13. August 2006
Gott verherrlichen im Leibe
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Eine Gabe Gottes, uns zu Lehen gegeben, ist der Leib. Schon rein natürlich gesehen ist der Leib schätzenswert; er ist ein Wunderwerk Gottes. Wenn man einmal in die Physiologie des Leibes oder in die Anatomie des Leibes eingedrungen ist, dann begreift man, welches Meisterwerk Gott hier im menschlichen Leibe geschaffen hat. Er ist auch die Wohnstätte der Seele und insofern von ungeheurer Bedeutung. Die Seele belebt ihn und formt ihn. Die mittelalterlichen Theologen nannten die Seele „forma corporis“ – das Gestaltprinzip des Körpers. Der Leib ist ein Teil des ganzen Menschen; Leib und Seele zusammen machen den Menschen aus. Ohne den Leib kann die Seele hier auf Erden nichts wirken und nichts vollbringen.
Das ist schon natürlich gesehen die Bedeutung des Leibes. Übernatürlich gesehen hat er noch eine weitere, eine höhere Bedeutung, nämlich Christus, der Logos, hat einen Leib angenommen aus Maria der Jungfrau. In den sichtbaren Zeichen der Sakramente kommt über den Leib, vermittelt durch den Leib die Gnade zu uns, etwa wenn wir die heilige Kommunion empfangen. Und das unsichtbare göttliche Leben fließt über den Leib in die Seele, und wir sind auch mit dem Leibe in Christus eingegliedert. Wir sind Glieder Christi mit Seele und mit Leib. Das ist der Grund, weswegen wir den Leib mit heiliger Ehrfurcht behandeln müssen. „Wisst ihr nicht“, fragt der Apostel Paulus die Korinther, „wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt, und dass ihr euch nicht selbst gehört? Ihr seid um teuren Preis erkauft. Verherrlicht darum Gott in eurem Leibe!“ Der Leib soll ja einmal, ähnlich dem Leibe Mariens, herrlich in die Glorie Gottes aufgenommen werden und ewig im Himmel der Freude leben. Das ist die Botschaft der Religion des Christentums, unseres Glaubens über den Leib.
Freilich ist das nur die eine Seite. Wir wissen auch, dass im Leibe Gefahren wohnen. Der heilige Paulus schreibt es, und jeder Mensch erfährt es, dass aus dem Leibe auch Gefahren aufsteigen, Versuchungen. „Ich unglückseliger Mensch“, schreibt er im 7. Kapitel des Römerbriefes, „ich unglückseliger Mensch! Wer wird mich befreien von dem Leib dieses Todes?“ Wahrhaftig, seit der Erbsünde will der Leib, der ja Diener und Gehilfe der Seele sein soll, sich zum Tyrannen und Despoten aufspielen. Er will herrschen über die Seele, über die Vernunft. Er will mit seinen Gelüsten uns zu Sklaven machen. Deswegen gilt es, den Leib zu beherrschen. „Ich züchtige meinen Leib und mache ihn untertan“ schreibt der Apostel Paulus.
Der Wert des Leibes ist um so größer, je geeigneter ihn eine besonnene Askese, eine zielbewusste Schulung des Willens und eine Zügelung des sinnlichen Begehrens machen. Es ist Pflicht, den Leib zu einem brauchbaren Organ der Seele auszugestalten. Der schlesische Dichter Angelus Silesius hat den schönen Vers geschrieben: „Halt deinen Leib in Ehren, er ist ein edler Schrein, in dem das Bildnis Gottes soll aufgehalten sein.“ O wie schön. Halt deinen Leib in Ehren, er ist ein edler Schrein, in dem das Bildnis Gottes soll aufgehalten sein.
Welche Pflichten haben wir nun gegenüber dem Leib? Nun, an erster Stelle – das ist unser heutiges Thema – ihn gesund zu erhalten. Wir sind verpflichtet, die Gesundheit zu bewahren, denn nur ein gesunder Leib kann den Dienst erfüllen, den er der Seele leisten soll. Die Römer hatten das schöne Wort, dass ein gesunder Geist nur in einem gesunden Körper wohnt. Nun, das Wort ist nur mit Abstrichen anzuwenden, aber nach Gottes Willen sollen Leib und Seele gesund sein, denn die Erkrankung des Leibes hemmt die Seele. Er ist dann nicht mehr in vollem Umfang brauchbar für das Wirken der Seele. Die Sorge für die Gesundheit ist also eine natürliche und eine übernatürliche Pflicht. Sie betrifft an erster Stelle die Ernährung. Die Art der Ernährung bedingt weithin die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit des Leibes. Sie wirkt auch auf das sittliche und das seelische Leben. Es gibt für den Christen keine verbotenen Speisen, wie für die Mohammedaner oder die Juden, die ja das Fleisch des Schweines meiden. Für den Christen gibt es keine verbotenen Speisen, aber es gibt Speisen, die schädlich sein können. Die müssen wir meiden. Am meisten wird die Gesundheit geschädigt durch Unmäßigkeit im Essen und im Trinken. Viele Krankheiten sind die Folge unmäßigen Essens und übermäßigen Trinkens. Beides ist auch für die Seele schädlich. Wir erfahren es immer wieder, meine lieben Freunde, und wir sehen solche Erlebnisse mit Schmerzen, wie übermäßiges Trinken lähmend auf den Geist wirkt, lähmend auf die geistigen Tätigkeiten wirkt, wie aufreizend auf das Triebleben zu viel Essen und Trinken wirkt. „Sine Baccho et Cerere friget Venus“, schreibt einmal der heilige Hieronymus. Das heißt: Ohne Bacchus (das ist der Gott des Trinkens) und ohne Ceres (das ist die Göttin der Früchte), ohne übermäßiges Essen friert die Venus, die Göttin der Liebe. Er meint eben, durch das übermäßige Essen und Trinken wird die Sinnlichkeit, die Sexualität, aufgepeitscht und angeregt.
Der Alkohol wirkt auch zerstörend auf die Keimzellen. Er bringt Unfrieden in den Familien. O wie schmerzlich erlebt man immer wieder, wie das übermäßige Trinken den Frieden in de Familien zerstört, Kummer und Sorgen bereitet, den Kindern die Freude nimmt und die Frau mit Gram belädt. Der Rausch ist ein Laster, und sich berauschen ist eine schwere Sünde. Deswegen sollen wir uns vor dem Übermaß des Trinkens und vor der Trunksucht bewahren. Vor allem sollen wir unsere Kinder zur Mäßigkeit erziehen. Ich hatte einen Religionslehrer, der war völlig abstinent. Er trank weder Bier noch Wein noch irgendein alkoholisches Getränk. Er sagte mir einmal: „Solange es Menschen gibt, die zu viel trinken, muss es auch solche geben, die gar nichts trinken.“ Er hat auf diese Weise ein Beispiel der Enthaltsamkeit gegeben. „Es essen hundert sich zu Tod, bis einer stirbt an Hungersnot. Viel mehr ersaufen in Bier und Wein als in der Donau und im Rhein.“ So hat ein Volksdichter die Gefahren des übermäßigen Essens und Trinkens beschrieben.
Wir nehmen Nahrung zu uns, um den Nahrungstrieb zu befriedigen, vor allem aber, um unseren Leib bei Kraft zu erhalten und ihn für die Arbeit zu erhalten. Gleichzeitig ist das Essen und Trinken eine Art Gottesdienst. Deswegen beten wir ja vor dem Essen und vor dem Trinken. Wir beten, weil wir daran erinnert werden, dass das irdische Essen und Trinken ein Schattenriß des ewigen Abendmahles im Himmel ist.
Es ist auch eine alte Erfahrung, meine lieben Freunde: Wenn man ein Laster, eine Begierde beherrscht, dann beherrscht man alle. Und umgekehrt: Wenn man einer Begierde nachgibt, dann melden sich auch andere Begierden und Laster. „Zügele die Gaumenlust, und du wirst jede andere fleischliche Neigung um so leichter bezähmen“, schreibt das schöne Buch von der Nachfolge Christi. „Zähme deine Gaumenlust, und du wirst jede andere fleischliche Neigung um so leichter bezähmen.“ Ich erinnere mich an ein Wort, das der Leiter des Priesterseminars in München 1948 uns Alumnen gesagt hat, nämlich: „Man ist nicht nur auf einem Gebiet unenthaltsam.“ O, wie recht hatte er! Man ist nicht nur auf einem Gebiet unenthaltsam. Wir müssen also die sinnliche Lust beherrschen mit der Vernunft. Das geht um so leichter, wenn man auch freiwillig auf erlaubte Dinge verzichtet. Wer sich alles Erlaubte gestattet, der ist nicht mehr weit vom Unerlaubten. Man muss dem Erlaubten Einhalt gebieten, um fähig zu sein, das Unerlaubte zu meiden.
Seit einigen Jahrzehnten ist dem Leibe eine neue Gefahr erstanden, die es in meiner Kindheit überhaupt nicht gab, nämlich der Genuß von Drogen. Viele Menschen, viele junge Menschen nehmen Rauschmittel, um sich einen Genuß zu verschaffen, das ist eine ungeheure Gefahr, denn hier wird der Leib zerstört und über den Leib die Seele. Meine lieben Freunde, wir können gar nicht energisch genug gegen diesen Missbrauch vorgehen. Die erste Aufgabe gegenüber dem Leib ist das Maßhalten im Essen und Trinken.
Die zweite Aufgabe ist, sich recht zu kleiden. Die Kleidung hat religiöse Bedeutung, denn die Kleidung hat einem dreifachen Zweck: Sie dient der Gesundheit, sie dient der Keuschheit, und sie dient der Schönheit. Wenn sie diese drei Aufgaben zugleich erfüllt, dann ist sie richtig. Der Christ hält seinen Leib rein und schmückt ihn, wie man ein Gotteshaus schmückt um dessentwillen, der darin wohnt. Das Christentum verwirft nicht das Streben nach Schönheit. Es ist der Frau wie dem Manne gestattet, sich angenehm, sich gepflegt zu kleiden. Damit erweist man den Menschen einen Dienst. Jedermann hat lieber mit einem Menschen zu tun, der gepflegt gekleidet ist als mit einem ungepflegten und schmuddeligen. Es ist also ein Dienst, sich angenehm zu kleiden und auf diese Weise zum Wohlfühlen beizutragen. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden. Freilich muss die Kleidung auch der Würde des Menschen entsprechen. Sie darf nicht statt in den Dienst Gottes in den Dienst des Bösen treten. Eitelkeit und Verschwendung sind ebenso zu vermeiden wie Vernachlässigung und Zynismus. Seit Jahrzehnten ist auch etwas im Gange, was ich als Kind nie erlebt habe, nämlich die tendenzielle Entblößung und Herausstellung des Körpers, die tendenzielle, d.h. die auf eine bestimmte Absicht gerichtete Entblößung des Körpers. Sie verdankt einer heidnischen Lebensauffassung ihren Ursprung, nämlich sie ist ausgerichtet auf die Reizung geschlechtlicher Sinnlichkeit. Die Entblößung des Körpers wie Zeigen des nackten Fleisches reizt die Sinnlichkeit des Menschen. „Des Menschen Herz ist zum Bösen geneigt von Jugend auf.“ So steht es in der Heiligen Schrift, und so hat es die Erfahrung millionenfach bewiesen. Die Entblößung des Körpers beschäftigt die Phantasie, führt zum Begehren und, Gott sei es geklagt, nicht selten auch zur bösen Tat. Wenn aufgereizte Männer sich Freiheiten erlauben, dann ist das Geschrei groß. Aber die Frauen, die dazu beigetragen haben, dass sie sich diese Freiheiten herausnehmen, sind nicht unschuldig.
Es muss am Anfang des 20. Jahrhunderts gewesen sein, meine lieben Freunde, also schon über 100 Jahre her, dass der Präsident der damaligen Burenrepublik in Südafrika, Ohm Krüger, aufgefordert wurde, zu einer Abendeinladung zu kommen. Er kam zu der bestimmten Stunde, und man führte ihn in den festlich erleuchteten Saal. Kaum hatte er einen Blick hineingeworfen, da meinte er: „Ich bitte um Entschuldigung. Ich wusste nicht, dass die Damen sich noch nicht fertig angezogen haben.“ Ohne sich weiter aufklären zu lassen, verlangte er nach seinem Wagen und verließ den Saal. Ein mannhaftes Wort zur rechten Zeit! Die zweite Aufgabe gegenüber dem Leib ist, sich recht zu kleiden.
Die dritte besteht darin, dem Leibe die Erholung, die er benötigt, zu gönnen. Der Leib ist keine Maschine, die dauernd, Tag und Nacht, laufen kann. Nein, dem Leibe muss die nötige Ruhe gegönnt werden in Schlaf und in anderer Erholung. Es gilt das Prinzip: So viel Erholung, wie für die Gesundheit notwendig ist. Das gilt auch für den Schlaf. Man kann zu wenig schlafen, man kann aber auch zu viel schlafen, und je nach der Konstitution des Menschen ist der Schlaf zu bemessen. Ich erinnere mich, wie ich als Knabe in einem Lager war mit vielen Jungen und der Lagerlehrer immer wieder uns predigte: „Jungs, schlaft nicht zu viel! Soviel, wie nötig ist, aber nicht mehr.“ Das war ein gutes Wort.
Auch andere Tätigkeiten dienen der Erholung: Sport, Bewegung, Schwimmen, Spiele, Kunst, Musik. Das alles dient der Erholung, wenn es – wenn es der Moral unterworfen bleibt. Bei schlechten Filmen, bei schlimmen Theateraufführungen, bei lasziven Ballettaufführungen kann man sich schwerlich christlich erholen. Einmal in meinem Leben, meine lieben Freunde, nahm mich ein Freund, ein bayerischer Minister, mit ins Theater. Wir hatten nur einen Tag Zeit, und wir konnten nur an diesem Abend ins Theater gehen. Es wurde ein Ballett geboten. Einmal bin ich in ein Ballett gegangen, aber nie mehr. Der bayerische Kultusminister Hundhammer hat einst ein laszives Ballett verboten, und was war dann ein Lärm im Blätterwald in Bayern! Aber er hatte recht. Recht haben bedeutet freilich noch lange nicht Recht bekommen in unserem Staate.
Auch der Tanz kann der Erholung dienen, meine Freunde. Es hängt von jedem Einzelfall ab, ob der Tanz wirkliche Erholung ist und damit auch erlaubt ist. Es hängt zunächst von der Art des Tanzes ab. Es gibt durchaus züchtige Tänze, vor allem die Volkstänze, die erlaubt sind und zur Freude beitragen können. Aber dann muss man auch bedenken, wie getanzt wird, die Art und Weise, wie einer tanzt. Man kann so und anders tanzen. Schließlich hängt es auch von der inneren Einstellung ab, wie man zum Tanze geht. Die Einstellung des Tanzenden ist weitgehend entscheidend für die Erlaubtheit des Tanzes. Dass es Tänze gibt, welche die Schamhaftigkeit und die Sittsamkeit bedrohen, daran besteht kein Zweifel.
Die Erholung soll der Auffrischung der Kräfte dienen, damit wir die irdischen und göttlichen Aufgaben erfüllen können. Man kann sich auch erholen, indem man in der Arbeit abwechselt. Der Tag der Erholung ist der Sonntag. Gott ist gewissermaßen ein sozialer Gott, denn er hat uns den Sonntag geschenkt – auch als Tag der Erholung. Die Sonntagsruhe dient der Erneuerung der Kräfte und der Erhaltung der Gesundheit. Aber der Mensch kann alles missbrauchen, er kann auch den Sonntag missbrauchen. Das wäre kein Sonntag nach dem Gefallen Gottes, wenn der Körper ermüdet statt erholt und die Seele entweiht statt geweiht zur Berufsarbeit zurückkehrte. Es ist auch nichts einzuwenden gegen den Urlaub, obwohl man wissen muss, dass der Urlaub ein Erzeugnis des 20. Jahrhunderts ist. Vorher gab es keinen Urlaub. Der Urlaub ist nicht zu tadeln, wenn er der Erhaltung der Gesundheit förderlich ist. Es ist berechtigt, auszuspannen, die Berufsarbeit eine Weile ruhen zu lassen und sich bei Wandern, Spielen oder Ausruhen neue Kräfte zuzuführen.
Die Ernährung, die Kleidung und die Erholung sind Aufgaben, die wir gegenüber unserem Leibe haben. Wir dürfen den Körper pflegen. Doch darüber dürfen wir nicht vergessen: Höher als die Körperpflege steht die Seelenpflege. Die in Gott verankerte Seele muss den Leib in den Dienst nehmen und ihn lenken. In der Heiligen Schrift steht das schöne Wort: „Schlacht- und Speiseopfer hast du nicht gewollt, aber einen Leib hast du mir bereitet. Siehe, o Herr, ich komme, deinen Willen zu erfüllen.“ Und der Apostel Paulus liefert den Kommentar zu diesem Worte: „Siehe, ich züchtige meinen Leib und mache ihn untertan. Verherrlicht Gott in eurem Leibe!“
Amen.