Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
17. April 2006

Auf dem Weg zum Osterglauben

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Nur der Evangelist Lukas berichtet uns von der Erscheinung des Auferstandenen vor den beiden Emmausjüngern. Er war dazu befähigt, denn er ist, wie er am Anfang seines Evangeliums hervorhebt, allen Geschehnissen sorgfältig nachgegangen. Er hat Zeugen befragt, und wir können sogar ziemlich genau angeben, wann ihm diese Begebenheit berichtet worden ist. Es wird gewesen sein in den Jahren 58 bis 60 n. Chr., als Paulus gefangen in Cäsarea und Jerusalem war und Lukas bei ihm weilte. Da ist offenbar Lukas an die Verwandten und Bekannten Jesu herangetreten und hat Nachrichten über ihn gesammelt. Und so ist er von ihnen informiert worden über dieses Geschehnis, das wir soeben im Evangelium gehört haben. Es ist genau festgelegt nach Zeit, nach Ort und nach Personen.

Die Zeit: Es handelt sich um den 16. Nisan, den heutigen Ostersonntag. Viele Jerusalempilger verließen die Stadt schon kurz nach dem Feste und begaben sich auf den Heimweg. So haben es auch diese beiden Pilger gemacht, von denen wir hier hören. Wir kennen ihre Namen. Der eine wird sogar von Lukas genannt: Kleophas. Kleophas ist kein Unbekannter in der Urgemeinde gewesen, denn Kleophas war rechtlich und gesetzlich mit Jesus verwandt; er war nämlich ein Bruder des heiligen Joseph. Kleophas war ein Onkel Jesu, rechtlich und gesetzlich gesehen. Und der andere, der mit ihm wanderte, ist offensichtlich sein Sohn mit Namen Simeon. Auch er ist uns bekannt, denn er wurde nach dem Tode des Jakobus Bischof von Jerusalem. Kleophas und Simeon sind also die beiden, die nach Emmaus wanderten.

Wir haben sogar weitere Nachrichten von den Verwandten Jesu, denn die römischen Kaiser waren eifersüchtig auf das Geschlecht Davids. Sie fürchteten, dass wieder ein neuer Thronprätendent aufstehen könnte und Unruhe in das palästinensische Land bringen könnte. Und so wird uns berichtet, dass vier Kaiser, Vespasian, Domitian, Trajan und Decius, dass vier römische Kaiser die Verwandten Jesu verfolgt haben. Der Kaiser Domitian ließ im Jahre 95 sogar zwei Verwandte Jesu nach Rom kommen. Er wollte sie selbst verhören. Als er aber diese schlichten Männer und ihre zerarbeiteten Hände sah, da war er von ihrer Ungefährlichkeit überzeugt und ließ sie ungeschoren in ihre Heimat zurückkehren. Nicht allen ging es so gut. Der erwähnte Simeon hat nämlich wie sein Herr und Meister den Kreuzestod erlitten. Im 10. Jahre des Trajan, im Jahre 107 n. Chr. ist Simeon als Bischof von Jerusalem am Kreuze gestorben. Wir sehen also, unsere Nachrichten über Jesus, über sein Geschehen, über seine Auferstehung sind wohlbegründet. Wir haben eine Wolke von Zeugen.

Wir sind schließlich auch unterrichtet über den Ort, um den es sich hier handelt. Er wird genannt Emmaus. Nun gab es damals in Palästina drei Orte, die den Namen Emmaus trugen. Welches ist das Emmaus, zu dem die beiden pilgerten? Das erste Emmaus liegt in Galiläa. Es scheidet aus, denn es ist viel zu weit entfernt. Das kann nicht das Emmaus sein, von dem hier die Rede ist. Aber die beiden anderen liegen näher an Jerusalem. Das eine 30 Stadien, das andere 160 Stadien. Nun wäre es alles sehr einfach, wenn nicht im Lukasevangelium stünde, sie pilgerten nach Emmaus, das 60 Stadien von Jerusalem entfernt war, also nicht 160 und auch nicht 30, sondern 60 Stadien. Wie immer das zu erklären sein mag, die ganze christliche Überlieferung ist überzeugt, dass das Emmaus, das 23 Kilometer von Jerusalem entfernt ist, der Ort ist, zu dem Kleophas und Simeon pilgerten. Der heilige Hieronymus hatte jahrzehntelang in Bethlehem gelebt, und er war davon überzeugt, dass dieses Emmaus, das heute Amwas heißt, Amwas, das Emmaus ist, zu dem die beiden Jünger pilgerten.

Aber jetzt müssen wir diese Begebenheit auf uns wirken lassen. Es ging ein Fremdling mit ihnen. Er gesellte sich zu ihnen, er schloß ihnen die Schrift auf; er erklärte ihnen die Prophetenvorhersagen. Es war Jesus, der Auferstandene. Und sie erkannten ihn nicht. Wie ist das möglich, meine lieben Freunde? Sie waren doch mit ihm gewandert, sie hatten ihn doch erlebt, sie hatten ihn doch gehört. Ihre Augen waren gehalten, so dass sie ihn nicht erkannten. Wie ist das möglich? Die Emmausjünger waren nicht die einzigen, die den Auferstandenen nicht erkannten. Auch Maria Magdalena erkannte ihn nicht. Als sie Jesus am Grabe sah, dachte sie, es sei der Gärtner. Und als die Jünger eine Erscheinung des Herrn hatten, da meinten sie, es sei ein Geist. Als sie auf dem See Genesareth zum Fischen waren und Jesus am Ufer war und ein Feuer machte, da hielten sie ihn für einen Fremdling. Nur einer erkannte ihn, Johannes. „Es ist der Herr“, sagte er, und dann stieg Petrus aus dem Boot und eilte ans Ufer. Ja, aber wie ist das zu erklären, dass so viele Zeugen uns von der Erscheinung Jesu berichten und ihn zunächst nicht erkannten? Meine lieben Freunde, Jesus ist nicht in das irdische Leben zurückgekehrt. Er war nicht, äußerlich gesehen, mit dem Jesus, der in Galiläa und Judäa gewandelt war, zu vergleichen. Er hatte eine andere, eine fremde Gestalt angenommen. Das ist nicht verwunderlich, denn das war ja schon einmal passier. Auf dem Berge Tabor, als Jesus vor ihnen verklärt wurde, da war seine Gestalt auch verändert. Sein Antlitz leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider waren weiß wie der Schnee. Jesus war offensichtlich in der Lage, sich nach der Auferstehung eine andere Gestalt zuzulegen als die, die er getragen hatte, als er noch in Jerusalem, in Judäa und in Galiläa wandelte. Natürlich musste er jetzt, wenn er mit den Jüngern reden wollte, wenn er mit ihnen essen wollte, wenn er ihnen die Geheimnisse des Himmelreiches aufschließen wollte, eine menschliche Gestalt annehmen. Aber er hat sie so angenommen, dass sie anders war als in seinem Leben und Sterben. Die Jünger und Jüngerinnen des Herrn, die seiner Erscheinung gewürdigt wurden, haben Jesus trotz seiner fremden Gestalt erkannt. Maria Magdalena wurde gewahr, wer der Gärtner, der vermeintliche Gärtner sei, als er sagte: „Maria!“ So hatte er sie genannt zu Lebzeiten. Und dann brach sie aus: „Rabbuni – mein Meister!“ Jetzt wusste sie: Es war der Herr. Und so ist es auch bei den Emmausjüngern gewesen. Als er ihnen das Brot brach in seiner Weise, wie er es immer gemacht hatte, da erkannten sie ihn. Da fiel es wie Schuppen von ihren Augen, und sie begriffen, dass der Fremdling niemand anders war als der auferstandene Heiland. Sogleich kehrten sie um und eilten zurück nach Jerusalem. Und was fanden sie da? Die Botschaft: Der Herr ist auferstanden und dem Kephas erschienen. Was muss das eine Begegnung gewesen sein, meine lieben Freunde, zwischen dem auferstandenen Jesus und Petrus, der ihn in seiner schwersten Stunde verleugnet hatte! Wir werden mehrfach von dieser Begegnung unterrichtet. Auch Paulus weiß davon. Aber die Einzelheiten sind uns nicht überliefert. Jesus ist dem Kephans, dem Petrus, erschienen, und jetzt wurde erzählt. Petrus berichtete von seiner Erscheinung, die Emmausjünger von der ihren. Und auf einmal stand der Herr selbst in ihrer Mitte. Es war Ostersonntag am Abend. Jesus stand in ihrer Mitte. Als er bemerkte, dass Zweifel in ihnen aufstanden, da ließ er sie einen dreifachen Beweis seiner wirklichen Auferstehung erfahren. Erstens: Sie sollten sehen. Sie sollten ihre Augen benutzen und auf ihn schauen, vor allem auf seine Hände und seine Füße, auf seine durchbohrten Hände und seine durchbohrten Füße. Zweitens: Sie sollten ihn betasten. Sie durften ihn angreifen, und wir wissen, dass er einen persönlich aufforderte, ihm in seine Hände und in seine Seitenwunde die Hand zu legen. Und schließlich drittens: Er hat mit ihnen gegessen. „Habt ihr etwas zu essen?“ Essen kann nur jemand, der lebendig ist. Das war der deutlichste Beweis, dass der Herr nicht ein Gespenst war, wie sie vielleicht meinten, sondern dass er wirklich und wahrhaftig auferstanden war. Und sie gaben ihm einen Fisch und einen Honigkuchen. Nun, meine lieben Freunde, das ist ja eine sehr merkwürdige Zusammenstellung, ein Fisch und ein Honigkuchen. Manche Ausleger haben wegen dieser eigenartigen Speisenfolge das ganze für eine Legende erklärt. Weit gefehlt, meine Freunde, weit gefehlt! Die Ärzte des Altertums berichten uns, dass der Honig ein Heilmittel für Schäden sein sollte, die vom Fischessen ausgehen können. Das war also eine gebräuchliche Mahlzeit. Die großen Ärzte, wie Galenus, berichten, der Honig hilft den Fisch gut zu verdauen. Und eben das hat sich an diesem Ostersonntag in Jerusalem abgespielt.

Durch diese dreifachen Beweise waren die Jünger endlich überzeugt. Jesus wusste, wie unglaublich das ganze Geschehen war, dass er auferstanden war, dass er durch geschlossene Türen hereinkam, dass er vor ihnen aß und mit ihnen sprach. Aber jetzt waren sie überzeugt, jetzt begann eine Freude in ihnen aufzuquellen, die ihnen niemand mehr nehmen konnte. In dieser Freude und in dieser Überzeugung sind sie hinausgezogen und haben den Auferstandenen verkündet. Diese Freude konnte niemand mehr von ihnen nehmen. Jesus hatte den Glauben in ihnen geweckt. Und es ist ein Beweis für die Treue und für die Zuverlässigkeit der evangelischen Berichte, wenn sie immer wieder feststellen, wie langsam die Apostel zum Glauben kamen. Obwohl sie die unmittelbaren Augen- und Ohrenzeugen waren, drangen sie doch während seines Erdenlebens nicht in die eigentliche Tiefe der Sendung Jesu vor. Immer wieder heißt es von dieser Zeit im Evangelium. „Sie verstanden ihn nicht.“ Ihr Herz war verblendet. Als nun der Tod Jesu eintrat, da brach ihr Glaube ein Stück weit zusammen. Das hatten sie nicht erwartet; damit hatten sie nicht gerechnet, dass ihr Messias als Gehenkter am Kreuze sterben sollte. Aber was zusammenbrach, war lediglich der irdische Gehalt ihres Glaubens. Ihre falsche messianische Hoffnung, die wurde durch diesen Tod zerstört. Dadurch wurde Raum geschaffen für die wahre Erkenntnis Jesu als des gottgesandten Messias. Jetzt hatten sie die Gewissheit, dass er gekommen war als Salvator mundi, als Erlöser der Welt. Jetzt konnte der Osterglaube in ihnen Wurzel fassen. Jetzt konnten sie, weil sie gläubig geworden waren, hinausziehen und anderen diesen Glauben vermitteln.

Meine lieben Freunde, die Emmauserzählung ist keine schöne Novelle, wie man sie schon bezeichnet hat. Sie ist ein Bericht über eine wirkliche Erscheinung Jesu nach seiner Auferstehung, von Zeugen aufgezeichnet, die für dieses Zeugnis bis zum Tode eingestanden sind. Halten wir uns an ihr Bekenntnis! Bekennen auch wir uns zum auferstandenen Jesus, zum auferstandenen Christus. Es gibt keinen anderen. Entweder den apostolischen Christus oder gar keinen. Und der apostolische Christus, das ist der Übermann des Todes und der Sünde.

Amen.

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