Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
25. März 2001

Das Taufsakrament

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

In Deutschland gibt es Millionen Ungetaufter; ihre Zahl ist stetig im Wachsen. In Deutschland gibt es Millionen, die nicht wissen, was die Taufe beinhaltet, und auch deren Zahl nimmt zu. In Deutschland gibt es kirchliche Angestellte, die ihre Kinder nicht taufen lassen, und auch derer werden mehr. Diese Lage ist der Grund, warum wir uns heute und an kommenden Sonntagen mit dem Sakrament der Taufe befassen wollen. Wir wollen heute drei Gegenstände betrachten, 1. die vorchristlichen Taufen, 2. die Einsetzung des Taufsakramentes durch Christus, 3. die Urkirche und ihr Verständnis der Taufe.

Der Mensch hat immer, wenn er einigermaßen religiös war, die Notwendigkeit verspürt, vor der Gottheit kultisch oder sittlich rein zu sein. Die Menschen haben versucht, diese Reinheit zu erlangen. Sie haben zu dem Mittel gegriffen, das naheliegend war, nämlich zu Waschungen. Sie haben Bäder, Besprengungen und Waschungen veranstaltet, um auf diese Weise kultisch und sittlich rein zu werden. Manche versprachen sich davon auch Lebenssteigerung, daß sie das Wasser über sich rollen ließen. Das ist bei den Iranern, bei den Griechen, bei den Ägyptern, bei den Babyloniern so gewesen. Sie alle kennen Waschungen, heilige Waschungen, mit denen sie hofften, von ihrer Schuld befreit zu werden. Aber diese Waschungen waren ohnmächtig. In ihnen lebte die Sehnsucht nach Befreiung von der Schuld, aber sie vermochten die Befreiung nicht zu gewähren.

Auch im biblischen Bereich wird uns von Waschungen, Bädern und Besprengungen berichtet. Zum Beispiel bei der Sekte der Essener waren solche Wasserbehandlungen üblich, die den Menschen Reinheit verschaffen sollten. Eine Taufe ist uns gut bekannt; es ist die Taufe des Johannes. Johannes war der Vorläufer Jesu, und auch seine Taufe hatte vorläuferischen Charakter. Sie war ohnmächtig wie alle vorchristlichen Waschungen, das Heil zu gewähren, aber sie war ein Schritt auf dem Wege zum Heil. Die Taufe des Johannes schloß zwei Dinge in sich, nämlich das Bekenntnis zum Messias und die Bekehrung. Wer sich taufen ließ, der mußte in sich die Hoffnung auf das Kommen des Retters tragen, und er mußte bereit sein, umzukehren, eine Sinnesänderung vorzunehmen. Jesus hat sich selbst der Johannestaufe unterzogen, nicht weil er die Reinigung nötig gehabt hätte, sondern weil er der Mittler zwischen Gott und den Menschen war, der alles bis auf den Buchstaben erfüllen wollte und sollte, was notwendig war, um dem Heil nahe zu kommen. Stellvertretend hat er die Taufe, die Bußtaufe des Johannes empfangen. Er war weder erlösungsbedürftig, noch hatte er ein Bekenntnis zum Messias nötig, noch bedurfte er einer Sinnesumkehr. Aber weil er in stellvertretender Sühne alles auf sich nehmen sollte und wollte, was nötig war, um die Menschen zu erlösen, hat er auch, wie die Beschneidung, so auch die Bußtaufe des Johannes auf sich genommen. Johannes hat das erkannt. „Ich hätte nötig, von dir getauft zu werden“, sagte er zu Jesus, „was kommst du zu mir?“

Aber bei der Taufe Jesu ereignete sich noch etwas, was bei keiner anderen der von Johannes gespendeten Taufen der Fall war, nämlich: „Als Jesus getauft war, stieg er sogleich aus dem Wasser herauf, und siehe, der Himmel öffnete sich ihm, und er sah den Geist Gottes herabsteigen wie eine Taube und auf sich zukommen. Und siehe, eine Stimme vom Himmel sprach: ,Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe‘.“ Hier hat sich eine Theophanie ereignet, eine Gotteserscheinung. Gott im Himmel hat sich zu seinem Sohn Jesus Christus bekannt, und so sind durch diese Erscheinung den Menschen zwei Dinge bekannt geworden, nämlich die Gottessohnschaft und die Ausgießung des Geistes. Sie sind an Jesus geschehen in einer vorbildlichen Weise, aber sie sollten sich auch an den Christen, die sich zu Jesus bekennen, ereignen. Sie sollten – nicht natürliche Söhne, sondern – Adoptivsöhne Gottes werden. Auch sie sollten den Geist empfangen, aber natürlich nicht so, wie ihn Jesus empfangen hat, der im Heiligen Geiste mit dem Vater zusammen lebte, sondern so, daß der Geist wie in einem Tempel auch in den Geistbegabten wohnen sollte. Die vorchristlichen Taufen sind verständlich. Der Mensch hat eben das Bedürfnis, von seiner Schuld loszukommen. Er will frei werden von der drückenden Last der Sünde, und so haben die Menschen zu dem Mittel gegriffen, das ihnen naheliegend schien, nämlich zu dem Wasser, das ja von körperlichem Schmutz reinigt und das auch geeignet schien, von seelischem Schmutz zu befreien.

Aber diese vorchristlichen und außerchristlichen Taufen waren nur ein Hinweis auf die Taufe, die Jesus gebracht hat. Es ist ein Glaubenssatz: Jesus hat die Taufe, das Taufsakrament eingesetzt. Er hat den Inhalt der Taufe bestimmt, er hat ihre Notwendigkeit gelehrt, und er hat ihren Vollzug angeordnet. Die Notwendigkeit der Taufe lehrt Jesus, wenn er in dem Gespräch mit Nikodemus sagt: „Wenn jemand nicht wiedergeboren ist aus dem Wasser und dem Geiste, so kann er nicht in das Reich Gottes eingehen.“ Von dem Taufbefehl Jesu sind uns zwei Fassungen überliefert, eine im Markus- und eine andere im Matthäusevangelium. Bei Markus heißt es: „Jesus sprach“ – nach seiner Auferstehung, als der erhöhte, als der vollmächtige Sohn Gottes – „zu ihnen: ,Gehet hin in alle Welt und verkündet die Frohbotschaft allen Geschöpfen. Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet werden.‘“ Im Matthäusevangelium heißt es: „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet alle Völker zu Jüngern und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehret sie alles halten, was ich euch befohlen habe.“ Dieser sogenannte Taufbefehl Jesu schließt ein Zweifaches in sich: Die Jünger sollen hinausziehen, nicht warten, bis die Leute kommen. Sie sollen hinausziehen und sollen den Menschen das Evangelium, die Heilsbotschaft verkünden. Sie sollen zeugen für das, was sie erlebt und gehört haben, und den Menschen davon künden. Dann, wenn die Menschen diese Botschaft angenommen haben, sollen sie sie taufen. Sie sollen das Wasser über sie rinnen lassen und ihnen auf diese Weise das Heil vermitteln. Das Heil kommt zu den Menschen durch Annahme der Botschaft und durch Hingabe an die Taufe.

Nun ist wie gegen alles, was groß ist im Christentum, auch gegen den Taufbefehl Jesu vom Unglauben ein Einwand erhoben worden. Der Unglaube sagt: Jesus hat bei den Synoptikern (oder besser in den Texten der synoptischen Evangelien, die vom Unglauben für echt gehalten werden) nur von der Umkehr gesprochen und nicht von der Taufe. Ja, wie oft muß er denn von der Taufe sprechen, damit wir annehmen können, daß er es gesagt hat? Reicht es nicht, wenn er es einmal sagt? Ich verstehe diese Exegeten nicht, die immer meinen, nur wenn eine Wahrheit von Jesus dutzendmal ausgesprochen ist, dann sei sie glaubwürdig. Es ist doch lächerlich, eine Aussage Jesu deswegen zu bezweifeln, bloß weil sie einmalig ist. Der Unglaube hat sich mit diesem Einwand nicht begnügt. Er sagt: Die Urkirche hat die bei ihr übliche Taufe im Namen des dreifaltigen Gottes in das Evangelium eingetragen und sie Jesus in den Mund gelegt. Also nicht Jesu Befehl habe die Taufe hervorgerufen, sondern die Praxis der Taufspendung habe das Evangelium geschaffen. Meine lieben Christen, wie borniert muß man sein, um einer solchen Exegese folgen zu können! Wie verkehrt muß der Sinn dieser Theologen sein, die so etwas dem christlichen Volk vorzusetzen wagen. Es ist doch nach aller Wahrscheinlichkeit viel gewisser, daß die Taufe gespendet wurde, weil sie Jesus angeordnet hat, und nicht, daß die Praxis der Taufe das Wort Jesu erzeugt hat, ein Wort, das er nie gesprochen hat. Damit müssen Sie sich befassen. Das wird Ihren Kindern vorgesetzt. Das steht in den Lehrbüchern.

Der Taufbefehl Jesu hat an erster Stelle den Sinn, die Durchbrechung der Ausschließlichkeit des Heilsvolkes zu bewirken. Das neue Heilsvolk ist nicht mehr identisch mit dem alten, sondern es ist ein neues Volk, gebildet durch Glaube und Taufe. Das ist der Hauptsinn und die Hauptabsicht des Taufbefehls. Es soll die Isolierung durchbrochen werden, es soll die gesamte Menschheit, es sollen alle Völker heimgeholt werden zu Christus als dem Messias Gottes. Christus hat gewiß keine Taufformel formuliert, aber die Kirche hat sich des Taufbefehls Jesu bedient, um daraus eine Taufformel zu machen. Wir wissen, daß in der ersten Zeit offensichtlich nicht nur in der trinitarischen Form getauft wurde, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Es ist möglich und denkbar, daß die Taufe auch gespendet wurde allein im Namen Jesu. Wiederholt ist in den Berichten der Apostelgeschichte die Rede davon, daß die Taufwilligen getauft wurden auf den Namen Jesu. Es könnte sein, daß es damals eine gültige Taufe gab, die nur die Übereignung an Jesus ausdrückte. Die Kirche ist offensichtlich dieser Praxis nicht gefolgt, sondern sie hat die dreipersönliche Formel vorgeschrieben, die heute als die allein verbindliche zu gelten hat. In jedem Falle ist sicher, daß die Kirche von Anfang an die Taufspendung geübt hat. Und wenn sie das von Anfang an tat, schon vom Pfingsttage an, dann ist mit größter Wahrscheinlichkeit, ja mit Gewißheit anzunehmen, daß sie das getan hat, weil Jesus es ihr befohlen hat. Vom Pfingsttage wissen wir, daß die Leute den Petrus fragten: Was sollen wir denn tun? Da sprach Petrus zu ihnen: „Bekehrt euch, und ein jeder von euch lasse sich taufen im Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden.“

Der heilige Thomas von Aquin fragt einmal, wann Jesus die Taufe eingesetzt hat, und er gibt die Antwort: Er hat die Taufe grundlegend eingesetzt, als er sich im Jordan selbst taufen ließ. Damals hat er das Wasser geheiligt. Damals hat er dem Wasser die Kraft vermittelt, Sünden abzuwaschen. Freilich hat er dann noch den Vollzug der Taufe angeordnet nach seiner Auferstehung, als er befahl: „Gehet hin und taufet!“ Man wird ergänzen müssen: Die Taufe wurde erst dann vollständig, als der Heilige Geist herabgekommen war am Pfingstfeste; da war sie erst vollständig. Jetzt konnte sie ihre ganze Kraft entfalten.

Die Urkirche, meine lieben Freunde, hat von Anfang an die Taufe geübt. Sie hat nichts von anonymen Christen gehalten, die ungetauft sind. Das sind Ausgeburten einer verirrten Phantasie. Die Kirche hat von Anfang an jeden, der sich zu ihr bekehrte, getauft. Es ist in diesem Zusammenhang die Behauptung aufgestellt worden, die Taufe sei anfangs nur eine Aufnahmezeremonie gewesen, und erst Paulus habe sie zur Geistestaufe gemacht, und zwar in Anlehnung an die heidnischen Mysterienreligionen. Diese Behauptung scheitert daran, daß die Tauflehre der Kirche fertig war, als die Kirche aus Palästina hinausdrang in das übrige Gebiet, in die Welt des Hellenismus. Die Kirche hat die Taufe aus eigenem Gut geschaffen, sie hat nicht ein fremdes Gemächte übernommen. Die Taufe Jesu, die Taufe des Christentums zeichnet sich durch zwei Merkmale aus, die Sie nirgendwo in der alten Welt finden, nämlich daß sie herkommt vom dreipersönlichen Gott und daß sie übereignet an Christus. Das sind die beiden unterscheidenden und entscheidenden Merkmale der christlichen Taufe, Herkunft vom dreieinigen Gott, Übereignung an Christus.

Die alte Kirche war von der Tauffreude, von dem Taufbewußtsein, von der Taufdankbarkeit erfüllt. Davon zeugt die große Menge von Ausdrücken, die sie für die Taufe gefunden hat: Erleuchtung, Besiegelung, Neuschöpfung, Neugeburt, Wiedergeburt, Taufbad. Das alles sind Bezeichnungen der alten Kirche für das Taufgeschehen gewesen. Man wußte: Wenn man die Taufe empfangen wollte, dann brach man mit dem bisherigen Leben; es wurden ja damals vorzüglich Erwachsene getauft. Man brach mit dem bisherigen Leben und trat in eine neue Lebenssphäre ein, eben in die Sphäre Christi. Und so waren die Menschen erfüllt von dem Taufbewußtsein, von der Tauffreude, von der Taufdankbarkeit. Dieses Bewußtsein drückt sich in Grabinschriften und in Sarkophag-Inschriften der alten Zeit aus. In einer dieser Inschriften auf einem Marmorsims im Baptisterium der Laterankirche in Rom steht folgende Inschrift: „In jungfräulichem Zeugen empfängt im Geiste Gottes die Kirche ihre Kinder und gebiert sie im Wasser. Willst du unschuldig sein, so reinige dich in diesem Bade,  ob die Erbsünde, ob persönliche Sünde dich drückt. Dies ist des Lebens Quell, der den ganzen Erdkreis bespült, der aus Christi Wunden seinen Ursprung nimmt. Das Himmelreich erhofft, die ihr in diesem Quell wiedergeboren seid.“

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt