Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
13. November 2011

Steuern zahlen – eine natürliche Pflicht

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Steuer zu zahlen, ist Pflicht aller Angehörigen eines Staatswesens. Das war immer so. Auch die Juden haben, als sie noch ihre eigenen Herrscher hatten, Steuern gezahlt. Aber diese Steuer fiel an den Tempel; es war die Tempelsteuer, d.h. sie wurde gewissermaßen an Gott entrichtet; der Tempel war ja der Ort der Gegenwart Gottes. Aber als die Römer das Land besetzten, haben sie ihre Steuer erhoben, eine Kopfsteuer, also nicht eine Verbrauchssteuer, nicht eine Umsatzsteuer, sondern eine Kopfsteuer. Ein jeder Jude wurde mit einem Denar besteuert, etwa 87 Pfennige. Das war nicht viel, aber es war den Juden lästig, es war ihnen unangenehm, mehr noch: sie sahen darin eine Beeinträchtigung Gottes. Warum? Die Steuermünze trug das Bild des Kaisers und eine Aufschrift. Die Aufschrift lautete: „Tiberius, des erhabenen Augustus Sohn“. Und auf der anderen Seite: „Oberpriester. Pontifex Maximus“. Sie sahen also durch die Entrichtung der Steuer die Herrschaft Gottes beeinträchtigt. Sie nahmen vor allem Anstoß, dass sie eine Münze entrichten sollten, in der der Kaiser als Priester, also als religiöser Führer angesprochen war. Die Sadduzäer, die sich ja immer mit der Welt gut verstanden, entrichteten die Steuer ohne Klagen. Die Pharisäer dagegen bezahlten sie nur unter Protest, und die Zeloten verweigerten sie; sie mußten deswegen harte Strafen hinnehmen.

Was wollten die Pharisäer, die zu Jesus kommen, jetzt mit ihrer Frage? Sie wollten etwas herauslocken, und zwar in einer Alternative. Entweder Jesus bejaht die Steuer, dann ist er unten durch beim Volke, dann entfremdet er sich die Volksmassen. Oder er lehnt sie ab, dann haben sie ihn gefangen, dann ist er ein Gegner des Kaisers, dann kann man ihn verklagen, dann kann man ihn vor Gericht bringen. Auf Aufforderung zur Steuerverweigerung steht der Tod, und das letztere war wohl ihre hauptsächliche Absicht. Sie wollen Jesus zu einem Akt verleiten, der als Rebellion, als Revolution gegen die römische Herrschaft ausgelegt werden kann.

Die Ankläger selbst sind scharfe Gegner dieser Steuer. Aber sie benutzen jetzt die Steuerfrage, um ihren Gegner, um ihren Feind, um ihren Widersacher Jesus aus dem Wege zu schaffen. Sie selbst können ihn nicht hinrichten, denn sie haben nicht die hohe Gerichtsbarkeit, also müssen sie sich an den Statthalter, an den Prokurator, wenden, der die hohe Gerichtsbarkeit, die Blutgerichtsbarkeit verwaltet, und Jesus zu Fall bringen durch eine politische Anklage, durch eine politische Falle. Sie gehen nicht selber hin, sie schicken ihre Schüler und lassen sie begleitet sein von den Anhängern des Herodes. Auch diese sollen Zeuge sein, wie sich Jesus ausspricht. Sie suchen Jesus durch scheinbare Anerkennung günstig zu stimmen. „Meister“, sagen sie, „Meister“, das heißt Lehrer, Rabbi. Sie erkennen also seine Lehrtätigkeit, vielleicht auch sogar seine Lehrbefugnis an. Sie bescheinigen ihm damit auch eine gewisse Autorität  als Lehrer. Und das klingt ja so, als ob seine Antwort eine große Bedeutung haben wird. Sie schmeicheln ihm weiter, indem sie sagen: „Wir wissen, dass du wahrhaftig bist und den Weg Gottes in Wahrheit lehrst.“ O, wenn sie das so genau wußten, warum sind sie dann so feindselig gegen ihn? Sie gehen noch weiter. Sie sagen: „Wir wissen, dass du Mut hast, dass du die Dinge aussprichst ohne Rücksicht auf irgendwelche Menschen.“ Sie rühmen seine Furchtlosigkeit. Nachdem sie ihn so gewissermaßen eingeseift haben, kommen sie auf die entscheidenden Fragen. Es sind zwei. Eine wird uns heute im Evangelium nach Matthäus berichtet, die andere bei Markus. Zunächst stellen sie eine theoretische Frage: „Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen?“ Dann kommt die praktische Frage: „Dürfen wir diese Steuer entrichten? Sollen wir das? Müssen wir das?“

Jesus durchschaut die Falle. Er erkennt, dass es ihnen gar nicht darum zu tun ist, die Steuer erklärt zu bekommen, sondern dass sie ihm damit eine Falle stellen wollen, um ihn zu fangen, um ihn zu denunzieren als einen Aufrührer gegen den Kaiser. „Ihr Heuchler, was versucht ihr mich?“ sagt der Herr. „Zeigt mir die Steuermünze!“ Sie reichen ihm einen Denar. Der Herr hat kein Geld bei sich, denn die Kasse führt ja Judas. Aber sie haben Geld bei sich und zeigen ihm die Steuermünze. Und dann fragt er sie: „Wessen Bild ist das und wessen Unterschrift?“ Beschämt müssen sie gestehen: „Des Kaisers.“ Jesus fragt seine Gegner nicht deshalb nach dem Bild und nach der Aufschrift, weil er das nicht wüßte oder weil er das erst von ihnen erfahren will. Nein, sondern er will sie dadurch zwingen, durch ihre eigene Antwort sich selbst zu widerlegen. Das Bild des Kaisers und die Umschrift, die seinen Namen trägt, beweisen nämlich, dass die Münze dem Kaiser gehört, nicht als Privatmann, sondern als Symbol seiner Herrschaft, seiner Macht, seiner Autorität. Wenn die Juden in ihrem Lande die kaiserliche Währung haben, so muss man die Äußerung des Herrn verstehen, dann ist das eine praktische Anerkennung der Herrschaft des Kaisers. Soweit der Geltungsbereich einer Geldmünze reicht, soweit reicht die Herrschaft des Herrn. Darum kann Jesus aus der Tatsache, dass die Juden das kaiserliche Geld gebrauchen, schließen, dass der Kaiser ein Recht hat auf die Erhebung der Kopfsteuer.

Es ist also eine natürliche Pflicht, die der Herr hier einschärft. Die Untertanen müssen zu den Lasten eines Staatswesens beitragen. Sie müssen die Oberherrschaft dessen, der die Steuer einfordert, anerkennen. Das war angesichts der Großzügigkeit der Römer nicht so schwer. Sie haben nämlich den Juden völlige religiöse Freiheit gelassen. Sie haben sich nicht in die religiösen Angelegenheiten des Volkes eingemischt, und die Befürchtung, dass durch die Entrichtung der Steuer die Herrschaft Gottes beeinträchtigt werden könnte, ist völlig illusorisch. Beide können nebeneinander bestehen. „Gebt das dem Kaiser, was des Kaisers ist, und gebt Gott das, was Gottes ist!“ Mit dieser Antwort hat sich der Herr ihrer Falle entzogen. Die Gegner können Jesus weder vorwerfen, er sei ein Freund der Römer und ein Volksverräter, und damit sein Ansehen beim Volk zerstören, noch können sie ihn als Aufrührer gegen Rom anklagen. In dieser Antwort des Herrn liegt eine klare Absage an die jüdischen Nationalisten, an die Eiferer, an die Zeloten, überhaupt gegen die politischen Revolutionäre seiner Zeit.

Er konnte auf ein Beispiel verweisen, das an dieser Stelle nicht erwähnt ist, aber das ihm sicher bekannt war, nämlich dreißig Jahre vorher hatte ein Mann namens Judas aus Galiläa zum Steuerstreik aufgerufen. Er war prompt hingerichtet worden. Das sollte jetzt auch mit Jesus geschehen. Sie wollten ihn vor den römischen Richter bringen.

Aber Jesus ist weit davon entfernt, die Autorität und das Herrscherrecht des Kaisers zu bestreiten. Als er vor Gericht steht, da fragte ihn der Landpfleger, woher er stamme. Jesus gab keine Antwort darauf. Pilatus drohte dann mit seiner Macht: „Ich habe die Macht, dich hinzurichten oder freizugeben.“ Da kommt die Antwort des Herrn: „Du hättest keine Macht, wenn sie dir nicht von oben gegeben wäre.“ Von oben, das heißt von Gott. Die Macht des Kaisers, die Macht des Staates, die Macht des Reiches der Römer ist von Gott. Der Kaiser hat vom göttlichen Recht her Anspruch auf Anerkennung seiner Herrschaft. Die Erfüllung der Pflichten gegen diese Herrschaft widerspricht nicht den Pflichten gegen Gott. Die von den Pharisäern erwartete Äußerung ist nicht gefallen. Der Herr lehnt die Oberherrschaft der Römer nicht ab. Er rebelliert nicht gegen die Fremdherrschaft.

Im Hintergrund freilich ist diese Frage noch von ganz anderer Brisanz; denn die Juden, vor allem die Pharisäer hatten folgendes Geschichtsbild. Wenn der Messias erscheint, wird er das römische Besatzungsregime aus dem Lande fegen, er wird das „Schwein“, wie man die Römer wegen ihres Genusses von Schweinefleisch nannte, aus dem Lande treiben und die Herrschaft Gottes aufrichten. Dieses Messiasbild ist nicht das unseres Heilandes. Sein Bild vom Messias ist von ganz anderer Art. Er lehnt eine messianische Revolution im irdischen Sinne total ab. Er weist die Konstruktion der jüdischen Obrigkeit radikal ab, weil er ein anderes Geschichtsbild hat. Die Aufforderung zur Steuerverweigerung als Symbol und als Signal zum messianischen Aufstand zu geben, das ist nicht seine Sendung. Der politische Putsch ist kein Element der Herrschaft Gottes.

Jesus stellt den Kaiser und Gott nebeneinander. Aber er stellt sie nicht gleich. Zwischen beiden besteht ein Wesensunterschied. Der Kaiser ist der Oberherrscher in der irdischen Ordnung, die Herrschaft Gottes geht dagegen auf den inneren Menschen, und erst aus seiner Neugeburt im Heiligen Geiste auf die äußeren Ordnungen. Es hat gar keinen Zweck, durch gewaltsames Eingreifen, etwas durch Steuerverweigerung oder durch Revolution, das Gottesreich herbeizuführen. Das Gottesreich ist anderer Art. Es ist mit ihm gekommen, mit ihm, dem Boten, dem Herold, dem Träger des Gottesreiches. Jesus ist das hereingebrochene Gottesreich, und wer sich diesem Reiche anschließen will, der muss sich ihm unterwerfen, der muss auf seine Worte hören. „Wenn ich die bösen Geister durch den Finger Gottes austreibe, dann ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen“, sagt er einmal seinen Gegnern. „Wenn ich durch den Finger Gottes die bösen Geister austreibe, dann ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen.“ Ja, wahrhaftig, mit ihm ist es angebrochen, und wer Gott gibt, was Gottes ist, der schließt sich ihm an, der folgt ihm, der hört auf seine Stimme, der gehört zu seinen Schafen, die er zum Vater führt.

Jesus erklärt mit seinen Äußerungen, dass die Herrschaft Gottes von keinem politischen System abhängig ist. Und die Kirche ist dieser Lehre des Herrn immer treu geblieben. Sie hat stets gelehrt, es kommt nicht darauf an, welches politische System herrscht. Es kommt darauf an, ob dieses System die Menschenrechte gewährleistet, ob es in Recht und Gerechtigkeit seine Herrschaft ausübt. Die Demokratie zum Dogma erheben, das ist keine katholische Lehre. Gottes Herrschaft ist von keinem politischen System abhängig. Sie ist auch nicht von bestimmten Trägern des Herrschaftssystems abhängig. Durch eine äußere Änderung des Gewaltsystems ersetzt man nur eines durch ein anderes. Dadurch wird nichts besser. Das erleben wir ja jetzt in Nordafrika.

Was bedeutet die politische Herrschaft des Kaisers gegen die Herrlichkeit der Herrschaft Gottes? Die Pharisäer entrüsten sich über geringere Dinge, nämlich über die politische Herrschaft des Kaisers, und die großen Dinge, nämlich die Herrschaft Gottes, die Unterwerfung unter seinen Willen, die lassen sie dahin, die Treue gegen Gott, die lassen sie dahin. Die Frage, ob die römische Herrschaft zu Recht besteht, beantwortet der Herr nicht. Das ist nicht seines Amtes; das müssen die Menschen mit ihrem Verstand, mit ihrer Vernunft selbst entscheiden. Gott will uns kein Rezept für eine politische Verfassung geben. Er bindet auch niemanden an ein bestehendes politisches System. Das alles ist den Menschen in ihrer Freiheit und in ihrer Vernunft überlassen.

Die Episode der Befragung nach der Kaisersteuer, meine lieben Freunde, im Leben unseres Heilandes, ist vergangen. Nicht vergangen ist der ständig wiederholte Versuch, die Kirche des Herrn durch politische Verdächtigungen, Beschuldigungen und Anklagen ins Unrecht zu setzen. Der Haß erfindet immer neue Vorwürfe, um der Kirche das Ansehen zu rauben und ihre Glieder abtrünnig zu machen. Dahinter steht die Absicht: Wenn sich die Kirche politisch schuldig macht, dann kann man auch die politischen Machtmittel gegen sie einsetzen. Das ist in reichem Maße geschehen.

Unsere Kirche hat sich immer an das Wort des Herrn gehalten: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und gebt Gott, was Gottes ist.“ Nicht so ihre Gegner. Im Kaiserreich, also bis 1918, reihte der Kanzler Bismarck unsere Kirche und die Katholiken unter die Reichsfeinde ein, unter die Reichsfeinde. In der Zeit der Weimarer Republik wurde die Kirche verdächtigt, mit der religionsfeindlichen Sozialdemokratie zusammenzugehen, um dabei Gewinn für sich selbst zu erzielen. Das „Propagandabistum Berlin“, so sagte der Evangelische Bund, das „Propagandabistum Berlin“ wurde damals errichtet. Während des Dritten Reiches wurde jede öffentliche Äußerung von Bischöfen als verbrecherischer politischer Katholizismus ausgegeben. Der preußische Ministerpräsident Göring erließ eine eigene Verlautbarung gegen den „politischen Katholizismus“. Immer wenn die Kirche sich gegen Euthanasie oder gegen Ermordung Unschuldiger wehrte, da wurde der politische Katholizismus aus der Mottenkiste gezogen. Heute beschuldigt man die Kirche, sich nicht an dem Prozeß der fortschreitenden Demokratisierung zu beteiligen. Es gibt schon Stimmen, die Kirche müsse endlich das Priestertum für Frauen öffnen. Sie müsse die Hierarchie zurückschneiden, das Papsttum, das Lehramt.

Meine lieben Freunde, heute wie gestern wird sich die Kirche nicht in eine bestimmte Ecke drängen lassen, wird sie sich nicht politisch vereinnahmen lassen, wird sie sich aber auch nicht politisch unnötig und überflüssig exponieren. Unsere Kirche hält sich in allen Epochen strikt an das Wort des Herrn: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist.“ Sie ist loyal gegenüber jedem rechtmäßigen politischen System. Sie hat unter keiner Regierung ihre gottgegebenen Pflichten gegenüber dem Staat vernachlässigt. Sie hat sich aber auch mit keiner identifiziert. Ich erinnere mich noch, als die Nationalsozialisten an die Herrschaft kamen, wie die Kirche, wie die Bischöfe bedrängt wurden von wohlmeinenden Katholiken, sie möchte sich doch an das herrschende System anschließen. Der Nobelpreisträger Johannes Stark, ein Physiker in Würzburg, schrieb an die Bischöfe, sie sollten doch endlich ihre Zurückhaltung aufgeben und sich zu dem neuen Staat bekennen. Die Kirche hat sich mit keinem System identifiziert. Sie ist aber dem verwerfenden Urteil der Feinde nicht entgangen. In der Zeit des Dritten Reiches warfen die Nationalsozialisten der Kirche vor, sie verweigere sich dem nationalen Aufbruch. Nach dem Ende des Reiches fielen Leute wie Hochhuth über sie her und sagten, sie habe Kumpanei betrieben mit dem Nationalsozialismus. Ja, beides kann ja nun nicht stimmen.

Wir haben das Glück, meine lieben Freunde, einer Kirche anzugehören, die es nicht den Menschen, sondern Gott recht machen will, einer Kirche, die vom Heiligen Geist geleitet ist und deswegen unabänderlich und unweigerlich gestern wie heute und morgen zu dem Worte steht: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, aber gebt Gott, was Gottes ist!“

Amen.

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