Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
26. Oktober 2008

Die Welt – Werk und Abbild Gottes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zum Königsfest unseres Herrn Versammelte!

Ein ständiges Rätsel bleibt für die Menschen das Verhältnis von Welt und Religion, von Welt und Kirche, von Natur und Übernatur, von Christentum und Leben. Der große Papst Benedikt XV., also jener Papst, der während des Ersten Weltkrieges die Kirche regierte, hat damals geschrieben: „Die Kirche verfügt über eine wunderbare Kraft, nicht nur die Menschen für ihr ewiges Heil zu verbinden, sondern auch zur Wohlfahrt dieses Lebens, indem sie die Menschen durch die zeitlichen Güter so hindurchgeleitet, dass sie die ewigen nicht verlieren.“

Die erste Frage, die wir uns stellen, heißt: Was ist es um den Wert der Welt in sich? Da hört man die mannigfaltigsten Antworten. Die einen vergötzen die Welt, die anderen verdammen sie. Die sie vergötzen, das sind jene, die auf der Sonnenseite des Lebens stehen und die das Leid der Welt offenbar nicht berührt hat. Die sie verdammen, das sind viel mehr. Das sind diejenigen, die leidvolle Erfahrungen mit der Welt gemacht haben, die die Welt als schlecht, als in sich schlecht sehen. Und solche Leute hat es immer gegeben. Schon im Anfang des Christentums entstand die Sekte der Manichäer, die sagten: Die Welt ist von einem bösen Gott geschaffen. Der gute Gott hat mit ihr nichts zu tun. Dieser Irrlehre hat sogar der heilige Augustinus in seiner vorchristlichen Zeit angehangen. Und Luther war ja nicht weit entfernt von dieser Meinung. Auch er war der Ansicht nach all den Erlebnissen, die er gehabt hat in seiner eigenen Seele und in der Umwelt, am prunkvollen Hofe in Rom: Die Welt ist schlecht, die Sünde hat sie verderbt, auch die Erlösung ändert nichts daran. Sie deckt nur die Sünde zu mit dem Mantel erbarmender Liebe. Innerlich bleibt der Mensch schlecht. Dieser Tage las ich in einem Roman. Da lässt der Autor eine hochgestellte Persönlichkeit sprechen: „75 Prozent der Menschheit sind dämlich und zugleich auch noch bösartig, die restlichen 25 Prozent sind sich nie miteinander einig.“

Diese Urteile über die Welt kann die Kirche nicht teilen. Die Kirche sagt: Die Welt ist Gottes Werk und darum gut. Wie sie aus der Hand des Schöpfers hervorging, war sie gut geschaffen. Er ist der große Künstler, der große Baumeister des Alls. In all den Dingen soll seine Schönheit ausstrahlen. In Psalm 18 heißt es: „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre.“ Das heißt, aus der Schönheit, aus der Harmonie, aus der Ordnung der Welt kann man den Schöpfer erkennen. Die Welt ist ein Abbild Gottes, wenn auch ein Abbild, das mehr unähnlich als ähnlich ist, aber immerhin ein schwaches Abbild Gottes. Die Welt hat Anteil an Gottes Sein, das ist ihr Glück, und das ist ihre Güte.

Freilich ist sie beschränkt. Sie ist ja nicht das Gute selbst. Man kann keine letzten Forderungen an sie stellen. Man darf sie nicht in sündiger Begier missbrauchen. Die Weltdinge dürfen nicht Ziel unseres Lebens sein; sie müssen Mittel unseres Lebens sein. Wer die Dinge dieser Welt, das eigene Ich, den Leib, die Leibespflege, die Leidenschaft, Geld und Gut, Wissen und Kunst, Nation und Staat vergötzt, gegen den schlägt die Welt aus. Die Welt wehrt sich gegen ihren Missbrauch. „Du hast es befohlen, o Gott, und so ist es, dass seine Strafe sich selbst ist jeder ungeordnete Geist.“ Deswegen kann es den Dingen der Welt gegenüber nur die Haltung geben, die die Kirche immer vertreten hat und immer vertreten wird, nämlich: Wir müssen die innere Gesetzmäßigkeit der Welt aufspüren, die Gott in sie gelegt hat. Vom Sein gehen Befehle aus. Jawohl, so ist es. Und wir müssen den Dingen der Welt gegenüber die innere Freiheit bewahren, die Gelassenheit. Wir müssen über den Dingen stehen. Das ist die erste Wahrheit. Die Welt ist gut aus Gottes Hand hervorgegangen.

Und eine zweite muss hinzugefügt werden: Gott hat die Welt sogar über sich hinaus erhoben. In jeder heiligen Messe, also in wenigen Minuten wieder, beten wir: „Gott, du hast den Menschen wunderbar erschaffen und noch wunderbarer erneuert.“ Hier wird der Zweistufenplan Gottes gewissermaßen vor uns ausgebreitet. Die Welt ist gut geschaffen, aber Gott hat noch etwas hinzugefügt: Er hat sich in diese Welt hineinbegeben, er hat sein göttliches Leben in die Welt hineingesenkt. In der Seele des Menschen sollte seine Gnade leben, das übernatürliche Leben. Der Mensch sollte nicht nur Geschöpf, er sollte auch Gottes Kind sein. Das war die Gnade des Urstandes im Anfang der Menschengeschichte. Eine übernatürliche Kraft sollte den Verstand des Menschen erleuchten, eine übernatürliche Kraft sollte seinen Willen stählen, und aus dieser übernatürlichen Ausrüstung sollte der Mensch die Welt gestalten, sollte er über die Erdendinge verfügen, sollte er sie nach Gottes Willen gebrauchen.

Aber da müssen wir gleich die dritte Wahrheit anfügen: „Es geht ein allgemeines Weinen, soweit die stillen Sterne scheinen, durch alle Fasern der Natur.“ Und woher kommt dieses Weinen? Es kommt aus der Sünde, aus der Ursünde des Menschen. Der erste Mensch wusste um den Willen Gottes, aber er hat ihn nicht bewahrt. „Der Baum war köstlich zum Speisen“, so schildert es die Genesis im ersten Buch der Schrift in einer kindlichen Weise, wie man es eben Menschen einfacher Lebensart schildern muss. „Der Baum war köstlich zum Speisen.“ Er wusste, dass der Wille Gottes entgegenstand, und er wusste, dass er das wunderbare Band zwischen Gott und Mensch war, aber er ergab sich dem Genuß, und so wurde er, und so wurden alle seine Nachkommen des Gewandes der Unschuld, der Gotteskindschaft beraubt. Und seitdem gilt das furchtbare Wort: „Es geht ein allgemeines Weinen, soweit die stillen Sterne scheinen, durch alle Fasern der Natur.“ Aus dem Paradies der Wonne wurde er vertrieben und in das Jammertal des Elends gestürzt.

Dieses Elend hat sich dann auf seine Nachkommen ausgebreitet. Wir spüren es jeden Tag. Was macht das Leben so schwer, meine lieben Freunde? In der Familie, in der Nachbarschaft, auf der Arbeitsstätte, im Geschäftsleben? Ist es nicht immer wieder irgendeine Form der Sünde: Selbstsucht, Neid, Lüge, Betrug, Haß, Zorn, Geiz? Und das bleibt ja nicht auf den Kreis der Familie beschränkt. Das breitet sich aus. Wir stehen heute unfaßlich und fassungslos vor einer weltweiten Finanzkrise. Ja, wie konnte es dazu kommen? Wie ist es möglich, dass die bayerische Landesbank 6 ½ Milliarden Euro benötigt, um ihre Kunden zu befriedigen? Wie ist das möglich? Die Sünde macht elend die Völker. Alles Unglück liegt letztlich begründet in der Gottferne, in der Gottentfremdung. Sünde und Elend stehen in einer furchtbaren Wechselwirkung. Aus dem Bruch mit Gott entsteht die Gesetzlosigkeit der Welt, der Zusammenbruch, das Chaos.

Aber dabei dürfen wir nicht stehen bleiben. Wir müssen eine vierte Wahrheit hinzufügen, nämlich: Es gibt eine Erlösung. Die Welt ist erlösungsbedürftig, und sie ist erlösungsfähig. Und da geschieht das Unerhörte: Gott steigt in diese Welt hinab. Das macht unsere Religion, meine lieben Freunde, überlegen über jede andere. Ich bin immer entsetzt, wenn ich höre, wie die Kinder mir erzählen, in der Schule werden der Mohammedanismus besprochen und der Buddhismus und der Shintoismus und der Darwinismus. Ja zum Donnerwetter: Wir haben eine Religion, die über alle anderen überlegen ist. Es gibt keine zweite Religion, die von einem Gott begründet ist. Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns sein Zelt aufgeschlagen. Gott ist in dieser Welt hinabgestiegen. Der ewige Lebenskreis des dreieinigen Gottes wogt jetzt in die Welt hinein, und diese Welle schlägt weiter. Alle, die an ihn glauben, erhalten die Macht, Kinder Gottes zu werden, und sie werden zusammengefaßt in einem Leib, den man Kirche nennt. Er ist das Haupt dieses Leibes. Lehrend, führend, erlösend führt die Kirche das große Erlösungswerk Christi fort, zunächst indem sie das Sündenelend im einzelnen Menschen bannt. Das ist die erste Aufgabe der Kirche, den Einzelmenschen von seiner Schuld zu erlösen und mit Gott zu verbinden. Das tut sie mit der Gnade. Und die Gnade ist eine Macht, meine lieben Freunde. Ich lasse mir das nicht ausreden, dass die Gnade nicht bloß ein deckendes Gewand ist, sondern formendes Leben. Ich kenne Menschen, die in der Gnade eine wunderbare Formung erfahren haben. Ich kenne sie. Die Gnade dringt in die Tiefe der Seelen ein und gestaltet den Menschen um.

Nicht umsonst spricht der Apostel Paulus von der „neuen Schöpfung“. Jawohl, von der neuen Schöpfung. Kainä ktisis, griechisch. Dass die Seele also veredelt wird, dass der Verstand erleuchtet wird, dass der Wille neue Kraft erhält und dass dieses Neue im Menschen fortwirkt, dass der neue Christenmensch auch die Welt neu gestaltet. Das ist es, was immer mehr das Reich Christi in Gerechtigkeit und Liebe entstehen läßt.

Das ist ja der Sinn des heutigen Festes, des Christkönigsfestes. Christus soll König sein. Er soll König sein über die ganze Welt. Freilich ist sein Königtum angefochten, umkämpft. Immer noch muss die Kirche gegen die Front des Satans aufstehen. Die Grünen in Bayern verlangen die Entfernung der Kreuze aus den Schulen. Die Kirche kann nicht anders. Sie muss das Königtum Christi verkünden. Christus will Herr sein überall, nicht nur in stillen Tabernakeln und nicht nur in frommen Christenherzen. Nein, auch in den Familien will er leben, in der Wissenschaft, in der Kunst, auf den Stätten der Arbeit und in der Wirtschaft. In den Parlamenten und in den Regrungen soll sein Gesetz gelten. Er soll den Vorsitz überall haben. Christus will König sein. Und wir haben seinen Anspruch zu verkünden und nach seinem Gesetz zu leben.

Vor einiger Zeit schrieb ein Konvertit, also ein Mann, der zum katholischen Glauben gefunden hat, den Satz: „Ich bin katholisch geworden, weil ich der Überzeugung bin, dass heute die Kirche allein die bedrohte Zivilisation retten kann.“ Ich bin katholisch geworden, weil ich der Überzeugung bin, dass heute die Kirche allein die bedrohte Zivilisation retten kann. Und wie wirkt die Kirche diese Rettung? Zunächst einmal, indem sie den Einzelnen heiligt, indem sie das Erlösunsgwerk in der einzelnen Seele vollbringt, indem sie den Menschen Christus eingliedert. Dadurch wird der Mensch vergöttlicht, dadurch wird ein Stück Welt vergöttlicht, dadurch wird die Macht der Sünde zurückgedrängt. Und dann setzt sie mit ihren erlösten Gliedern die Erlösungstat Christi in der Welt fort in all den Gebeten, die sie emporsendet, in allen Arbeiten und Leiden ihrer Glieder. Unaufhörlich bringt die Kirche auf den Altären das große Erlösungsopfer dar, damit es die Welt überflutet und das kostbare Blut Christi die Welt erlöst.

Vor Jahrzehnten hat einmal die große Dichterin Gertrud von Le Fort den ergreifenden Satz über die Kirche geschrieben: „Um deinetwillen lassen die Himmel den Erdball nicht fallen. Alle, die dich lästern, leben nur von dir.“ Um deinetwillen lassen die Himmel den Erdball nicht fallen. Alle, die dich lästern, leben nur von dir. Jawohl, so ist es. Aber die Kirche soll und darf nicht bloß im Kirchenraum die Erlösung verkünden. Sie muss das Gesetz Gottes auch hinaustragen, damit es das Leben gestalte. Sie muss die Gesetzmäßigkeit der Dinge den Menschen unterbreiten. Zu viel wird unterschlagen vom Gesetze Gottes. Zu viel wird verheimlicht. Zu viel wird verdeckt. In den grundlegenden Fragen des Lebens wüten heute Irrtum und Leidenschaft. In einem Stadtteil von Los Angeles in den USA mit 40.000 Einwohnern sind 40 Prozent der Männer schwul, homosexuell. 40 Prozent der Männer homosexuell. Und das britische Unterhaus hat in diesen Tagen ein Gesetz gebilligt, wonach es erlaubt ist, menschliches und tierisches Erbgut zusammenzubringen, um Chimären zu erzeugen.

Die Kirche verkündet den Willen Gottes. Sie wird geschmäht, sie wird gelästert, sie wird beiseite gedrängt. Aber, meine lieben Freunde, die Gesetze Gottes müssen stehen bleiben, wenn die Welt einen heilsamen Verlauf nehmen will. Sie fallen ja auch uns schwer. Wir wollen keine Pharisäer sein. Wir wissen, wie wir vor dem Anspruch Gottes zurückbleiben. Wir wissen es, leidvoll, schmerzvoll, reuevoll. Aber noch einmal: Die Gesetze müssen stehen bleiben, auch wenn wir daran schuldig werden. Der Wille des Schöpfers muss geachtet werden. Wer die Gesetze der Schöpfungsordnung missachtet, gegen den schlägt die Schöpfungsordnung unweigerlich aus.

Das ist die katholische Haltung: Willig sich dem Gesetze beugen, reuevoll das eigene Versagen eingestehen, über den Dingen stehen in dem frohen Bewusstsein, dass mein Lebensglück letztlich über den Dingen gelagert ist. Aber auch in den Dingen stehen und sie in der Weise behandeln, wie der Schöpfer es will: als Miterlöser, als Helfer, als Arbeiter daran, dass auch in den Dingen der Welt das Ebenbild Gottes immer mehr erstrahle, Gott zur Ehre und uns zum Heile.

Amen.

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