Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
10. April 1988

O heiliges Gastmahl

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„O heiliges Gastmahl, in dem Christus genossen, das Andenken seines Leidens gefeiert, die Seele mit Gnaden erfüllt, und das Unterpfand künftiger Herrlichkeit uns gegeben wird.“ Dieses wunderbare Gebet spricht der Priester, wenn er außerhalb der heiligen Messe die heilige Kommunion austeilt. „O heiliges Gastmahl, in dem Christus genossen, das Andenken seines Leidens gefeiert, die Seele mit Gnaden erfüllt, und das Unterpfand künftiger Herrlichkeit uns gegeben wird.“

In diesen Versen ist eigentlich die katholische Eucharistielehre, die katholische Lehre von der heiligen Kommunion enthalten. O heiliges Gastmahl! Ja, tatsächlich, hier ist ein Gastmahl, hier werden Gäste vom Herrn zu einem Mahle eingeladen, hier gibt sich der Herr selber als Speise und als Trank den Geladenen.

Auf die heilige Kommunion paßt der Ausdruck „Gastmahl“. Die Messe ist ein Opfer, aber dieses Opfer mündet in den Genuß der Opferspeise, und diese Opferspeise ist die heilige Kommunion. O heiliges Gastmahl! Aber das Wort „heilig“ warnt uns davor, dieses Gastmahl mit einem Sättigungsmahl auch nur entfernt in Verbindung zu bringen. Das ist ja der große Fehler der heutigen modernistischen Theologie, daß sie von einer weltlichen Analogie, nämlich von einem irdischen Sättigungsmahl ausgeht und daraus Folgerungen für dieses Gastmahl in der heiligen Messe zieht. Das ist der verkehrte Ansatz. O heiliges Gastmahl! Unsere anderen Mahlzeiten sind wichtig und wertvoll, aber sie sind nicht heilig. Heilig ist allein dieses Gastmahl, in dem Christus genossen wird. Er ist die Speise. Es ist verfänglich, zu sagen: Die Kinder empfangen heiliges Brot. Es ist verfänglich. Ich sage nicht, daß es ganz und gar falsch ist. Wenn man es richtig versteht, kann man diesem Ausdruck eine gewisse Berechtigung abgewinnen. Aber ich würde den Ton nicht auf das Brot legen; denn wie sagte mir einmal ein biederer Handwerker: „Brot habe ich auch zu Hause. Deswegen gehe ich nicht in die Kirche.“ Was hier empfangen wird, ist der Leib des Herrn in der Gestalt – in der Gestalt! – von Brot und Wein.

Verborgen, verhüllt unter den Gestalten empfangen wir den Leib und das Blut Christi. Nur darum – und darum allein – geht es bei diesem heiligen Gastmahl. „O heiliges Gastmahl, in dem Christus genossen wird.“ Natürlich nicht ein totes Element, ein toter Leib oder ein totes Blut, sondern ein lebendiger Leib und ein lebendiges Blut. Und zu einem lebendigen Leib und zu einem lebendigen Blute gehört eben ein pulsierendes Herz, gehört eben die lebendige Menschheit und die wahre Gottheit Jesu Christi. Wie es das Konzil von Trient unübertrefflich formuliert hat: „In diesem Sakrament ist Christus gegenwärtig mit Fleisch und Blut, mit Leib und Seele, mit Gottheit und Menschheit.“ Diese drei Paare drücken aus, was es heißt: „O heiliges Gastmahl, in dem Christus genossen wird“, der lebendige, der personale Christus, aber auch mit seiner wahren Leibhaftigkeit, mit demselben Leib, der aus dem Grabe entstiegen ist und der zur Rechten des Vaters lebt.

„O heiliges Gastmahl, in dem das Andenken seines Leidens gefeiert wird.“ Wir wissen, daß das Meßopfer eine (unblutige) Erneuerung des Kreuzesopfers ist. Aber nicht nur das Meßopfer kommt vom Kreuzesopfer her, auch das heilige Gastmahl; denn der Leib, der hier empfangen wird, ist ja derselbe, der in den Tod gegeben wurde. Das Blut, das hier genossen wird, ist ja dasselbe, das vergossen wurde zur Vergebung der Sünden für die vielen. Also auch die Opferspeise hat es mit dem Leiden Christi zu tun, erinnert an das Leiden Christi. Wenn wir die heilige Kommunion empfangen, dann vereinigen wir uns mit dem, der für uns gelitten hat, freilich nicht im Tode geblieben ist, sondern durch die Macht des Vaters zur Herrlichkeit des Himmels erhoben wurde. „O heiliges Gastmahl, in dem das Andenken seines Leidens gefeiert wird.“ Daraus folgt auch unsere Verantwortung bei diesem Gastmahl. Wir empfangen einen, der durch Kreuz und Tod und Grab hindurchgegangen ist. Deswegen liegt ein heiliger Ernst über der heiligen Kommunion.

„O heiliges Gastmahl, in dem Christus genossen, das Andenken seines Leidens gefeiert und die Seele mit Gnade erfüllt wird.“ Die heilige Kommunion ist ein gnadenspendendes Sakrament. Sie vermehrt die heiligmachende Gnade, sie gibt uns helfende Gnaden, sie schmückt die Seele mit dem Glanze des herrlichen Freundschaftsbundes unseres Gottes und Heilandes. Deswegen muß man die heilige Kommunion mit großer Reinheit empfangen, deswegen schreibt das kirchliche Gesetzbuch vor, die Kinder sollen zur ersten Kommunion geführt werden „praemissa sacramentali confessione“, es muß – es muß! – die heilige Beichte der Erstkommunion vorangehen; denn erst durch dieses Sakrament wird die Seele gereinigt und bereitet für den Empfang der heiligen Kommunion. Es besteht ein unzerreißbarer Zusammenhang zwischen sakramentaler Beicht und Kommunion. Die Beicht macht uns kommunionwürdig, und in der Kommunion schenkt uns unser Herr und Heiland die Gnaden, die wir für unser Leben und für unser Sterben brauchen.

„O heiliges Gastmahl, in dem Christus genossen, das Andenken seines Leidens gefeiert, die Seele mit Gnade erfüllt und das Unterpfand künftiger Herrlichkeit uns gegeben wird.“ Ja, die heilige Kommunion hat etwas mit dem Leben nach dem Tode zu tun, mit dem Leben, mit dem unsterblichen Leben der Seele und mit der Auferstehung des Leibes, die wir am Ende der Zeiten erwarten. Die heilige Kommunion macht uns christusförmig, sie setzt uns gewissermaßen Lebens- und Auferstehungskeime ein, in Leib und Seele, und diese Lebens- und Auferstehungskeime sollen einmal wunderbar aufgehen, im Tode zum ersten Mal, wenn wir in die ewige Seligkeit eingehen wollen und sollen, und bei der Auferstehung des Fleisches, wenn der Leib dem verklärten Leibe des Heilandes ähnlich werden soll. So ist die heilige Kommunion ein Unterpfand, d.h. eine Bürgschaft für die künftige Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll. Je häufiger und je würdiger wir die heilige Kommunion empfangen, um so stärker werden in uns die Lebens- und Auferstehungskräfte, um so mehr werden wir christusförmig, christusähnlich, und um so gewisser ist uns die kommende Herrlichkeit.

Heute, meine lieben Freunde, schreiten viele Kinder zum ersten Mal zum Tische des Herrn. Heute ist Weißer Sonntag, der Tag, an dem die Kirche traditionsgemäß die Kinder zur erstmaligen Teilnahme am Gastmahl unseres Herrn und Heilandes einlädt. Wenn wir zurückdenken an unsere erste heilige Kommunion, wenn ich zurückdenke, wie ich vor 37 Jahren zum ersten Mal als Priester Kinder zur Erstkommunion führte, dann wird es uns weh ums Herz. Denn wir alle wissen, wie unvollkommen vorbereitet heute weithin, ich sage nicht überall, aber weithin die Kinder zur Erstkommunion geführt werden. Weithin – ich sage noch einmal: nicht überall – sind die Kinder nicht genügend unterrichtet worden. Sie haben einen oberflächlichen und auch häufig nicht sehr frommen Erstkommunion-Unterricht erhalten. Ich habe Berichte vorliegen, was – gar nicht selten – in den Stunden, die der Zurüstung für die erste heilige Kommunion dienen sollen, an Unzulänglichkeiten geboten wird, wie von manchen sogenannten Kommunionmüttern in den Unterrichtsstunden Mickeymouse-Filme gezeigt werden.

Die Einführung in das sakramentale Leben in der nachkonziliaren Kirche ist häufig ungenügend. Die Kinder, die zur Erstkommunion geführt werden, sollten vorher nicht nur einmal, sondern mehrmals gebeichtet haben. Die Erstbeichte sollte auch weiter zurückliegen, und auf diese Weise sollte das Bewußtsein für die Hoheit und Erhabenheit des Geschehens, das in dem heiligen Gastmahl vor sich geht, in ihnen geweckt werden.

Auch die Erwachsenen sind heute weithin weniger vorbereitet für diesen Tag, als sie es vor 37 Jahren waren. Wir haben uns damals die größte Mühe gegeben, alle, die irgendwie an der Erstkommunion beteiligt waren, vor allem die Eltern und die Geschwister zur heiligen Beicht und dann zur heiligen Kommunion zu führen. Wir haben uns bemüht, keinen auszulassen, haben die Kinder bewegt, ihre Eltern zuerst zur heiligen Beichte zu führen vor diesem wichtigen Tag, und es ist uns weithin gelungen. Erstkommuniontage waren gewissermaßen Erneuerungstage für die ganze Pfarrei.

Heute stehen die Beichtstühle verlassen, aber die meisten Eltern schreiten trotzdem zur heiligen Kommunion. In welcher seelischen Verfassung? In welchem geistlichen Zustand? Meine lieben Freunde, alle diese Dinge kann man nicht anders als mit größtem Schmerze betrachten. Die Veräußerlichung des Weißen Sonntags war immer schon eine Gefahr, daß man eben mehr Wert legt auf Kleider und Essen und Geschenke und Feierlichkeiten im weltlichen Rahmen als auf die Hingabe an unseren Herrn und Heiland. Aber heute ist diese Veräußerlichung auch in die kirchliche Vorbereitung eingedrungen. Das ist der Unterschied. Wir haben in Seelsorge und Unterricht entschieden dieser Veräußerlichung entgegengearbeitet. Heute gehen die Kinder dürftigst vorbereitet zur Ersten Kommunion, und ich fürchte, daß  für viele Kinder die erste auch die letzte Kommunion sein wird.

„O heiliges Gastmahl, in dem Christus genossen, das Andenken seines Leidens gefeiert, die Seele mit Gnaden erfüllt und das Unterpfand der künftigen Herrlichkeit uns gegeben wird.“ Eine Mutter hat einmal zu ihrem Erstkommunionkind, einem Mädchen, gesagt: „Komm, jetzt zeige ich dir vor der Erstkommunion dein Kommunionkleid.“ Und sie führte das Kind in die gute Stube, da lag dieses herrliche weiße Kleid. Die Mutter erwartete einen Freudenausbruch bei ihrem Kind, aber ganz das Gegenteil geschah. Das Kind wurde traurig. „Ja, warum bist du traurig?“ fragte die Mutter. „Ich denke an die armen Kinder, die nicht ein so schönes Kleid bekommen. Ich muß meine Freude teilen zwischen Jesus und dem Kleid. Die armen Kinder können sich nur an Jesus freuen.“ Ist das nicht eine tiefe Antwort aus einem Kindermund? Hat dieses Kind nicht besser als seine Mutter begriffen, worum es bei der Erstkommunion geht?

Ich bin nicht gegen eine gewisse Feierlichkeit. Das gehört dazu. Es gehört sicher auch ein besonderes Gewand dazu; der Tag soll herausgehoben werden, denn es geht ja darum, daß hier Kinder, Mädchen und Knaben, wie kleine Bräute und Bräutigame gekleidet sind, weil sie eben zur Vermählung mit ihrem Gott und Heiland gehen. Da ist das weiße Kleid und da ist der blaue Anzug mit dem Myrtensträußchen schon richtig am Platz. Erstkommunion ist ja eine Art Vermählung. Nur müssen wir dafür sorgen, daß diese Dinge nicht das Geschehen im Glauben überwuchern. Das Entscheidende ist die gläubige Vermählung mit unserem Gott und Heiland in diesem heiligen Gastmahl.

Vor einiger Zeit begab sich eine Mutter mit ihrem Kind, einem Mongoloiden, nach Mariazell an den Wallfahrtsort. Es war ihr ein ganz großer Schmerz, daß ihr Kind nicht zur Erstkommunion gehen konnte, weil es eben behindert war. Unterwegs traf sie einen Mann, und diesem Mann erzählte sie von ihrem großen Leid, daß ihr Kind nicht an der Erstkommunion teilhaben könne. Der Schmerz der Mutter bewegte und beeindruckte diesen Mann, der Protestant war, der aber konvertieren wollte, so sehr, daß er sich auf der Stelle entschloß, die Konversion zum katholischen Glauben zu vollziehen. Diese Mutter hatte offenbar ein Gespür, was es bedeutet, wenn ein Kind seinen König empfangen darf.

Ich weiß nicht, ob das Kind es empfindet, daß der Erstkommuniontag objektiv der schönste Tag im Leben eines Menschen ist. Die Kinder sind – in der Regel jedenfalls – durch äußere Dinge mehr zu beeindrucken als durch Glaubenserfahrungen. Ein schönes Feuerwehrauto oder ein großer Fußball vermag ein Kind in Entzücken zu versetzen. Was hier in dem heiligen Gastmahl, geschieht, ist sehr innerlich, dazu braucht es Glauben, tiefen Glauben und einen gefestigten Glauben, um den Inhalt dessen zu erfassen, was sich hier am Menschen vollzieht. Ob ein Kind, ob die Masse der Kinder imstande ist, es voll zu erfassen, das ist zweifelhaft, und deswegen weiß ich nicht, ob man sagen kann: Es ist – subjektiv – für das Kind der schönste Tag des Lebens. Aber daß es ein schöner Tag ist, daß es ein großer Tag ist, das ist keine Frage, das kann und muß dem Kinde bewußt gemacht werden, denn hier wird das heilige Gastmahl gehalten, in dem Christus genossen, das Andenken seines Leidens gefeiert, die Seele mit Gnaden erfüllt und das Unterpfand künftiger Herrlichkeit uns gegeben wird.

Amen.

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