Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
4. Juni 2017

Wesen und Wirklichkeit des Heiligen Geistes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier der Herabkunft des Heiligen Geistes Versammelte!

Als Paulus auf seiner zweiten Missionsreise nach Athen kam und die vielen Tempel der Stadt betrachtete, fand er einen Altar, auf dem geschrieben stand: „Einem unbekannten Gott“. Muss dieses Wort, meine lieben Freunde, auch Anwendung finden auf die dritte Person in der einen ungeteilten Dreifaltigkeit? Ist der Heilige Geist vielleicht für den einen oder anderen oder gar für viele ein unbekannter Gott? Wir wollen versuchen, ihn bekannt zu machen. Wir wollen vier Gründe aufstellen, die uns zeigen, wer der Heilige Geist ist. Erstens: Er ist von himmlischer, göttlicher Natur. Er ist ja die Verheißung des Vaters und er ist die Gabe des erhöhten Herrn. Gott selbst ist Geist, und der Geist steigt bei der Taufe Jesu vom Himmel herab, und zwar in Gestalt einer Taube. Das erinnert uns an Vorgänge aus dem Alten Bunde. Als Gott das Weltall schuf, da schwebte der schöpferische Geist Gottes über dem Wasser. Und als die Sintflut vorbei war, da zeigte die Taube den Beginn der neuen Zeit an. Die Taube war es, die aus der Arche, dem Gefäß des Heiles emporkam. Die Taube bei der Taufe Jesu will wohl die Schaffung des neuen Gottesvolkes durch den Heiligen Geist bezeichnen. Das Volk Gottes ist vorgebildet durch die Neuschöpfung im Heiligen Geiste.

Zweitens: Der Geist ist göttliche, geistige, welttranszendente Kraft. So wird Maria mit der Kraft des Geistes überschattet. Diese Überschattung bewirkte die jungfräuliche Empfängnis des Messias. Jesus wurde in der Kraft des Geistes in die Wüste geführt, wo er den Zweikampf mit dem satanischen Versucher bestehen musste. Nach der Taufe kehrte er wiederum in der Kraft des Geistes nach Galiläa zurück, und mit ihr wirkte er sein messianisches Werk. Gott hat ihn, so heißt es, mit Kraft und Heiligem Geist gesalbt. Die Apostel empfingen die Kraft des Geistes, der sie befähigte, Zeugen zu sein, in Jerusalem, in Judäa, in Samaria und bis an die Grenzen der Erde. Jesus ist, wie Paulus im Römerbrief schreibt, „als Sohn Gottes in Kraft eingesetzt, dem Geiste der Heiligkeit nach“. Der Gemeinde in Rom schreibt Paulus: „Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und allem Frieden im Glauben, damit ihr überreich seid in der Hoffnung durch die Kraft des Geistes.“ Die Gemeinde in Korinth erinnert Paulus daran, dass er bei ihnen nicht aufgetreten sei in überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in Erweisung von Geist und Kraft. Und die Gemeinde in Saloniki weist er darauf hin, dass seine Predigt nicht in bloßen Worten erging, sondern auch in Kraft und im Heiligen Geiste. Der Geist ist eben eine schöpferische verwandelnde Kraft. Er hat nichts von einer naturhaften, kosmischen Kraftsubstanz, wie der evangelische Theologe Eduard Schweizer meint, nein, der Heilige Geist repräsentiert die Offenbarungskraft Gottes. „Uns hat Gott es durch den Geist geoffenbart, denn der Geist erforscht alles, auch die Tiefe Gottes.“ Der Geist legt Zeugnis ab von Gott und ertüchtigt die Geistbegabten zum Zeugnis von Gott. Wo immer Gott bekannt wird, wo immer Christus als der Sohn Gottes bekannt wird, da ist die Macht des Heiligen Geistes am Werk. „Keiner, der im Geiste Gottes redet, sagt: Verflucht sei Jesus! Und keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, außer im Geiste Gottes.“ Am ersten Pfingstfest offenbarte sich die Macht des Geistes in der Gestalt eines Orkans; ein Sturmwind kam auf. Er stellt das unsichtbare, aber kraftvolle Wirken des Heiligen Geistes dar. Die feurigen Zungen und die Sprachengabe künden die charismatische Begeisterung der Jünger Jesu und die geistgewirkte Einung der sprachlich getrennten Völker im Reiche Christi an. Seit diesem Tage gilt: Wo immer es in der Kirche eine wahre Begeisterung für Gott und seine Sache gibt, da wird sie hervorgebracht vom Heiligen Geiste. Er zündet ein Feuer an, aber kein Strohfeuer, sondern eine bleibende Glut. Wann immer die Kirche geeint ist im Glauben, da ist es die Macht des Geistes, die diese Einung hervorbringt. Menschen vermögen sie nicht zu erzeugen.

Drittens: Der Geist ist die entscheidende eschatologische (also endzeitliche) und universale (also allgemeine) Heilsgabe für die Gegenwart zwischen Auferstehung und Parusie Jesu. Die Zeit des Geistes ist die Zeit der Kirche, und umgekehrt: Die Zeit der Kirche ist die Zeit des Geistes. Am ersten Pfingstfest wurden die Jünger Jesu mit Heiligem Geist erfüllt und fingen an, in anderen Sprachen zu reden, wie der Geist es ihnen eingab. Es war die Erfüllung der Verheißung des Propheten Joel: „In den letzten Tagen (und die letzten Tage haben begonnen mit dem Erscheinen Jesu) wird es geschehen, dass ich von meinem Geist ausgießen werde auf alles Fleisch, und eure Söhne und Töchter werden weissagen, eure jungen Männer werden Gesichte haben und eure Alten werden Traumgesichte erleben.“ Jesus hatte dieses wunderbare Geschehen angekündigt. Am letzten Tage eines großen Festes in Jerusalem rief er aus: „Wenn jemand dürstet, so komme er zu mir und trinke. Wer an mich glaubt, aus dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ Der Evangelist Johannes kommentiert diese geheimnisvollen Worte: „Dies sagte er von dem Geiste, den jene empfangen sollten, die an ihn glauben.“ Der Geist ist es, der das Wasser der Taufe zum heilbringenden Sakrament macht. Die Waschung der Wiedergeburt und der Erneuerung ist das Werk des Heiligen Geistes. Die Begabung mit dem Heiligen Geist im diesseitigen Leben hat Auswirkungen im jenseitigen Leben. Und deswegen nennt Paulus den Heiligen Geist die Erstlingsgabe; der Erstlingsgabe folgen eben andere. Er nennt den Heiligen Geist das Angeld, die Anzahlung; auf die Anzahlung folgt dann die Auszahlung der gesamten Summe. Der Geist ist also die Verheißung, dass uns einmal alles geschenkt werden wird, was Gott verheißen hat. Wir haben die Anzahlung empfangen, und der Geist verbürgt die Auszahlung. Die Christen haben den Geist als Unterpfand für das ewige Leben empfangen. Er bietet die Gewähr der wirklichen, unvergänglichen Erfüllung der Sehnsucht nach ewigem Leben. „Wenn aber der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Jesus aus dem Tode auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen kraft des in euch wohnenden Geistes.“

Viertens: Der Geist ist aber nicht bloß eine Kraft, er ist auch eine Person. Viele evangelische Theologen kennen den Geist nur als Kraft. Der Berühmteste von ihnen sagt: Der Geist ist die Kraft der Verkündigung. Ja, das ist er natürlich, aber er ist viel mehr, er ist personal. Die Personalität des Geistes steht aus dem Zeugnis der Heiligen Schrift unleugbar fest. Bei der Taufe Jesu beginnt sich die Personalität des Geistes zu enthüllen. Da ist die Stimme des Vaters, da ist der geliebte Sohn, da ist die taubenartige Herabkunft des Heiligen Geistes; hier sind sie beisammen, die drei. Noch deutlicher tritt der personale Charakter des Geistes hervor im Taufbefehl. Die Jünger sollen taufen im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Hier werden also Vater, Sohn und Geist nebeneinandergestellt, ohne Unterschied, mit der Partikel „und“ verbunden. Übrigens beten die Ostkirchen anders als wir. Sie sagen nicht: Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, sie sagen: Ehre sei dem Vater durch den Sohn im Heiligen Geist. Das ist nicht falsch, aber es ist nicht so deutlich, dass diese drei Personen gleich sind. Deswegen ist es theologisch richtiger zu sagen: Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist. Ganz deutlich ist der Heilige Geist als Person im Johannesevangelium dargestellt. Er bezeichnet ihn ja als den Parakleten, d.h. den Anwalt, den Sachwalter, den Herbeigerufenen. Ein Sachwalter kann nur ein persönliches Wesen sein. Ihm werden zugeschrieben das Lehren und Erinnern, das Zeugnisgeben und das Überführen, das Einführen in die Wahrheit; das sind alles persönliche Attribute. Nach den Abschiedsreden Jesu verheißt der Herr den Jüngern der Kirche den Heiligen Geist als Geist der Wahrheit und als einen anderen Beistand. Er geht vom Vater aus, der Vater sendet ihn in seinem Namen, und er selbst sendet ihn vom Vater her. Auch aus anderen Stellen der Heiligen Schrift kann man die Personalität des Geistes entnehmen. Einmal wurde Jesus bezichtigt, er treibe durch den obersten der Teufel die Teufel aus. Da entgegnete er: „Jede Sünde und Lästerung wird dem Menschen vergeben werden, aber die Lästerung des Geistes wird nicht vergeben werden. Wer immer ein Wort gegen den Sohn spricht, es wird ihm vergeben werden. Wer aber gegen den Heiligen Geist spricht, es wird ihm nicht vergeben werden.“ Diese Stelle von der Lästerung gegen den Heiligen Geist beweist seine Personalität, denn eine Blasphemie (eine Lästerung) kann nur gegen eine göttliche Person begangen werden. Jesus wies bei der Aussendung seiner Jünger auf die Geschicke hin, die sie erwarteten: „Ihr werdet vor Statthalter und Könige geführt werden zum Zeugnis für sie und die Völker. Wenn sie euch aber übergeben, sorgt euch nicht, wie oder was ihr sagen werdet, denn es wird euch in jener Stunde gegeben werden, was ihr reden sollt. Denn nicht ihr seid die Redenden, sondern der Geist eures Vaters ist es, der dann in euch redet.“ Diese Verheißung des Heiligen Geistes stellt ein Sprechen und Lehren des Geistes in Aussicht; das sind persönliche Attribute. Ich habe in diesen Tagen, meine lieben Freunde, noch einmal das Protokoll des Prozesses gegen Johanna von Orleans gelesen. Johanna von Orleans, der ja Schiller ein Drama gewidmet hat, war ein ungebildetes Mädchen, hatte keine Schule besucht. Was sie religiös wusste, das stammte von ihrer Mutter: Vaterunser, Ave Maria, Glaubensbekenntnis. Und jetzt wurde sie gelehrten Theologen gegenübergestellt, die sie überführen sollten, dass sie im Glauben irre. Als Johanna gefragt wurde, ob sie wisse, dass sie im Gnadenstand ist, antwortete sie, wenn sie es nicht wäre, möge Gott sie in diesen Gnadenstand versetzen, wenn sie es aber wäre, möge Gott sie darin erhalten. Die Falle, die ihr gestellt war, hat sie in außerordentlicher Klugheit umgangen. Man wollte ihr nämlich unterschieben, dass sie absolute Gewissheit vom Gnadenstand hätte, und das hat der Mensch nicht, sie hat diese Falle vermieden. Als die Richter sie fragten, ob sie glaube, man müsse der Kirche auf Erden sich unterordnen, erklärte sie, ja, das müsse man, aber zuerst müsse man Gott dienen. Auf die weitere Frage, welcher der drei Männer, die damals den päpstlichen Thron beanspruchten (Schisma), der wahre Papst sei, gab sie zur Antwort: „Wir müssen dem Papst in Rom gehorchen.“ Wiederum war sie einer Falle ausgewichen. Gefragt, ob der Sieg der französischen Armee über die Engländer ihrer Fahne oder ihr selbst zuzuschreiben sei, entgegnete sie, er sei dem Herrn zuzuschreiben. In diesem Mädchen zeigte sich die Kraft und die Wirksamkeit des Heiligen Geistes. Sie gab wieder, was der Geist ihr eingab. Der Heilige Geist ist eine Person, er ist eine göttliche Person, er ist eine vom Vater und vom Sohne verschiedene Person. Denn derjenige, welcher geschickt wird und ausgeht, ist von dem, von dem er geschickt wird und ausgeht, verschieden. Der Heilige Geist wird aber vom Vater gegeben und geschickt und geht von ihm aus, er wird auch vom Sohne geschickt. Er ist also vom Vater und vom Sohn verschieden. Wir können zu diesem Heiligen Geist, zu dieser dritten Person in Gott genauso beten wie zum Vater und zum Sohne. Es sollte kein Tag vergehen, meine lieben Freunde, an dem wir nicht zum Heiligen Geist beten. Er ist die Kraft unseres Lebens, er ist auch der Sieg unseres Lebens. Der Erzbischof Mercier von Mecheln, also Brüssel, hat uns vorgemacht, wie wir zum Heiligen Geist beten sollen: „O Heiliger Geist, ich bete dich an. Erleuchte mich, führe mich, stärke mich, tröste mich. Sage mir, was ich tun soll, und gib mir deine Weisung. Ich verspreche dir, mich in allem zu unterwerfen, was du von mir verlangst, und alles anzunehmen, was du in meinem Leben zulässt. Lass mich nur deinen Willen erkennen.“ O, meine lieben Freunde, wer ihm das nachbeten könnte.

Amen.

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