Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
8. Januar 2006

Epiphanie – Ein Fest des Glaubens

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Das Fest, das wir dieser Tage feiern, wird im Volksmund das Fest der Heiligen Drei Könige genannt. Aber diese Bezeichnung ist nicht treffend; denn das Fest, das wir begangen haben, ist ein Fest Gottes; es ist ein Fest Jesu. Es ist das Fest der Erscheinung des Herrn. An Weihnachten haben wir das sichtbare Erscheinen Gottes in einem Menschen gefeiert. Am Fest der Erscheinung des Herrn feiern wir das Hervortreten seiner Gottheit. Das Fest Erscheinung des Herrn ist also eine Ergänzung zu Weihnachten, ein Voll-Weihnachten, eine Art zusätzliche Bestimmung zu Weihnachten. Weihnachten und Erscheinung des Herrn gehören zusammen. Hat sich Gott an Weihnachten als wahrer Mensch geoffenbart, so offenbart er sich jetzt als wahrer Gott, und zwar durch drei Ereignisse, einmal durch das Erscheinen der Magier aus dem Osten, bei dem Krippenkind, sodann durch die Taufe Jesu im Jordan, wo sich der Himmel öffnete und eine Stimme sprach: „Dieser ist mein geliebter Sohn“, und durch das erste Wunder, das Jesus bei der Hochzeit zu Kana wirkte. „Sie erkannten seine Herrlichkeit“, heißt es da, „und sie glaubten an ihn.“

Es ist also das Fest der Erscheinung des Herrn die Erfüllung der Weissagung des Propheten Isaias: „Werde Licht, Jerusalem, denn siehe, es kommt dein Licht, und strahlend geht auf über dir die Herrlichkeit des Herrn. Die Völker sitzen in Dunkel und Finsternis, aber über dir geht strahlend auf der Herr. Dann wirst du schauen und staunen, wenn zu dir kommt die Fülle des Meeres, wenn Dromedare und Kamele dich überfluten.“ Hier wird also ausgesagt, dass der Herr der Weltherrscher ist, dem alles unterworfen ist, und dem alle Knie sich beugen müssen. Wenn Gott erscheint, um zu erlösen, dann erscheint er, um die ganze Welt zu erlösen, nicht nur ein Volk, sondern alle Völker. So ist das Fest der Erscheinung des Herrn im eigentlichen Sinne ein Fest des Glaubens, und zwar der Glaubensgnade, der Glaubensbewährung und des Glaubenslohnes.

Das Fest der Erscheinung des Herrn ist ein Fest der Glaubensgnade. Es ist eine eigenartige Kunde, mit der diese fremden Männer in Jerusalem nach dem neugeborenen König fragen: „Wir haben seinen Stern gesehen.“ Um dieses Wort zu verstehen, muss man in die Geschichte zurückschauen. Die Juden waren ja ein halbes Jahrtausend vor der Ankunft Jesu in die babylonische Gefangenschaft geführt worden. Die Babylonier lernten durch die Juden auch deren Glauben kennen. Sie lernten auch ihre Messiashoffnung kennen. Und unter dem, was die Juden in dieser siebzigjährigen Gefangenschaft in Babylonien hinterließen, war die Überzeugung, dass einmal ein Stern die Geburt des großen Königs anzeigen werde. Das war die Weissagung des Balaam: „Ein Stern geht auf in Jakob, aus Israel erhebt sich ein Zepter.“ Diese Weissagung haben die Babylonier, haben einige von ihnen, haben die Weisen, die nach Bethlehem und nach Jerusalem eilten, nicht vergessen. Und sie haben tatsächlich eines Tages einen rätselhaften Stern gesehen. Die Gelehrten haben viel darüber nachgedacht, was für ein Stern das gewesen sein könnte, eine neue Sternerscheinung oder ein Zusammentreffen der Planeten Jupiter und Mars im Sternbild der Fische. Jedenfalls die größten Astronomen wie Galilei und andere haben an einen Wunderstern geglaubt. „Wir haben seinen Stern gesehen.“ So haben die Weisen aus dem Morgenlande gesagt. Und sie haben dieser Stern zum Anlaß genommen, sich auf die Reise zu begeben. Das war die große Glaubensgnade, die ihnen geschenkt ward. Meine lieben Freunde, wenn wir das übersetzen in unser Leben, dann müssen wir sagen: Die große Glaubensgnade unseres Lebens ist es, dass wir die Offenbarung empfangen haben, dass wir in die Kirche aufgenommen wurden, dass wir Jesus Christus kennen. Das ist die große Glaubensgnade, die wir empfangen haben. Das ist der Stern, der uns leuchtet. Er darf nicht untergehen, und er darf sich nicht verdunkeln.

Zu der Glaubensgnade kam die Glaubensbewährung. Die Weisen sind dem Stern gefolgt, gewiß, aber sie wurden mehrfach auf die Probe gestellt. Zunächst einmal durch die monatelange Reise, vielleicht von Persien aus oder vom Irak aus, wir wissen es ja nicht genau, wo ihre Heimat war; das Morgenland ist weit, durch Wüsten, wo Stürme sind, wo Trockenheit herrscht. Aber der Blick zum Stern ließ sie alles ertragen. Doch dann kam die zweite Probe: Der Stern verschwand; sie sahen ihn nicht mehr. Sie waren unbeirrt; sie gingen weiter auf dem Wege. Sie wussten, wenn das Königskind geboren wird, dann kann es nur in Jerusalem sein. So zogen sie getrosten Mutes weiter. Aber als sie nach Jerusalem kamen, erlebten sie eine neue Glaubensprobe. Sie meinten, die ganze Stadt sei in freudiger Erregung, weil eben das Königskind geboren wurde. Aber in Jerusalem war Alltag. Niemand kümmerte sich um den Stern, und niemand wusste etwas von dem neugeborenen König. Ja nicht nur das. Als sie selbst mit ihrer Kunde hervortreten: „Wir haben seinen Stern gesehen und sind gekommen, ihn anzubeten,“ da gerät Jerusalem in Aufruhr. Der König erschrickt und mit ihm das ganze Volk. Der König erschrickt, weil er einen Nebenbuhler fürchtet, eine Thronprätendenten, der ihm seine Macht streitig machen will. Und das Volk erschrickt, weil es weiß, wozu dieser grausame König Herodes fähig ist. Es fürchtet seine erneuten Grausamkeiten.

Welche Enttäuschung für die Weisen aus dem Morgenlande! Welche Enttäuschung für die müden Wanderer! Sind sie doch einer Täuschung aufgesessen? Was wird man sagen, wenn sie heimkehren und den König, den neugeborenen König nicht gefunden haben? Aber ihr starker Glaube hält stand. Sie wandern weiter, und auf einmal sehen sie den Stern wieder, und der Stern führt sie zu dem Kind, das in der Krippe liegt, und zu seinen Eltern, zu Maria und Joseph. Der Stern leuchtet wieder über ihnen. Und so knien sie nieder und bringen ihre Geschenke dar: Gold dem großen König, Weihrauch dem wahren Gotte und Myrrhe für sein Begräbnis.

Diese Weisen aus dem Morgenlande sind unsere Vorbilder. Es wird wohl niemand in diesem Gotteshause sein, der nicht auch schon Glaubensproben hat bestehen müssen. Immer wieder, meine lieben Freunde, gleicht unser Leben einer Wüstenwanderung. Wir erleben Dunkelheiten, Fragwürdigkeiten, Ängste, Zweifel, ob das alles stimmt, was wir da glauben, ob wir nicht einer Illusion aufgesessen sind. Und dann die praktischen Folgerungen aus dieser Religion! Es ist doch viel bequemer, ohne Glauben zu leben. Äußerlich ist das bequemer. Der Glaube legt viele Lasten auf: die Gebote. Niemand hat eine so strenge Sittlichkeit wie das katholische Christentum. Bequemer ist es ganz bestimmt, sich vom Glauben zu verabschieden. Es wäre leichter, sich das alles zu ersparen; aber dann würden wir den Weg nicht finden, da wäre der Stern erloschen, da würden wir nicht zum Ziele kommen. Leicht schon, aber auch falsch! Es kann also auch bei uns dieser Stern des Glaubens einmal verblassen. Dieser Stern kann eines Tages zu verschwinden scheinen. Unsere Seelen können dunkel sein, Zeiten der Prüfungen kommen über uns, in denen sich unsere Treue bewähren muss. Die Menschen fragen oft: Warum ich? Warum trifft das mich? Was habe ich verbrochen, dass ich das leiden muss, dass ich das tragen muss?

Da hat mit einmal eine gläubige Frau eine gute Antwort gegeben. Sie sagte: „Man soll nicht fragen: Warum ich?, sondern: Warum ich nicht?“ Warum ich nicht? Wie recht hat diese gläubige Frau gehabt. Warum soll ich verschont bleiben? Warum soll ich keine Lasten zu tragen haben? Warum sollen mir die Prüfungen erspart bleiben? Warum ich nicht? So ist es, meine lieben Freunde. Der Stern des Glaubens ist nicht für immer erloschen. Er erscheint wieder, und Licht und Leben spendend führt er uns weiter auf dem Wege des Glaubens. Wir müssen nur treu bleiben. Die gleiche Treue, wie sie die Männer aus dem Osten bewiesen haben, die müssen wir auch zeigen, auch wenn wir Gleichgültigkeit, ja Gegnerschaft in unserer Umgebung erleben, vielleicht in unserer Familie. Es gibt keine geschlossenen gläubigen Gemeinden mehr. Überall neben uns wohnen Menschen, die nichts glauben, die den Glauben abgeworfen haben. Und das ist ja eine Anfechtung. Man glaubt leichter, wenn man zusammen glaubt; man glaubt leichter, wenn andere mitglauben; man glaubt leichter, wenn andere mit uns diesen Glauben leben. Aber das ist uns leider nicht beschert. Unsere Zeit ist eine Zeit der Spaltung und des Abfalls. Da heißt es standhaft bleiben, stark bleiben, wo andere schwach werden, bekennen, wo andere verleugnen, lieben, wo andere hassen, in Ehrfurcht stehen, wo andere spotten. Das ist unsere Glaubensbewährung.

Aber wenn wir durchhalten, wenn wir in Treue ausharren, wenn wir gleich den Weisen dem Stern folgen, dann führt uns dieser Stern auch zum Ziele. Wir dürfen gewiß sein, dass unsere Treue, unsere Beharrlichkeit den gleichen Lohn finden wird, wie ihn die Weisen aus dem Morgenlande, diese glaubensstarken Männer, gefunden haben. Welch unnennbare Freude mag sie erfüllt haben, als sie den Stern auf einmal über dem Hause stehen sahen, wo sich das Kind und seine Mutter befanden. So wird es auch uns gehen, wenn unser Weg zu Ende geht. Dann werden wir ihn, den wir unser ganzes Leben gesucht haben, dem wir in unserem Leben entgegengewandert sind, dem wir im Lichte des Glaubens gefolgt sind, den werden wir wirklich finden. Dann werden wir ihm die Gaben reichen: das Gold unserer Treue, den Weihrauch unserer Gebete und Opfer und die Myrrhe der Leiden, die wir um seinetwillen getragen haben. Dann sind wir am Ziel angelangt. Dann haben wir die Aufgabe unseres Lebens erfüllt. Dann dürfen wir ihn schauen, nicht mehr in der Armut des Stalles, sondern in der Herrlichkeit der Gottheit.

Amen.

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