Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
1. November 1997

Das Hochzeitsmahl des Lammes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Selig, die zum Hochzeitsmahle des Lammes geladen sind!“ So haben wir eben vernommen aus der Heiligen Schrift Neuen Testamentes, aus dem letzten Buch, der Apokalypse des Apostels Johannes. Hier wird die Seligkeit, die Gott den Geretteten bereitet, mit einem Hochzeitsmahl verglichen. „Selig, die zum Hochzeitsmahle des Lammes geladen sind!“ Der Sinn ist natürlich der: Das, was höchste Freude, was höchsten Jubel, was höchstes Glück beinhaltet – beinhalten soll auf Erden, das ist in der Seligkeit des Himmels erfüllt. Denn beim Hochzeitsmahl ist man freudig gestimmt; beim Hochzeitsmahl sind die Gäste in einer gehobenen Festesstimmung. Alle wissen: Jetzt haben sich zwei Menschen gefunden, die sich in der innigsten Weise vereinigen sollen, wie es eben in einer guten Ehe der Fall sein kann.

Der Herr selbst vergleicht sein Wandeln auf Erden mit einer Hochzeit. Einmal machten die Pharisäer seinen Jüngern den Vorwurf: „Deine Jünger fasten nicht!“ Da gab er ihnen zur Antwort: „Ja, können denn die Hochzeitsgäste fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist?“ Der Bräutigam ist natürlich er selbst. Das bedeutet: Diejenigen, die zu ihm gehören, sind seine Braut. Johannes der Täufer weiß auch, daß Jesus der Bräutigam ist. „Wer die Braut hat, ist der Bräutigam“, sagt er. „Der Freund des Bräutigams steht dabei und freut sich, wenn er die Stimme des Bräutigams hört.“ Also auch Johannes dem Täufer ist bewußt, daß jetzt Hochzeit ist, nämlich wenn der Erlöser Jesus Christus seine Gemeinde um sich sammelt, wenn er seine Kirche bildet. Und schließlich lehrt auch der Apostel Paulus, daß Christus und die Kirche im Verhältnis wie Bräutigam und Braut zueinander stehen. Christus hat die Kirche geliebt und sich selbst für sie hingegeben. Er hat sie geliebt bis zum letzten Blutstropfen. Er hat seine Liebe mit Blut auf den Felsenboden von Golgotha geschrieben. Es ist keine unverbindliche Liebe, es ist eine opfernde, eine geopferte Liebe.

Christus ist der Bräutigam. Zwischen denen, die zu ihm gehören, und ihm besteht eine enge Gemeinschaft, so innig, wie sie in einer wahrhaft guten Ehe bestehen soll. Nein, noch viel inniger, als es in einer menschlichen Ehe überhaupt denkbar ist. Es ist das eine Gemeinschaft des Besitzes; denn der Herr teilt alles, was er besitzt, den Seinen mit. Er gibt ihnen die Gnade und die Wahrheit, das Köstlichste und Höchste, was er zu geben vermag. Es ist eine Gemeinschaft des Namens. Wir dürfen seinen Namen tragen. In der Apostelgeschichte steht der Satz: „In Antiochien fing man an, jene, die den Namen Jesu bekennen, Christiani zu nennen.“ Wir tragen den Namen von Christus. Wir sind auch eine Standesgemeinschaft mit ihm; denn er hat uns zu göttlicher Würde erhoben. Durch die Mahlgemeinschaft, die er mit uns hält, durch die heilige Kommunion erhebt er uns zu göttlicher Höhe, werden wir teilhaftig göttlicher Würde. Und es ist schließlich eine Ehrengemeinschaft. Christus hat in gewisser Hinsicht seine Ehre an uns geknüpft. Er kommt so weit auf Erden, wie wir ihn tragen. Er ist so angesehen auf Erden, wie wir ihm Ehre bereiten. Er hat seine Ehre an unser Tun oder Unterlassen gebunden.

Christus ist der Bräutigam. Die Kirche ist seine Braut. Sie ist gekleidet in reine, glänzende Leinwand. Das Linnenkleid sind die gerechten Werke der Heiligen. Die Braut ziert sich für ihre Hochzeit mit Rechttaten der Heiligen. Das ist also die Aufgabe, welche die Kirche als Braut des Bräutigams Christus hat: Sie soll sich zieren, sie soll sich schmücken, und zwar mit den Rechttaten der Heiligen, das heißt mit den guten Werken. Der Herr sagt es ja: „Die Menschen solle eure guten Werke sehen und dadurch den Vater im Himmel preisen.“

Das ist also unsere Aufgabe, die Kirche zu schmücken mit unseren Tugenden, mit unseren Rechttaten, mit unseren Anstrengungen und Kämpfen für die Wahrheit des Glaubens. Es hat in der Kirche immer viele Heilige gegeben. Die Kirche ist die Kirche der Heiligen. Sie ist die heilige Kirche. Der Himmel ist erfüllt mit Heiligen. In der Gegenwart ist oft das Bemühen festzustellen, und zwar auch von solchen, die sich zur Kirche rechnen, der Kirche ihre Fehler und Schwächen, ihr Versagen und ihre Mängel vorzuhalten. Fortwährend hört man von Untaten und von Missetaten, die Glieder der Kirche angeblich oder wirklich verrichtet haben. Gewiß, meine lieben Freunde, im Laufe der Kirchengeschichte haben viele Christen der Gnade und der Wahrheit nicht Zeugnis gegeben. Gewiß sind viele schwach geworden und in Sünden gefallen. Gewiß gibt es ein großes Versagen unter den Christgläubigen. Aber das ist nicht der Kirche anzulasten. Denn das Versagen und die Sünde stehen ja im Gegensatz zur heiligen Kirche. Die sündigen und die sich dem Bösen überlassen, handeln nicht nach den Weisungen der Kirche, sondern entgegen ihren Weisungen. Man kann nicht das, was im Gegensatz zur Lehre der Kirche steht, der Kirche zurechnen. Daß sich Menschen nicht an das halten, was die Kirche sagt, daß sie sich über die Wahrheiten des Glaubens hinwegsetzen, daß sie das süße Joch der Gebote von sich werfen, das ist nicht der Kirche anzulasten. Vielmehr schänden sie mit ihrem Tun und Unterlassen die heilige Kirche. Aber noch einmal: Es ist nicht die Kirche, die in ihnen wirkt. Es ist der Widersacher der Kirche, dem sie sich dienstbar gemacht haben.

Wir haben keinen Anlaß, die Kirchengeschichte als eine Kette von Skandalen zu betrachten. Die Kirche hat in ihren 2000 Jahren unendlich viel Segen über diese Erde gebracht. Millionen und Abermillionen von Menschen haben sich an die Wahrheit und an die Gnade ausgeliefert, haben in der Kraft der Gnade ein schweres Leben auf sich genommen, sind durch die Wahrheit vom Irrtum abgegangen.

Die Kirchengeschichte ist auch eine Geschichte der Schönheit, der Reinheit, der Tapferkeit, ja des Heldenmutes und des Edelmutes. Und diese Zeiten sind nicht vergangen. Nein, meine lieben Freunde, auch heute gibt es in der Kirche unendlich viele Menschen, die sich bemühen, dem Willen Gottes entsprechend zu leben. Auch heute gibt es, und wir wissen das, wir Beichtväter und wir Berater der Seelen, wir wissen es, ein herrliches Bemühen unter den Menschen. Wir wissen, wie die Menschen ihre Fehler bekämpfen, wie sie sich anstrengen, dem Willen Gottes gemäß zu leben. Wir wissen es. Wir sind Zeugen dafür, daß auch heute die heilige Kirche lebt! Wie viele Menschen tragen ein Kreuz, ohne zu klagen und zu jammern. Wie viele Menschen leben ein armes, bescheidenes Leben, obwohl sie sich, wie man so sagt, alles gönnen könnten. Wie viele Menschen sind in Hilfsbereitschaft den Nöten ihrer Mitmenschen zu Hilfe gekommen. Wo sind denn die Erdölmilliardäre der mohammedanischen Staaten, wenn sich Katastrophenfälle in Afrika und Asien ereignen? Dann liest man immer nur, daß die christlichen Staaten Europas zu Hilfe kommen. Diese Erdölmillardäre bauen Moscheen überall, aber der Not und des Hungers nehmen sie sich nicht an. Es sind die Christen, es sind auch heute die Christen, denen die Not der Welt am meisten zu Herzen geht und die Hilfe leisten. Wir haben keinen Anlaß, uns vor den Vorwürfen unserer Feinde zu verstecken. Die Kirche ist auch heute die heilige Kirche, heilig nicht nur durch die Gnade und Wahrheit, sondern heilig auch durch ihre heiligen Glieder.

Freilich wollen wir uns bei dieser Aussage nicht beruhigen. Wir wissen, daß wir noch viel zu tun haben, daß es bei uns noch weit fehlt, daß wir unsere Anstrengungen verdoppeln müssen und daß wir keine Ruhe finden dürfen, bis wir die Gestalt in uns herausgearbeitet haben, die Gott in uns sehen will. Wir sollen als Vollendete in die Seligkeit eingehen. Darum muß der Tag Allerheiligen ein Aufruf sein, ein Aufruf, alle Müdigkeit und Trägheit hintanzustellen, unser Leben rastlos und unermüdlich im Dienste Gottes zu führen, keine Ruhe zu suchen, bis wir sie einmal finden in der Seligkeit des Himmels, dann, wenn das Hochzeitsmahl des Lammes auch für uns gekommen ist.

Amen.

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