Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
5. Juni 2011

Die Kirche, Verkündigerin der apostolischen Lehre

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Auch ihr werdet Zeugnis von mit ablegen, weil ihr von Anfang an bei mir waret.“ Und der Herr hat diese Verheißung befestigt durch den Befehl: „Gehet hin und lehret alle Völker!“ Die Apostel sind hingegangen, und sie haben alle Völker gelehrt, soweit es in ihrer Kraft stand. Ihre Lehre, die apostolische Lehre, ist die Grundlage, auf der die Kirche steht. Wir bekennen unsere Kirche als die apostolische, und das heißt in erster Linie, dass sie auf die Apostel zurückgeht, dass sie auf dem Grund angelegt ist, den die Apostel gelegt haben, auch auf dem Glaubensgrund. Die Kirche hat immer gelehrt: Die Offenbarung Christi ist mit dem Tode des letzten Apostels abgeschlossen. Was nachher kommt, ist keine öffentliche Offenbarung Christi mehr, keine verbindliche, keine für alle geltende. Die Offenbarung Christi ist mit dem Tod des letzten Apostels abgeschlossen.

Als apostolische Kirche, als auf dem Grund der Apostel erbaute Kirche ist die Kirche in die Welt hineingeschritten und legt sie von Christus Zeugnis ab im apostolischen Geiste, im apostolischen Eifer, in apostolischem Todesmut. „Wir haben den Herrn gesehen“, sagten die Apostel nach den Erscheinungen. „Wir haben den Herrn gesehen.“ Dasselbe kann die katholische Kirche sagen: „Ich habe den Herrn gesehen.“ Denn sie war schon in den Aposteln da, lebendig, in sich vollendet. Das Bild Christi, das die Apostel der Kirche überliefert haben, hat sich nicht geändert. Sie bekennt heute wie gestern: Christus ist der leibhaftige Sohn Gottes. Er ist der natürliche Sohn Gottes, nicht der angenommene, wie der Adoptianismus behauptete. Er ist einer aus der Dreifaltigkeit, nicht ein zweiter Gott, nicht ein minderer Gott, wie der Arianismus wollte. Nein, die Kirche hat gegen alle Irrlehren die Wahrheit von Christus machtvoll verteidigt, seine gottmenschliche Ehre hochgehalten. Jede Irrlehre hat sie zur klareren Feststellung des Wesens Christi gezwungen. Das war die ungewollte Folge der Irrlehren.

Und nicht nur durch die Lehre hält sie das Gedächtnis an Christus wach, auch durch die Feste. Wir haben soeben das Fest der Himmelfahrt Christi begangen. Dieses Fest bewahrt die Kirche mit eiserner Konsequenz. Nicht alle, die sich Christen nennen, tun das gleiche. Vor wenigen Tagen hat der oberste Protestant in Deutschland, der frühere Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, erklärt, die evangelische Kirche verstehe sich als eine durch die Aufklärung und Moderne hindurchgegangene Kirche, während die katholische Kirche im Mittelalter stehen geblieben sei. Was Huber über den Protestantismus sagt, stimmt. Die evangelische Kirche ist durch die Aufklärung und durch die Moderne geprägt. Aber man muss dann gleich hinzusagen: Und darüber hat sie das Erbe der Apostel verloren. Es ist dahin gekommen, dass evangelische Theologen grundwesentliche Inhalte des apostolischen Glaubens leugnen – wie die leibhaftige Auferstehung und die glorreiche Himmelfahrt Jesu. Man fragt sich dann, wie sie noch am apostolischen Glaubensbekenntnis festhalten können. Diese Frage hat man einmal an einen der modernen, einen berühmten evangelischen Theologen gerichtet: Wie können Sie noch das Glaubensbekenntnis, das apostolische, festhalten? Sollte man es nicht abschaffen? „Nein“, sagte er, „nicht abschaffen, interpretieren!“ Das heißt umdeuten. Nicht abschaffen, sondern interpretieren. Das heißt umdeuten! Den eigentlichen Inhalt vertauschen durch einen Pseudoinhalt, der den Menschen von heute eingeht.

Der Rationalismus der Aufklärung verwarf die Himmelfahrt Christi und ließ sie nur als Dichtung, als Legende, als mythische Aussage gelten. Die liberale Theologe im Protestantismus folgte dieser Einschätzung. Der vielgerühmte evangelische Theologe Schleiermacher, dessen Werke ja jetzt neu aufgelegt werden, meinte – ich zitiere wörtlich: „Die Tatsachen der Auferstehung und der Himmelfahrt Christi sowie die Vorhersagung seiner Wiederkunft können nicht als eigentliche Bestandteile der Lehre von seiner Person aufgestellt werden.“ Ich wiederhole noch einmal diesen Satz: „Die Tatsachen der Auferstehung und der Himmelfahrt Christi sowie die Vorhersagung seiner Wiederkunft können nicht als eigentliche Bestandteile der Lehre von seiner Person aufgestellt werden.“ Das heißt, man kann die Auferstehung und die Himmelfahrt wegfallen lassen, und es ändert sich dann nichts Entscheidendes an dem Bild Christi.

Nach dem evangelischen Theologen Adolf von Harnack, dessen Bücher ebenfalls immer wieder aufgelegt werden, stehen Aussagen wie die Jungfrauengeburt und die Himmelfahrt Jesu mit der ursprünglichen Verkündigung des Evangeliums in Widerspruch. Es sind also unbeachtliche Zusätze. Die evangelischen Theologen Gogarten und natürlich Bultmann scheiden die Himmelfahrt aus dem Glaubensbekenntnis aus.

Wahrhaftig, die evangelische Kirche ist durch die Aufklärung hindurchgegangen und hat sich von ihr bestimmen lassen. Huber sagt weiter, die evangelische Kirche sei auch durch die Moderne hindurchgegangen. Die Moderne hat ebenfalls ihre Spuren hinterlassen. Die Modernen, nun, das ist der Atheismus, das ist der Nihilismus. Sein Prophet heißt Friedrich Nietzsche. Theologen greifen diese Ideologien auf und entwerfen die „Gott-ist-tot-Theologie“. Gott-ist-tot-Theologie. Der Gottestheismus mit seiner radikalen Transzendenz und seiner unerfahrbaren Weltferne sei überholt und abgetan. Nach dem Tode Gottes sei nur noch eine Theologie auf atheistischer Grundlage möglich, eine Theologie auf atheistischer Grundlage. Die evangelische Theologin Dorothee Sölle erklärt – ich zitiere wörtlich: „Atheistisch an Gott glauben heißt ohne die supranaturale, überweltliche Vorstellung eine himmlischen Wesens auszukommen. Gott ist eine bestimmte Art, da zu sein. Gott geschieht in dem, was zwischen Menschen geschieht.“ Ich wiederhole noch einmal: „Gott ist eine bestimmte Art, da zu sein. Gott geschieht in dem, was zwischen Menschen geschieht.“

Ich hatte einen Theologen, einen Theologenkollegen in der evangelischen Fakultät in Mainz namens Herbert Braun. Dieser Herbert Braun sagte wörtlich: „Gott ist eine bestimmte Art der Mitmenschlichkeit. Er ist das Woher meines Gewordenseins und meines Verpflichtetseins vom Mitmenschen her.“ Ich wiederhole: „Gott ist eine bestimmte Art der Mitmenschlichkeit. Er ist das Woher meines Gewordenseins und meines Verpflichtetseins vom Mitmenschen her.“ Wolfgang Huber hat recht, wenn er sagt, dass die evangelische Kirche durch die Aufklärung und durch die Moderne hindurchgegangen ist. Er hat nicht recht, wenn er sagt, die katholische Kirche sei im Mittelalter stehen geblieben. Nein, sie ist nicht im Mittelalter stehen geblieben, sie ist in der Zeit der Apostel stehen geblieben!

Die katholische Kirche ist nicht ein Produkt des Mittelalters. Die katholische Kirche ist die fortlebende Gemeinschaft der Apostel. Sie ist die apostolische Kirche. Sie bekennt Jesus als den Gottessohn wie die Apostel. Sie bekennt sein heiliges Leben, sein qualvolles Sterben, seine glorreiche Auferstehung und seine Himmelfahrt. Die katholische Kirche läßt nicht daran rütteln, und wenn sich noch so viele von ihr abwenden. Das ist der Unterschied zwischen einer Kirche, die der Heilige Geist in alle Wahrheit einführt, und einer Gemeinschaft, die es den Menschen recht machen will. Das ist der Unterschied.

Gewiß hat sich das Glaubensgut unserer Kirche angereichert. Die Irrlehren zwangen sie, die Inhalte des Glaubens begrifflich scharf zu fassen. In ihren Dogmatisierungen wahrte sie das apostolische Erbe und wehrte sie die Verunstaltungen der Irrlehre ab. Gleichzeitig schaute sie näher hin und entdeckte im alten Glauben immer neue Wahrheiten. Denken Sie an die Gestalt Mariens. Sie trat der Kirche immer deutlicher vor Augen, und sie hat erkannt, was in dieser wunderbaren Frau eingeschlossen ist. Sie hat die Höhe ihrer Berufung begriffen und die Erhabenheit ihrer Auserwählung.

Die Kirche hat auch die Macht und die Kraft des Petrusamtes immer besser verstanden. Gerade zur rechten Zeit, zur rechten Zeit, 1870, definierte sie den Universalprimat und die Unfehlbarkeit des Nachfolgers Petri. Es war zur rechten Zeit, auch wenn die Altkatholiken sich damals trennten. Sie hatten unrecht. Die Kirche hat nichts Neues erfunden, sie hat lediglich entdeckt, was immer in ihr war, früher verborgen, jetzt enthüllt, früher eingewickelt, jetzt ausgewickelt, früher enthalten, jetzt entfaltet. Das ist der Begriff der katholischen Dogmengeschichte.

Es sind immer im Laufe der Jahrhunderte Menschen aufgestanden, die das Urchristentum, wie sie es verstanden, wiederherstellen wollten. Sie verwarfen alles, was in späteren Perioden der Kirchengeschichte dazugekommen ist. Sie wollten den Zusammenhang mit den Augenzeugen herstellen, indem die den Zusammenhang mit dem Treuhänder der Augenzeugen verwarfen. Die Vorstellungen der Urkirche, die meinetwegen Joachim von Fiore oder die Anhänger der Konstitutionellen in der Französischen Revolution hatten, diese Vorstellungen kommen aus vorgefaßten Begriffen, haben mit der Wirklichkeit der Urkirche nichts zu tun. Die Lehre und die Gnade Christi liegen in der Hand der einen apostolischen Kirche. Sie hat nichts Wesentliches aufgegeben, und sie hat nichts Wesentliches hinzugefügt. Sie hat auch nichts Wesentliches verdorben, so dass ein Luther kommen mußte. Nein. Durch den Beistand des Heiligen Geistes blieb sie die apostolische Kirche. Die Urkirche ist gegenwärtig in der katholischen apostolischen Kirche.

Als Jesus durch die Himmelfahrt den Seinen entrückt war, fanden die Apostel Trost in der Gesellschaft der Mutter des Herrn. Es wird immer erwähnt, dass jetzt Maria dabei ist im Obergemach und an Pfingsten. Mit welcher Verehrung mögen die Zeitgenossen auf Maria geblickt haben! Schon die Kirche der Märtyrer hat ihr Bild in den Katakomben angebracht. Als dann die Kirche frei wurde, hat man gewaltige Gotteshäuser ihrem Namen, ihrer Person geweiht. Dieselbe Pietät gegen Maria beseelt uns heute noch. Maria ist die Königin der Apostel, und sie ist auch zur Königin der ganzen Christenheit geworden.

„Wenn jemand mich liebt, so wird er meine Lehre halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden kommen und Wohnung bei ihm nehmen.“ So hat der Herr in der Abschiedsstunde den Aposteln verheißen. Seine gnadenvolle Einkehr vollzieht der Herr auch heute noch in sieben mächtigen Zeichen. Die sieben heiligen Sakramente sind das innerliche Wunder der Gnadeneinigung des Herrn mit der Seele. Zwei der sieben Sakramente waren der apostolischen Kirche besonders heilig, die Taufe und die Eucharistie. Durch die Taufe wird heute genau wie gestern der Mensch von den Sünden freigewaschen und in die Gemeinschaft der Geheiligten in seiner Kirche integriert. Er wird mit göttlichem Leben und mit göttlichen Tugendkräften beschenkt. Die Kirche, die durch die Aufklärung hindurchgegangen ist, glaubt bei manchen ihrer Vertreter auf die Taufe verzichten zu können. In Schweden gibt es eine Kirchengliedschaft in der evangelischen Kirche ohne Taufe. Der Getaufte, der sich des göttlichen Lebens freut, kommt zur Gemeinschaft des Brotbrechens am heiligen Tisch des Herrn, am Altar des eucharistischen Opfers. Was uns am Altare gegenwärtig wird und was uns in der Kommunion mitgeteilt wird, meine Freunde, das ist derselbe Christus, der im Abendmahlssaal seinen Jüngern den Leib und das Blut zur Speise und zum Tranke gab. Die Kirche, die durch die Aufklärung hindurchgegangen ist, reicht ihren Anhängern ein haltsleeres Symbol.

Jesus hat in seiner Kirche auch die Grundstruktur einer Hierarchie gelegt. Hierarchie heißt heilige Herrschaft. Er hat eine bestimmte Autorität aufgestellt: „Wer euch hört, hört mich. Wer euch verachtet, verachtet mich.“ Er hat einen Bevollmächtigten, einen höchsten Bevollmächtigten aufgestellt, Petrus ist der Felsenmann, auf dem er seine Kirche erbaut hat. Soviel man sich auch mit großem Aufwand von Gelehrsamkeit bemüht hat, eine romfreie, eine petrusfreie Kirche ausfindig zu machen, es ist bis auf den heutigen Tag immer neu bewiesen worden, dass alle Gemeinden des Erdkreises den Zusammenhang mit der Kirche Petri, mit dem Bischofssitz des Ersten Apostels, mit seiner Kathedra, gesucht haben, und ebenso, dass die Inhaber des Petrusamtes um ihre Verantwortung gegenüber der Gesamtkirche wußten. Selbst die Irrlehrer der frühen christlichen Jahrhunderte haben den Primat des römischen Papstes bestätigt, indem sie nämlich sein Einverständnis mit ihren Meinungen zu gewinnen suchten.

In der Basilika des heiligen Paulus in Rom sind die Medaillons aller Päpste von Anfang an bis zur Gegenwart an den Wänden angebracht. Wir könnten auch für jeden Bischofsstuhl eine solche Ahnenreihe aufstellen, nur ist sie nicht so leicht aufzufinden und durchzuführen wie für den Bischofsstuhl von Rom. Aber jeder Bischof, jeder gültig geweihte Bischof geht in letzter Linie auf einen Apostel zurück. Auch dadurch ist die Kirche die apostolische Kirche. Wer ohne Sendung, ohne Kontinuität mit der Urkirche durch die Apostel die Bischofsweihe empfangen hatte, der wurde stets als Kurpfuscher in geistlichen Dingen angesehen.

Das wahre Brot Gottes, die wahre Speise Gottes, die heilige Eucharistie, kann keiner weitergeben, der sie nicht aus den Händen der Vorgänger empfangen hat. In der Kirche gilt das Prinzip der Tradition. Tradition besagt die Weitergabe des Empfangenen. Der Apostel Paulus mahnt die Gemeinde in Korinth, die Heilsbotschaft, die er ihr verkündet hat, genauso festzuhalten, wie er sie ihr verkündet hat. Seine eigene Verkündigung aber hat er nicht erfunden, sondern empfangen. „Ich habe euch nämlich vor allem vorgetragen, was ich auch selbst überkommen habe. Ich habe euch vorgetragen, was ich selbst überkommen habe, nämlich dass Christus für unsere Sünden gestorben ist, dass er begraben wurde und am dritten Tage wieder auferstanden ist.“

Diese Mahnung, die der Apostel an die Korinther gerichtet hat, ergeht auch an uns, meine lieben Freunde: „Ich mache euch, Brüder, aufmerksam auf die Heilsbotschaft, die ich euch verkündet habe. Ihr habt sie angenommen. Ihr steht in ihr fest. Durch sie werdet ihr gerettet, wenn ihr sie so festhaltet, wie ich sie euch verkündet habe, sonst wäret ihr ja vergeblich zum Glauben gekommen.“

Amen.

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