Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
22. Oktober 2000

Das Zeugnis des Apostels Paulus

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Was dünkt euch von Christus? Wessen Sohn ist er?“ Das war die Frage, die zu beantworten wir uns vorgenommen hatten. Am vergangenen Sonntag haben wir gehört, wie die drei ersten Evangelisten Jesus ansehen. Er ist der menschgewordene Gottessohn, gekommen, die Menschheit in sein messianisches Reich zu rufen. Am heutigen Sonntag wollen wir das Zeugnis des Apostels Paulus hören. Sein Zeugnis ist deswegen besonders beachtlich, weil er ein Feind Christi und der jungen Kirche war. Er hat sie mit seinem Haß verfolgt; er hat genau hingesehen und war nicht voreingenommen. Er hat geprüft, und dann hat er sich vor dem Herrn Jesus Christus gebeugt. Der Apostel Paulus ist ein Feuerbrand, aber in diesem Brande glüht niemand anderes als Jesus Christus. Er ist ein Sturm, aber die Macht dieses Sturmes ist Christus. Er ist ein Buch, aber in diesem Buche steht niemand anderes als Jesus Christus. Der Apostel Paulus ist ein reicher, gewaltiger, fruchtbarer Geist, aber sein Reichtum, seine Kraft und seine Liebe ist Christus. Paulus schildert uns Christus in vierfacher Weise, erstens als Macht, zweitens als Herrn, drittens als Sohn Gottes und viertens als Priester.

Er schildert uns Christus als Macht. Er spürte ihn ja vor Damaskus als die Macht, die ihn in den Dienst genommen hat, der man sich zwar widersetzen kann, aber der man nicht entrinnen kann. Weil er von der Herrlichkeit und Herrschermacht des Herrn ergriffen worden ist, deswegen kann und muß er künftig Zeugnis von Jesus ablegen. Es war der gleiche, der, wie er im Galaterbrief schreibt, von der Frau geboren, dem Gesetze unterworfen, gekreuzigt worden ist, an dem Paulus eben wegen des Kreuzes Ärgernis genommen hat. Aber er weiß: Christus ist durch das Kreuz zur Herrlichkeit gelangt; er ist für den Apostel deshalb der Verherrlichte, weil er der Gekreuzigte ist. Und so schreibt er denn im Römerbrief von ihm: „Paulus, Knecht Christi Jesu, berufen zum Apostel, auserwählt für die Heilsbotschaft Gottes, die Gott schon längst verheißen hat durch seine Propheten in den heiligen Schriften von seinem Sohne, der dem Fleische nach aus dem Geschlechte Davids stammte, dem Heiligen Geiste nach als Gottessohn machtvoll erwiesen wurde durch seine Auferstehung von den Toten, von Christus Jesus, unserem Herrn. Durch ihn haben wir Gnade und Apostelamt empfangen, um alle Völker zum Glaubensgehorsam zu führen um seines Namens willen.“ Das also ist die Macht, die Paulus erfahren hat, die Macht, die ihn in den Staub geworfen hat vor Damaskus und die ihn überwunden hat, so daß er künftig nichts anderes tut, als sie zu bekennen, und daß es sein Lebensinhalt geworden ist, von dieser Macht Jesu Christi zu künden.

Das Hauptwort freilich, in dem Paulus Jesus schildert, ist das Wort Herr, griechisch Kyrios. Das Wort kommt ja in jeder heiligen Messe vor im Kyrie. Kyrie ist die Anredeform von Kyrios: Herr. Und als Herrn hat Paulus Christus empfunden. Mit dem Wort Herr soll ausgedrückt werden, daß Christus die Macht Gottes besitzt, und zwar personhaft, rechtmäßig, allumfassend und Gehorsam heischend, eine personhafte Macht, eine rechtmäßige Macht, eine umfassende Macht und eine Gehorsam fordernde Macht.

Christus ist der Herr, aber das kann freilich – nach Paulus – nur sagen, wer im Heiligen Geiste ist, in der Kraft und im Licht Gottes. Wer nicht von Gott erleuchtet ist, der sieht in Christus bloß die irdische Erscheinung, der sieht nur den wandernden Galiläer und nicht den verherrlichten Herrn. Wer dagegen im Heiligen Geiste Christus als den Herrn bekennt, der wird gerettet werden. So schreibt er in einem ergreifenden Zeugnis im Römerbrief: „Wenn du mit deinem Munde den Herrn Jesus bekennst und in deinem Herzen glaubst, daß Gott ihn von den Toten erweckt hat, so wirst du selig werden.“ Beides gehört zusammen, das Bekenntnis nach außen und der Glaube im Inneren. Wenn du mit dem Munde Christus als den Herrn bekennst und im Herzen glaubst, daß Gott ihn von den Toten erweckt hat, wirst du selig werden. Vor diesem Herrn muß man die Knie beugen, d. h. man muß ihm dieselbe Verehrung erweisen, die man Gott erweist. Jesus ist nicht bloß der schlichte und sein Evangelium verbreitende Mann aus Galiläa, er ist der Sohn Gottes, er ist Gott selbst, „vor dem jedes Knie sich beugen muß im Himmel, auf der Erde und unter der Erde und jede Zunge bekennen muß: Jesus ist der Herr“.

Seit der Auferstehung nimmt Jesus auch seiner menschlichen Natur nach an der Herrlichkeit des Vaters teil. Jesus ist durch die Auferstehung kein anderer geworden, es ist nur hervorgekommen, was immer in ihm war, nämlich die Herrlichkeit Gottes; sie ist durchgebrochen durch die menschliche Natur. In dieser verklärten menschlichen Natur sitzt er zur Rechten des Vaters. Er ist über allen Herrschaften, Gewalten und Mächten; alles ist ihm unterstellt; ihm ist Gottes Herrschaft über die Welt eigen. Er soll nach Überwältigung und Überwindung aller Gegenmächte alles dem Vater zu Füßen legen. An diesen Herrn ist der Christ gebunden. Er ist durch die Taufe in die Atmosphäre und in den Wirkbereich Christi hineingeführt worden. Von Christus ist er durchherrscht; deswegen kommt in den Paulusbriefen so oft die Formel vor: „in Christus“ oder „Christus in uns“. Das bedeutet das Durchherrschtsein durch die Macht Christi. Er ist das Haupt des Alls, und wer an ihn glaubt, ist berufen, an seiner Herrlichkeit teilzunehmen. Jetzt ist er schon Teilhaber der Herrlichkeit, aber noch ist diese Teilhabe unanschaulich; man kann sie nicht messen oder wägen, man kann sie nicht sehen oder spüren. Erst wenn der Tag der Offenbarung kommt, wird diese Herrlichkeit auch an uns glorreich hervorbrechen.

Weil der Christ von Christus durchherrscht ist, deswegen muß er seiner würdig handeln, er muß ihm dienen. Er muß seinen Leib Christus darbringen. Im ersten Korintherbrief fordert der Apostel: „Ihr sagt: Alles ist mir erlaubt. Wohl, aber nicht alles frommt. Alles ist mir erlaubt. Gut, aber ich soll mich von nichts beherrschen lassen. Die Speise ist für den Magen und der Magen für die Speise, Gott aber wird einmal beide vernichten. Jedoch der Leib ist nicht für die Unkeuschheit, sondern für den Herrn und der Herr für den Leib. Gott aber hat nicht nur den Herrn auferweckt, sondern er wird auch uns durch seine Kraft auferwecken. Wißt ihr nicht, daß eure Leiber Glieder Christi sind? Darf ich nun die Glieder Christi zu Gliedern einer Buhlerin machen? Das sei fern. Oder wißt ihr nicht, daß, wer einer Buhlerin anhängt, ein Leib mit ihr wird? Wer aber dem Herrn anhängt, ist ein Geist mit ihm. Fliehet darum die Unkeuschheit!“

Der Herr steht auch den Seinen bei, daß sie das Böse überwinden. Wenn sie in Christus Jesus wandeln, dann ist er der Boden, in dem ihr geistliches Leben wurzelt, aus dem es fortwährend Nahrung bezieht. Und alles muß für den Herrn geschehen. Ob man arbeitet oder ruht, ob man betet oder wirkt, ob man lebt oder stirbt, alles geschieht für den Herrn. Das ganze Leben des Menschen steht in seiner Obhut.

Die dritte Bezeichnung, die Paulus für Christus verwendet, ist die, daß Jesus der Sohn Gottes ist. Er ist der Sohn Gottes von Ewigkeit, den der Vater in der Gestalt des Fleisches gesandt hat. So sagt er deutlich im Galaterbrief: „Als die Fülle der Zeit gekommen, sandte Gott seinen Sohn, der aus dem Weibe geboren und dem Gesetz unterworfen war.“ Die Frohe Botschaft vom Herrn ist also nichts anderes als die Botschaft von Jesus, dem Sohne Gottes. Er ist die Erfüllung aller Verheißungen des Vaters. Was er, Paulus, von ihm verkünden soll, ist, daß Gott uns durch seinen Sohn, durch dessen Kreuzestod und Auferstehung, da wir noch Sünder waren, mit sich versöhnt hat. Im Römerbrief schreibt er die ergreifenden Verse: „Denn Christus ist, da wir noch schwach waren, zur rechten Zeit für Gottlose gestorben. Es stirbt nämlich kaum jemand für einen Gerechten. Für den Wohltäter dürfte vielleicht jemand den Mut haben, zu sterben. Gott aber erweist seine Liebe zu uns dadurch, daß Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder waren. Um so viel mehr also werden wir jetzt, da wir in seinem Blute gerechtfertigt sind, durch ihn vor dem Zorne bewahrt werden. Wurden wir, solange wir Feinde waren, versöhnt mit Gott durch den Tod seines Sohnes, so werden wir um so mehr als Versöhnte errettet werden durch sein Leben. Und nicht allein dies, sondern wir rühmen uns auch Gottes durch unseren Herrn Jesus Christus, durch den wir jetzt Versöhnung empfangen haben.“ Die durch Christus versöhnt sind, sind ihm auch gleichförmig gemacht worden, und wegen dieser Gleichförmigkeit haben sie Zutritt zum Vater, der uns mit Jesus in das Reich seines geliebten Sohnes versetzt hat. Jesus ist aber nicht nur der, in dessen Wirkungskreis wir uns jetzt bewegen, er ist auch der Richter, dem der Christ zuversichtlich entgegenschaut, auf dessen Kommen er in der Drangsal der Zeit wartet. Der Sohn kann uns Anteil am Leben Gottes bringen, weil in ihm die Fülle des Lebens Gottes ist.

Es gibt eine einzige Stelle, in der Paulus Christus direkt als Gott bezeichnet, nämlich im Römerbrief im 9. Kapitel: „Ihnen (den Israeliten) gehören die Väter an, und von ihnen stammt dem Fleische nach Christus, der da ist über alles Gott, hochgelobt in Ewigkeit.“ Die Gottheit des Vaters und die Gottheit Christi steht für Paulus fest, und weil Christus an der Gottheit des Vaters teilhat, deswegen muß man seine Knie vor ihm beugen, wie man sie vor dem Vater im Himmel beugt.

Die vierte Bezeichnung, die Paulus Christus widmet, ist die des Priesters. Sie findet sich im Hebräerbrief. Er stammt vielleicht nicht unmittelbar aus der Hand Pauli, aber er ist Kind seines Geistes, er kommt aus seiner geistigen Welt. Dort ist Christus als der Hohepriester bezeugt, der durch sein vollkommenes Priestertum ein jedes andere Priestertum abgetan hat. Von ihm bezeugt der Hebräerbrief: „Da wir nun einen großen Hohenpriester haben, der hindurchgegangen ist durch die Himmel, Jesus, den Sohn Gottes, so wollen wir festhalten an dem Bekenntnis. Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht Mitleid haben könnte mit unseren Schwächen, vielmehr einen solchen, der in allem uns gleich versucht worden ist, die Sünde ausgenommen.“ Dieser Hohepriester, von dem im Hebräerbrief die Rede ist, ist erhaben über alles, erhaben über die Propheten, erhaben über die Priester des Alten Bundes, erhaben auch über die Engel. Und so kommen die feierlichen Verse am Anfang des Hebräerbriefes uns zu: „Vielmals und mannigfach hat einst Gott zu den Vätern durch die Propheten gesprochen, jetzt, am Ende der Tage, zu uns durch seinen Sohn, den er zum Erben über alles gemacht hat, durch den er auch die Welten geschaffen.“ Jetzt beschreibt der Verfasser des Hebräerbriefes Christus: „Er, der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens.“ Mit diesen Worten wird die Sohnschaft Christi ausgesagt: der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens. „Er, der auch das Weltall trägt durch sein machtvolles Wort.“ Christus ist nicht eine harmlose Gestalt der Weltgeschichte. „Er trägt das Weltall durch sein machtvolles Wort, hat Erlösung von den Sünden gebracht und sich dann gesetzt zur Rechten der Majestät, so hoch erhaben über die Engel wie sein Name, den er als Erbteil erhielt.“

Diese Aussagen über Christus in den Briefen des Paulus: Christus als himmlische Macht, Christus als Herr, Christus als Sohn Gottes, Christus als ewiger Hoherpriester, diese Aussagen sind nicht ein Erzeugnis eine Apotheose. Was ist eine Apotheose? Eine Apotheose ist eine von Menschen vorgenommene Vergöttlichung von Menschen. Solche Apotheosen waren im Altertum üblich. Man hat die Herrscher zu Göttern verwandelt. Nach ihrem Tode meinte man, sie würden zu Göttern werden. Diese falsche Vergöttlichung ist nicht auf Christus übertragen worden, sondern was die Jünger, was die Evangelisten, was Paulus von Christus schreiben, das ist Ergebnis ihrer Erfahrung. Sie haben sich nicht etwas ausgedacht, sondern sie haben etwas entgegengenommen. Sie sind nicht Mythen gefolgt, sondern sie haben die Realität wiedergegeben, die ihnen in Christus Jesus begegnet ist.

Christus ist der Herr über die Elemente schon zu der Zeit seines irdischen Wandels gewesen. In der Brotvermehrung, in dem Seewandel, in den Krankenheilungen, in den Totenerweckungen blitzt seine göttliche Macht auf, da zeigt sich, daß er der Herr über die Elemente ist, da wird offenbar, daß er der ist, dem Wind und Wellen gehorchen. Gewiß, er war dem Tod ausgeliefert, weil er selbst es wollte. Er hat das Todesschicksal auf sich genommen, aber er geht hin, um sein Leben hinzugeben, weil der Vater es will. Niemand nimmt es ihm, sondern er ist treu dem Willen des Vaters, der eben vorsah, daß er durch den Tod zum ewigen Leben eingehen sollte. Sein Tod ist anders als jeder andere Tod. Er hat den Tod entmächtigt in der Auferstehung, und das ist eben etwas anderes als die mythischen Gottheiten, die jedes Jahr sterben und auferstehen, weil die mythischen Gottheiten nichts anderes sind als Personifikationen von Naturereignissen. So wie die Natur stirbt im Herbst und im Winter und lebendig wird im Frühling und blüht im Sommer, so stellten sich die Heiden die Gottheiten vor. Nichts davon bei Christus. Er hat den Kreislauf der Natur durchbrochen, er stirbt nicht mehr. Er ist ein für allemal gestorben und lebt für Gott, um alle, die sich an ihn gläubig halten, in sein Leben aufzunehmen.

An Christus zu glauben als an den Herrn und den Sohn Gottes und den ewigen Hohenpriester, das ist die letzte Forderung, die Paulus im Namen Gottes an uns stellt. Ihm den Glauben versagen ist das letzte Unheil.

Amen.

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