Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
13. Mai 2010

Erhöht in die Herrlichkeit des Vaters

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier der Auffahrt unseres Heilandes in den Himmel Versammelte!

Im Apostolischen Glaubensbekenntnis findet sich immer der Satz: „Aufgefahren in den Himmel.“ Wir haben eben den Bericht des heiligen Lukas gehört, wo er schildert, wie diese Auffahrt vonstatten ging. Der Herr wurde emporgehoben, und eine Wolke entzog ihn den Blicken der Jünger. Diese schauten nach, aber ein Engel wies sie darauf hin, sie sollten an ihre gegenwärtigen Aufgaben denken und an seine zukünftige Wiederkunft.

Wenn die Menschen diese Lehre von der Auffahrt des Herrn in den Himmel hören, da sind die einen ironisch, zweifelnd, die anderen besorgt, ängstlich; denn jeder wird sich die Frage stellen: Wo ist denn der Himmel? Wo ist denn der Himmel, in den Jesus aufgefahren ist? Viele stellen sich den Himmel vor als einen weit entlegenen Ort im Weltall. Auf irgendeinem ganz weit entfernten Stern, so meinen sie, könne der Himmel sein. Diese Vorstellung ist mit Sicherheit falsch. Das ganze Weltall, alle Gestirne sind von derselben Art, nämlich sie sind Teil der Schöpfung und deswegen den Menschen zur Erforschung und zum Besitz aufgegeben. Wir müssen ein Nein sprechen zu dieser Vorstellung und ein Ja zu dem Inhalt der Aussage: Christus ist in den Himmel aufgefahren. Wir gläubigen Priester erzählen keine Märchen, sondern wir verkünden die Wundertaten Gottes. Unser Herr ist in den Himmel aufgefahren. Der Glaubensartikel steht fest, er kann weder abgeschafft noch umgedeutet werden. Der Auferstandene und Erhöhte lebt in der Herrlichkeit des Vaters. Das ist eine Tatsache. Aber es gibt eben über der Erfahrungswirklichkeit, die uns umgibt, eine andere Wirklichkeit, die nicht der Erfahrung zugänglich ist. Die Wirklichkeit Gottes, die himmlische Wirklichkeit ist anders als alles, was wir in unserer Erfahrung vorfinden, muss anders sein. Denn Jesus ist ja in der Auferstehung verwandelt worden. Er paßt nicht mehr in diese Welt, in der wir leben. Seine Daseinsweise ist so geartet, dass sie eine andere Wirklichkeitsweise fordert. Diese Wirklichkeit, in der der Herr lebt, ist uns unzugänglich. Wir können sie weder durch Fernrohre erspähen noch durch die Raumfahrt erreichen. Die Welt Gottes, die Gott vorbehaltene Welt, der Himmel, ist eine Seinswirklichkeit, nicht eine gedachte, wie Heinrich Heine meinte: „Den Himmel überlassen wir den Engeln und den Spatzen.“ Nein, nein, der Himmel ist eine Seinswirklichkeit, aber die Wirklichkeit eines Seins von anderer Art als das Sein, das uns umgibt. Die Wirklichkeit Gottes ist der Erfahrung der Menschen entrückt. Christus, der Auferstandene und in den Himmel Aufgefahrene, ist wirklich vorhanden, aber er ist mit menschlichen Mitteln nicht auffindbar.

Das ist nicht zu verwundern, das muss so sein. Gottes Wirklichkeit übersteigt jedes Geschöpf. Wir nennen ihn den Transzendenten, d.h. eine Wirklichkeit, die jede Erfahrungswirklichkeit übersteigt. Die Kirche legt das nahe, wenn sie uns beten lehrt, Christus sei „über alle Himmel emporgestiegen“, also über alle Sternenwelten, jenseits aller Sternenwelten, da weilt er. Wenn Gott vom Menschen erreichbar wäre, wäre er nicht Gott. Wenn der Mensch mit seinen Mitteln zu Gott vordringen könnte, dann hörte Gott auf, der Transzendente, der Jenseitige zu sein. Was der Mensch erfassen, besitzen, ergreifen kann, das ist immer nur ein Geschöpf, das ist niemals Gott.

Was vom auferstandenen Herrn gilt, das gilt in einer analogen Weise auch von den Engeln und den seligen Menschen. Sie sind im Himmel. Das heißt: in einer Wirklichkeit, die von der unsrigen total verschieden ist. Sie sind von uns nicht nur weit entfernt, sondern sie sind in eine Wirklichkeit eingegangen, die jenseits des erfahrbaren Weltalls liegt. Um diese Seinsweise zu verstehen, muss man jede räumliche Vorstellung verabschieden. Sie stehen vor Gott, und sie verherrlichen Gott, aber sie tun es eben als leibfreie Geister. Von ihrer Wesensart können wir uns keine Vorstellung machen, denn in der Erfahrung finden wir keine reinen Geister vor. Aber wir sehnen uns nach einer Vorstellung des Nicht-Vorstellbaren. Wir möchten eine Anschauung gewinnen von dem Unanschaulichen. Und so reden wir halt davon, wie wir vom Anschaulichen reden. Man könnte sich, und das haben ja viele Menschen getan und tun es vielleicht bis heute, man könnte sich vorstellen, der Himmel sei eben halt so weit, so weit, dass der Mensch da nicht hinkommen kann. Diese Vorstellung trügt. Jeder Stern, jeder Himmelskörper, und sei er noch so weit entfernt von uns, gehört der Welt der Schöpfung an. Alle Himmelskörper sind von der gleichen Art. Wenn der Himmel auf einem nur weit entfernten Stern angesiedelt wäre, dann würden die Himmelsbewohner leben wie wir, ähnlich wie wir. Aber das ist ausgeschlossen, denn sie sind ja im Tode verwandelt worden in eine andere Existenzform. Jesus hat sie beschrieben, wenn er sagt: „Im Himmel, da wird nicht mehr geheiratet, und da heiraten sie nicht mehr.“ Also die Formen dieser Welt haben aufgehört. Die Formen dieser Welt sind vergangen. Die Seelen der Verstorbenen leben, sie haben sich nicht aufgelöst, sie existieren weiter, aber sie existieren in einer Daseinsform, die uns nicht zugänglich ist. Man kann sogar sagen: Die Seelen sind im Raum, aber sie brauchen keinen Raum, weil sie nicht ausgedehnt sind. Nur was ausgedehnt ist, benötigt einen Raum. Die Seelen der Verstorbenen sind auch nicht überall. Sie sind an einem bestimmten Ort, aber wir kennen nicht die Lage dieses Ortes. Wir können ihn weder erreichen noch erforschen. Er ist für irdische Mittel nicht zugänglich, unerreichbar. Er liegt jenseits alles dessen, was wir aus der Erfahrung kennen. Die Seligen leben im Himmel, aber der Himmel ist anders als die sichtbare Schöpfung. Die himmlische Daseinsform ist gekennzeichnet durch die Erhabenheit über alle irdischen Formen des Daseins. Die Erfahrungswirklichkeit ist eben nicht die einzige Wirklichkeit; es gibt auch eine Wirklichkeit jenseits des Erfahrbaren. Es gibt eine Wirklichkeit, die von der Erfahrungswirklichkeit verschieden und dennoch real ist. Eines ist sicher: Die Seligen sind dort, wo Gott ist, denn sie schauen Gott, sie lieben Gott. Sie sind entzückt von der Wirklichkeit Gottes. Der Himmel ist dort, wo die Seligen Gott schauen. Gott aber ist überall. Theoretisch – theoretisch – könnten die Seligen auch dort verweilen, wo sie gelebt haben, denn Gott ist auch dort anwesend. Nur ist unsere irdische Möglichkeit beschränkt, ihre Seinsweise ist uns nicht zugänglich. Das meint also die Himmelfahrt. Sie meint: keine Ortsveränderung, sondern eine Existenzverwandlung.

Im Weltall gibt es kein Oben oder Unten. Das wissen wir aus unserer naturwissenschaftlichen Forschung. Diese Ausdrücke sind nur vom Standpunkt des Beobachters aus genommen. Das ganze Weltall ist grundsätzlich der menschlichen Erforschung zugänglich. Wenn wir bisher noch nicht so weit sind, dann ist es durchaus denkbar, dass es in Jahrzehnten oder Jahrhunderten einmal so sein wird. Wir müssen allerdings von der „Auffahrt“ sprechen, weil wir keine anderen Begriffe haben. Wir müssen in Bildern reden, denn wir kommen ohne Bilder nicht aus. Und weil eben oben das Helle, das Lichte sich befindet, deswegen ist die Auffahrt des Herrn nach oben gegangen. Wäre er in die Erde versunken, dann könnte man meinen, er sei in die Unterwelt gegangen, in das Asyl der Verdammten. Nein, diese Auffahrt des Herrn nach oben sagt uns, dass er in die Herrlichkeit des Vaters eingegangen ist. Sie dient dazu, die Existenzverschiedenheit des Auferstandenen und Erhöhten darzustellen.

Manche fragen sich: Wo war denn der Herr in den 40 Tagen nach seiner Auferstehung bis zur Himmelfahrt? Mit allem Vorbehalt, nur aufgrund eigenen Nachdenkens bin ich der Überzeugung: Der Herr war in dieser Zeit in der Herrlichkeit des Vaters und ist von dort jedesmal, wenn eine Erscheinung geschah, zu den Menschen gekommen. Das ist kein Widerspruch zum Evangelium, denn das, was wir heute feiern, ist eben das letzte Mal, das letzte Eingehen zum Vater. Es ist der Abschluß der Erscheinungen. Die anderen Auffahrten zum Vater sind uns nicht berichtet, aber diese eine ist uns berichtet, weil wir seine Wiederkunft erwarten sollen.

Wenn wir jetzt einigermaßen Klarheit haben, was die Himmelfahrt in sich bedeutet, dann können wir fragen: Was bedeutet sie für uns? Christus hat während seines irdischen Daseins nur einen kleinen Kreis von Menschen erreicht in Palästina, seine Freunde, seine Jünger, die guten Frauen, aber auch die Feinde. Jetzt, wenn er in den Himmel aufgefahren ist, ist er durch seine Existenzverwandlung in der Lage, eine neue Anwesenheit unter den Menschen zu gewinnen. Sein Heilswirken kann jetzt auf die ganze Welt, auf die ganze Erde ausgeweitet werden. Die Heilsdynamik des Herrn ist durch die Erhöhung des Herrn in den Himmel zu absoluter Universalität geworden. Und diese Heilsdynamik des Herrn ist erfahrbar. Den auferstandenen Herrn können wir nicht erreichen, aber sein Wirken ist uns zugänglich. Wir machen nämlich zweierlei Erfahrungen: Wir machen die Erfahrung des Schlimmen, des Bösen, die Erfahrung der Schwächen, der Untaten, des ständige Guerillakrieges in den Familien, unter den Kollegen, an den Arbeitsplätzen, im Wirtschaftsleben, in der Politik. Das ist die eine Erfahrung. Aber wir machen auch eine andere Erfahrung, nämlich die Erfahrung des Guten, die Erfahrung der Treue, der Selbstlosigkeit, der Hingabe, die Erfahrung der Wahrhaftigkeit, der Liebe. Diese Erfahrung ist nicht selbstverständlich. Das Gute ist nicht selbstverständlich, meine lieben Freunde. Es quillt nicht naturhaft aus dem Menschen, denn von Natur aus neigen wir zum Bösen. Das Gute ist die Frucht des göttlichen Wirkens in den Seelen der Menschen. Es ist die Frucht der Heilsdynamik des auferstandenen Herrn. In den Guttaten erfahren wir die schöpferische Liebe des auferstandenen und erhöhten Christus. Er ist die hintergründige Kraft für Menschenwürde, Freiheit und Verantwortung, für Selbstlosigkeit und Verbundenheit unter den Menschen. Gottes Herrschaftsherrlichkeit verwirklicht sich an den Menschen guten Willens. Das allerdings braucht es. Wer einstimmt in die Anregungen, in die Impulse, in die Antriebe Gottes, an dem wirkt er sein Heil, ja, der ist beteiligt am Heilswirken Gottes selbst.

Da sieht man, dass Gott für die Durchsetzung seiner Heilswirksamkeit auf das Mitwirken des Menschen angewiesen ist. Gott braucht Menschen, und er hat den Menschen eine Verantwortung gegeben, dass sein Reich auf dieser Erde vorankommt. Er ruft jeden zur Aktivität auf. Nicht schlummern, nicht schlafen, nicht ruhen, sondern tätig sein, wirken, wirken unter dem Antrieb der Gnade, wirken mit dem Wirker Gottes. Jeder, der sich einstimmt in Gottes Wirken, macht die tägliche Gegenwart des Herrn sichtbar und erfahrbar. Dass Christus heilswirksam anwesend ist, erfahren wir, wenn wir seine Mitarbeiter am Werk der Heiligung werden. In allen Taten der Nächstenliebe, der Selbstentäußerung, des Sich-Verzehrens für Gottes Ehre erleben wir die Wirklichkeit und die Wirksamkeit des in den Himmel aufgefahrenen Herrn. Davon sollen alle Menschen ergriffen werden.

Aber da erhebt sich die bange Frage: Wird es einmal dazu kommen, dass alle Menschen aus der schöpferischen Liebe Gottes leben? Wird das einmal werden? Ich fürchte, das ist eine Utopie. Ich fürchte, der Kampf zwischen Gut und Böse wird so lange andauern, bis der Herr wiederkommt. Die Erfüllung wird nicht in der Zukunft geschehen, die wir Menschen schaffen, sondern erst in der Zukunft, die durch Gottes sichtbares Hervortreten hervorgebracht werden wird. Gott wird es vollenden, aber erst, nachdem er die große Scheidung am Jüngsten Tage durchgeführt hat. Also über menschliche Hoffnungen hinaus, über die Hoffnung auf menschliche Erfüllung hinaus haben wir eine Hoffnung auf die radikale Zukunft, die Gott zu eigen ist.

Vielleicht kommt es einmal dazu, dass die Chemie und die Medizin die Lebenserwartung des Menschen verlängern auf 150, 200, vielleicht auch 1000 Jahre. Vielleicht kommt es einmal dazu. Aber was besagt das schon? Das würde eine verlängerte Langeweile sein. Das würde immer nur weitergehen wie jetzt. Unsere Zukunft ist anderer Art als das verlängerte menschliche Leben. Dann, wenn Christus sich zeigen wird, wenn er wiederkommt, dann wird er alles zur Vollendung führen, und das wird ein wahrhaft revolutionärer Vorgang sein.

Wir bekennen uns also nicht zu einer dürftigen Zukunft mit menschlichen Mitteln. Wir bekennen uns zur radikalen Zukunft, die Gott uns bereiten wird. Wir sind seine Helfer und seine Mitarbeiter, wir sind tätig, um diese Zukunft mit heraufführen zu helfen, soweit er unser bedarf. Wir sind unterwegs zum Himmel, dort wird alles erfüllt sein, was wir zu Recht erhofft und erbeten haben. Dort werden wir die Ruhe und Erquickung finden, die wir hier auf Erden nicht finden durften. Im Himmel, da werden wir einmal alles schauen und alles besitzen, was der Herr uns verheißen hat. Und deswegen gilt heute der Aufruf des Apostels im Römerbrief: „Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Drangsal, beharrlich im Gebet.“

Amen.

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