Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
4. November 2001

Die Eucharistie als Mahlopfer

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

In der heiligen Messe wird das Leiden Christi im Gedächtnis begangen. Die heilige Messe ist die Gegenwärtigsetzung des Kreuzesopfers unter den Gestalten von Brot und Wein. Die Gestalten von Brot und Wein deuten darauf hin, daß hier gegessen und getrunken werden soll. Die Messe ist ein Opfer, aber sie ist ein Opfer, das im Zeichen des Mahles eingesetzt ist, nämlich eben unter den Gestalten von Brot und Wein. Worauf es ankommt, ist das, was unter den Gestalten verborgen ist, gewiß, Leib und Blut Christi, der Opferleib und das Opferblut Christi. Aber der geopferte Leib und das geopferte Blut sind dazu bestimmt, von den Menschen, die an der Feier teilnehmen, genossen zu werden. Das eucharistische Opfer ist ein Mahlopfer, ein Opfer im Zeichen des Mahles, und zum Mahlopfer gehört das Opfermahl. Das Opfermahl beschließt das Mahlopfer, ja das Mahlopfer gipfelt in gewisser Hinsicht im Opfermahl. Wir empfangen in der heiligen Messe die Opferspeise, die Frucht des Opfers, das Christus durch seinen Priester und das Volk dargebracht hat.

Die Bezeichnung für das Opfermahl, die sich eingebürgert hat, ist Kommunion, und Kommunion heißt Vereinigung, Gemeinschaft, weil uns das Opfermahl der Gemeinschaft mit dem Opferleib und mit dem Opferblut Christi versichert. Ohne das Opfermahl ist das Mahlopfer nicht vollständig. Der Priester als der Vollzieher des Mahlopfers muß das Opfermahl genießen. Das Opfer wäre vollbracht, auch wenn der Priester nicht kommunizierte, aber zur Integration, zur Vollständigkeit des Opfers gehört, daß er das Opfermahl genießt unter den Gestalten von Brot und Wein, daß er den geopferten Leib und das geopferte Blut Christi zu sich nimmt.

Auch für die Gläubigen ist das Opfermahl in gewisser Hinsicht die Vollendung der Teilnahme am Opfer. Nachdem sie am Mahlopfer teilgenommen haben, sind sie eingeladen, am Opfermahl teilzunehmen. Nur darf man nicht, wie Luther es getan hat, die Teilnahme am Opfermahl übertreiben. Er war nämlich der Meinung, der falschen Meinung, das Opfer bestehe in der Kommunion. Nein, das Opfer geht der Kommunion voran. In der Kommunion empfangen wir die Frucht des Opfers, aber die Kommunion ist nicht das Opfer; sie ist der Abschluß des Opfers, nämlich das Opfermahl. Ebenso wäre es eine Übertreibung, wenn man sagen würde, alle, die an der Opferfeier teilnehmen, müssen auch kommunizieren. Das Entscheidende ist die Hingabe an Christus im heiligen Opfer, und diese Hingabe ist auch möglich ohne Teilnahme am Opfermahl. Die Teilnahme am Opfermahl ist gewünscht, sie wird dringend nahegelegt, aber es wäre eine Übertreibung, zu meinen, man könne nicht gültig am Meßopfer teilnehmen, ohne sich auch am Opfermahl zu beteiligen.

Die Kirche hat den Zusammenhang zwischen Meßopfer und Kommunion häufig ausgesprochen, zum Beispiel in der Bestimmung, daß in jedem Meßopfer auch Kommunion gehalten werden muß, wenigstens durch den Vollzieher des Meßopfers, möglichst auch durch die Beteiligten am Meßopfer. So hat das Konzil von Trient die Formulierung gefunden: „Es wäre zwar der Wunsch der hochheiligen Kirchenversammlung, daß die anwesenden Gläubigen an den Messen nicht nur mit geistigem Verlangen, sondern auch durch den sakramentalen Empfang der Eucharistie teilnehmen, auf daß bei ihnen um so reichere Früchte dieses hochheiligen Opfers erwachsen. Wenn dies aber nicht immer geschieht, so verurteilt sie deshalb jene Messen nicht als privat und unerlaubt, in denen der Priester allein sakramental kommuniziert, sondern sie billigt und empfiehlt sie; denn auch jene Messen muß man wirklich öffentlich nennen, teils deshalb, weil das Volk geistigerweise daran teilnimmt, teils deshalb, weil sie vom Priester als dem öffentlichen Diener der Kirche nicht nur für ihn allein, sondern für alle Gläubigen, die zum Leibe Christi gehören, gefeiert werden.“ Es ist der Wunsch der Kirche, daß die Gläubigen nicht nur geistigerweise, in geistlichem Verlangen, in geistlicher Kommunion an der Opferfeier teilnehmen, sondern auch sakramental. Aber es ist das kein absolutes Gebot. Einmal im Jahr, so hat die Kirche vorgeschrieben, wenigstens einmal im Jahr muß ein jeder, der den Namen eines katholischen Christen in Anspruch nimmt, in dieser Weise an der Opferfeier teilnehmen, daß er die Opferspeise empfängt. Das ist das Minimum, und dieses Minimum muß eingehalten werden. Die Kirche wünscht, daß das Minimum überschritten wird, aber als absolute Pflicht hat sie nur die einmalige Kommunion im Jahre auferlegt.

Daß die Meßfeier auf die Kommunion hin tendiert, das ergibt sich aus dem ganzen Aufbau der heiligen Messe. Vor allem in dem dritten Gebet nach der Wandlung spricht die Kirche aus, daß hier in dem gegenwärtigen Opfer die Gläubigen das Opferfleisch und das Opferblut des Herrn empfangen sollen; da heißt es nämlich: „Demütig bitten wir dich, allmächtiger Gott, dein heiliger Engel möge dieses Opfer zu deinem himmlischen Altar empor tragen vor das Angesicht deiner göttlichen Majestät. Laß uns alle, die wir gemeinsam von diesem Altar das hochheilige Fleisch und Blut deines Sohnes empfangen, mit allem Gnadensegen des Himmels erfüllt werden.“ Hier wird also vorausgesetzt, daß die Teilnehmer an der heiligen Messe auch die Opferfrucht empfangen.

Der heilige Paulus konnte sich eine Meßfeier ohne Kommunion nicht vorstellen. Im 1. Korintherbrief schildert er ja den Vorgang der Feier des Herrenmahles, und es ist ganz selbstverständlich, daß alle, die daran teilnehmen, auch von dem Herrenmahl genießen. Diese Selbstverständlichkeit war so groß, daß manche das eucharistische Mahl mit einem Sättigungsmahl verwechselten und nicht die genügende Disposition mitbrachten. Das muß natürlich vermieden werden. Deswegen hat man eben auch in tieferer Erkenntnis und in genauerer Differenzierung Teilnahme am Opfer und Teilnahme am Opfermahl unterscheiden gelernt. Aber noch einmal: Paulus rechnet damit, daß alle Teilnehmer an der Opferfeier sich auch am Genuß der Opferfrucht beteiligen.

Der Priester genießt die heilige Kommunion unter beiden Gestalten, unter der Gestalt des Brotes und unter der Gestalt des Weines. Die beiden Gestalten deuten ja durch ihre Trennung auf den Tod Christi hin; sie sind ja ein Bild, ein Symbol des Todes Christi, und die Meßfeier ist ja die Feier des Todes Christi. Deswegen setzt sich diese Symbolik auch in der Kommunion unter beiden Gestalten fort. Da kann man natürlich fragen: Warum hat denn die Kirche im Laufe der Zeit die Kommunion unter beiden Gestalten zurückgedrängt und die Kommunion nur unter einer Gestalt eingeführt? Zunächst einmal ist daran zu erinnern, daß im ganzen 1. Jahrtausend die Kommunion unter beiden Gestalten ausgeteilt wurde. Aber es gab Ausnahmen; nämlich die Krankenkommunion wurde unter einer Gestalt ausgeteilt, die Privatkommunion in den Häusern wurde ebenfalls unter einer Gestalt gespendet, die Kinderkommunion stets nur unter einer Gestalt. In der Ostkirche wurde in der ganze Quadragesima, also in den vierzig Tagen vor Ostern, die missa praesanctificatorum gefeiert, die Messe der vorher verwandelten Opfergaben, und zwar unter einer Gestalt. Also ist daraus zu schließen, daß die Kirche es niemals als ein göttliches Gebot angesehen hat, daß die Christen unter beiden Gestalten kommunizieren müssen. Die Kommunion unter beiden Gestalten ist weder geboten noch heilsnotwendig.

Nun sind natürlich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Irrlehrer aufgetreten, die das Gegenteil behauptet haben. Ich erwähne den Engländer Wiclif und den Tschechen Hus. Sie glaubten, damit eine furchtbare Waffe gegen die Kirche in der Hand zu haben, daß sie auf den Einsetzungsbericht verwiesen, wo der Herr sagt: „Nehmet und esset davon..., nehmet und trinket daraus...“ und meinten, damit sei bewiesen, daß die Kommunion unter beiden Gestalten gehalten werden müsse. Gegen diese Irrlehren hat schon das Konzil von Konstanz erklärt: „In der Urkirche haben zwar die Gläubigen dieses Sakrament unter beiden Gestalten empfangen, doch später wurde es von denen, die es weihen, unter beiden, von den Laien aber nur unter einer Gestalt empfangen, denn man muß fest daran glauben und darf nicht zweifeln, daß der ganze Leib und das ganze Blut Christi unter der Brotsgestalt allein wie unter der Weinsgestalt wirklich enthalten ist.“ Der Leib Christi ist ja ein lebendiger Leib. Einem lebendigen Leib fehlt das Blut nicht, und einem lebendigen Leib fehlt auch die Seele nicht, und kraft der hypostatischen Union sind Leib und Blut und Seele mit der Gottheit verbunden. Infolgedessen empfängt jeder, der die Kommunion unter einer Gestalt empfängt, den ganzen Christus, den ganzen geopferten Christus. Es fehlt nichts.

Ähnliche Aufstellungen hat dann wieder Luther vorgebracht und hat die Menschen damit aufgehetzt, daß er sagte: „Seht, seht, die Pfaffen gönnen euch nicht die Kommunion unter beiden Gestalten. Sie sind etwas Besseres; sie wollen etwas Besseres sein, weil sie unter beiden Gestalten kommunizieren, nur ihr sollt es nicht tun.“ Dagegen hat das Konzil von Trient erklärt: „Der Genuß der einen Gestalt des Brotes ist zum Heile hinreichend. Zu Unrecht berufen sich die Kämpfer um den Laienkelch auf die Verheißungsrede des Herrn, wo doch Christus wiederholt auch nur von der einen Gestalt des Brotes spricht.“ Dann hat das Konzil einen Lehrsatz aufgestellt: „Wer sagt, alle Christgläubigen müßten nach göttlichem Gebot oder als Heilsnotwendigkeit beide Gestalten des heiligsten Sakramentes der Eucharistie empfangen, der sei ausgeschlossen.“ Die Kirche hat ihre Gründe dafür, warum die Kommunion in der Regel nur unter einer Gestalt ausgeteilt wird. Es geht nämlich um die Ehrfurcht vor dem Sakrament. Diese Ehrfurcht ist leichter zu wahren, wenn die Kommunion nur unter der Gestalt des Brotes ausgeteilt wird, als wenn sie auch unter der Gestalt des Weines ausgeteilt werden muß. Es gibt alte Leute, die mit dem zweiten Element nicht gebührend umgehen können. Es gibt Kinder, denen dabei etwas unterlaufen kann, was mit der Würde des Sakramentes nicht zu vereinbaren ist. Deswegen hat die Kirche die Kommunion unter einer Gestalt eingeführt und vorgeschrieben. Das war niemals ein Dogma, denn wir wissen, es ist auch möglich, und es ist ja in der Gegenwart erweitert worden, es ist auch möglich, die Kommunion unter beiden Gestalten auszuteilen, auch an die Gläubigen. Aber wenn Hunderte von Gläubigen zur Kommunion vorkommen, würde schon die Zeit, die für die Austeilung benötigt wird, übermäßig groß sein, und die Menschen würden überdrüssig werden, wenn sie so lange warten müßten.

Der Kaiser Ferdinand I. hat, als das Konzil von Trient tagte, den Papst dringend gebeten, er möge doch für Deutschland den Laienkelch gestatten, und der Papst hat dem Wunsche des Kaisers nachgegeben. Er hat im Jahre 1564 für Deutschland oder für einige deutsche Diözesen gestattet, daß die Kommunion unter beiden Gestalten ausgeteilt wird. Was war die Folge? Jetzt konnte niemand mehr katholische Christen und lutherische, abgefallene Christen unterscheiden. Jetzt hatten alle dieselbe Kommunionweise. Und so ging der Übertritt oder besser der Abfall zum Protestantismus fast lautlos und ungesehen vor sich. Aus diesem Grunde hat man diese Erlaubnis nach kurzer Zeit wieder zurückgenommen.

Es geht niemandem etwas verlustig, der nur unter der Gestalt des Brotes kommuniziert. Es ist weder geboten noch heilsnotwendig, unter beiden Gestalten die Opferfrucht zu empfangen. Noch ein Letztes muß ich an dieser Stelle anfügen. Es sind nämlich protestantische Theologen aufgetreten, die die Meinung vorgebracht haben, das eucharistische Mahl sei entlehnt aus heidnischem Opfermahl. Die Religionsgeschichte, so sagen sie, kennt Kulte der Heiden, in denen die Teilnehmer durch das Essen in Verbindung mit der Gottheit zu treten hofften. Die tatsächlichen Befunde können wir akzeptieren. Es hat solche heidnischen Kulte gegeben, vor allem den Kult des Dionysos. Ich will ihn kurz schildern. Der Kult des Dionysos beruhte auf der mythischen Meinung, daß der Weingott Dionysos von den Titanen zerrissen wird, aber sein Herz wird dem Zeus, dem obersten Gott, übergeben, und der erweckt ihn wieder zum Leben. Der Dionysos tritt mit seinen Verehrern in einer Kultfeier in Verbindung. Es wird ein Stier vorgeführt. Dieser Stier wird von den Teilnehmern, die zur Raserei gebracht werden, in Stücke zerrissen und roh aufgegessen. Das war die Feier des Dionysoskultes. Und das soll ein Vorbild für die Eucharistie gewesen sein? Wie kann man einen solchen Unsinn verbreiten! Die Eucharistie ist in historischer Stunde von einer geschichtlichen Persönlichkeit, nämlich von Jesus von Nazareth, eingesetzt worden. Der Inhalt der Eucharistie ist Jesus von Nazareth, kein Mythos. Die Mythen sind Erfindungen der Menschen, Einbildungen, Phantasien, Vorstellungen. Die Anhänger der Mythenreligion haben selbst nicht an die Wirklichkeit der Mythen geglaubt. Sie haben den mythischen Gestalten ihre Tugenden und ihre Laster angedichtet. In den Mythen lebt eine Sehnsucht, ohne Zweifel, eine Sehnsucht, nämlich mit Gott in Berührung zu kommen. Aber sie waren insofern nur ein Vorentwurf dessen, was in der Eucharistie gewährt wird. Sie waren ein Schattenriß für das, was dann im hellen Licht der Sonne des eucharistischen Opfers von Gott bereitet worden ist.

Wir brauchen also diese Aufstellungen gewisser Religionsgeschichtler nicht ernst zu nehmen. Sie können die Eucharistie nicht treffen, denn sie gehen an ihr vorbei. Für uns ist und bleibt das eucharistische Opfer die Gegenwärtigsetzung des Todes unseres Heilandes, und wir wissen, daß wir in der Opferspeise sein Blut und seinen Leib genießen, in der Gestalt des Brotes den ganzen Christus und in der Gestalt des Weines ebenfalls den ganzen Christus, und wir dürfen mit dem heiligen Chrysostomus, dem Bischof von Konstantinopel, sprechen: „Wie viele sagen heute: Ich möchte gern seine Gestalt, sein Aussehen, sein Gewand betrachten. Siehe, du schaust ihn, ihn selbst berührst du, ihn selbst issest du. Du wünschest sein Gewand zu sehen. Er aber gewährt dir nicht nur zu sehen, nein, du darfst essen, berühren, ihn selbst in dich aufnehmen.“

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt