Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
1. Juni 2000

Erhöht zur Rechten Gottes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, in heiliger Festfreude Versammelte!

„Den Herrn Jesus Christus, der zum Himmel aufsteigt, kommt, laßt ihn uns anbeten!“ Dieser Ruf hat das nächtliche Gebet des Priesters heute eröffnet. „Den Herrn Jesus, der zum Himmel aufsteigt, kommt, laßt ihn uns anbeten!“ Aber nicht nur der Priester wird aufgefordert, den zum Himmel aufgestiegenen Herrn anzubeten. Der Ruf weitet sich aus auf das ganze gläubige Volk, ans Ohr eines jeden dringt er. „Den Herrn Jesus, der zum Himmel aufsteigt, kommt, laßt ihn uns anbeten!“ Es besteht immer Grund, unseren Herrn Jesus Christus anzubeten, aber heute ist ein besonderer Anlaß gegeben, und er wird eben ausgedrückt in dem Ruf: „Den Herrn Jesus, der zum Himmel aufsteigt – weil er zum Himmel aufsteigt! – kommt, laßt ihn uns anbeten!“

Manche Prediger haben Mühe, am Himmelfahrtstage eine Predigt zu halten. Das kommt daher, daß sie nicht mehr den vollen Glauben an Jesus Christus im Herzen tragen. Wer nicht mehr an Jesus Christus in seiner wahren Wesenheit glaubt, der vermag auch nicht die heiligen Geschehnisse, die uns die Offenbarung von ihm berichtet, den Menschen zu verkünden. Wenn in Holland 94 Prozent der Pastoralassistenten nicht an die Gottheit Jesu glauben, ja wie sollen sie denn den Kindern und den Menschen etwas vermitteln von der Wirklichkeit unseres Herrn Jesus Christus? Wie können sie denn dann sagen: „Den Herrn Jesus, der zum Himmel aufsteigt, kommt, laßt ihn uns anbeten!“? Das können sie ja gar nicht. Nur der Glaube gibt die Berechtigung, den Ruf zu erheben und in den Ruf einzustimmen: „Den Herrn Jesus, der zum Himmel aufsteigt, kommt, laßt ihn uns anbeten!“ – Die Himmelfahrt Jesu ist der Geheimnisse voll. Es ist ein Dreifaches, was wir am heutigen Himmelfahrtstage zu bedenken haben, nämlich

1. Der Himmelfahrtstag, die Himmelfahrt des Herrn ist der Abschluß der Erscheinungen.

2. Die Himmelfahrt des Herrn ist die Heimkehr Jesu zum Vater.

3. Die Himmelfahrt ist die Erhöhung Jesu zur Rechten Gottes.

An erster Stelle ist die Himmelfahrt der Abschluß der Erscheinungen. 40 Tage lang, nicht mehr und nicht weniger, war Jesus den Seinen erschienen. Er mußte ja ihren Glauben aufbauen, den Glauben an seine leibhaftige Auferstehung, und dazu bedurfte es der Erscheinungen vor den Männern, die mit ihm in Galiläa und Judäa gewandelt waren. Sie kannten ihn, und sie konnten die Identität des Auferstandenen mit dem irdischen Jesus feststellen. Manchmal ist man leicht irritiert, wenn man hört, daß Jesus nur den vorbestimmten Zeugen erschienen ist. Doch das war notwendig. Andere, die ihn nicht so intim kannten, die nicht mit ihm gegessen und getrunken hatten, die nicht jahrelang von ihm belehrt worden waren, waren gar nicht in der Lage, den durch die Auferstehung verklärten Jesus als denselben zu identifizieren, der mit ihnen gewandert war und der sie gelehrt hatte. Also, es mußten die Zweifel und die Unsicherheit in den Jüngern behoben werden, und deswegen erschien er ihnen, und zwar nicht einmal, sondern wiederholt. Der Glaube mußte in ihnen auferbaut werden, der Glaube, daß Jesus wahrhaft leibhaftig auferstanden war. Das ist in diesen 40 Tagen geschehen. Aber nicht nur das. Er hat ihnen auch das Verständnis für die Schrift eröffnet. Sie lasen  jetzt das Alte Testament mit neuen Augen, denn sie erkannten, daß im Alten Testament von dem Messias Jesus Christus die Rede ist. Und jetzt gingen ihnen die Texte der Psalmen und der Propheten auf; jetzt verstanden sie, was der Geist schon vor Jahrhunderten den Menschen gesagt hatte, damit sie sich ausrichteten auf den kommenden Messias. Er erschloß ihnen die Schriften, „und da brannte ihnen das Herz“, wie es heißt von den Emmausjüngern. Es brannte ihnen, weil er es entzündet hatte.

Damit nicht genug. In den 40 Tagen gab er ihnen Vollmachten, wunderbare Vollmachten. Da sprach er zu ihnen: „Welchen ihr die Sünden nachlassen werdet, denen sind sie nachgelassen.“ Da sandte er sie hinaus in alle Welt, nicht nur nach Samaria und nicht nur nach Tyrus und Sidon, sondern auf die ganze Erde, um das Evangelium aller Kreatur, d. h. allen Menschen zu verkünden. Dazu waren diese 40 Tage da. Jetzt aber sind sie zu Ende. Nicht immer und jederzeit sollte Jesus, der auferstandene Herr, erscheinen, sondern nur in dieser heilsgeschichtlichen Periode, in der der Glaube der Seinen auferbaut wurde. Sie sollten dann ihr Zeugnis weitertragen; sie waren ja jetzt gefestigt, sie waren überzeugt. Diese Überzeugung konnten und sollten sie in die Welt hinaustragen, und die Erben dieser Überzeugung sind wir. Also das ist der erste Sinn der Himmelfahrt Christi: Sie ist der Abschluß der Erscheinungen.

Die zweite Wirklichkeit der Himmelfahrt ist die Heimkehr zum Vater. Jesus, der Logos, die zweite Person in Gott, war vom Vater ausgegangen. Das ist das Geheimnis der Menschwerdung. Er ist ein Mensch geworden. Das ist die große Wirklichkeit des Christentums: Gott ist ein Mensch geworden, Gott ist über diese Erde gewandelt. Deswegen gibt es ein heiliges Land. Es ist jenes Land, das die Füße unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus getragen hat. Er ist vom Vater ausgegangen, um sein Werk zu vollbringen, und er hat es vollbracht – bis zum letzten Atemzug, bis zum letzten Blutstropfen. Wenn der Apostel Johannes schreibt: „Es floß Blut und Wasser heraus“, nämlich aus seiner Seitenwunde, dann will er sagen: Es war nichts mehr drin, es war alles ausgeschüttet, es war alles aufgebraucht, es war alles ausgegossen; er hat alles gegeben, was er hatte. Deswegen konnte er am Kreuze sagen: „Es ist vollbracht.“ Das Werk, das der Vater ihm zu tun gegeben hatte, der Auftrag, den er ihm übermittelt hatte, er ist vollbracht. Jetzt kann er getrost den Heimweg antreten, jetzt kann er zurückkehren in die Herrlichkeit des Vaters, die er besessen hat vor Anbeginn der Welt.

Und das ist auch die Gerechtigkeit, die ihm widerfahren ist. Auf Erden war er der Verfemte und Ausgestoßene. Sie haben ihn diffamiert: „Das ist ein Fresser und Weinsäufer.“ Sie haben ihn mit dem Teufel in Verbindung gebracht: „Durch Beelzebub, den Teufel, treibt er die Teufel aus.“ Sie haben ihn für verrückt erklärt: „Existin – Er ist außer sich.“ Sie haben ihn verhöhnt und verspottet. Sie haben ihn den Heiden ausgeliefert, gegeißelt und gekreuzigt. Jetzt aber geschieht ihm Gerechtigkeit. Jetzt kehrt er heim zum Vater, nachdem er all das geduldet hatte, was nach dem unerforschlichen Ratschluß Gottes über ihn kommen sollte. Jetzt ist die Pein zu Ende. Jetzt ist er seinen Verfolgern enthoben, und das ist gut so, meine Freunde, das ist gut so. Denn wenn sie könnten, würden sie ihn heute wieder umbringen. Wenn sie könnten, würden sie ihn wieder den Heiden ausliefern zum Geißeln und zum Verspottetwerden und zum Kreuzigen. Sie machen es ja so mit seinem Andenken. Das verfluchte Stück von dem homosexuellen Jesus und seinen homosexuellen Jüngern macht die Runde durch die Theater, jetzt im Staatstheater Kassel. Wenn sie könnten, würden sie ihn wieder umbringen, und so morden sie sein Andenken, so verunglimpfen sie das Heiligste, was Christen haben, nämlich die Überzeugung von der göttlichen Würde ihres Herrn und Heilandes. Was ist das eigentlich für ein Staat, in dem solche Dinge geschehen können? Und was sind das für Bischöfe, die ihre Stimme nicht erheben gegen ein solches gotteslästerliches Schauspiel? Was sind das für Bischöfe? Jesus aber ist der Pein und der Verfolgung enthoben. Er kehrt zurück zum Vater.

Die dritte Wirklichkeit, die wir am Himmelfahrtstag des Herrn bedenken, ist die Erhöhung zur Rechten Gottes. Erhöhung bedeutet Begabung mit Hoheit. Es ist das ein Wort, das natürlich wie alle unsere Begriffe der Welt des Anschaulichen entnommen ist; aber es soll mit dem Anschaulichen etwas Unanschauliches ausgedrückt werden. Erhöhung besagt nämlich Einsetzung in eine Machtstellung. Jesus ist jetzt der Herr in vollem Sinne, nicht mehr, wie es während seiner irdischen Tage schien, ein ausgelieferter und hilfloser Wanderer, nein, er ist der Herr Himmels und der Erde. „Er sitzet zur Rechten Gottes“, das ist der Ehrenplatz. Rechts sitzt immer der Ehrengast. Er sitzt zur Rechten Gottes; er hat die Ehre bekommen, die er verdient hat.

Er sitzt zur Rechten Gottes und regiert die Welt. Er hat die Fäden in der Hand, auch wenn es anders scheint. Wenn Sie, meine lieben Freunde, einen wunderschönen Teppich von unten betrachten, da erscheint er Ihnen wie ein Gewirr von Fäden. Aber wenn sie die glänzende Oberseite sehen, dann erkennen Sie, daß diese Fäden ein herrliches Kunstwerk des Teppichmachers darstellen. So ist es auch mit der Weltregierung unseres Gottes und Heilandes. Noch sind unsere Augen gehalten, noch wandeln wir im Glauben und nicht im Schauen. Aber einmal werden wir erkennen, daß er die Fäden in der Hand hält, und zwar – das ist ja das Neue – erhöht wurde ein Mensch, nämlich der Mensch Jesus Christus. Als Gott war er ja immer schon in der Hoheit des Vaters, aber jetzt nach der Himmelfahrt ist er als Mensch in die Herrlichkeit und Erhabenheit des Vaters aufgenommen worden. Der Logos, der Mensch wurde, sitzt zur Rechten des Vaters. Er ist über die Engel erhaben, weil er eben durch die Verbindung mit der zweiten Person der Gottheit eine Würde hat, die weit, weit die Würde aller Engel übersteigt. Was tut er denn zur Rechten des Vaters? Er regiert die Welt, sagten wir eben. Er tut noch mehr: Er bereitet uns eine Heimat. Er ist vorausgegangen, damit auch wir Platz finden dort, wo er ist. Er geht hin, um uns eine Heimat zu bereiten. Und nicht nur dies. Er sendet das Beste, was er zu senden hat: Er sendet den Heiligen Geist. Aus seiner verklärten Natur strömt der Heilige Geist wie eine Wasserflut hervor. Nicht lange wird es dauern, dann können wir singen: Der Herr, der zur Rechten Gottes erhöht ist, hat uns den Heiligen Geist nicht nur verheißen, er hat ihn uns auch gesandt. Das also ist seine Erhöhung. Gott hat ihm einen Namen gegeben, der über allen Namen ist. Wozu? Damit sich im Namen Jesu jedes Knie beuge im Himmel, auf der Erde und unter der Erde, und jede Zunge bekenne: Jesus Christus ist Herr in der Herrlichkeit Gottes des Vaters.

Die Himmelfahrt ist voller Geheimnisse. Sie ist der Abschluß der Erscheinungen; sie ist die Heimkehr Jesu zum Vater; sie ist seine Erhöhung zur Rechten Gottes. Die Himmelfahrt ist auch für uns ein Tag der Freude, ein Tag der Freude – und diese Freude hat ein Dichter in folgender Weise ausgedrückt:

„Ich freue mich, Herr Jesus Christ,

daß du erhöht im Himmel bist.

Dort ist auch mir ein Ort bereit,

bei dir zu sein in Ewigkeit.

Die Welt mit ihrem Gram und Glücke

will ich als Pilger, froh bereit,

betrachten nur wie eine Brücke

zu dir, Herr, überm Strom der Zeit.“

Amen. Amen. Amen.

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