe werden, wenn wir erfolglos arbeiten. Christus ist auch nicht verzagt wegen des Undanks der Menschen, wie wir verzagt sind, wenn wir erleben, dass die Menschen unsere Guttaten mit Undank vergelten. Wie oft habe ich schon gehört: Es hat alles keinen Zweck, wir geben unsere Bemühungen um diesen Menschen, um diese Kinder auf. So verhält sich der Herr nicht. Er gibt seine Bemühungen um uns nicht auf. Er lebt, um als Fürbitter beim himmlischen Vater für uns einzutreten. Sein Mittlerdienst hört nicht auf. Er wird auch nicht unterbrochen und steht nicht auf Abruf. Er tritt immerfort für uns ein. Immer, meine lieben Freunde, wenn wir beten innerhalb und außerhalb der heiligen Messe: „durch Christus, unseren Herrn“, appellieren wir an seinen Mittlerdienst. Durch ihn soll unser Bitten, unser Flehen, aber auch unser Lob und unser Dank zum Vater im Himmel strömen.

Christus heute. Da müssen wir natürlich auch fragen: Wie findet uns das Heute? Ist Christus wirklich ganz in uns und mit uns? Leben wir im Stande der heiligmachenden Gnade? Das ist eine Frage, die uns durch Mark und Bein gehen muss. Die ganze Fülle der Gnade und der Vorsehung ergießt sich eigentlich nur auf den, der im Stande der Gnade ist. Warum? Weil nur er die Türen offen hält für das Eintreten Gottes, weil er nur allein imstande ist, die Gnade aufzunehmen, so dass der Herr wirklich sie in uns hineinschütten kann. Gott ist gut gegen alle Menschen, aber besonders gegen die, die im Stande der Gnade sind. Fragen wir also: Gehören wir Gott? Gehören wir der Vorsehung? Auf einem Kreuze las ich einmal die Inschrift: „Das tat ich für dich! Was tust du für mich?“ Diese Frage muss in unserem Herzen brennen. Sie darf uns keine Ruhe lassen. Was tun wir für ihn? Was tun wir für seine Ziele, für sein Reich? Was tun wir in diesem Jahre? Im Buch von der Nachfolge Christi steht der ergreifende Satz: „Jene arbeiten geschäftiger an ihrem Verderben als du an deinem ewigen Heil.“ Ist es nicht so? Jene arbeiten geschäftiger an ihrem Verderben als du an deinem ewigen Heil.

Christus gestern, Christus heute, Christus in Ewigkeit. Wir wissen nicht, was das Jahr 2009 in seinem Verlaufe bringen wird. Es läßt sich ja unsicher an. Wir denken an die Finanzkrise, an die Wirtschafskrise, an die Immobilienkrise, an die Arbeitsplatzkrise. Dunkle Schatten stehen auf und machen uns Sorgen. Aber freilich, die größte Sorge ist nicht, ob unsere Männer und Frauen Arbeit haben. Die größte Sorge ist, dass Millionen in Gefahr stehen, den Glauben zu verlieren. Es ist so wie in der Nachkriegszeit, wo ich oft gehört habe, dass die Menschen sagten: „Wie kann Gott das zulassen?“ Meine lieben Freunde, darüber wollen wir ein wenig nachsinnen. Wie kann Gott das zulassen? Bedenken wir: Gott läßt zu, dass Menschen ihn leugnen; Gott läßt zu, dass Menschen sich nicht um ihn kümmern; Gott läßt zu, dass Menschen ihn verspotten; Gott läßt zu, dass Menschen seine Gebote mißachten. Aber niemand fragt: Wie kann Gott das zulassen? Er hat seines eigenen Sohnes nicht geschont, sondern ihn für uns alle hingegeben. Er, der Wohltaten spendend durch die Lande ging, wurde ans Kreuz geschlagen. Diejenigen, die seine Wohltaten empfange hatten, riefen: „Kreuzige ihn! Kreuzige ihn!“  Wenn Gott das zulassen kann, weshalb wundern wir uns, dass er zuläßt, dass Arbeitslosigkeit und Hungersnot entstehen? Warum soll Gott nicht zulassen, was die Menschen zu verantworten haben? Wer ruft denn die Krisen in der Welt herbei? Wer hat denn die Bankenkrise und die Wirtschaftskrise zu verantworten, Gott oder die Menschen? Und wollen die Menschen nicht die Wirtschaft und die Politik nach ihrem Gutdünken gestalten? Gott läßt es zu, er läßt sie ihre Wege gehen. Würden sie sich nicht heftig wehren, wenn Gott dauernd eingreifen würde, wenn sie ihre Bilanzaktionen und Transaktionen planen? Sie wollen doch frei sein. Sie wollen doch tun, was sie auf der Universität und in ihrem bösen Herzen gelernt haben. Wenn Gott die Menschen nicht hindert, Gewinne zu machen, warum sollte er sie hindern, Verluste zu erleiden? Gott läßt zu, dass die Menschen ihren Vergnügungen gegen seinen Willen nachgehen. Wie würden sie ihn anklagen, wenn er sie hindern würde, Unzucht zu treiben, Steuern zu hinterziehen, schludrige Arbeit zu leisten? Dass dann die Folgen für ihr Verhalten eintreten, ist folgerichtig. Die Menschen tragen Verantwortung für ihr Tun und Lassen. Gott kann und will sie ihnen nicht abnehmen. Die Menschen müssen für ihre Sünden bezahlen mit Aids und Herzinfarkt, mit gerichtlichen Anklagen und Verurteilungen, mit Zusammenbrüchen und Unfällen. Warum sollte Gott nicht zulassen, dass die Menschen die Wirkung ihrer eigenen Taten spüren? Wie sollen sie denn zur Besinnung kommen, wenn Gott verhindert, dass sie erfahren, was sie angerichtet haben? Und noch eines. Ich höre die Anklagen gegen Gott, aber, meine lieben Freunde, haben sie einen Sinn und einen Zweck? Was wird denn besser, wenn wir Gott anklagen? Welchen Nutzen hat es, Gott zu beschuldigen? Wird nicht dadurch alles noch schlimmer? Gilt nicht das Wort aus der Nachfolge Christi: „Wenn du dein Kreuz unwillig trägst, legst du auf dein Kreuz ein zweites Kreuz, machst die Bürde noch einmal so schwer und wirst sie doch tragen müssen.“ Wenn du dein Kreuz unwillig trägst, so legst du auf dein Kreuz ein zweites Kreuz, machst die Bürde noch einmal so schwer und wirst sie am Ende doch tragen müssen.

Vor einiger Zeit sagte mir ein junger Freund: „Kann man denn von den Menschen in ihrer Not verlangen, dass sie an Gott glauben? Ist es überhaupt noch möglich, dass sie glauben?“ Ob es möglich ist, meine lieben Freunde? Wollen wir den Herrgott nur dann lieben, wenn wir satt gegessen haben? Wollen wir nur dann an ihn glauben, wenn wir aufstehen vom Mahle, ihn nur lieben wegen des warmen Rockes und des guten Essens? Ich kann Ihnen eine kleine Geschichte erzählen, keine erfundene, sondern eine wahre Geschichte. Ein Vater hatte drei Söhne, und er begab sich immer wieder in Abständen zu ihnen, und in den Taschen hatte er immer etwas mitgebracht. So wurde er freudig und jubelnd begrüßt. Aber einmal dachte er: Ich will einmal sehen, wie sie mich aufnehmen, wenn ich mit leeren Händen komme. Er ging also zu dem ersten Sohn. Die Kinder stürmten heran und suchten in seinen Taschen, fanden nichts und waren enttäuscht. Ebenso erging es ihm bei dem zweiten Sohn. Beim dritten Sohn aber nahm man ihn voll Freude auf und fragte nicht: Was hast du mitgebracht, sondern sagte: Gut, dass du gekommen bist. Da wurde es dem Vater warm ums Herz. So ähnlich verhalten wir uns gegenüber dem Herrgott wie der erste und der zweite Sohn. Wir suchen nicht ihn, sondern seine Gaben. Wer jetzt die Liebe aufsagt, der hat ihn nie geliebt.

Noch einmal zitiere ich aus dem Buch der Nachfolge Christi: „Die Liebe fühlt keine Last. Die Liebe scheut keine Arbeit.“ Das muss man sich oft vorsagen, wenn man die Last fühlt, wenn man die Arbeit scheut. Da habe ich ja keine Liebe. Die Liebe fühlt keine Last, die Liebe scheut keine Arbeit. Irgendwo lebte ein Priester, ein frommer Priester. Er hatte einen Spruch, der ihm immer half: „Mit Jesus zu zweit.“ Er sagte: „Ich bin nie allein. Ob ich glücklich bin oder unglücklich, wir sind immer zwei. Mit Jesus zu zweit. In der Arbeit, im Leid, im Gebet, mit Jesus zu zweit.“ Und auf diese Weise ist er gestorben, mit Jesus zu zweit.

Das sollten auch wir im neuen Jahr uns angewöhnen. Wir sind nicht allein. Jesus ist bei uns. Mit Jesus zu zweit ins neue Jahr. Unsere Väter haben das Jahr – jedes Jahr – als annus Domini, als Jahr des Herrn bezeichnet. Und so haben wir es ja an unsere Häuser geschrieben. Und auch das Jahr 2009 ist ein Jahr des Herrn. Mit Jesus zu zweit sei der Anfang; mit Jesus zu zweit sei jede Stunde; mit Jesus zu zweit wollen wir gehen bis zum Ende.

Amen.

 

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