Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
20. Dezember 2009

Dem Herrn die Wege bereiten

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Sie werden vielleicht gedacht haben: Was sind das alles für Namen, die der Evangelist Lukas uns heute zumutet, bevor er zur Sache kommt? Ist das nicht überflüssig? Da ist die Rede vom Kaiser Tiberius, und zwar von seinem 15. Jahre. Das ist die erste und einzige genaue chronologische Bestimmung im Evangelium, die einzige. Das 15. Jahr des Kaisers Tiberius wird aber nun auf zweifache Weise berechnet. Nach der einen Berechnungsweise ist es vom 19. August 28 bis 18. August 29. n. Chr. Nach der anderen Zählweise ist es vom 1. Oktober 27 bis 30. September 28. Welche von den beiden Zählweisen ist richtig? Wir geben der zweiten mehr Wahrscheinlichkeit. Warum? Weil sie übereinstimmt mit einer Angabe aus dem Johannesevangelium. Dort heißt es nämlich, als Jesus zum ersten Mal in Jerusalem war, dass 46 Jahre seit dem Bau des Herodianischen Tempels vergangen seien, und diese Zahl stimmt genau überein mit der zweiten Zählweise der Regierung des Kaisers Tiberius.

Nicht genug mit dem Kaiser, erwähnt Lukas auch den Prokurator, den Statthalter. Die Römer hatten nämlich im Jahre 6 nach Christus den jüdischen Herrscher Archelaus abgesetzt und sein Land, Judäa und Samaria, zu einer römischen Provinz gemacht, zu der prokuratorischen Provinz Judäa, die dem Oberstatthalter in Syrien unterstand. Der Prokurator, Landpfleger, wie wir es übersetzen, Statthalter, hieß Pontius Pilatus. Das ist ein bekannter Mann. Von ihm wissen wir, dass er mit eiserner Faust das Land regierte. Herodes Agrippa I. nennt ihn in einem Brief an den Kaiser Caligula „unbeugsam und rücksichtslos hart“. Er wirft ihm Bestechlichkeit, Gewalttaten, Mißhandlungen, Hinrichtungen ohne Urteil, endlose und unerträgliche Grausamkeit vor. Wir kennen diesen Pilatus.

Dann folgen drei Landesfürsten. Ihre Herrschaft übten sie von Roms Gnaden aus. Der erste ist Herodes Antipas. Er war ein Sohn Herodes’ des Großen. Herodes der Große ist derjenige, unter dem der Heiland geboren ist. Sein Sohn also, Herodes Antipas, regierte von 4 vor bis 39 nach Christus. Er war der Landesherr von Galiläa, also der Vorgesetzte unseres Heilands. Wir wissen, dass er ihm ein Spottkleid anziehen ließ während seiner Passion, und wir wissen auch, dass er Johannes den Täufer hinrichten ließ. Das ist Herodes Antipas. Philippus, der andere, war ebenfalls ein Sohn des Herodes, aber von einer anderen Frau; er war also der Stiefbruder des Herodes Antipas. Seine Gattin hieß Salome; sie war seine Nichte, also eine nahe Verwandte. Dieser Philippus war eine wahre Ausnahme unter den Kindern des Herodes. Er war tüchtig, er war sympathisch, er war gütig und gerecht. Sein Herrschaftsgebiet war Ituräa am Libanon, von dem wir ja heute immer in der Zeitung lesen, und von Trachonitis. Das Gebiet lag im Norden und Nordosten von Galiläa. Er regierte von 4 vor bis 34 nach Christus. Lysanias gehörte nicht zur Familie des Herodes. Er regierte Abilene, das ist das Gebiet um die Stadt Abila. Dieses Land liegt nordwestlich von Damaskus, gehörte also eigentlich nicht mehr zu Palästina. Aber Lukas erwähnt es, weil es zu seiner Zeit eben zu diesem Gebiet gehörte. Da sieht man die historische Genauigkeit, mit der er berichtet.

Neben diesen weltlichen Herrschern erwähnt der Evangelist zwei Geistliche, nämlich die beiden Hohenpriester Kaiphas und Annas. Kaiphas war der amtierende Hohepriester. Wir kennen ihn. Er war am Prozeß Jesu beteiligt. Er zerriß seine Kleider und hat dadurch das Todesurteil über Jesus vorbereitet. Annas war sein Schwiegervater. Er war früher Hoherpriester gewesen, aber hatte den Titel und den Einfluß bewahrt. Fünf seiner Söhne waren ebenfalls Hohepriester.

Warum diese sechsfache Angabe von Personen, die zur Zeit des Auftretens Johannes’ des Täufers lebten und regierten? Warum? Dadurch wird dieses Ereignis in die Weltgeschichte eingefügt. Die Weltgeschichte ist an einem Wendepunkt angekommen, und deswegen bezeichnet diesen Wendepunkt Lukas mit den Daten, die ihm zur Verfügung standen.

Diese Daten eröffnen uns aber auch einen Blick auf die Not des Volkes Israel. Einst war ein Bund des Volkes mit Gott abgeschlossen worden. Er sollte ihr Gott, und sie sollten sein Volk sein. Aber es war ganz anders gekommen. Nicht ein jüdischer König von Gottes Gnaden regierte das Land, sondern der römische Statthalter. Mit grausamer Hand hielt er das Volk nieder. Die Kasernen seiner Söldner waren über das Land verstreut. Die weltlichen Herrscher aus dem jüdischen Stamme waren unter sich zerstritten. Sie regierten, wie ich schon sagte, von Roms Gnaden. Sie buhlten um die Gunst der Römer, und sie ließen auch den heidnischen Einfluß in das Land gelangen, heidnische Kunst, heidnische Götter. Und die beiden Hohenpriester waren auch nicht nach dem Ideal, das ihnen gesetzt war. Das Hohepriesteramt war käuflich. Der bekam das Amt, der den Römern am meisten Geld bezahlte. Es war ein wahres Elend. Aus den Angaben über die politischen Verhältnisse in Palästina zur Zeit des Auftretens des Täufers spricht die Not des alten Gottesvolkes.

Und diese Not können wir begreifen. Auch unser Volk war einmal groß. Ich denke an das Mittelalter, wo wir einen Kaiser hatten, der von der Ostsee bis zur Adria regierte, einen Kaiser, der die weltliche Herrschaft trug, und einen Papst, dem die geistliche Gewalt zustand. Sie beide waren über das Heilige Römische Reich Deutscher Nation gesetzt. Das war die große Zeit unseres Volkes. Dummes Gerede vom finsteren Mittelalter. Nein, meine lieben Freunde, das war die Hoch-Zeit unseres Volkes. Dann aber ist es anders gekommen. Zunächst riß der Herr aus Wittenberg einen großen Teil unseres Volkes vom römischen Papst los, von der Kirche, bildete eine eigene Religionsgemeinschaft. Es ging dann weiter. Im 17. und 18. Jahrhundert kam die religionsfeindliche Aufklärung. Sie riß unserem Heiland den Königspurpur, die göttliche Würde von der Schulter. Damit war das Christentum erledigt. Wenn Christus nicht der Gottessohn ist, dann ist es eine Religion wie andere auch. Und schließlich im 19. uns 20. Jahrhundert der platte Materialismus, der auch noch Gott leugnete. Die Folgen haben wir alle erlebt und erleben wir fortwährend: Keine Verantwortung vor dem ewigen Richter, keine Schranken des Gewissens, keine Achtung vor den Rechten Gottes und des Menschen.

Damals, vor 2000 Jahren, erweckte Gott Johannes. Er ist es, der das Volk zur Umkehr rufen sollte, der den Weg des Herrn bereiten sollte. Wir dürfen einen Johannes nicht erwarten. Das war ein einmaliges Ereignis, das sich nicht wiederholt. Aber wir sind nicht verlassen von Gott. Wir haben das Wort der Heiligen Schrift, wir haben das Lehramt der Kirche, wir haben die Predigt gläubiger Priester, wir erfahren durch die Ereignisse des eigenen Lebens und durch die Geschehnisse in der großen Welt, wie Gott über die Welt denkt. Wenn wir die Zeichen der Zeit verstehen, dann wissen wir, wie Gott über unsere Zeit denkt. Soeben hat der Herr Erzbischof Zollitsch seine Weisheit kundgegeben, dass die Finanzkrise und die Wirtschaftskrise keine Strafe Gottes sei. Woher weiß er das? Ist diese Krise nicht von Menschen gemacht, und ist sie nicht durch menschliche Schuld entstanden? Und muss nicht Gott trauern und zornig sein über die Schuld der Menschen? Womit man sündigt, damit wird man auch gestraft.

Johannes begann seine Predigt in der Wüste. Warum in der Wüste? Die Wüste ist von den Ausschweifungen und den Unzuträglichkeiten des weltlichen, des städtischen Lebens entfernt. Durch die Wüste ist das Volk in das gelobte Land gelangt. In der Wüste hat man den Blick frei nach oben zu den Sternen. In der Wüste dehnt sich das weite Land, und in der Wüste spricht das Gewissen. Deswegen predigt Johannes in der Wüste; das ist die Gegend um den Jordan nördlich den Toten Meeres. Dort ist er aufgetreten, dort hat er Gottes Stimme vernehmlich gemacht.

Man könnte fragen: Hatte denn das Judenvolk einen solchen Bußprediger nötig? Brannten nicht täglich seine Opfer im Tempel? Waren nicht die Gebote vom Sinai das anerkannte Grundgesetz des Volkes? Hat man nicht gefastet und gebetet, den Zehnten gegeben und Almosen gespendet? Gewiß, das alles fehlte nicht. Aber man hat sich zu sehr auf die äußeren Werke der Frömmigkeit verlassen. Man war von dem erfüllt, wovon die ganze nachkonziliare Kirche erfüllt ist, nämlich von dem übertriebenen Heilsoptimismus, von der Meinung, Gott werde uns den Himmel geben, auch wenn wir uns nicht anstrengen. Das war der Fehler des jüdischen Volkes. Deswegen trat Johannes der Täufer auf. Die überhebliche Heilsgewißheit war es, die er bekämpfte, dass man sagte: Ja, wir sind vom Geschlechte Abrahams, wir gehlren durch die Beschneidung zum auserwählten Volke, wir haben das Gesetz des Moses; deswegen ist uns das Heil sicher. Nein, sagt Johannes, das Heil ist nur sicher, wenn du tust, was Gott von dir will. Johannes fordert die Umkehr zu sittlichen Taten, vor allem zu sittlichen Taten gegenüber dem Nächsten. „Bereitet den Weg des Herrn, machet gerade seine Pfade!“ Er fordert sittliche Leistungen, Gebotserfüllungen, Liebeswerke. Recht und Erbarmen sind nach ihm die Früchte der Umkehr: „Bringet würdige Früchte der Bekehrung!“ Die Zuhörer haben diesen Zusammenhang begriffen. Dreimal, dreimal taucht im Evangelium nach Lukas ihre Frage auf: „Was sollen wir tun?“ Sie haben verstanden, dass man etwas tun muss.

Auch für uns, meine lieben Freunde, ist das Tun entscheidend, dass wir aus Müdigkeit, Gleichgültigkeit und Eigennutz aufstehen und anfangen, Gutes zu tun. Was sollen wir tun? Wir müssen das tun, was uns schwerfällt, aber notwendig ist, nichts das, was bequem und angenehm ist, sondern was hart, aber unentbehrlich ist. Im Buch von der Nachfolge Christi steht der wunderbare Satz: „Du mußt tun, was du nicht willst, und aufgeben, was du gerne möchtest.“ Ein goldenes Wort! Du mußt tun, was du nicht willst – nämlich was dir schwerfällt – und aufgeben, was du gern möchtest –nämlich das Bequeme.

Über den innerlich gewandelten Menschen kommt das Heil. „Und alles Volk wird schauen das Heil Gottes“, sagt der Täufer. Alle Menschen, die sich innerlich erneuern, werden das Heil erfahren. Für alle Menschen kommt das Hei, wenn sie sich bekehren, wenn sie bereuen und bekennen, wenn sie sich dem Messias, dem göttlichen Heiland, anschließen. Auch für uns, meine lieben Freunde, wird Weihnacht werden, wenn wir uns von Herzen bekehren. „Ach, könnte doch dein Herz zu einer Krippe werden, Gott würde noch einmal ein Kind auf dieser Erden“, hat Angelus Silesius wunderbar gedichtet. Ach, könnte doch dein Herz zu einer Krippe werden, Gott würde noch einmal ein Mensch auf dieser Erden.

Amen.

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