Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
10. April 2011

Jesus und die ungläubigen Juden

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Das heutige Evangelium ist von einem ganz besonderen Rang; denn hier offenbart sich Jesus in einer Weise, wie es unübersehbar und unüberbietbar ist. Er fängt damit an, dass er sagt: „Wer von euch kann mich einer Sünde beschuldigen?“ Er ist der Sündlose; er ist der Schuldlose, und diese Schuldlosigkeit, diese Sündlosigkeit bürgt dafür, dass er die Wahrheit sagt. Er ist sittlich untadelig, der Satan hat an ihm keinen Teil. Er ist treu gegenüber Gott und der Sendung, die er von ihm überkommen hat, nämlich den Willen Gottes den Menschen zu offenbaren. Wer aus Gott ist, wer aus Gott stammt, der versteht seine Worte, der nimmt sie an. „Ihr hört nicht darauf“, sagt er, „weil ihr nicht aus Gott seid.“ Ein unerhörter Vorwurf, denn die Juden bildeten sich viel ein auf ihre Auserwähltheit, auf ihr Blut, auf das gemeinsame Blut. Jesus weist ihren Anspruch zurück. „Darum hört ihr nicht auf meine Worte, weil ihr nicht aus Gott seid.“

Die Juden geben diesen Vorwurf zurück mit einem noch schlimmeren. „Du hast einen Teufel. Du bist ein Samariter. Du bist besessen.“ Du bist ein Samariter – ist das ein Vorwurf? Ja, natürlich, denn die Juden standen in bitterer Feindschaft zu den Samaritern. Sie lehnten sie ab, weil sie mit Heiden vermischt waren, nicht reinblütig waren. Und wenn man jemand einen Samariter nennt, dann will man sagen: Du bist ein Ketzer, du gehörst nicht zu uns. Aber noch mehr: Du bist besessen, du hast einen Teufel.

Die schlimmste Beschimpfung, die man einem Menschen anheften kann, ist, dass er in der Macht des Teufels ist. Das haben die Juden dem Herrn schon gesagt, als er die Dämonen austrieb: „Durch den obersten der Teufel treibt er die Teufel aus!“ Jetzt wiederholen sie diesen Vorwurf: Er ist besessen. „Nein“, sagt Jesus, „ich habe keinen Teufel, sondern ich ehre meinen  Vater.“ Er ist nicht in der Gewalt des bösen Geistes, sondern er gehorcht nur seinem himmlischen Vater. Sie aber verweigern dem Vater die Ehre, indem sie den Sohn nicht annehmen. Wer den Sohn nicht annimmt, der vergeht sich gegen den Vater; denn der Vater hat ihn gesandt, und er hat seine Ehre mit der Ehre des Sohnes verknüpft. Die Ehre Jesu ist es, als der Gottgesandte, als der verheißene Erlöser anerkannt zu werden. Und wer das nicht tut, der raubt ihm seine Ehre, der entzieht ihm seine Ehre, der enthält ihm seine Ehre vor, der sucht seine Ehre nicht. Aber der Vater will, dass er geehrt wird, weil eben an seiner Ehrung die Anerkennung als der Gottgesandte hängt.

Dann kommt Jesus auf die an ihn Glaubenden zu sprechen. „Wenn jemand meine Worte hält, wird er den Tod in Ewigkeit nicht schauen.“ Jesus verheißt seinen Anhängern das ewige Leben. Es sind mindestens sechs Stellen im Johannesevangelium, an denen Jesus den zu ihm Gehörigen das ewige Leben verspricht, mindestens sechs Stellen. Die kürzeste lautet: „Wer an mich glaubt, hat ewiges Leben.“ Kurz und lapidar: „Wer an mich glaubt, hat ewiges Leben.“ Die Juden freilich mißverstehen dieses Wort, gewollt oder ungewollt. Sie verstehen es dahin, dass seine Anhänger nicht sterben werden. Das hatte Jesus nicht gesagt. Er hatte vom ewigen Leben gesprochen, aber nicht von der Fortdauer des irdischen Lebens. Sie verstehen also die Verheißung Jesu fälschlich als Bewahrung vor dem leiblichen Tod, und darin sehen sie einen Beweis, dass sein Selbstbewußtsein nur durch dämonische Besessenheit zu erklären ist. Sie begreifen auch, dass sich Jesus damit über Abraham stellt. „Abraham ist gestorben, und die Propheten sind gestorben. Was machst du aus dir selbst?“ Sie erheben damit den Vorwurf, dass er sich in die göttliche Sphäre erhebt, dass er sich Gott gleich macht. Denn sie wissen: Ewiges Leben kann nur Gott geben, und wenn Jesus seinen Anhängern das ewige Leben verspricht, dann stellt er sich an die Seite Gottes.

Jesus entschuldigt sich nicht. Er nimmt nichts zurück. Er räumt die Schwierigkeiten nicht aus, sondern er betont, dass er weit über Abraham hinausragt. Er sucht seine Ehre nicht, aber der Vater sorgt für seine Ehre durch die Werke, die er verrichtet, durch die Wunder, die er vollbringt, durch die Heilungen, die ihm gelingen. Das alles, dieses Wirken geschieht im Namen des Vaters, in der Kraft des Vaters, und darin vollzieht sich seine Verherrlichung, darin geschieht seine Ehrung. Die Juden können die Herrlichkeit Jesu nicht erkennen, weil sie den Vater nicht kennen. Sie sind gottfern, ja, sie sind gottlos! Wer ihn, den Gottgesandten, nicht erkennt, wer ihm die Ehre verweigert, der kann nur als gottlos, als gottfern bezeichnet werden. Die Kenntnis, die Jesus vom Vater hat, verpflichtet ihn, Gott zu offenbaren, verpflichtet ihn, das Wort Gottes den Menschen zu verkündigen. Und nun beweist Jesus den Juden aus dem eigenen Zeugnis Abrahams, dass er größer ist als der von ihnen so hoch verehrte Stammvater. „Abraham frohlockte, dass er den Tag meiner Ankunft sehen sollte.“ „Abraham frohlockte, dass er den Tag meiner Ankunft sehen sollte.“ Das ist eine Anspielung auf die von Gott dem Abraham gegebene Verheißung, dass er der Stammvater des Messias sein werde, dass aus seinem Stamm, aus seinem Geblüte der Messias, der Erlöser, der Erretter geboren werden sollte. Deswegen frohlockte Abraham, weil er wußte, aus seinem Stamme geht der Erlöser hervor.

Die Juden haben auch diesmal Jesus mißverstanden. Sie meinten, er behaupte, er habe Abraham von Angesicht zu Angesicht gesehen. Das ist unmöglich, denn er ist ja erst 30 Jahre alt. Wie kann er da Abraham gesehen haben, der vor vielen Jahrhunderten gelebt hat? Ein Mißverständnis. Jesus erklärt ihnen, wie es mit seinem Erkennen Abrahams beschaffen ist. „Ehe Abraham war, bin ich!“ Ein Satz, wie in Erz gemeißelt. „Ehe Abraham war, bin ich!“ Das heißt, er schreibt sich selbst ewiges Sein bei Gott zu. „Ehe Abraham war, bin ich!“ Ich war schon der Seiende – wie er im Buche Exodus ja genannt wird – ich war schon der Seiende, als Abraham geboren wurde. Kompromißloser, provozierender konnte Jesus nicht sagen, was er in der Tat ist. Er duldete, dass diese ganze Unerhörtheit der Gottesproklamation von den Juden verstanden wurde, und diesmal haben sie ihn verstanden. Denn sie hoben Steine auf, um sie auf ihn zu werfen. Auf Gotteslästerung stand nach jüdischem Recht die Todesstrafe, die Todesstrafe der Steinigung. Und so brachen sie Steine, vermutlich aus dem Boden des Tempelvorhofs, und wollten sie auf ihn werfen. Jesus aber ging aus ihrer Mitte und verbarg sich. Deswegen werden die Kreuze in unseren Kirchen heute verhüllt. Er verbarg sich vor ihnen. Noch war seine Stunde nicht gekommen. Er mußte warten, bis die vom Vater festgesetzte Stunde kommen würde.

So mußte sich das Geschick Jesu vollenden, meine lieben Freunde. Es führt keine Brücke von seinem Selbstbewußtsein zu der Messiasvorstellung der Juden. Dieser Text läßt kein Ausweichen zu. Was Jesus hier erklärt, ist die Proklamation seiner Gottheit, seines göttlichen Wesens. Er ist kein bloßer Prophet wie Elias oder Elisäus. Er ragt auch über den Täufer hinaus. Er ist der auf Erden erschienene Gott!

An diesem Bekenntnis entscheidet sich, ob wir Christen sind oder Jesuaner. Man mag den Nazaräer noch so hoch erheben, als einen edlen, als einen erhabenen, als den edelsten, als den erhabensten Menschen bezeichnen. Solche Einstufung bleibt unendlich hinter der Wirklichkeit zurück. Wer von Jesus redet, ohne seine Gottheit zu bekennen, hat um ihn herumgeredet. Die Muslime, die abgefallenen Katholiken, die liberalen Protestanten, sie stellen sich alle an die Seite der ungläubigen Juden. Die Gläubigen allein bekommen Jesus in den Blick, denn er ist der Logos, er ist der menschgewordene Gott. „Er ist Gott von Gott, Licht vom Lichte, wahrer Gott vom wahren Gott. Gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater.“ Zu ihm rufen wir: Jesus, du unser Gott, erbarme dich unser! Jesus, du starker Gott, erbarme dich unser!

Amen.

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