Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
12. Oktober 2008

Petrus, der Fels – „Weide meine Schafe!“

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Vor 2000 Jahren wanderte der Herr am Gestade des Sees Genesareth. Er hatte den Auftrag vom Vater bekommen, ein neues Volk und ein neues Reich zu gründen, denn das alte Volk, das Judenvolk, versagte sich ihm. Das neue Reich benötigte neue Menschen. Und als der Herr so dahinwanderte, sah er zwei von ihnen, die ihm geeignet dünkten. Es waren Johannes und Andreas. Andreas führte ihm auch seinen Bruder zu mit Namen Simon. Der Herr fasste ihn ins Auge, und dann sprach er ihn an: „Du sollst Kephas heißen.“ Kephas, das ist der aramäische Ausdruck für das deutsche Wort „Fels“. „Du sollst Fels heißen“, Petrus lateinisch. Wem der Herr einen neuen Namen gibt, dem gibt er auch eine neue Aufgabe. Der Herr weiß, dass Name nicht Schall und Rauch ist, sondern dass Name etwas vom Wesen des Menschen ausdrückt. Und wenn Simon jetzt künftig Kephas, Petrus, Fels heißen soll, dann ist damit ausgedrückt, dass er eine neue Aufgabe, eine neue Funktion erhält, dass mit seinem Namen ein Programm verbunden ist.

Über das Galiläische Meer, wie man ja den See Genesareth auch nannte, fährt ein Fischernachen, und Menschenscharen am Ufer schauen zu, auch erfahrene Fischer. Ja, wie kann man jetzt, zur Tageszeit, hinausfahren, um Fische zu fangen? Fischfang ist eine Sache der Nacht. Im Schiff aber sitzt Kephas, Petrus, Simon. Er ist gehorsam: „Herr, auf dein Wort hin will ich das Netz auswerfen.“ Und er fängt eine so große Menge Fische, dass er seine Gefährten herbeirufen muss, damit sie die Menge der Fische auch bergen können. Dieses Erlebnis erschüttert Petrus. Er sinkt auf die Knie: „Herr, geh weg von mir; ich bin ein sündiger Mensch!“ Diese tiefe Demut belohnt der Herr: „Simon, fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen.“ Er bestellt ihn zum Mitarbeiter an seinem Werke. Vor dem Heilandsauge schwindet das Ufer des Sees, weitet sich das Galiläische Meer zum Weltmeer. Ungezählte Menschenfische sind darin. Und für diese Menschenfische braucht er Fischer; und deswegen sagt er zu Petrus: „Von nun an sollst du Menschern fischen.“ Der See wird ihm zu einem Sinnbild der Kirche, die er stiften will. Und zu Petrus gesellt er andere, die mit ihm in die Arbeit eintreten sollen. Er schult sie für ihr Amt. Aber immer wird klar, und immer ist eines sicher: Simon Petrus ist der Erste unter ihnen. Er ist der Sprecher in entscheidenden Stunden.

Als der Herr seine Weissagung macht, dass er ein Brot geben werde, das sein Fleisch ist, und viele Jünger ihn verlassen, da ist Petrus der Sprecher der Jüngerschar: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du, du allein hast Worte des ewigen Lebens.“ Unter den Zwölfen wird einer erwählt, damit er die Einheit unter ihnen gewährleisten soll. Es ist Simon Petrus, der Felsenmann. Und diese seine Funktion behauptet er bei Cäsarea Philippi. Da fragt der Herr seine Jünger: „Für wen halten die Leute, die anderen Menschen, den Menschensohn?“ Und dann kommen diese kläglichen Antworten: „Die einen für Johannes den Täufer (der dann eben auferstanden sein muss), andere für Elias (der dann eben wiedergekommen sein muss) oder für Jeremias oder irgendeinen der Propheten.“ Diese enttäuschenden Antworten veranlassen den Herrn, zu fragen: „Ihr aber, ihr, die ihr herausgehoben seid aus den übrigen Menschen, für wen haltet ihr mich?“ Und wiederum tritt Petrus in seine Führerrolle ein und spricht: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Diese Kenntnis ist Petrus geworden durch eine Offenbarung. „Nicht Fleisch und Blut“, also nicht menschliche Mittel, „haben dir das geoffenbart, sondern mein Vater, der im Himmel ist.“ Petrus ist Offenbarungsträger. Aber nicht nur das. Er wird auch vom Herrn seliggepriesen. „Selig bist du, Simon, Sohn des Johannes.“ Und dann kommt die dreifache Verheißung, die auf Petrus gehäuft wird: „Du bist der Fels, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen.“

Fels ist ein Standort, der unerschütterlich ist. Fels besagt, dass ein Bau errichtet wird, der nicht vom Sturm weggefegt wird und den Wassermassen nicht zerreißen. Fels bedeutet die Unerschütterlichkeit einer Gründung. Ein neuer Bau muss stehen, denn der alte stürzt, aber dieser Bau wird nicht auf Sand errichtet, sondern auf Fels. Die Nichtkatholiken haben sich bemüht, dieses Wort zu entschärfen. Man hat alle möglichen Erklärungen erfunden. Nicht Petrus sei gemeint, sondern eben sein Glaube. Aber der Herr sagt ja nicht: Sein Glaube ist der Fels, sondern: „Du, du persönlich, du bist der Fels.“

Aber damit nicht genug. „Dir will ich die Schlüssel des Himmelreiches geben.“ Das Himmelreich ist ja das große Werk, das der Herr bauen will, das Reich Gottes, das auf diese Erde kommt und in dem die Kirche den Anfang bildet. Die Schlüssel geben die Gewalt über dieses Reich. Schlüsselträger ist nicht ein Pförtner, Schlüsselträger ist der Hausherr. Ihm sind die Schlüssel anvertraut und damit der Einlaß und der Ausschluß. Petrus wird zum Hausherrn dieses neuen Baues gemacht.

Und immer noch nicht genug. „Alles, was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöset sein. Alles, was du auf Erden binden wirst, wird auch im Himmel gebunden sein.“ Die Ausdrücke binden und lösen waren den damaligen Menschen vertraut. Binden heißt jemanden unter Zwang stellen, heißt jemandem ein bestimmtes Gebot geben. Binden heißt ihn auf bestimmte Vorschriften verpflichten. Wer die Bindegewalt hat, der vermag Gesetze aufzustellen und von ihnen zu dispensieren. Er vermag Strafen auszusprechen, denn das ist auch eine Bindung, aber er vermag auch von Strafen loszusprechen.

Das ist also die dreifache Sendung, die Petrus in Cäsarea Philippi zuteil wurde. Das ist die Stiftungsurkunde des Papsttums. Ich sagte schon, man hat daran gerüttelt, diese Worte anders zu deuten, um nicht auf dem Felsen Petrus stehen zu müssen. Aber alle diese Versuche scheitern an dem klaren Wortlaut des Textes, den der Herr gesprochen hat. Aus diesen Worten wird unausweichlich klar: Wer nicht auf dem Felsen Petri steht, ist nicht im Hause Christi, gehört nicht seiner Kirche an. Das sei all denen gesagt, die – manchmal sehr wohlmeinend – die Nichtkatholiken auch zur Kirche Christi im vollen Sinne rechnen wollen. Das ist nicht möglich. Wer nicht zum Papste steht, kann nicht Glied der katholischen Kirche sein.

Hoch hat der Herr den Simon gestellt, hoch hat er ihn erhoben. Aber Petrus wurde stolz. Er überhob sich. Es war am Gründonnerstag-Abend. Der Herr sprach von seiner Verfolgung: „Heute Nacht werdet ihr alle an mir irre werden.“ Da empört sich Petrus, da begehrt er auf: „Wenn auch alle an dir irre werden, ich nicht! Und wenn ich mit dir sterben müsste, ich würde es tun.“ Petrus ist stolz geworden, und Petrus muss gedemütigt werden. Und der Herr lässt zu, dass er gedemütigt wird: „Ich sage dir, Petrus, der Hahn wird nicht krähen, bis du dreimal geleugnet hast, mich zu kennen.“ Und wie der Herr es vorausgesagt hat, so ist es geschehen. „Der war auch bei Jesus, dem Nazarener“, sagt eine Frau. „Weib, ich kenne ihn nicht!“ Petrus musste gedemütigt werden. Einen Stolzen kann Christus als Papst nicht brauchen.

Petrus dachte nach diesem Fall vielleicht nicht mehr daran, dass ihm die verheißene Würde zuteil werden würde. Die anderen mochten raten, wer der Führer seines Reiches werden sollte. Und da war es nach der Auferstehung des Herrn in der Morgenfrühe wiederum am See von Tiberias, dass der Herr seine Jünger um sich versammelt. „Simon, Sohn des Johannes“, so spricht er ihn an. Feierlich, gespannt schauen alle auf den Herrn und auf Petrus. Und dann die Frage: „Liebst du mich mehr als diese?“ Was soll er antworten? Im Abendmahlssaal, da hätte er gesagt: „Ja, ich liebe dich mehr als diese.“ Aber das traut er sich nicht mehr zu sagen. „Ja, Herr“, so stammelt er, „du weißt, dass ich dich liebe.“ Und dreimal dieselbe Frage, und dreimal dieselbe Antwort, und dann die entscheidende Erfüllung: „Weide meine Lämmer! Weide meine Schafe!“ Er soll der Hirt, er soll der Oberhirt sein, er soll der oberste Hirt sein. Ihm ist die Lenkung der Herde Jesu anvertraut. Nur Gottes Geist, meine lieben Freunde, kommt auf den Gedanken, das Schwache zu erwählen, um damit andere zu bestärken. Nur Gottes Hand kann über einem wankenden Grundstein ein ewiges Gebäude aufrichten.

Das war des Heilands letztes Wort in der Papstfrage. Seitdem wissen wir: Im römischen Bischof, im Papst, ruht die Autorität Christi, ruht die Einheit und die Wahrheit der Kirche. Es mögen Völker von allen Seiten kommen und in die Kirche eintreten, ihr Aufbau, ihre Einrichtung bleibt, wie der Herr es gewollt hat. Es mögen Bistümer erstehen, volkreich, manchmal – allzu selten – manchmal mit hervorragenden Bischöfen an ihrer Spitze, überragend an Geist und Größe. Wenn sie nicht dem Papst Gefolgschaft leisten, gehören sie nicht zur Kirche Christi. Eine einzige Herde soll sein. Darum setzt der Herr Petrus ein zum Bischof der Bischöfe, zum Hirten der Hirten, zum oberen, nein, zum obersten Hirten.

Das Erste Vatikanische Konzil, diese große Kirchenversammlung von 1870, hat diesen biblischen Befund in Begriffe zu fassen gewusst. Mit Recht; denn wir müssen die Bilder ja deuten, wir müssen sie umsetzen in Begriffe, damit wir uns darüber klar werden, was in diesen Bildern enthalten ist. Und das Erste Vatikanische Konzil hat gesagt, dass Petrus den übrigen Aposteln vorgesetzt wurde als das beständige Prinzip und das sichtbare Fundament der Einheit. Das sind die entscheidenden Begriffe: das beständige Prinzip und das sichtbare Fundament der Einheit. Was ist ein Prinzip? Ein Prinzip ist ein Anfang, ein Ursprung, ein Grund. Ein Prinzip ist dasjenige, woraus etwas wirklich wird. Wenn Petrus – wenn der Papst – das Prinzip ist, das Prinzip der Einheit, dann ergibt sich daraus, dass es seine ständige Aufgabe und Vollmacht ist, diese Einheit zu schaffen. Andere, auch Bischöfe, mögen vom Pluralismus faseln und die Spaltung betreiben: Petrus, der Papst, erhält die Einheit. Er ist ihr Prinzip. Und das Fundament? Das ist die Grundlage, das ist die Basis. Jeder, der ein Haus baut, weiß, dass man ein Fundament schaffen muss. Das Fundament ist der Bestandteil des Bauwerks, auf dem das übrige ruht. In Petrus, im Papst, ruht die Einheit der Kirche. Mögen noch so viele Bischöfe meutern, mögen sie der Beliebigkeit das Wort reden: In Petrus, dem Papst, ist die Einheit gegründet. Er ist ihr Fundament.

Auch diese Funktion hat der Herr vorausgesagt. Im Abendmahlssaal noch wandte er sich zu Petrus: „Simon, Simon, der Satan hat verlangt, euch zu sieben, wie man den Weizen siebt. Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht wanke. Und wenn du dich dereinst zurückgefunden hast, stärke deine Brüder!“ Genau das tut Petrus, tut der Papst: Er stärkt seine Brüder. Ach, meine Freunde, ohne den Papst würde der Glaube in unserer Kirche längst verunklart und verunreinigt sein. Das tun die Päpste seit 2000 Jahren: Sie stärken ihre Brüder, sie erhalten sie in der Wahrheit. Denn in ihm, im Papst, ruht die Lehrgewalt der Kirche. Der Geist des Irrtums kann sie nicht überwältigen, solange der Garant der Wahrheit steht, der Fels Petri, der Fels der Wahrheit. Der Papst hat die höchste Lehrautorität, ja er ist, wenn er ex cathedra spricht, also mit letztgültiger Vollmacht, er ist unfehlbar! In ihm verdichtet, sammelt sich die Unfehlbarkeit, die der Kirche eignet. In einem gewissen Sinne ist der Papst die Kirche, weil er ihr Haupt ist, ihr Fundament und ihr Prinzip.

Die Wahrheit, meine lieben Freunde, kann nicht immerfort gesucht werden. Man muss sie auch einmal finden. Man muss sie auch einmal festhalten. Die Suche muss einmal zum Ziele führen. Es muss ein letztes Wort in der Kirche geben, und dieses letzte Wort spricht Petrus, spricht der Papst. Wo Petrus ist, da ist die Kirche. Und wo die Kirche ist, da ist nicht der Tod, da ist das ewige Leben.

Amen.

 

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