Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
17. Februar 2008

Der verklärte Herr im Sakrament

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie der Schnee. Kein Wunder, dass die Jünger diese Tabor-Herrlichkeit festhalten wollten, indem sie zum Bau von Hütten schreiten wollten. Die Tabor-Herrlichkeit ist vergangen, aber was an ihr wesentlich war, nämlich die Gegenwart des verklärten Herrn, ist geblieben, ist geblieben im Gezelt unserer Tabernakel. Der Herr hat tatsächlich sein Zelt – und Tabernakel heißt ja „Zelt“ – unter uns aufgeschlagen und will bei uns wohnen. Wir suchen den Altar, wir sehen die strahlende Monstranz, und wir erblicken die kleine weiße Hostie. Der Glaube sagt uns: Gott und Mensch ist hier. So wie der Herr in der Seligkeit des Himmels lebt und wirkt, so wie dort seine heiligen Wunden strahlen, so ist es auch in unseren Tabernakeln in der Gegenwart des Herrn in der heiligen Hostie. Unser geistiges Auge, unser Glaubensauge schaut ihn hier im Sakrament. Hier weilt derselbe, der Mensch wurde und für uns am Kreuz verblutete, um uns zu retten. Seine Liebe lebt hier weiter mit unverminderter Kraft, mit unverkürztem Arm. Und so singt das gläubige Volk: „Preiset, Lippen, das Geheimnis dieses Leibs voll Herrlichkeit und des unschätzbaren Blutes, das zum Heil der Welt geweiht, Jesus Christus hat vergossen, er, der aller Welt gebeut.“

Die Kirche hat immer um das Geheimnis der Gegenwart Christi gewusst, und sie hat stets mit wechselnden Formen versucht, es den Gläubigen nahezubringen. Ursprünglich hat man das Allerheiligste in Gefäßen aus Elfenbein, Silber oder Gold aufbewahrt. Später, als die Kirche frei wurde, als sie aus den Katakomben stieg, hat man das Allerheiligste in der Gestalt einer Taube über dem Altar aufgehängt. Da wurde der Herr, da wurde der Herrenleib geborgen. Man setzte sie auch im heiligen Grab unter dem Altare bei. Schließlich hat man Wandnischen geschaffen in den Wänden der Kirche, wo man das Allerheiligste barg, und daraus entwickelten sich die wunderbaren Sakramentshäuschen, die freistehend das kostbarste Gut bargen, welches die Kirche ihr eigen nennt. Schließlich hat man den Tabernakel errichtet, auf den Altar gestellt, und das Barock hat wunderbare Girlanden, Baldachine und Kronen – denken Sie nur an die Augustinerkirche in Mainz – über diesen Tabernakel gestellt, um zu zeigen: Hier wohnt der König der Könige.

Die christlichen Dome sind nicht zu erklären, wenn man sie nur als Versammlungsstätten der gottesdienstlichen Gemeinde ansieht. Nein, diese Dome haben einen weit höheren Zweck. Sie wollen ein Haus, ein würdiges Haus für den sein, der in Brotsgestalt unter uns gegenwärtig ist. Deswegen konnten sie nicht hoch genug, nicht weit genug sein, viel mehr Platz bieten, als Menschen waren. Aber es ging ja eben gar nicht darum, nur Menschen zu versammeln, es ging darum, den in der Brotsgestalt gegenwärtigen Gott zu ehren, ihn zu preisen. Und die Kirche hat auch die anderen Künste in den Dienst des Allerheiligsten, unseres Herrn, gestellt. Denken wir nur an die Meisterwerke der Tonkunst, die die hohen Dome durchhallen. Wer kennt nicht das Ave verum von Mozart oder die 14 Meßkompositionen von Joseph Haydn? Wer kennt nicht die Missa Solemnis von Ludwig van Beethoven? Und auch andere Künste wurden in den Dienst der Gegenwart unseres Herrn gestellt. Die kostbarsten Stoffe hat man verwendet, um Mäntelchen zu erzeugen, die um den Speisekelch gelegt wurden. Die Sage vom heiligen Gral hat den Herrn und seine Gegenwart verherrlicht. Unter dem Gral stellte sich das Mittelalter die Schale vor, die der Herr beim Abendmahl, beim Letzten Abendmahl, benutzt hatte, und in die Joseph von Arimatäa das Blut des verblutenden Heilandes aufgefangen hat. Das ist die Sage vom heiligen Gral.

Die katholische Religion kennt nichts Kostbareres als den Herrenleib, als den Fronleichnam. Als der große Papst Leo XIII. zum Sterben kam, da hat er noch eine Enzyklika geschrieben über das allerheiligste Sakrament. „Das ist mein innigster Wunsch“, schreibt er in dieser Enzyklika, „bevor ich dahinscheide, dass alle Herzen entzündet werden in Dankbarkeit und Ehrfurcht gegen das heilige Sakrament.“ Im 19. Jahrhundert lebte ein geschichtsforscher, Albert von Ruville. Dieser protestantische Gelehrte äußerte vor seiner Konversion das heiße Verlangen: „Ich möchte der Kirche angehören, in der Jesus Christus am höchsten verehrt wird.“ Und da wurde er katholisch.

Vor einiger Zeit, es ist schon eine Reihe von Jahren her, war in einer katholischen Kirche eine Volksmission. Am Abend war die feierliche Andacht mit Aussetzung des Allerheiligsten und Beichtgelegenheit. Nachdem die Andacht vorüber war, ging der Priester noch einmal durch die Kirche, und da sah er in der letzten Bank einen Herrn knien. Er fragte ihn: „Möchten Sie noch beichten?“ „Nein“, sagte er „beichten kann ich nicht. Ich bin der evangelische Superintendent.“ Aber dann fügte er hinzu unter Tränen: „Dass man uns den genommen hat!“ Er meinte damit den Herrn im Sakrament. „Dass man uns den genommen hat!“ Ein anderer evangelischer Theologe, Lavater, hat einmal das schöne Wort gesagt: „Könnte ich an die Gegenwart Christi im Sakrament glauben, ich würde mich vor Anbetung nicht mehr von den Knien erheben.“ Aber er konnte es nicht glauben, denn sein Glaube war durch Zwingli und Calvin geprägt.

Gewiß, dieser Glaube ist schwer, wir stehen vor einer unsagbaren Großtat Gottes. Es ist nicht Menschenwerk, es ist Gottes Tat. Wenn wir die Möglichkeiten durchdenken, die Gott gehabt hätte, um uns seiner dauernden Gegenwart zu versichern, meine lieben Freunde, ich glaube, wir kommen immer wieder zu dem Ergebnis: So wie er es gemacht hat, ist es richtig, ist es das einzig Mögliche, ist es das wahrhaft Göttliche. Dass er uns in Brotsgestalt nahe sein wollte, das ist seine göttliche Tat. Sie haben vielleicht einmal von der Stadt Skutari gehört in Albanien. Dort leben Mohammedaner, hauptsächlich Mohammedaner mit Christen zusammen. Eines Tages fragt ein Mohammedaner einen christlichen Jungen: „Wie kannst du nur glauben, dass dein Christus in der Hostie gleichzeitig zu jedem Christen kommen kann?“ Einen Augenblick stand der Junge verblüfft, dann warf er den Kopf zurück: „Sage mir, wie viele Fenster gibt es in Skutari?“ „Meinst du, ich habe sie gezählt?“ entgegnete der Mohammedaner. „Und wie viele Sonnen gibt es?“ „Eine einzige.“ „Gut“, schloß der Junge, „wenn eine einzige Sonne so viele Fenster, wie es in Skutari gibt, erhellen kann, dann kann auch mein Heiland, der allmächtige Gott, zu einem jeden Christen ins Herz kommen.“

Wegen dieser Gegenwart des Herrn sind unsere katholischen Kirchen nicht nur Versammlungsorte für den sonntäglichen Gottesdienst, nein, unsere christlichen, unsere katholischen Kirchen sind Heimstätten für jeden Tag, und deswegen sollten sie auch jeden Tag offen stehen. Man kann auch in protestantischen Kirchen sich sammeln und andächtig sein und sich zu Gott erheben. Aber man kann in protestantischen Kirchen nicht den Heiland finden, der im Tabernakel gegenwärtig ist. Und deswegen ist es notwendig und vom Kirchenrecht vorgeschrieben, dass jede Kirche täglich geöffnet ist, geöffnet ist für die, die dort beten wollen und die der Herr zu sich ruft. In den letzten Jahren ist der Unfug eingerissen, auch katholische Kirchen geschlossen zu halten. Man sagt, es könnte etwas gestohlen werden. In der Tat ist es möglich, dass Vandalismus einreißt. Und tatsächlich ist ja allerhand vorgekommen; man hat Beichtstühle als Bedürfnisanstalten benutzt. Aber gegen diese Mißbräuche gibt es Mittel. Wenn Sie die herrlichen Barockkirchen in Bayern besuchen, da sehen Sie, dass sie immer geöffnet sind, aber freilich im hinteren Teil ist ein Gitter angebracht, an dem man niederknien und beten kann, anbeten kann. Die Kirche selbst aber ist zur Besichtigung nur zu bestimmten Stunden geöffnet. Das ist eine Möglichkeit, die Kirchen offenzuhalten zum Gebet, zum einladenden Gebet vor dem Herrn. Aber es gibt auch noch eine andere Möglichkeit. In meiner Heimat war ein eifriger Pfarrer, der hatte in seiner Kirche die Tabernakelehrenwache eingerichtet. Was ist die Tabernakelehrenwache? Er hatte die Gläubigen seiner Pfarrei aufgerufen, sich zu melden. Ein jeder möge eine Stunde in der Woche übernehmen, in der er in der Kirche anwesend ist und vor dem Herrn betet und auf diese Weise auch den erforderlichen Wachdienst leistet. Das haben die Gläubigen angenommen und getan. Zu jeder Stunde war ein Glied der Gemeinde anwesend und betete für die Anliegen der Gemeinde. Meine Großmutter am Montag von 9 bis 10 Uhr, ich weiß es noch ganz genau.

Die Kirche hat für die Anbetung besondere Einrichtungen getroffen. Ich erwähne nur die „Heilige Stunde“. Im Jahre 1674 hatte Margareta Maria Allacoque eine Vision. Der Heiland sprach zu ihr: „Jede Nacht von Donnerstag auf Freitag werde ich dich teilnehmen lassen an der Todesangst im Ölgarten.“ Daraus entstand die Übung der „Heiligen Stunde“, und sie ist in vielen Pfarreien eingeführt worden. Am Donnerstagabend vor dem Herz-Jesu-Freitag, da wird in Gemeinschaft mit dem Herrn am Ölberg vor dem Allerheiligsten gebetet. Und in dieser „Heiligen Stunde“ und in den anderen Stunden, die wir vor dem Allerheiligsten knien, da haben wir ja so viel zu tun, meine lieben Freunde, da haben wir zu beten um das eigene Wohlergehen. Das dürfen wir. Das sollen wir. Wir dürfen für unser Wohl und Wehe beten. Denn wir haben die Pflicht der Eigenliebe, der gesunden, der normalen, der von Gott gewünschten und befohlenen Eigenliebe. Wir gehen zum Guten Hirten, auf dass er uns bewahre und führe. Wir haben aber auch zu beten für unsere Wohltäter. Wir dürfen nie vergessen, von wie vielen Menschen wir leben, von der Güte, von der Geduld, von der Nachsicht so vieler Menschen, von denen wir leben. Und für die sollen wir beten. Es ist ein wunderbarer Gedanke, dass wir unsichtbar und ohne Wissen der anderen ihnen Wohltaten durch das Gebet verschaffen können. Dazu dient die Besuchung des Allerheiligsten. Wir sollen sodann beten für die Anliegen der Leidenden in der ganzen Welt. Kein Leid der Kranken, der Sterbenden, der Behinderten, der Ratlosen, der Hilflosen, der Zweifelnden und Verzweifelten, der Irrenden und der Suchenden, kein Leid soll uns fremd sein. Wir sollen diese Menschen in unser Herz nehmen und sie dem Herrn im Tabernakel vortragen. Und schließlich noch eine letzte Intention: Wir dürfen unsere Verstorbenen nicht vergessen. Beten wir für sie, die sich selbst nicht mehr helfen können, aber denen wir durch unser Gebet Hilfe bringen können. „Lieber Heiland, sei so gut, lasse doch dein teures Blut in das Fegefeuer fließen, wo die Armen Seelen büßen. Ach, sie leiden große Pein; wollest ihnen gnädig sein!“

Der Gedanke, und da ist auch eine wichtige Anregung, an unsere reiche Begabung, an den Reichtum, den Gott uns geschenkt hat, sollte uns zur Dankbarkeit ermutigen. Wir haben so viel an Wahrheit und Gnade empfangen, dass wir verpflichtet sind, Gott zu danken. Gott hat uns auch in unserem natürlichen Leben immer wieder geführt, gerettet, beschützt und seine Hilfe gezeigt. Er hat uns seinen Willen geoffenbart; er hat uns seine Gebote gegeben. Das ist ein ganz besonderer Grund, um dankbar zu sein. Dankbarkeit sollen wir auch dem Herrn im Tabernakel erweisen. „Nie kann ich danken dir genug. Es soll dir danken jeder Atemzug. Es soll dir danken jeder Herzensschlag, bis zu dem letzten Schlag am Letzten Tag.“

Wenn wir also unsere Kirchen betreten, von denen wir wissen, der Herr ist anwesend, dann soll das in großer Ehrerbietung geschehen. Im Hause Gottes ist heiliges Verhalten gefordert; da wohnt die höchste Majestät, der König der Könige. Hier sollen wir unseren Schritt mäßigen, hier sollen wir uns nicht darum bekümmern, wer noch anwesend ist und ob wir von allen auch gesehen werden. Nein, hier sollen wir ehrerbietig und gesammelt und eingezogen uns verhalten. Innere und äußere Ehrerbietung sind unbedingt erforderlich. Wo die Ehrfurcht fällt, da fällt bald der Glaube hinterher. Unser lieber Heiliger Vater hat nicht umsonst wiederholt gesagt: „Die Krise der Kirche ist hervorgegangen aus der Krise des Gottesdienstes.“ Und er hat recht. Wir müssen deswegen mit Sorge sehen, wie sich manche heute im Gotteshaus verhalten, wie das eingerissen ist, das Schwätzen und Erzählen, das Lachen und das Klatschen und andere Dinge. Sie gehören in den Konzertsaal, aber nicht in die Kirche!

Der edle König Ludwig IX. von Frankreich, der heilige, hat einst einen Kreuzzug geführt. Aber auf dem Kreuzzug wurde er gefangen genommen, und er musste ein riesiges Lösegeld versprechen, um wieder freigelassen zu werden. Der Sultan, der die hohe Loskaufsumme bestimmt hatte, wollte sich ihrer Entrichtung versichern, indem er sagte: „Ich begehre eine konsekrierte Hostie zum Pfand.“ Er begehrte eine konsekrierte Hostie zum Pfand. Er hatte nämlich beobachtet, wie die Christen vor der Hostie niederknien und wie der König selbst einer Messe beiwohnte, in Ehrfurcht vor dem allerheiligsten Sakrament in die Knie sank, und daraus schloß er mit Recht, dass die Eucharistie, dass der Leib des Herrn das höchste Gut der Christen sein müsse.

Erinnern wir uns, meine lieben Freunde: Der Herr ist im Tabernakel gegenwärtig. Besuchen wir ihn. Er wartet auf uns. Es ist ein schmerzliches Warten. Lassen wir ihn nicht umsonst warten! Eilen wir zu ihm, lassen wir keine Gelegenheit unbenützt, in eine Kirche einzutreten, an der wir vorbeigehen, und beten wir vor ihm: „In Demut bet ich dich, verborgen Gottheit, an, die du den Schleier hier des Brotes umgetan. Mein Herz, das ganz anschauend sich in dich versenkt, sei ganz dir untertan, sei ganz dir hingeschenkt!“

Amen.

 

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